Geschichten Januar - März 2019 » Augen und Herz

Cocoon fiel. Es fiel in atemberaubender Geschwindigkeit, verraten von den Fal'Cie, die es eigentlich in der Schwebe halten sollten. Millionen und abermillionen Menschen, dem Tode geweiht.
Und dann erschien sie, die göttliche Bestie: Ragnarök, die vor einem Jahrzehnt ein Loch in die Welt im Himmel geschlagen hatte, würde in fünf Jahrhunderten erneut in Erscheinung treten, denn die Töchter der Göttin hatten eine neue Bestimmung an sich genommen. Aus der Lava im Grund der heiligen Erde von Grand Pulse erhoben sie eine gewaltige Kristallsäule, die den fallenden Satteliten auffing und sicher in ihre glitzernde Umarmung schloss. Und sechs Sterne - sechs L'Cie, erhielten den Segen der Göttin. Land und Himmel waren nach Jahrhunderten des Krieges und der Trennung wieder vereint. Alles war gut.

Yamuh öffnete die Augen. Die Vision, klar wie das Licht des Tages, verblasste vor seinem geistigen Auge, doch fand sie den Weg durch seine ausgestreckte Hand in das Orakelmodul und wurde dort gespeichert. Das kleine Gerät passte in eine Hand, war ein kunstvoll verziertes Hexagon, das in ganz Paddra als das Instrument seiner Visionen verehrt wurde. Und warum er verehrt wurde... naja...
Der junge Seher trat ans Fenster des Palastes und beobachtete, wie die Handelsschiffe über den Himmel zwischen den Hochhäusern Paddras kreuzten. Die Stadt, die verborgen in den Schluchten und Plateaus des Yaschas Massivs lag, war außer über den Luftweg kaum zu erreichen, jedenfalls nicht mit Fahrzeugen und auch zu Fuß nur mit Mühe. Sie waren die erste Zivilisation auf Grand Pulse und mit Abstand die fortschrittlichste. Doch mit den modernen Wundern, die er durch seine Visionen im am Himmel schwebenden Cocoon gesehen hatte, verblassten alle Erkenntnis der stolzen Stadt im Nichts. Von seinem Balkon aus blickte er hinunter, wo die Anwärter seiner Leibwache trainierten, um sich für den Kampf zu rüsten. Immerzu waren sie bereit, nur um ihn zu beschützen vor den zahlreichen blutrünstigen Bestien Grand Pulses oder vor Angreifern. Ein jeder hoffte, eines Tages die Gelegenheit zu erhalten, der nächste Wächter zu werden. Ein albernes Gesetz, das verlangte, dass es nur einen geben durfte, der die Kraft des Chaos erhalten würde, um ihm zu dienen. Und dazu musste man den aktuellen Wächter töten.
Wo er gerade an Caius dachte...

