Wenn dich die Vergangenheit einholt...

Name: Hannes Meyer
Alter: 38 Jahre
Aussehen: Bild

Sonstiges: Er hat einen 17-jährigen Sohn, Tim, und war bis vor kurzem verheiratet mit Maxine, die jedoch an einer Krankheit gestorben ist. Er führt einen kleinen Lebensmittelladen mit seiner Familie. Ohne Maxine beginnt er jedoch langsam zu verzweifeln.

Name - Julian "Juli" Davis
Alter - 38 Jahre alt
Beruf - Tätowierer und Barkeeper

Aussehen
vorher
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nachher
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Sonstiges - Julian hatte es nach der Schule nicht leicht. Erst bricht seine Freundschaft zu Hannes ab und dann musste er sich im Studium alleine durchschlagen, da ihm seine Eltern die Chancen auf die Verwirklichung seines Talentes verweigerten. Doch nach dem 4 Semester brach er sein Studium ab und vollzog einen Wandel durch. Er ging lieber arbeiten, lernte neue Leute kennen und ließ sich einige Tattoos stechen und seine Haare einen anderen Schnitt verpassen. Man erkannte ihn gar nicht mehr wieder.
In dem Tattoostudio, indem er sich immer tätowieren ließ, fing er eine Ausbildung an und konnte seiner Leidenschaft, dem zeichnen und malen, nachkommen und diese nach langer Ausbildung auf die Haut von anderen Menschen verewigen und Leben einhauchen lassen. Doch sein Lehrmeister wurde Todkrank und erlag ein Jahr später seiner Erkrankung.

Juli

Es war ein Tag wie jeder andere, doch ich mochte diese monotonen Tage. Sie gaben mir Sicherheit und ließen mein Leben vor sich hin tragen, anstatt es aufregend zu machen. Ich hatte genug von Veränderungen, Schicksalsschlägen oder ungenutzte Chancen. Mein Leben war gut, wie es gerade war.
Gerade zog ich den Mundschutz hoch, rollte mit dem Hocker zu meinem Patienten auf der Liege und hielt die Maschine in der Hand, mit der Nadel, die zuvor in schwarzer Farbe getaucht wurde. Ich blickte kurz zu dem jungen Mädchen hoch, legte meinen Handballen auf ihren Brustkorb und ließ die Maschine summen, danach blendete ich alles aus und ließ die Nadel die Haut durchstechen und die Farbe durch die Schichten sickern. Natürlich schrie sie wie am Spieß, doch sie hielt Still und ließ sich von mir ein Kunstwerk auf das Dekolleté stechen. Ihre Begleitung hielt ihre Hand und lächelte tapfer, auch wenn meine Patienten ihr die Hand abdrückte. Ein grinsen erschien hinter dem Mundschutz, doch ich konzentrierte mich weiter. Es fehlte nicht mehr viel und es war schon ihre dritte Sitzung. Wir wollten heute fertig werden und wahrscheinlich war sie froh, wenn sie es hinter sich hatte.
Nach 2 Stunden war es vollbracht und ich rollte weg von ihr und legte die Maschine zur Seite, nahm ein Papiertuch und Creme zur Hand und wischte damit behutsam über die Brust und entfernte Überreste von Blut und Farbe, bis das Tattoo hervor stach.
"Willst du es sehen?" fragte ich durch den Mundschutz und nickte zu dem goldenen ganzkörper Spiegel. Sie rutschte von der Liege, lief hinüber und sah sich ihre Brust an.
"Wow~ das sieht so geil aus!" schwärmte sie, obwohl sie zuvor noch in einer Tour geschrien hatte.
"Danke Juli! Das sieht besser aus als auf dem Papier." schwärmte sie weiter und grinste überglücklich. Ich zupfte an dem Mundschutz, lächelte sie an und entfernte die Handschuhe von meinen Fingern. Ich desinfizierte meine Hände, nahm ein weiteres Papiertuch mit der Creme und verteilte dies auf die frische Wunde, deckte dies mit Frischhaltefolie und Klebeband ab.
"Du musst aufpassen wenn du deinen Körper pflegst. Die Haut muss sich erst wieder beruhigen und erholen. In 2 Wochen kommst du dann wieder. Ich schau mir dann das Tattoo an und wie die Haut sich regeneriert hat." erklärte ich ihr. Sie nickte und nahm ihre Sachen auf. Gemeinsam liefen wir zur Kasse, wo sie den Rest des abgemachten Preises beglich.
Danach verschwand sie mit ihrer Begleitung und ich blieb alleine zurück. Sofort machte ich mich daran meinen Arbeitsplatz zu säubern und zu reinigen. Die Nadel wurde ausgetauscht und die Maschine gereinigt. Auch die Liege wurde großzügig desinfiziert. Ich fuhr mir durch mein graues Haar, setzte mich an den Empfang und blätterte durch meine Zeitschrift mit neuen Motiven und Trends durch. Noch eine Stunde hatte ich meinen Laden offen. Ja, mein Laden, denn Peter hatte ihn mir vererbt, als er verstorben war. Sein Assistent war richtig Sauer, weswegen er nach dem Schock, gekündigt hatte und ich von Null auf Hundert lernen musste, wie man einen Laden führte. Wieder so eine Konstante in meinem Leben, die so unvorbereitet eintraf.

