Geschichten Oktober - Dezember 2018 » Making of a Gentleman

Name: Nathan William McForrester
Alter: 17 Jahre

Nathan wurde in die Familie des wohlhabenden Arthur McForrster geboren, seines Zeichens Landbesitzer und Adliger im guten alten England. Arthur hat drei Kinder: Nathan ist sein zweiter Sohn, dann gibt es noch seine ältere Schwester Isabelle und seinen älteren Bruder - welcher ebenfalls Arthur heißt und später einmal Land und Titel erben wird.
Nathan selbst gilt als äußerst gutaussehend, intelligent und pfiffig, aber er ist nicht gerade pflichtbewusst und zieht lieber mit seinen Freunden um die Häuser und betrinkt sich. Das ist auch der Grund, wieso sein Vater eines Tages seine Sachen packen ließ und ihn hinüber auf das Festland schickte, um dort diese "kulturelle Reise" zu unternehmen, die ja als so charakterfördernd und bildend gilt. Natürlich hat der Bursche keine Lust darauf. Dennoch hat er in Begleitung des uralten Hauslehrers Nicolló bereits Frankreich, Deutschland und Österreich passiert und befindet sich in einer Kutsche in Richtung Venedig, wo ein Geschäftspartner seines Vaters ihn aufnehmen soll. Bislang hatte die Reise aber nur wenig Schönes oder Interessantes...

Name: Angelo da Carrara
Alter: 23 Jahre

Angelo ist in Venedig aufgewachsen, wo er zusammen mit seiner Familie Handel mit allem Möglichen betreibt. Er interessiert sich vor allem für Kuriositäten, weshalb er sich immer wieder gerne mit fremden Handelsleuten austauscht und ihre Ware bestaunt. Er hat ein großes Verhandlungstalent, weshalb ihn sein Vater meistens die Verhandlungen übenehmen lässt. Insgesamt zeigt sich Angelo als verantwortungsbewusster, junger Mann, solange er arbeitet. Wie er seine restliche Zeit verbringt, ist seine Sache, wovon die Familie nichts ahnt. Er treibt sich in der Nacht meistens in den Straßen und Gassen herum, verlustiert sich mit der ein oder anderen Bekanntschaft, besucht kulturelle Veranstaltungen oder gibt sich dem Glückspiel hin. Wo er steckt interessiert niemanden, da er seine Aufgaben trotzdem erfüllt und auch alleine in einer kleinen Wohnung über ihrem Lager wohnt.


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Ein neuer Abend und ein neues Theaterstück. Naja, sollte man meinen. Nicolló war wohl bereits so senil, dass er völlig vergessen hatte, dass er "Der sterbende Kaufmann" bereits in Rom gesehen hatte. Und auch da war er nicht besonders aufregend gewesen, wenn man einmal ehrlich war. Die Darsteller hier wirkten weitaus enthusiastischer als in Rom, doch das bedeutete nicht mehr, als dass sie beim Aufsagen ihrer Texte nicht einschliefen. Wobei, das wäre ja sogar noch unterhaltsam gewesen. Eine kleine Panne im Stück oder so. Doch die machten ihren Job, dieses grauenhafte Stück aufzuführen, einfach zu gut.
Oh nein, Nathan war kein Freund des Theaters. Oder von Bällen. Oder von irgendwelchen Empfängen. In Gesellschaft seiner Freunde und Huren war ihm wohler. Doch dazu kam es auf Reisen leider nur noch selten. Stattdessen verbrachte er Tag um Tag in der Kutsche oder eben in solch opulenten Theaterhäusern und mühte sich, nicht vor Langeweile zu sterben.
Apropos Sterben. Nicolló...? Nein, er atmete noch. War wohl nur eingeschlafen. Seine Anstandsdame war ja auch nicht mehr die Jüngste. Dass er Alte die strapazenreiche Reise überhaupt überstanden hatte, war auch alles. Sein Vater hatte den einzig robusten alten Mann in Großbritannien aufgetan. Immerhin, Talente ausmachen, das konnte der Alte. Und seither hatte Nicolló mit eiserner Faust ihre Reise geplant und durchgeführt. "Ich will sterben, wenn Ihr nicht als gebildeter und tadelloser Mann in die Heimat zurückkehrt", lamentierte er. Ja, genau davor fürchtete sich Nathan auch. Wozu der ganze Aufwand überhaupt vonnöten war, wollte dem Jungen nicht in den Schädel. Er war nicht der Älteste. Das Erbe ging sicherlich an seinen älteren Bruder. Was mit ihm wurde, war daher auch nicht wirklich interessant, oder? Dann konnten sie ihm doch wenigstens den Spaß lassen.
Doch damit war's Essig. Leider erwartete ihn auch im Haushalt des Freundes seines Vaters in der Lagunenstadt nicht die erhoffte Freiheit.
Nathan gähnte herzhaft. Sehr zum Unmut der um ihn her sitzenden, die das ganze wohl für eine ganz großartige Form der Freizeitgestaltung hielten. Verdammt. Und das dauerte noch ganze drei Stunden... Konnte ihn der Herr in seiner Gnade nicht einfach zu sich holen!?