Yamuh erblickte den stolzen Krieger auf einer tieferen Ebene. Sicher trainierte er oder kümmerte sich um die Sicherheit. Denn in der Stadt war Unruhe ausgebrochen. Seit seiner verhängnisvollen Vision war die Stimmung in Paddra gekippt und mit einem krauchenden Gefühl der Angst dachte Yamuh an den herannahenden Ruin, der über sie kommen würde wie ein Heuschreckenschwarm. Sie alle wussten, dass der Untergang kommen würde. Auch, wenn noch keiner wusste, wie. Doch er bekam langsam so eine Ahnung. Noch war es allerdings nicht so weit. Noch nicht...
Lächelnd beobachtete Yamuh seinen unsterblichen Wächter. Er hatte darauf bestanden, wenigstens ein paar Stunden weg von ihm sein zu können. Immerzu stand Caius an seiner Seite, unermüdlich. Das wurde, auch wenn man es gewöhnt war, mit der Zeit ein wenig lästig und so hatte er es Caius nach langer Diskussion aus den Rippen geleiert. Man sah es ihnen vor dem Volk nicht an, denn der Wächter war ein treuer Diener. Doch war er auch ein Vollstrecker der Regeln und allzu oft hatte Yamuh sich ihnen zu beugen, wie es alle anderen vor ihm getan hatten. Das war manchmal frustrierend, doch wie jeder gute Seher behielt er seinen Unmut für sich. Er nahm Caius seine Art nicht übel. Und das, obwohl ihn der unsterbliche Wächter von seinen Eltern geholt hatte, kaum dass er das erste Wort gesagt hatte. Seine Eltern hatten sich geweigert, ihm das Sprechen beizubringen und waren um ihn her immerzu still gewesen. Doch dann, als er vier Jahre alt gewesen war, da hatte er doch ein Wort mitbekommen und es prompt nachgeplappert. Und kaum war "Mama" über seine Lippen gekommen, hatte es an die Tür gehämmert. Eine traurige Erinnerung, die im Nebel versank. Doch so war es eben, das Gesetz der Zeitenseher. Bindungen waren ihm als Seher nicht gestattet, ebenso natürlich, wie Kinder zu zeugen. Er lebte für seine Aufgabe. Und obwohl er beinahe nichts über Caius wusste (erstaunlicherweise, kannten sie einander doch ihr ganzes Leben), standen sie seit Jahren Seite an Seite. Er war sein engster Vertrauter, trotz allem.

Lächelnd trat er durch eine Halle, in der klare Brunnen und Wassergräben für Verschönerung der Gemäuer sorgten und hielt an der Tür inne. Im Schulzimmer des Palastes hörte er die Stimme des Schulmeisters, wie er die Kinder aus der Stadt unterrichtete.
"Aber Meister", rief gerade ein frech klingender Junge, "Heißt das, der Seher ist immer derselbe?" Die schmunzelnde Stimme des Alten vibrierte vor Amusement. Diese Frage hatte er schon oft beantwortet.
"Aber nein, Shoji! Man sagt, jeder Seher ist eine eigenständige Person! Einer liebte das Theater. Einer war ein famoser Schütze und Liebhaber von Raubvögeln. Einer soll sogar eine Vorliebe für Witze gehabt haben!"
"Und der Wächter kann sich die alle merken? Von Anbeginn der Zeit an?"
Gute Frage. Konnte er das? Yamuh war es schon oft aufgefallen. Wenn er an seine Vorgänger dachte, war er wahrlich nichts Besonderes. Er saß immer brav auf seinem Thron und ging seinen Aufgaben nach. Ein besonderes Markenzeichen, das ihn auszeichnete, besaß er nicht. Er sah aus wie die früheren. Ohne Zweifel war er für Caius nur einer von vielen.
Dann, plötzlich, durchfuhr ihn ein Blitz. Mit schmerzverzerrtem Gesicht sank er an der Wand hinter der Tür zu Boden, für alle Anwesenden unsichtbar.
Mit Mühe hielt er den Würgreiz und die Tränen zurück. Denn Shojis leerer toter Blick war vor seinem inneren Auge zum Himmel gerichtet, während die Welt um seine Leiche herum brannte...
Es würde nicht mehr lange dauern.


