Geschichten Oktober - Dezember 2018 » Der Prinz und sein Sklave

Name:
Alter: 200 Jahre
Rasse: geborener Vampir

Name: Michel
Alter: 19
Rasse: Mensch

Michel sah auf. Mein Herr hatte mich hierher gebracht, ohne einen Grund zu nennen. Nun standen sie hier, vor einer kalten Festung. Ich erschauderte. "Was wollen wir hier?" fragte ich, merkte, dass ich nervös war. Wie so oft erhielt ich keine Antwort. Ein eisiger Blick traf mich. Ich wusste, dass ich wieder zu weit gegangen war. Ich war immerhin ein Sklave, wertlos, ein Eigentum. Dennoch hatte ich einen Willen. Anders, als die anderen Sklaven, die ich gesehen hatte. Ihre leeren Blicke hatten mich geschockt. Ich war...anders. Meine Augen funkelten, zeigten, dass ich meinen Willen nicht einmal ansatzweise verloren hatte. Mein Herr war eigentlich immer 'nett' gewesen. Zumindest hatte er mich nie vergewaltigt. Ja, ich war noch unberührt. Ungewöhnlich wenn man mein Alter betrachtete. Aber ich war stolz darauf, Jungfrau zu sein. Ich riss mich wieder aus den Gedanken, als mein Herr an der Eisenkette um meinen Hals zog. Ein stummer Befehl, ihm zu folgen. Ohne eine weitere Frage zu stellen, folgte ich ihm. Die Tore öffneten sich, als wir näher kamen. Zwei Wachen, die in schwarzen Rüstungen steckten, salutierten. Ich erhaschte einen Blick durch die Helme auf die Gesichter der beiden Wachen. Besser gesagt auf die Augen. Diese musterten mich eiskalt. Ich beeilte mich, mit meinem Herrn Schritt zu halten. Es war dunkel in der Festung. Erneut erschauderte ich. Mein Herz raste, doch ich wusste nicht wieso. War ich aufgeregt? Oder hatte ich Angst? Ich warf meinem Herrn erneut einen Blick zu. Doch dieser sah stumm nach vorne. Wir durchquerten einen großen Saal und abermals erblickte ich zwei Wachen. Wie die bei den Toren salutierten sie und dann traten wir in einen riesigen Raum. In der dessen Mitte befand sich ein edler Thron. Mein Herr kniete nieder. Er riss grob an der Kette und zwang mich, ebenfalls zu knien.

Lord Karmen
"Mach mir keine Schande" war alles, was ich meinem Sklaven auf die vielen aus- und unausgesprochenen Fragen antwortete. Ein wenig bereite ich es, seinen Willen nicht gebrochen, nicht ausgelöscht zu haben. Aber so war Michel ein sehr viel wertvolleres Geschenk für den Prinzen. Meine guten Kontakte zum Königshaus gewährten mir tiefe Einblicke. Ich wusste, das ein Machtwechsel kurz bevorstand und wer, wenn nicht der Erstgeborene meines Herren würde ihm auf den Thron folgen. Ich wusste aus eigener Erfahrung, wie anspruchsvoll der Prinz war, dass ihn gewöhnliche Sklaven langweilen und er niemals direkt ab der Quelle trank.
Die letzten 100 Jahre versuchte ich ein perfektes Geschenk zu erschaffen, einen Sklaven zum absolutem Gehorsam zu erziehen ohne seinen Willen zu brechen. Es war nicht einfach, da ich sowohl seine körperliche Unversehrtheit, wie auch seine Unschuld bewahren wollte. Alls ich in Besitz von Michels Vater kam, überwand ich meine persönlichen Unzulänglichkeiten und liess ihn einen Sohn mit meiner Lieblings-Sklavin zeugen. Beide waren sie von dem verloren geglaubten Blut der Vampirjäger.
Dieses besondere Blut floss in unverfälschter Reinheit durch Michels Adern.
Als wir den Palast, die dunkle Festung des Vampirkönigs erreicht hatten und ich meinem Herren meine Aufwartung machte gab er sich erfreut über meine Anwesenheit. Immerhin hatte ich den weitesten Weg und war schon seit Tagen unterwegs. Es war noch reichlich Zeit bis zu den Festivitäten und liess mich nur allzu gerne auf eines der Gästezimmer bringen. Mir wurde sowohl ein gewandelter Vampir, wie auch eine besonders hübsche, weibliche Sklavin zugeteilt.
Michel bekam die Anweisung sich auszuruhen und zu essen. Ich selbst stärkte mich mit dem Blut der schönen Frau und begab mich danach mit dem Nachtwandler, so nannten wir geborenen Vampire die Gewandelten, in Bad um mich frisch zumachen. Die Sklavin blieb bei Michel zurück.