Hannes
,,Liegst du immer noch im Bett?", drang eine genervte Stimme zu mir durch. Müde blinzelte ich, drehte mich jedoch schnell weg und schloss meine Augen. Derjenige, der mich geweckt hatte, hatte die Vorhänge aufgezogen, sodass das Zimmer nun von Licht geflutet wurde. ,,He! Ich rede mit dir.", kam es harscher von dem Jungen. ,,Wie spät ist es?", wollte ich müde wissen, woraufhin er mir mitteilte, dass es bereits halb vier war. ,,Oh.. bist du schon von der Schule zurück?", wollte ich wissen, woraufhin mein Sohn seufzte und sich zu mir auf die Bettkannte setzte. ,,Ich weiß, du vermisst sie... ich bin auch traurig, dass Mama... dass sie nicht mehr da ist... aber so kann das nicht weiter gehen... du... du kannst mich hier nicht alleine lassen, Papa... ich pack das nicht ohne dich.", erklärte er mir, wie er sich gerade fühlte und strich sich mit dem Handrücken über die Augen. Er war so tapfer und hatte sich die letzten Tage um den Haushalt gekümmert - soweit es eben ging. Die Wäsche musste bald mal gewaschen werden und das Geschirr türmte sich in der Küche. Zumindest hatte Tim es aber bis jetzt geschafft, dass wir nicht verhunderten. Nichtsdestotrotz blieb unser Laden die letzte Zeit geschlossen. Bald würde uns das Geld knapp werden. Doch über all das machte ich mir keinen Kopf. Viel zu tief steckte der Schmerz noch in meiner Brust und ich wurde ihn nicht los. Warum musstest du uns schon so früh verlassen, Maxine? Warum?
Erschöpft richtete ich mich auf und zog Tim in meine Arme, um ihm zu zeigen, dass ich zumindest versuchte für ihn da zu sein. ,,Es tut mir leid, dass ich so ein schlechter Vater bin...", murmelte ich ihm zu. ,,Ist schon gut... ich verstehe dich ja... aber steh jetzt bitte auf...", raunte er mir nach einer Weile zu. Irgendwann stand ich dann auch endlich auf. Bis auf den Haushalt, den ich heute bestimmt nicht mehr anrühren würde, gab es noch einiges anderes zu tun. Morgen schon sollte die Beerdigung stattfinden. Ich sollte eigentlich ein paar Worte vorbereiten, die ich zum Abschied sagen sollte, doch mir fiel nichts ein. Stattdessen hörte ich nur immer wieder ihre letzten Worte im Krankenhaus, bevor ihr Herz stehengeblieben ist. ,,Ich liebe euch, meine beiden Männer. Ich habe nur zwei Bitten an euch. Hannes, werde du glücklich und lebe dein Leben, wie du es schon immer hättest leben sollen. Und du Tim, pass auf deinen Vater auf, mein Großer.", sagte sie uns und lächelte uns mit diesem warmen Lächeln an, wie man es stets von ihr kannte.