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Name: Paddra Nsu Yamuh (Bed.: Yamuh von der Familie der Nsu aus Paddra)
Alter: 16 Jahre
Geschichtliches: Yamuh ist der letzte aus der immerwährenden Reihe an Reinkarnierten Yamuhs, die mit den Augen der Etro gesegnet sind. Auch wenn er immer wiedergeboren wird, ist doch jeder Yamuh eine eigene Persönlichkeit mit einem eigenen Leben, eigenen Vorlieben und Zielen. Doch sie alle haben eines gemeinsam: Keiner wurde älter als zwanzig Jahre, denn die Visionen der Zukunft werden gespeist aus ihrer Lebenskraft. Auch den aktuellen Yamuh wird dieses Schicksal ereilen, wie alle vor ihm.
Man sagt, dass die Seher irgendwann in ihrem Leben eine Vision ihres Todes haben. Doch es ist ihnen durch das Gesetz der Zeitenseher strikt untersagt, den Zeitverlauf zu ändern, um ihr eigenes Leben zu retten, denn damit könnten sie unweigerlich viele andere zu Tod und Elend verurteilen. Yamuh selbst hatte allerdings noch keine solche Vision.
Er ist ein freiheitsliebender Mensch, der sich durch viele Regeln und Obligationen eingeengt sieht, ihnen jedoch gehorsam und vorbildlich nachkommt, da er weiß, dass es seine Pflicht ist. In schwächeren Momenten findet er sein Los jedoch sehr unfair und er bedauert es, dass er sich scheinbar nicht von all seinen Vorgängern abzuheben vermag.

Aussehen:

Name: Caius Ballad
Alter: So alt wie die Zeit
Geschichtliches: Caius Ballad ist in gewisser Weise für den korrekten Fluss der Zeit verantwortlich, indem er Anomalien und Störungen ausgleicht, die durch das Zeitreisen ausgelöst werden. Er ist der Wächter aller bisherigen und zukünftigen Zeitenseher, was ihn zugleich unsterblich macht. Forscher haben in den Paddra-Ruinen herausgefunden, dass ihn die Göttin Etro dazu auserkoren hat. Seit dem erfüllt er seine Pflicht mit einer unerschütterlichen Überzeugung und Hartnäckigkeit, die ihn niemals ruhen lassen. Wie ein Schatten folgt er dem Zeitenseher auf Schritt und Tritt, sorgt für dessen Sicherheit und Wohlbefinden. Niemals käme ihm in den Sinn, sein Schicksal in Frage zu stellen oder den Zeitenseher zu hintergehen... Er ist eine von Grund auf loyale Kreatur, die den Schwartkämpf wie kein anderer beherrscht. Keiner wagt es, sich mit ihm anzulegen - wenn doch, dann endet dies meistens äußerst tragisch für den Herausforderer. Um an der Seite des Zeitensehers nicht aufzufallen, ist er für gewöhnlich in dunkle Gewänder gekleidet. Darunter trägt er seine Rüstung, die Legenden zufolge von göttlichen Mächten geschmiedet wurde. Viele Mythen und Sagen ranken sich um seine Person. Was genau davon der Wahrheit entspricht, vermag nur er zu sagen. Leider gehört er nicht der redseligen Sorte an, weshalb ihm selten nach Plaudern zumute ist. Daher wird der Wächter ewiglich ein Rätsel für all jene sein, die nicht zu seinen engsten Vertrauten gehören.

