Geschichten Oktober - Dezember 2018 » Der Schöne und das Biest

Steckbrief
Name: Tristan
Alter: 20
Aussehen: Dunkelbraune bis schwarze Zotteln, die seinen Körper bedecken, groß, muskulös, große Pranken mit scharfen Fingernägeln, ein paar schiefe Zähne, die etwas aus seinem Mund herausragen, graugrüne Augen.

Grafikquelle: https://i.pinimg.com/originals/86/18/95/...6a7f2694809.jpg
Sonstiges: Seid dem er verflucht wurde, verkriecht er sich in seinem Schloss, zeigt sich nur ungern und hat auch alle Spiegel verhangen, damit er sein Äußeres nicht mehr sehen muss, was ihm früher immer so gut gefallen hat.

Name: Lukas
Alter: 18 Jahre
Sonstiges: Lukas ist der Sohn eines bescheidenen Händlers, der auf den Märkten im ganzen Land seine Ware zum Verkauf anbietet. Er kümmert sich um den Haushalt und den kleinen Hof, damit sich sein Vater seiner heimlichen Leidenschaft, dem Erforschen und Erfinden von neuen Technologien, widmen kann. Er gilt als Sonderling in dem kleinen, verschlafenen Dorf, weil er in sich gekehrt ist und am liebsten die Zeit allein mit seinen Büchern verbringt.

Lukas war völlig außer sich. Der Hengst seines Vaters war ohne ihn zurückgekehrt, daher lag der Verdacht nahe, dass ihm etwas zugestoßen war. Besorgt sprang er auf den breiten Rücken des Pferdes und ritt in Windeseile aus dem Dorf. Filip, der alte Gaul der Familie, steuerte von selbst den Pfad an, den er genommen hatte, als Lukas' Vater auf ihm gesessen hatte in der Hoffnung, auf diese Weise schneller durch den Wald zu gelangen. Tatsächlich führte der schmale Weg, der von Bäumen gesäumt und Wolfsgeheul umgeben wurde, zu einem abgelegenen Teil des Landes, in den sich kaum einer verirrte. Und wenn doch, dann holten ihn die Wölfe... Lukas wurde Angst und Bange. Er glitt vorsichtig von dem Pferd und eilte die steinerne Treppe hinauf, die zu einem uralten, furchteinflößenden Schloss gehörte, dessen unzählige Turmspitzen den wolkenbehangenen Himmel aufzureißen schienen. Obwohl ihm die Knie zitterten, nahm er all seinen Mut zusammen und öffnete das knarzende Tor, hinter welchem sich finstere Gemäuer verbargen. Es schien kein einziges Licht. Die große Empfangshalle wirkte wie ausgestorben. Und sie war kalt. Eiskalt. Der junge Bauernsohn fror am ganzen Körper, während er tapfer ins unheimliche Innere des Schlosses eindrang. "H-hallo? Ist hier jemand? Ich suche meinen Vater...", rief er unsicher in die Dunkelheit hinein.

Tristan
So viele Jahre lebte ich nun schon hier allein und hatte es bereits aufgegeben daran zu glauben, dass sich jemand in mein düsteres Schloss verirren würde. In dieser kalten Nacht hatte sich jedoch tatsächlich ein Unglückseliger hierher geflüchtet und suchte Schutz in meinen Mauern. Aber warum sollte ich diesem Narren Schutz bieten, wo ich dadurch doch auch keinen Nutzen zog? Sobald ich mich der verirrten Seele zeigen würde, würde sie vor Schreck aufschreien. Ich wollte nicht, dass jemand meine hässliche Fratze sah. Ich war ein Monster und genauso würde ich behandelt werden. Dann konnte ich mich genauso gut auch wie eines verhalten. Nachdem ich näher an den Hilfesuchend gekommen bin, erkannte ich in ihm einen älteren Mann. ,,Was suchst du in meinem Schloss?", fing ich an zu knurren. Erschrocken drehte er sich um. Als er mich erblickte, weiteten sich seine Augen. ,,Oh... ich wusste nicht, dass...dass das Schloss bewohnt war. Ich...also...ich habe nach einem Unterschlupf für die Nacht gesucht.", erklärte er mir. Ich schenkte ihm darauf nur einen desinteressierten Blick. ,,Und warum ist das mein Problem?", wollte ich mit rauer Stimme von ihm wissen. Verängstigt wich er einen Schritt zurück. ,,Bitte...ich...ich werde dir nicht zur Last fallen. Das...ich meine...das Schloss ist doch groß genug.", traute er sich tatsächlich nochmal nachzufragen. ,,Du hast Recht. Im Verließ habe ich sicherlich noch ein Plätzchen für dich übrig.", stimmte ich zu und packte ihn grob mit meiner Pranke am Arm. Nur mit wenig Widerstand ließ er sich mitzerren. In einer Zelle ließ ich von ihm ab und verschloss die Gittertür. ,,Hier kannst du die Nacht verbringen.", sagte ich noch, ehe ich zurück in das Musikzimmer lief, wo ich wenigstens ein wenig Freude finden konnte. Ich wusste nicht, ob ich den Mann frei lassen würde. Schließlich konnte er anderen von einem Biest in diesem Schloss erzählen, die mich dann töten wollen würden. Oder schlimmer noch, sie würden erkennen, wer sich unter dieser Pelzschicht verbarg. Aus Stolz würde ich lieber sterben, als meine Würde zu verlieren. Wer könnte mich denn mit solch einem hässlichen Antlitz schon lieben? Während ich wie so oft darüber nachdachte, ließ ich meine Finger über die Tastatur eines Cembalos fliegen. Manche Töne traf ich nicht wegen den spitzen Fingernägeln, doch insgesamt funktionierte mein Spiel noch ziemlich gut, sodass es dem Instrument hübsche Klänge entlockte.
Plötzlich riss mich jedoch ein Geräusch aus meinen Gedanken. Sofort stoppte ich mein Spiel und lauschte genau hin. Ich konnte eine Stimme vernehmen. Sie stammte jedoch nicht vom alten Mann. Sie klang um einiges heller. Wer konnte das sein? Ich lief zum Eingang und beschaute den Jungen, der in mein Schloss eingedrungen war und nach jemandem rief. Er suchte seinen Vater? Ob das der andere Mann war? Eine gewisse Ähnlichkeit hatten sie. Er war hübsch, wie ich es einst war, wie ich feststellen musste. Um den Jungen nicht sofort zu verschrecken, hielt ich mich im Schatten versteckt. ,,Ich kann dir sagen, wo dein Vater ist. Aber was kannst du mir dafür bieten?", fragte ich ihn aus der Dunkelheit heraus.