Juli

"Hey, ... habt ihr noch auf?" fragte ein Junge, so vielleicht 20 Jahre alt und sah ziemlich süß aus. Ich blickte von meiner Zeitschrift auf und sah auf die Uhr, über der Tür.
"Ja, noch ein paar Minuten. Wieso?" fragte ich und klappte die Zeitschrift zu, erhob mich und gab ihm meine komplette Aufmerksamkeit.
"Cool! ... Ähm, wie teuer wäre ein Piercing? So im Ohr... So wie du hast." stammelte er vor sich hin. Ich hob eine Augenbraue und sah ihn mit schief gelegtem Kopf an.
"Du willst einen Tunnel?" hackte ich ungläubig nach.
"Ja!" sagte er und strahlte übers ganze Gesicht.
"Sicher?" fragte ich und musste sofort an Peter denken, der den Jungen in die Mangel genommen hätte und ihm von Einhörnern und Piraten erzählt hätte und somit aus seinem Laden verjagt hätte, da er nicht glaubte, dass die Jugend wirklich wusste, was sie da wirklich haben wollten.
"Okay." sagte ich, da ich nicht Peter war und jeder für sein eigenes Leben verantwortlich war. Ich sammelte ein paar Dokumente zusammen, klemmte diese an ein Klemmbrett und legte es auf die Theke. Er nahm es entgegen und überflog einige Zeilen.
"Füll das aus, dann können wir über die Details sprechen." sagte ich, umrundete die Theke und führte ihn in das Zimmer hinter dem Vorhang.
Dort setzte ich mich auf meinen schwarzen Hocker und wartete darauf, das er alles durchgelesen hatte.
Er füllte fix alle Sachen aus und gab mir dann das Klemmbrett wieder. Ich nickte, sah mir alles durch und legte es auf den kleinen Tisch neben mir.
"Also, ein Tunnel... du weißt aber schon, wie das so abläuft?" fragte ich und zupfte zwei Einweghandschuhe aus der Box und zog diese drüber.
"Ja, ... ich hab mich im Internet informiert." sagte er und grinste mich aufgeregt an.
"Okay, dann schießen wir dir erst einmal Löcher. Wie ich sehe, hast du noch keine." meinte ich und erhob mich von meinem Platz, lief zur Kommode und holte die professionelle Schießmaschine hervor. Peter liebte seine Maschinen und pflegte diese akkurat. Dazu nahm ich einen durchsichtigen Koffer mit, indem ich die ganzen verschiedenen Ohrringe aufbewahrten.
"Such dir ein Modell aus." bat ich ihm, öffnete den Koffer und überließ ihm die Wahl. Die meisten bestanden aus chirurgischem Stahl, Titan oder Silber. Für den Anfang waren die am Besten.
"Ich nehme die 9." sagte er und lächelte. Ich nahm ein Tütchen bei der neun hervor, holte diese heraus und legte den ersten in die Maschine und rollte dann näher zu ihm.
"Wir haben noch gar nicht über die Preis gesprochen! Hab nicht so viel Kohle." sagte Felix, wie ich von dem Brett abgelesen habe.
"20€" sagte ich und blickte ihm ins Gesicht.
"Okay!" stimmte er zu und drehte sich mir zu und hielt still. Ich legte den Schießer zwischen seinem Ohrläppchen und blickte ihn ins Gesicht.
"Es wird kurz weh tun, aber das vergeht ganz schnell." klärte ich ihn auf, lächelte und positionierte ihn genau und drückte dann ab.
"Aua!!" schrie er, hielt jedoch Still. Ich löste mich von ihm und grinste.
"Auf einer Seite oder auf beiden?" wollte ich wissen.
"Auf beiden natürlich!" sagte er, seine Stimme klang jedoch eine Spur unsicher. Tja, nun musste er da durch.
Ich legte die Munition hinein, rollte mich auf die andere Seite und legte den Schießer zwischen sein Ohrläppchen und löste den Abzug, als er ruhig saß.
Erneut jaulte er auf, hatte es nun jedoch geschafft. Ich drückte sein Knie kurz, rollte weg und legte die Maschine auf den Tisch und nahm das Spray und etwas Watte. Ich besprühte seine frisch gestochenen Ohrlöcher und tupfte diese vorsichtig ab.
"Ich gib dir gleich ein Mittel mit. Damit musst du deine Ohrlöcher pflegen. Jeden Morgen und auch sonst über den Tag die Stecker ein bisschen bewegen und drehen. So in 3 Wochen sollten die Löcher verheilt sein. Dann sprechen wir über die Tunnel. Kannst dir dann hier ein Set oder so aussuchen und ich mach dir die ersten Millimeter rein. Der Rest liegt dann bei dir." erklärte ich ihm.
"Ach so? Ich dachte, man kann direkt auf die Größe stechen lassen." sagte er naiv.
"Klar, wenn du auf Schmerzen stehst!" sagte ich abschätzend und zog die Handschuhe aus, warf diese in den vollen Mülleimer und lief mit dem Brett zur Kasse.
Felix folgte mir, hielt jedoch kurz Inne und sah sich seine frisch gestochenen Ohrlöcher an. An der Kasse überreichte er mir die 20€ und bekam dafür eine schwarze kleine Tüte mit einem Mittel und dazu den Kassenbon.
"Bis in 3 Wochen." sagte ich dann und verabschiedete ihn. Danach schloss ich den Laden ab und seufzte.