Michel
Ich sah meinem Herrn hinterher. Ich solle ihm keine Schande machen? Was hatte er vor? Ich atmete tief durch, dann sah ich mich um. Ich seufzte leise. Ich beschloss, die Anweisung zu befolgen und ruhte mich aus. Essen wollte ich nicht. Aus irgendeinem Grund hatte ich keinen Hunger. Immer noch gingen mir die Worte meines Herrn nicht aus dem Kopf. Was hatte er damit gemeint? Es hatte sich ja fast so angehört, als würde er mich loswerden wollen. Wollte er das etwa? Hatte ich etwas falsch gemacht? Nachdenklich starrte ich an die Decke. Ich seufzte erneut leise. Dann erhob ich mich und trat ans Fenster. Ich sah hinaus und blickte nachdenklich in die Ferne. Die Sonne ging gerade unter. Ich hatte es nicht glauben können, doch die Gegend um die Festung schien noch dunkler als ohnehin schon zu werden. Ich drehte mich wieder um und sah mich erneut um. Immer noch hatte mir niemand erklärt, was hier vor sich ging. Ich lehnte mich an die Wand und blickte in Gedanken versunken an die gegenüberliegende Wand. Die Sklavin hatte ich bis jetzt nicht beachtet. Nun jedoch sah ich zu ihr. Ob sie wusste, was mein Herr vor hatte? Warum sollte sie?, fragte ich mich sofort. Sie ist doch nicht seine Untergebene. Dennoch wollte ich wissen, was los war. Warum war ich hier? Warum sagte man mir nichts?

Die Sklavin sass auf dem Boden und lehnte sich erschöpft an die Wand. Michel war noch nie gebissen worden. Er wusste nicht wie schmerzhaft und ermüdend es war, wenn von einem getrunken wurde. Sie beobachtete den jungen Mann. "Möchtest du denn nichts essen?" Sie wies auf die Köstlichkeiten auf dem Tisch. "Du musst doch hungrig sein, nach der langen Reise aus dem Süden hier her. Ich habe gehört Lord Karmens Herrschaftssitz läge direkt am Meer. Stimmt das? Hast du es gesehen? Das Meer meine ich."
Sie lächelte verlegen. "Entschuldige, ich rede zu viel. Das passiert mir oft, wenn ich müde bin."

Ich legte den Kopf schief. "Ich bin nicht wirklich hungrig! Ja, ich sah das Meer. Ein paar Mal zumindest..."Bei den Gedanken ans Meer musste ich lächeln, denn immer, wenn ich dort war, fühlte ich mich frei. "Wenigstens redet jetzt wer mit mir!" seufzte ich. "Ich weiß immer noch nicht, was hier los ist!" Ich hoffte, sie würde mir irgendetwas erzählen können. "Weißt du es?" fragte ich nach einer Weile unsicher. "Warum bin ich hier?" Und warum soll ich meinem Herrn keine Schande machen?, fügte ich in Gedanken hinzu. Ich sah auf, als ich Schritte hörte. Ob sie vorbei gehen würden? Oder war da jemand, der zu uns ins Zimmer wollte? Ich richtete mich richtig auf. Ich wollte Antworten. Und ich würde sie bekommen, früher oder später.

Die Sklavin die einige Jahre älter war als Michel lächelte freundlich. "Ich nehme an, wegen dem Geburtstag des Prinzen. Alle 12 Stellvertreter des Königs und viele Adelige sind mit ihrem Gefolge angereist."
Bevor sie weiter reden konnte, kehrte Lord Karmen zurück. Er sah frisch und erholt aus. Mit einem strengen Blick musterte er Michel. "Du siehst schrecklich aus. Geh dich waschen. Ich lass dir Kleidung bringen."