Diese Narren. All diese jungen Männer waren tatsächlich davon überzeugt, ihn, den Wächter, eines Tages besiegen zu können, wenn sie nur lange und hart genug trainierten. Lächerlich. Zu gerne würde er ihre albernen Träume mit einem Schlag zunichte machen, doch er ließ ihnen die Illusion, die ihnen die nötige Kraft verlieh, das harte Training im Lager durchzustehen. Weil es seine Aufgabe war, ihnen das Kämpfen beizubringen, wies er sie an, selbst wenn er keinen Sinn darin sah. Schließlich würde keiner von ihnen in der Lage sein, es mit ihm aufzunehmen. Er war ein geborener Krieger. Eine übernatürlich starke Maschinerie des Todes, die keine Konkurrenz an ihrer Seite duldete. Wer auch immer sich dazu anmaßte, ihn herauszufordern, würde seine Klinge zu schmecken bekommen, die geradezu danach lechzte, größenwahnsinnigen Proleten das Herz zu durchstoßen. Wie sehr es ihn anwiderte, die Hoffnung in den Augen der jungen Männer funkeln zu sehen als wären sie wahrhaftig der Meinung, ihn zu Boden ringen zu können. Pah, allesamt törichte Narren! Mit unterkühlter Gelassenheit beobachtete er das Treiben auf dem Platz. Die unkoordinierten Duelle und das Platztiergehabe testosterongesteuerter Jünglinge, die kaum die nötige Disziplin besaßen, um diesen ehrenhaften Posten auszufüllen, gingen ihm gehörig auf die Nerven. Sein gleichgültiger Blick schweifte über die Szenerie. Verachtung machte sich wie ein bitterer Geschmack auf seiner Zunge breit. Für wahr, er konnte schmecken, was die Luft verpestete. Ein kaum erkennbarer Zug des Ingrimms umspielte seinen rechten Mundwinkel. Etwas stimmte nicht. Etwas, war aus dem Gleichgewicht geraten. Die Unruhen, welche unterschwellig durch die Straßen und Gassen waberten wie eine unheilsame Krankheit, nahmen von Tag zu Tag an Intensität und Impertinenz an. Er könnte sie beenden. Mit einem mal. Doch dafür müsste er die gesamte Zivilisation auslöschen, was dem Zeitenseher nicht gefallen würde. Daher übte er sich in Geduld wie ein viel zu verständnisvoller Vater, der die Launen seiner Zöglinge bedingungslos ertrug. Tatsächlich hatte er für die Machenschaften der Menschen kein Verständnis. Wenn es nach ihm ginge, hätte er sie längst vernichtet. Dies war jedoch nicht das, was die Götter für die Menschheit vorgesehen hatten, weshalb er sich deren Willen beugte, auch wenn es ihm noch so schwer fiel.
Wieder wurde ihm unbehaglich. Als schlüge eine unsichtbare Faust auf ihn ein, die ihn dort hin prügeln wollte, wo er wirklich gebraucht wurde. Es war sein Pflichtgefühl, das sich stets mit einer Penetranz meldete, die mit Leichtigkeit alles andere um ihn herum übertönte. Je weiter er vom Zeitenseher entfernt war, desto stärker war dieses wuchtige Gefühl. Es gefiel ihm nicht, den Zeitenseher allein zu lassen. Wenn dieser jedoch darauf bestand, dann blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zu entfernen. Jetzt aber konnte und wollte er sich nicht länger von dem Jungen fern halten. Sein Körper hatte sich schlagartig in Alarmbereitschaft versetzt. Wie ein Panther auf der Jagd schnellte er vor und begab sich im Marschschritt in die Halle, wo er den Zeitenseher zurück gelassen hatte. Sein Instinkt hatte ihn nicht getäuscht, denn der Junge machte wahrhaftig den Anschein, nicht in bester Verfassung zu sein. Eilig trat er an diesen heran und half ihm vom Boden auf. Wortlos. Schweigsam. Denn er sprach nicht, wenn er nicht dazu aufgefordert wurde. Zudem waren Worte oftmals überflüssig aufgrund der mentalen Verbindung, die zwischen Wächter und Zeitenseher bestand. Falls Yamuh mit seinem Wächter reden wollte, dann sollte er dies tun. Bis dahin würde er ihm wie immer eine Stütze sein.