Hannes
Irgendwann löste sich Tim aus meinen Armen und riss mir auch gleich die Bettdecke vom Leib, sodass ich zu zittern begann. Warum war er nur so fies? Naja, ich sollte wohl auf ihn hören. Es war schon traurig, dass er sich um mich kümmern musste, wo ich mich doch eigentlich um ihn kümmern sollte. Müde schleppte ich mich in die Küche, wo bereits Mittagessen und eine Tasse Kaffee auf mich warteten. Ich setzte mich und nahm träge etwas zu mir, auch wenn ich nicht wirklich Appetit hatte. Mein Sohn setzte sich derweil zu mir an den Tisch und musterte mich stumm. Erst als ich schon meinen halben Teller geleert hatte, fing er wieder an zu sprechen. ,,Tante Helena hat zugesagt. Sie hat vorhin angerufen.", meinte er, worauf ich nur das Gesicht verzog. Es war nur typisch, dass die Schwester der Verstorbenen zur Beerdigung kam. Nichtsdestotrotz konnte ich sie nie wirklich leiden. Sie hat immer auf mir rumgehackt, hat versucht Maxine einzureden, dass ich nicht gut genug für sie sei. Vielleicht hatte sie auch recht. Vielleicht hätte sie einen anderen Mann heiraten sollen, der nicht so ein Taugenichts war wie ich. Nichtsdestotrotz hat sie immer zu mir gehalten, hat mich zum Lachen gebracht und auch über meine Witze gelacht, auch wenn sie überhaupt nicht witzig waren.
,,Sie hat aber nicht vor, danach her zu kommen, oder?", fragte ich nach, worauf er den Kopf schüttelte. Erleichtert atmete ich wieder aus. So mussten wir uns wenigstens deswegen keine Sorgen machen. Sonst würde sie Tim nur einreden wollen, was für einen miesen Vater er doch hatte. Aber wahrscheinlich wusste er das bereits. Bevor seine Mutter gegangen ist, lief eigentlich alles gut. Wir arbeiteten zusammen in unserem Laden und auch in dem Haus war es ordentlich. Meistens zumindest. Manchmal machten wir spontane Ausflüge, zu denen man alles Mögliche brauchte, wodurch eine ziemliche Unordnung entstand. Trotzdem machte es immer wieder Spaß. Bei dem Gedanken daran, traten mir gleich wieder Tränen in die Augen, die auf meinen Teller tropften.
Den Rest stellte in den Kühlschrank. ,,Mach du jetzt deine Hausaufgaben. Ja? Ich schreibe an der Rede und besorge Blumen für morgen.", informierte ich ihn über meinen Plan. Dann stand er auf und ging brav in sein Zimmer. Ich selbst zog mir Schuhe und Mantel über und ging vor die Tür. Dass ich dabei noch immer im Pyjama war und auch mal eine Dusche nötig gehabt hätte, ignorierte ich dabei.Zielstrebig ging ich zum Blumenladen und kaufte einen großen Strauß mit Sonnenblumen. Die strahlen so fröhlich, hatte Maxine immer gesagt. Die irritierten Blicke der Verkäuferin, als sie mich erblickte, blendete ich aus. Dann lief ich Heim und stellte die Blumen in eine große Vase mit Wasser. Dann setzte ich mich an meinen Schreibtisch und versuchte an der Rede zu schreiben. Mehrere Versuche startete ich, doch keiner glückte mir. Wahrscheinlich würde ich morgen improvisieren müssen.

Juli

Nachdem ich den Laden geputzt und die Maschinen und das Werkzeug gereinigt hatte, schloss ich ab und machte für heute Feierabend. In meiner Lederjacke, schlenderte ich über die Gehwege und bemerkte einen verängstigten Blick nach dem anderen. Das war normal und es störte mich auch nicht, es fiel mir nur immer wieder auf. Tattoos und Piercings schreckten die meisten Menschen immer noch ab. Als ich an einem Blumenladen vorbei ging, erinnerte ich mich daran, dass bald der 4 Jahrestag von Peter war. Um genau zu sein, Morgen. Ich sollte Blumen und eine Kerze organisieren. Seufzend betrat ich den Laden, nuschelte eine Begrüßung und sah mir erst einmal um. Peter liebte Rosen. Natürlich Rote, richtig kitschig und warum sollte ich an seinem Tag, an dem wir an ihn denken sollten, keine Roten Rosen auf sein Grab legen?
"Ich hätte gerne einen Strauß Rote Rosen." nannte ich meinen Wunsch und hörte der Verkäuferin zu. Sie erklärte mir ihre Vorstellung, die ich jedoch einfach nur abnickte. Während sie die schönsten raussuchte, zu einem Strauß, mit etwas Grün, zusammenband, sah ich mich nach einer Kerze um. Ich fand sogar eine, die richtig kitschig aussah. Wahrscheinlich würde sie ihm gefallen. Peter war ein lieber Kerl. Er war muskulös, ein richtiger Bulle, mit vielen Tattoos, Motorradfahrer und sogar in einer Gang. Dennoch war er Schwul, liebte Rosen und Kitsch. Als ich und ein paar andere Freunde aus unserem Bekanntenkreis, seine Wohnung ausräumten, war ich überrascht. So viel Kitsch und Kunst hätte ich nicht vermutet. Natürlich hatte ich ein paar Andenken behalten... weil Peter irgendwie eine Vaterfigur für mich war. Er hatte mir die ganzen Tattoos verpasst, mir bei meiner Veränderung geholfen und mir eine neue Perspektive ermöglicht.
Nachdem ich bezahlt hatte, verließ ich den Laden und strebte meine Wohnung an. Ich wohnte in einem Mehrfamilienhaus, im Dachgeschoss. Ich hatte ein großes Wohnzimmer mit Küche, dann ein Bad und direkt daneben ein kleines Schlafzimmer. Eigentlich benutzte ich das Schlafzimmer als Kleiderschrank und schlief im Wohnzimmer auf einer ausziehbaren Couch. Ich fühlte mich in meinen eigenen vier Wänden wohl und brauchte auch nicht mehr. Die Blumen stellte ich in eine Vase und die Kerze daneben. Ich schaute auf die Uhr und entschied mich eine Kleinigkeit zu Kochen und mich dann ein wenig aufs Ohr zu legen, bevor ich später los zum nächsten Job musste.