Als Michel aus dem Bad kam, war die Sklavin fort und auch der Nachtwandler. Er war mit seinem Herren alleine. Die Kleidung die er bekommen hatte war sehr edel für einen einfachen Sklaven. Sein Herr zupfte noch etwas an ihm herum, machte ihm die Haare und führte ihn dann in die grosse Festhalle. "Ich will keinen Ton von dir hören."

Der grosse Saal war für meines Vaters Verhältnisse sehr festlich geschmückt. Die Stimmung war gelassen. Die Gäste amüsierten sich. Einzeln wurden sie uns angekündigt, traten vor, übergaben ihre Geschenke und mischten sich dann unter die Leute. Wie erwartet häuften sich edle Kleidungstücke und andere Kostbarkeiten, auch ein Pferd war mir übergeben worden, ein sehr schönes, edles Tier. Womöglich würde ich es behalten. "Versuch doch wenigstens so zu tun, als würdest du dich freuen und Spass haben" bat mein Vater flüsternd. "Ich bemühe mich, Vater, wirklich" versicherte ich und versuchte zu lächeln. Da erklangen die Fanfaren und Lord Karmen aus dem südlichsten Herrschaftsgebiet betrat den Raum. Er kam mit seiner Familie und seinem Gefolge. Ein sonderbarer Geruch stieg mir in die Nase. Er kam von einem der Sklaven. Offenbar war ich nicht der Einzige dem er auffiel. Mein Vater erhob sich, was ungewöhnlich war, meine Mutter und Mutter tat es ihm gleich. Viele der Gäste verstummten, während meine Geschwister mir fragende Blicke zuwarfen.

Gehorsam stand ich hinter meinem Herrn. Ich wartete leise. Ich bemerkte, dass die meisten Gäste verstummt waren. Was hatten die denn? Ich unterdrückte den Drang, meinen Herrn danach zu fragen. Ich blieb still. Mein Blick wanderte durch den Saal. Mein Blick glitt nach vorne. Mein Blick war voller Leben, doch ich schwieg weiterhin. Hatten die Anwesenden bemerkt, dass ich meinen Willen nicht verloren hatte? Einige Blicke zeigten dies. So sah man mich oft an, wenn man erkannte, dass ich nicht willenlos war. Ich war nur gut 'erzogen'. Ein paar Momente herrschte noch eine seltsame Stille, dann begannen einige Gäste flüsterten miteinander. Ich wollte es mir nicht eingestehen, doch ich war nervös. Ich atmete tief durch, dann sah ich unsicher zu meinem Herrn. Ich zwang mich, entspannt zu wirken.

Lord Karem verbeugte sich tief erst gerade aus, zu meinem Vater, dann drehte er sich mir zu. "Meinen Glückwunsch zum Geburtstag, eure Hoheit." Er legte eine Pause ein, welche die Spannung heben sollte. "Hier, mein Geschenk."
Irgendwie ahnte ich es. Lord Karem schenkte mir einen Sklaven, genau wie er es vor 100 Jahren tat. Ich stand auf und hätte meinem Unmut laut kund getan, hätte mein Vater mir nicht die Hand auf die Schulter gelegt und das Wort ergriffen. "Ein ungewöhnliches Geschenk, das mein Sohn leider nicht zu schätzen weiss. Noch nicht."
Was meinte er damit? Ich würde ihn danach fragen, nach dem Fest.
"Vergebt mit, Lord Karmen" sprach ich, nachdem ich mich beruhigt hatte. "Ich bin sicher, euer Geschenk wird mir grosse Freude bereiten."
Der Lord grinste breit. "Das wird es, zweifellos."
Ich hasste es wenn man in Rätseln sprach. Aber ich würde schon noch erfahren, was so besonders an diesem Sklaven war, diesem willenlosen Zombie, der schon so oft benutzt wurde, dass ich mich vor seiner blossen Anwesenheit ekelte.
Ich wollte ihn nicht hier haben, nicht an meiner Geburtstagsfeier. Ich wies meinen Diener an, ihn weg zu bringen und sich um ihn zu kümmern.