Es gab viele Legenden um Caius Ballad. Natürlich, denn die Menschen dachten sich gern Geschichten über Dinge aus, die sie nicht verstanden. Man behauptete, Caius könne sogar einen mächtigen Fal'Cie bezwingen. Eine Vorstellung, die auf den ersten Blick erschreckte, für Yamuh jedoch nicht ungewöhnlich war. Entgegen der anderen Menschen kannte er durch die Blicke in die Zukunft das wahre Gesicht der gottgleichen Maschinen. Und auch ihr Schicksal. Er fand es nicht schrecklich, er fand es beruhigend, diese Macht in seinem Wächter zu wissen. Man konnte Caius, ohne zu übertreiben, wohl als das mächtigste Wesen auf Grand Pulse bezeichnen. Zunächst war da das Herz des Chaos, das ihm von der Göttin Etro in ihrer Gnade verliehen worden war. Ein Segen und ein Fluch zugleich, wie man hörte. Und als der Wächter des Sehers hörte er sämtliche Prophezeihungen, die je ausgesprochen wurden. Wenn es je eine Person gegeben hatte, außer Etro selbst, die den Blick auf die gesamte Zeitlinie besaß, so war dies Caius.
Nur ein einziger Mann sollte ihn einst beinahe bezwungen haben. Doch noch ehe der Todesstoß ausgeführt worden war, hatten Monster den damaligen Seher angegriffen und der Fremde hatte in der Verteidigung sein Leben gelassen. Angeblich hatte der unsterbliche Wächter aus Respekt für die Hingabe des Verstorbenen dessen Namen angenommen. Doch auch den Wahrheitsgehalt dieser Legende konnte man nicht überprüfen. Er war ein Enigma, selbst für ihn, Yamuh.

Er hätte es eigentlich wissen sollen, dachte er, als ihm von dem hochgewachsenen Krieger aufgeholfen wurde. Er war immer da, wenn er in Schwierigkeiten steckte, einem Schutzengel gleich oder eher einem Schatten. Denn Caius hatte so wenig von einem Engel wie ein Frosch mit einer Gazelle gemein hatte. Eine Düsternis umgab ihn, die er vermutlich auch hingebungsvoll pflegte. Seine Abneigung gegen andere Menschen war für Yamuh kein Geheimnis, auch wenn sie ihn traurig stimmte. Ja, man konnte Angst vor dem Wächter haben, selbst als dessen Schützling. Sich heimlich in die Stadt zu schleichen, um sich etwas Spaß zu gönnen? Das hatte der junge Seher wahrlich nur ein einziges Mal gewagt. Das ganze Volk der Zeitenseher, also das Volk, das in Paddra residierte, verfügte nicht über ein Individuum, das so furchteinflößend sein konnte.
"Danke...", murmelte er benommen. Das war der Nachteil an den Augen der Etro. Nicht nur entzog ihm jede Vision einen Teil seines Lebens, sie ließen sich auch nicht schließen. Er hatte keine Wahl, als die Blicke in die Zukunft zu empfangen, ganz egal wie diese aussahen oder welche Schrecken sie preisgaben. "Danke, es... Es geht mir gut..."
Sanft entzog er sich dem Griff des Mannes, den er schätzte und auf seine Art mochte, dessen dreuender Schatten jedoch allzeit auf sein Antlitz fiel und beengend werden konnte.
"Wirklich!" Der Seher lächelte. Er hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, den Dialog allein zu führen, weil sein Wächter so gut wie nie sprach. "Jetzt tu nicht so, als würde ich gleich tot umfallen. Mir geht's gut!" Leichtfüßig, auch wenn ihm nicht leicht zumute war, trieb es ihn zum Balkon, immer in Sichtweite des Mannes. Der Gedanke an den leblosen Körper des Jungen, der noch quicklebendig im Schulzimmer saß, hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Geistesabwesend sah er hinunter zu den Ausläufern des Palastes, der über der tiefen Schlucht thronte. Dort führte ein Pfad in die Tiefe, in die Kluft in die gerade einige junge Männer hinabstiegen.
Paddra verfügte über zwei Fal'Cie: Den ersten Fal'Cie, der keinen Namen besaß und kein eigenes Bewusstsein, hatte der erhabene Gott Pulse ihnen als eine Art Projektor geschenkt. In Gestalt eines großen Steinkopfes thronte das Geschöpf in der Mitte der Stadt und vermochte es, die Visionen, die im Orakelmodul gespeichert waren, für die ganze Stadt wiederzugeben.
Doch der zweite Fal'Cie, war von ungleich mächtigerer Natur: Midgardsormr, der Wächter der Stadt, lebte in der Kluft tief unter dem Palast. Ohne Zweifel waren die Männer auf dem Weg zu ihm, um zu L'Cie zu werden. Nun, es gab solche und solche. Es war nicht unüblich, dass die Männer der Leibgarde den Fal'Cie anflehten, sie mit der Gabe der Magie zu segnen und die Bestimmung zu empfangen, ihren Seher zu beschützen. Nicht selten endete das als Desaster, denn nicht jeder Seher starb auf natürliche Weise. Und das Ergebnis waren gute Männer, die zu den grauenvollen Cie'th mutierten. Zweifelsohne würden in nicht ferner Zukunft nur noch Cie'th in den Ruinen ihrer stolzen Stadt schlurfen...
"Bald... ist es soweit, oder?", wollte er wissen und blickte über die Schulter. "Hast du... etwas bemerkt in der Stadt?"