Hannes
Irgendwann ließ sich auch mein lieber Sohn wieder blicken und machte uns Abendbrot. Richtig kochen konnte man das zwar nicht nennen, da er nur eine Dose mit Suppe aufwärmte. Doch ich beschwerte mich nicht. In letzter Zeit hatte ich es einfach nicht geschafft, selber etwas auf den Tisch zu zaubern. Traurig aber wahr. Nach dem Essen, wollte ich weiter an der Rede arbeiten, die noch immer keine Forschritte gemacht hat, doch Tim schickte mich ins Bett. ,,Dir wird schon etwas einfallen. Schlaf jetzt lieber, sonst kommen wir noch zu spät.", meinte er streng. Ich seufzte nur und befolgte seine Anweisungen. Lange zum Einschlafen brauchte ich nicht. Das war das Einzige, was ich wie ein Weltmeister beherrschte.
Am nächsten Morgen war es dann auch schon soweit. Mir war übel. Ich wollte sie nicht beerdigen und die ganzen trauernden Leute sehen. Das würde mich selbst nur mit runterziehen. Nichtsdestotrotz blieb mir nichts anderes übrig. Tim zerrte mich aus dem Bett und sperrte mich mit einem Anzug ins Bad. Ich solle mich waschen, hatte er mich angeschnauzt. Widerwillig stellte ich mich unter die Dusche. Wahrscheinlich war ich dreckig und stank, doch ich sah schon lange keinen Sinn mehr in meiner Körperpflege. Heute war jedoch ein besonderer Tag und ich sollte mich zumindest etwas gepflegt zeigen. Aus Respekt zu Maxine.
Auch mein Junge hatte sich einen Anzug angezogen. Eigentlich war der für seinen Winterball gedacht, doch zu diesem Zweck hielt er auch hin. Hauptsache schwarz. Gerade als ich mir meine Kravatte band, da klingelte es auch schon an der Tür. Das musste Helena sein, die uns hinfahren wollte. ,,Lass sie nicht rein und geh schon mal mit ihm zum Wagen.", wies ich Tim an. Dieser nickte und öffnete die Tür nur zu so einem Spalt, dass er hindurchschlüpfen konnte und das Haus verlassen konnte. Ich selbst holte noch die Blumen und konnte dann auch los.

Juli

Die Nacht in der Bar war ruhig gewesen, weswegen ich früher Schluss machen durfte. Gegen 1 Uhr kam ich Zuhause an und legte mich sofort ins Bett. Der nächste Morgen würde mich Psychisch fordern, weswegen ich dringend Schlaf benötigte. Die Nacht verbrachte ich leider unruhig, da mich einige Träume und Erinnerungen plagten. Gegen 9 Uhr gab ich auf und rieb mir über meine Augen und erhob mich aus meinem Bett und lief hinüber in die Küche und machte mir einen Kaffee.
Hunger hatte ich keinen, eigentlich Morgens so gut wie nie. Danach stellte ich mich unter die Dusche, wusch mich gründlich und entschied mich heute für schwarze Kleidung. Aus meinem Schrank holte ich einen schwarzen Rollkragenpullover, eine schwarze Jeans, meine Boots standen an der Tür und ich wählte noch ein schwarzes Sakko. Ich kleidete mich ein und zog noch eine schwarze Sonnenbrille auf meine Nase. Mit den Blumen in der Hand und der Kerze in der anderen, verschwand ich aus der Wohnung und lief zum Friedhof, der schon ein wenig weiter von meiner Wohnung war, doch das machte mir nichts aus.
Als ich ankam, war der Friedhof an einem sonnigen Morgen gut besucht. Wahrscheinlich stand eine oder mehrere Beerdigungen auf dem Plan. Doch dies ignorierte ich und strebte durch die Gänge und hielt vor einem kleinen Urnengrab an. Ich kniete mich vor dem Grab hin und stellte die Rosen in die Vase und die Kerze in den Schmuckvollen Kerzenhalter. Aus meinem Sakko kramte ich ein Feuerzeug und zündete diese an.
"Hey Pet, ... Ich hoffe dir geht es im Himmel gut und die Engel verwöhnen dich dort oben ordentlich. Wahrscheinlich feiert ihr eine Party nach der anderen." sagte ich und nahm die Sonnenbrille ab und massierte meinen Nasenrücken.
"Ich könnte dich gerade echt gebrauchen." gestand ich und ließ meine Schultern nach unten fallen.
"Der Laden brummt, aber unsere Freunde sind alle fort. Vielleicht hast du sie zu sehr vor den Kopf gestoßen. Mir alles zu vererben war wirklich nicht die klügste Idee." gestand ich, obwohl man nun auch nichts mehr ändern konnte.
"Manchmal bist du wirklich egoistisch." grummelte ich und streichelte über eins der roten Rosenblätter.