Ich erstarrte kurz. Ich war ein Geburtstagsgeschenk??? Stumm folgte ich dem Diener. Bevor wir den Saal verließen, erhaschte ich noch einen Blick von meinem neuen Herrn. Es war deutlich zu sehen, dass er nicht begeistert war. Ebenso wenig wie ich.
Ich wandte den Blick ab, verfluchte meinen ehemaligen Herrn. Warum hatte er es getan? Hatte er mich schon immer los werden wollen?
In mir keimten Zweifel auf. War ich so ein mieser Sklave gewesen?
Still ging ich weiter. Aber ich musste zugeben, dass ich neugierig war. Ich wollte wissen, warum ich als Geburtstagsgeschenk endete. Und warum mein neuer Gebieter nichts von mir zu halten schien.
Ich sah mich mal wieder um. Ich schwieg immer noch.
Ungewohnter Weise war ich entspannt. Vielleicht würde mein Leben hier ebenso 'gut' sein wie bisher. Immerhin hatte ich noch nie wirklich schlechte Erfahrungen gemacht. Warum ich dann als Sklave lebte? Ich kannte es nicht anders.
Mein Blick richtete sich auf den Diener. Auch er schwieg.
Wir schritten durch die kalten Gänge und sprachen kein Wort.

"Mein Name ist Melan" begann der Diener während er vor dem Sklaven herging. "Du solltest ihn dir gut einprägen."
Er führte Michel in eine dunkle Zelle tief unter der Festung. "Du wirst hierbleiben, bis mein Herr nach dir verlangt. So wie ich ihn kenne, wird das sehr lange dauern, wenn überhaupt." Er schloss die Tür, nicht in erster Linie um den Sklaven ein, sondern um alle anderen auszusperren. Der Geruch des Sklaven war für viele zu verlockend und solange der Prinz ihn nicht wollte, war er Freiwild. "Nimm es nicht persönlich. Mein Herr lehnt jeden menschlichen Sklaven ab."

Prinz Azrahl
Ich verliess das Fest, sobald es die Etikette es erlaubte und zog mich in meine Gemächer zurück. Ich war wütend und aufgebracht. Ich wollte niemanden mehr sehen, nicht meinen Diener und schon gar nicht diesen Sklaven. Ich zog mich alleine aus und legte mich auf mein Bett. Den Stoffhimmel betrachtet erinnerte ich mich an den Tag vor 100 Jahren zurück. Am liebsten hätte ich Lord Karmen damals schon getötet.

Ich hörte Melan zu. Sein- Unser- Herr lehnte menschliche Sklaven ab? "Warum?" wollte ich wissen. Ich lehnte mich an die Wand. Aus irgendeinem Grund wollte ich mehr wissen. Ich war doch da um zu dienen, oder etwa nicht? "Vielleicht..." begann ich nachdenklich. "Würde ich die anderen auch ablehnen...Immerhin haben die meisten keinen Willen mehr. Ich hasse Sklaven, die sich selbst aufgeben."

Ich lächelte leicht. "So etwas ist erbärmlich. Man sollte seinen Stolz behalten, auch als Sklave, findest du nicht?" Ich wusste nicht, warum die anderen so auf mich reagierten. Ich meine...mein Blut war doch normal. Ich legte den Kopf schief und sah Melan an. "Aber das ist nur die Meinung eines Sklaven, nicht wahr?" Eine leichte Ironie lag in meiner Stimme. Mein Blick fiel auf die anderen. Sie sahen mich gierig an. Ich legte den Kopf leicht schief. Fast hätte ich sie gefragt, warum sie mich so anstarrten.

Melan hatte Michel nicht angesehen, nicht einmal, doch als er die Stimme erhob und Fragen stellte, sah er ihn an mit einem Ausdruck von Schrecken und Überraschung. "Du... Komm hier her ans Gitter."
Der Sklave besass einen eigenen Willen. Unmöglich. Wenn er nicht gebrochen wurde, war er kein Sklave und würde nicht gehorchen. Menschen mit einem freien Willen unterwarfen sich nicht. Sie kämpften bis sie irgendwann aufgaben.

Zögernd gehorchte ich. "Was?" fragte ich. Was war denn jetzt los? Hatte ich etwas ungewöhnliches gesagt? Warum reagierte Melan so auf meine Worte? Er hatte doch so teilnahmslos gewirkt. Hatte ich mich geirrt.
Ich sah ihn still an.
Was würde er tun? Was hatte er vor? Würde er mich für meine 'frechen' Worte bestraft, obwohl diese großteils Feststellungen waren?