Caius konnte sich an den heldenhaften Mann erinnern so wie er sich an alles andere in der Vergangenheit erinnern konnte. Die Unsterblichkeit hatte ihn zu einem Menschen gemacht, der nicht mehr viel mit einem Menschen gemeinsam hatte. So vieles hatte sich geändert seit er zum Wächter auserkoren wurde. Der unvermeidliche Lauf der Zeit hatte ihm die Menschlichkeit genommen. Manchmal vergaß er sogar, dass er derselben Spezies angehörte wie jene, die dort draußen unermüdlich trainierten, um ihm eines Tages den Rang streitig zu machen. Unter anderen Umständen würde er es sogar ersehnen, dass es jemandem gelang, ihn zu besiegen so wie es einst dem Recken mit dem Namen Caius Ballad beinahe gelungen wäre, ehe er in sein Verderben rannte. Die Umstände waren jedoch nicht anders. Sie waren nicht einmal gewöhnlich aufgrund der Tatsache, einen Jüngling mit hellseherischen Fähigkeiten beschützen zu müssen. Wäre diese ehrenvolle Aufgabe nicht, hätte er längst den Freitod gewählt, um der Sinnlosigkeit des ewigen Lebens zu entrinnen. Der Zeitenseher sowie dessen Reinkarnationen gaben seiner Existenz einen Sinn, weswegen er sein Bestes tat, um den Seher niemals zu enttäuschen.

Den Dank des Jungen nahm er mit einem kaum merklichen Nicken hin. Nach all der Zeit des Dienens war er bescheiden geworden. Er erwartete keine Danksagungen, auch keine Lobeshymnen. Erst recht keine Entlohnung für seine Bemühungen. Er war demütig geworden in Anbetracht der Verantwortung, die ihm Etro auferlegt hatte. Mit einer gewissen Besorgnis, die ihm nicht anzusehen war, verfolgte er das Treiben des jungen Sehers, wie sich dieser davon stahl und auf den Balkon begab. Während Yamuh von hoch oben die Geschicke seiner Untertanen beobachtete, ließ Caius ihn nicht aus den Augen. Es hatte den Anschein als erwarte er jeden Augenblick einen Angriff aus dem Hinterhalt, weshalb er den Zeitenseher nicht unbeaufsichtigt lassen wollte. Er nahm seine Pflicht verdammt ernst. Allein deswegen bezweifelte er, dass es jemanden geben könnte, der ihn in dieser Hinsicht ersetzen, gar übertrumpfen könnte. Eine derartige Beobachtungsgabe erlangte man durch Jahrhunderte langes Studieren der verschiedensten Verhaltensweisen aller möglichen und unmöglichen Individuen auf diesem Planeten. Daher gab es niemanden, der ihn in diesem Punkt etwas vormachen konnte. Wie ein steinerner Wächter harrte er an Ort und Stelle aus ohne Anstalten zu machen, sich in irgendeiner Weise zu regen. Wenn man so lange existierte wie er, dann wurde man es müde, sich unnötig zu bewegen. Man tat ohnehin nichts mehr, das dem Zweck nicht dienlich war. Alles Überflüssige wurde mit strengster Selbstbeherrschung vermieden. Das machte ihn zu einem äußerst disziplinierten Leibwächter. Erst die an ihn gerichtete Frage des Jungen hauchte ihm wieder Leben ein, sodass er den Kopf aufmerksam anhob und dem Jungen geradewegs ins Gesicht sah, als würde er darin lesen wollen. Weil Caius jedes Wort wohl überdachte, ehe er es verlauten ließ, antwortete er nicht sofort.
„Das Volk wird unruhig. Es hält Euch nicht für fähig, Paddra und das Umland vor den drohenden Gefahren zu beschützen. Ihr solltet Euch in Sicherheit begeben, ehe das Volk zu den Waffen greift“, berichtete die tiefe, monotone Stimme des Wächters, die zwar einen beruhigenden Klang besaß, jedoch nicht über die beschwichtigende Weichheit eines gutmütigen Zeitgenossen verfügte. Alles an ihm war so wild und rau wie das aufbrausende Naturell eines blutrünstigen Schlächters, der nur durch eine Person ruhig gehalten werden konnte; dem Zeitenseher.