Hannes
,,Nicht nur zur Hochzeit, sondern auch zu ihrer Beerdigung kannst du nicht rechtzeitig kommen.", herrschte mich die Brünette direkt an. Ich seufzte. ,,Selbst an ihrer Hochzeit kannst du nicht einmal das Kriegsbeil vergraben.", entgegnete ich trocken. ,,Schön dich mal wieder zu sehen, Helena.", fügte ich hinzu, auch wenn ich mich nicht wirklich darüber freute. ,,Ja, schon klar Hannes. Jetzt schwing dich endlich ins Auto, damit wir fahren können.", meckerte sie weiter. Am liebsten hätte ich jetzt schon wieder Kehrt gemacht, doch das ging nicht. Das war ich Maxine schuldig. Sie hatte so viel für mich durchgemacht und ich war einfach zu schwach, um auch für sie da sein zu können. In den letzten Wochen ging es ihr immer schlechter. In der ein oder anderen Nacht hatte sie plötzlich Krämpfe und musste ins Krankenhaus gefahren werden. Tim und ich machten uns Sorgen, doch sie schaffte es trotz Schmerzen, uns ein Lächeln zu schenken und zu beruhigen. Sie war ein Engel.
Während der Autofahrt herrschte Stille. Das Radio blieb aus. Tim wollte es anmachen, doch es wurde direkt wieder abgewürgt. ,,Wir fahren zu einer Trauerfeier. Dabei können wir uns jetzt nicht einfach an fröhlichen Liedern erfreuen.", erklärte Helena wichtigtuerisch. Da fragte ich mich, ob sie Max überhaupt richtig kannte. Sie wollte immer nur das Beste für uns. Sicherlich hätte sie auch geschimpft, wenn sie gesehen hätte, wie viel ich wegen ihrem Verschwinden geweint habe. Wahrscheinlich hätte sie sich auch buntere Kleidung gewünscht, als dieses triste Schwarz. Wieder kamen mir ihre Worte wieder in den Kopf. Ich sollte glücklich werden... Aber wie sollte ich das nur anstellen?
Endlich waren wir da und mischten uns zu den anderen Leuten. Viele Trauergäste waren da. Meine Frau hatte viele Freunde gehabt und auch viele Verwandte. Ihr Vater lebte aber schon lange nicht mehr. Ich wusste nur, dass er an einer Krankheit gestorben ist. Ich wusste nur nicht, ob es die selbe war. Darüber wollte ich mir jetzt aber auch nicht den Kopf zerbrechen. Ein Prediger zählte uns durch und führte uns über den Friedhof zu einem Grab, neben dem der Sarg noch stand. Eigentlich hätte die Feier in der kleinen Kirche stattfinden, doch in Maxines Testament stand ausdrücklich, dass sie nicht in eine Kirche wollte. Verständlich. Ich konnte diesen ganzen Mist auch nie verstehen.
Die Leute stellten sich in einem Halbkreis um das Grab und den Sarg, vor dem der Prediger hielt und irgendwelche tröstlichen Worte von sich gab. Danach war ich an der Reihe. Auf wackeligen Beinen lief ich zu ihrem Sarg und strich über das glatte Holz. ,,Maxine war einer der gütigsten Menschen, denen ich je begegnet bin. Gerne hätte ich jetzt ihren Platz dadrin eingenommen. Sie war noch so jung.... Sie war eine gute Ehefrau, eine wundervolle Mutter und auch eine Schwester, Enkelin, Tochter oder gute Freundin, auf die man sich immer verlassen konnte.", fing ich an das Erste zu sagen, was mir in den Kopf kam. Meinen Blick richtete ich dabei auf den Boden. Ich konnte die Leute nicht anschauen. Bei den Gedanken an Abschied traten mir die Tränen in die Augen. ,,Sie hat sich immer nur das Beste für uns alle gewünscht.. also lasst uns jetzt nicht weinen, sondern ihr zeigen, dass wir für sie stark sind.", fuhr ich fort und zwang mich zu einem Lächeln. Kurz hob ich den Blick und schaute zu den anderen Leuten, von denen nun auch ein paar lächelten, während andere sich ihre Tränen wegwischten. Tim nickte mir aufmunternd zu. ,,Wir werden dich vermissen. Ich bin mir jedoch sicher, dass du uns von irgendwo beobachtest und über uns wachst, bis wir zu dir kommen.", murmelte ich etwas leichter, ehe ich mich zu den anderen zurückbegab und auch noch den ein oder anderen ihre Worte überließ. Mein Sohn empfing mich und nahm mich in den Arm. ,,Hast du gut gemacht, Papa.", flüsterte er mir zu, während meine Tränen nun doch flossen. Den anderen konnte ich nicht mehr richtig zuhören.

Juli

Nach einer Stunde erhob ich mich und klopfte den Schmutz von meinen Knien. Peter hatte wohl auch langsam die Schnauze voll von meinem gejammer. Wahrscheinlich wollte er sich nun lieber wieder mit den Engeln vergnügen. Schmunzelnd fuhr ich mir durchs Haar, setzte mir wieder meine Brille auf und verabschiedete mich von Peter und drehte mich um. Als ich zurück zum Hauptgang lief, kamen mir ein paar weinende Personen entgegen. Alle waren in schwarz gekleidet und hatten sich wohl gerade von einer geliebten Person verabschiedet. Aus irgendeinem Grund lief ich in die entgegengesetzte Richtung und hielt neben einer Tanne an und blickte auf die zwei Männer, die vor einem Grab standen, dass noch offen war und gerade von zwei Männern zugeschüttet wurde. Als sich einer der beiden umdrehte, einen jüngeren im Arm hielt, griff ich langsam nach meiner Sonnenbrille und zog diese von meiner Nase.
"Hannes?..." fragte ich leise. War das wirklich mein alter Schulfreund?
"Hannes? Bist du es wirklich?" fragte ich und kam den beiden entgegen. Als ich vor ihnen stand, konnte ich bei dem älteren Mann wesentliche Gesichtszüge erkennen, die mich wirklich an Hannes erinnerten. Der Bart war natürlich früher nicht da gewesen, aber an diese schönen Augen konnte ich mich immer und überall erinnern.
"Hi... Ich bins, Julian." nannte ich ihm meinen Namen, auch wenn ich wusste, dass er mich wahrscheinlich nicht auf den ersten Blick erkennen würde.
Nervös fuhr ich mir durchs Haar und wusste nicht, was er zu meiner Veränderung sagen würde. Die ganzen Tattoos konnte er jetzt nicht sehen, außer die auf meinen Handrücken und die Spiralen in meinen Ohren.
"Mein Beileid." sagte ich, da es offensichtlich war, das er irgendjemand wichtiges verloren hatte.
"Ist das... dein Sohn?" fragte ich, da er die gleichen Augen hatte wie Hannes.

Hannes
Nach einer Weile wurde schließlich nichts mehr gesagt und zwei Totengräber ließen den Sarg in das Loch hinab. Eine Sonnenblume warf ich hinein, bevor sie es zu schaufelten. Die restlichen Blumen stellte ich in einer Vase daneben und ließ mich von meinem Sohn etwas trösten, dessen Augen auch zu glitzern begannen. Auch wenn wir nicht traurig sein durften, schmerzte es einfach nur. Ich wollte es nicht wahrhaben, dass ich sie nie wieder sehen würde.
Plötzlich hörte ich eine mir bekannte Stimme, die mich ansprach. Diese Stimme hatte ich nun schon so viele Jahre nicht gehört. Und trotzdem erkannte ich sie. Zumindest nahm ich das an. Doch als ich mich der Person zuwandte und Tim aus meiner Umarmung entließ, stand ein gruseliger Typ vor mir. Warum kannte er meinen Namen? Wer war das? Ich musste nicht lange auf eine Antwort warten, denn er stellte sich von sich aus vor. Meine Augen weiteten sich. Konnte das wirklich sein? ,,Juli?“, fragte ich ungläubig nach. Er hatte sich wirklich stark verändert. Äußerlich zumindest, den Rest konnte ich gerade nicht feststellen. ,,Was ist passiert?“, wollte ich wissen.
Dass er hier nun plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte, verwirrte mich ziemlich. So lange habe ich ihn nicht gesehen und ausgerechnet hier treffe ich ihn wieder... Ich hatte ihn wirklich vermisst. Das brachte mich so sehr aus der Fassung, dass ich die Beerdigung für einen Moment vergaß. Erst seine Frage holte mich wieder aus meinen Gedanken. Kurz schaute ich zu meinem Sohn, der auch irritiert zwischen uns hin und herschaute. ,,Ja, das ist Tim, mein Sohn.“, stellte ich ihn vor. ,,Und wer ist das, Papa?“, wollte nun Tim mit skeptischen Blick von mir wissen. Normalerweise hatte ich nichts mit tätowierten Typen zu tun. ,,Das ist ein alter Schulfreund von mir.“, klärte ich ihn auf. Dass er so viel mehr für mich gewesen ist, erzählte ich ihm jedoch nicht.