(Verdammt... Post gelöscht. Sorry, wenn es jetzt was knapper wird, aber den ganzen neu schreiben, tu ich mir nicht an! Q_Q)

"Glaubst du das auch? Dass ich nicht fähig bin, zu herrschen?" Auch wenn er Wut über diese Undankbarkeit verspüren sollte, war da nichts. Schließlich war ihm völlig klar, dass er eine einzige Enttäuschung war. Er hatte eine schwere Dürre vorhergesehen. Dank ihm hatten sie Vorkehrungen treffen können. Oder den schweren Erdrutsch oder den Angriff, die beide keine Todesopfer gefordert hatten? Doch dies alles schien nunmehr wertlos zu sein. Nicht einmal sein Wächter sprach mehr mit ihm als er musste.
Der Junge trat vom Balkon zurück. Die Stimmung in der Stadt heizte sich minütlich auf, bereit, jederzeit zu explodieren wie Dynamit. Caius hatte Recht: Flucht war die einzige Option. Manch einer mochte es für feige halten - und das war es auch. Schließlich sollte der Herr einer Stadt in ihren letzten Stunden bei ihr sein. Doch das Gesetz der Zeitenseher, ihres Volkes, sah es vor, dass die Blutlinie stets gewahrt bleiben musste. Es würde immer einen Seher geben. Und dafür musste es auch immer Angehörige der Zeitenseher geben.
"Ich habe eine Entscheidung getroffen." Mit einem leisen Schniefen wandte er sich vom sonnenroten Bild der Stadt ab und begab sich zu seinem Arbeitstisch. Er präsentierte Caius eine Liste. Eine Liste mit einundzwanzig Familien, die er zusammengestellt hatte. "Du musst die Leute auf dieser Liste aufsuchen und ihnen sagen, dass sie die Stadt verlassen sollen. Keine Luftschiffe, keine Fahrzeuge. Sie sollen sich in der Paddra-Schlucht zusammenfinden und auf uns warten." Die Auserwählten, die ihre Lehren am Leben halten würden. Die traurigen Überreste des einst großen Volkes der Zeitenseher. Er reichte Caius die Liste, als ihm auffiel, dass noch ein Name auf der Liste stand, der dort nicht mehr hingehörte. Der kleine Junge, Shinjo...
Doch er hatte Caius die Vision noch nicht mitgeteilt. Er würde es sicher nicht bemerken. Und Yamuh hatte genug davon, zu entscheiden, wer leben sollte und wer nicht. Wie konnte die Zeitlinie schon geschädigt werden, indem ein Junge überlebte? Verstohlen musterte er den Wächter und versuchte auszumachen, ob dieser Anzeichen der Erkenntnis beim Überfliegen der Namen zeigte. Es war unmöglich, aber... Caius war kein normaler Mensch. So versuchte Yamuh, seine Nervosität zu verbergen.