Juli

Ich lächelte den jungen Mann neben Hannes schief an. Man sah ihm einfach an, dass er aus seinen Genen bestand und einfach ein gut aussehender Junger Mann war. Zudem diese Augen und auch die Konturen Hannes sehr ähnelten.
"Freut mich dich kennen zu lernen Tim." gestand ich höflich und widmete mich dann wieder Hannes.
"Muss für dich ein Schock sein... aber es ist auch viel passiert und das hat Spuren hinterlassen." erklärte ich ihm und zuckte mit den Schultern.
"Wenn du magst, können wir uns Ma auf einen Kaffee treffen." schlug ich vor, holte meine Geldbörse aus der Innentasche des Sakkos und fischte meine Visitenkarte hervor. Ich reichte ihm das kleine rechteckige schwarze Stück Papier mit der silbernen Schrift drauf. Auf der Karte stand überwiegend der Name des Ladens, die Straße und zwei Telefonnummern sowie die E-Mail-Adresse.
"Ich hab den Laden meines Ausbilders übernommen." kommentierte ich und lächelte.
"Dann... möchte ich euch nicht weiter aufhalten. Wäre schön, wenn du dich melden würdest. Dann können wir mal ein bisschen Quatschen und Austauschen." sagte ich und drehte mich langsam um.
Kurz hielt ich Inne, verabschiedete mich und verschwand dann zurück zum Eingangstor und bog in Richtung Studio ab. Ein Termin wartete am Nachmittag auf mich. Aber das ich Hannes auf dem Friedhof wieder treffen würde hätte ich mir niemals erträumt. Zumal ich gar nicht erwartet hätte, das er immer noch in der Stadt lebte. Ich blickte an der Ampel hoch in den Himmel und lächelte Peter entgegen.
"Du Fuchs." sagte ich und neckte Peter, der sich bestimmt hinter einer Wolke versteckt hatte und dem Schauspiel mit einem breiten Grinsen verfolgt hatte.

Hannes
Das Alles verwirrte mich wirklich sehr. Was war passiert mit ihm? Warum hat er sich nie gemeldet? Auch wenn ich ein Schisser war, hätten wir doch Freunde bleiben können. Ich wollte ihn noch so einiges fragen, doch da verabschiedete er sich auch schon wieder und verschwand. Hätte er mir nicht seine Visitenkarte überlassen, hätte ich wahrscheinlich angenommen, dass ich mir das gerade nur eingebildet hatte. Ich rief ihm ein ‚Tschüss‘ hinterher, ehe ich mich dem Kärtchen zuwandte. Es stellte ein Tattoostudio dar. Ob er sich die Tattoos auch selbst gemacht hätte? Ich wusste nicht so ganz, was ich von dem allen halten sollte. Ob ich mich melden würde? Erstmal verstaute ich die Karte in meiner Anzugtasche, ehe ich mich meinem Sohn zuwandte. ,,Mir ist es ja egal, mit welchen Gestalten du dich befreundest, aber... der Kerl war echt komisch.“, gab er nun von sich. ,,Er hat sich ziemlich verändert. Aber ich glaube, er ist immer noch der gleiche Typ“, in den ich mich damals verliebt habe, führte ich in Gedanken fort. ,,Der mit mir und deiner Mutter in einer Klasse war.“, sagte ich jedoch und ließ auch gleich wieder meine Mundwinkel hängen. Maxine... Um nicht wieder anzufangen zu weinen, setzte ich mich in Bewegung. ,,Lass uns jetzt etwas schönes essen gehen. Was hälst du davon?“, wollte ich wissen. Er nickte und schlug den nächsten Mc Donalds vor. So machten wir uns dorthin unterwegs. Helena ist anscheinend schon ohne uns gefahren. Zumindest konnte ich sie nirgends entdecken, was mir aber auch ganz lieb war. Lieber lieg ich nach Hause, als noch eine Sekunde mit dieser Frau zu verbringen.