Angelo
Nachdem auch der letzte Händer den Lagerraum verlassen hatte und uns für die Ware bezahlt hatte, konnte ich den Saal absperren und den anstrengenden Arbeitstag abklingen lassen. Meinen Vater hatte es bereits in sein Heim zu seiner Frau - meiner Mutter - verschlagen. Ich hingegen hatte noch einiges vor. Schließlich dämmerte es gerade mal. Aus meiner Jackentasche fingerte ich mir eine Zigarre und ein Streichholz, welches ich an der Hauswand erzündete. Die kleine Flamme hielt ich an das Ende der Zigarre und entzündete sie. Das Streichholz ließ ich einfach fallen und trat es kurz aus. Dann zog ich an dem anderen Ende und sog den brennenden Rauch in mich ein, ehe ich ihn wieder ausatmete. Entspannt schlenderte ich am Kanal entlang, grüßte einige der Händler, die ihre Ware zurück in die Bäuche ihrer anliegenden Schiffe verfrachteten. Dabei hatte ich kein bestimmtes Ziel vor Augen. Ich ließ mich einfach treiben und beobachtete das Lichterspiel der Sonne, welche ihre letzten Strahlen auf der Wasseroberfläche glitzern ließ. Letztendlich bog ich jedoch in eine Gasse ab und machte mich auf den Weg zum Herzen Venedigs. Dort würde ich sicherlich eine Beschäftigung für den restlichen Abend finden. Außerdem bekam ich langsam Hunger, da ich schon seit Stunden nichts mehr zwischen die Zähne bekommen hatte.
Bei dem Theater herrschte helle Aufruhe und eine Menschentraube hatte sich davor angesammelt. Neugierig geworden steuerte ich auf sie zu, um zu sehen, was dort vor sich ging. Wie sich herausstellte, standen die Leute an, da bald die Vorstellung beginnen würde. Ich war gerne in dem Theater, da die Schauspieler wirklich begabt in ihrem Handwerk waren, weshalb ich ihnen gerne zuschaute. Auch die Handlungen waren immer wieder auf's neue amüsant. So drängelte ich mich ohne länger nachzudenken durch die Masse zur Kasse vor, um nach einer Karte zu fragen. Ich hatte Glück, da es noch nicht ausverkauft zu sein schien. Zwar waren die Karten nicht gerade günstig, doch man konnte ja verhandeln. Sie wollten schließlich alle Plätze vergeben, weshalb sie nach ein paar Minuten des Diskutierens endlich nachgaben und mir für einen passablen Preis eine Karte verkauften.
Zusammen mit den ganzen anderen Zuschauern ließ ich mich in den Saal treiben und fand nach kurzem Suchen auch schon meinen Platz. Es dauerte nicht mehr lange, da begann das Schauspiel. Trotz leerem Magen wollte ich es mir hier nicht entgehen lassen und schaute zur Bühne, wo die Schauspieler ihr bestes gaben. Ab und zu ließ ich meine Aufmerksamkeit durch das Publikum gleiten, wobei meine Augen an einem jungen Mann links vor mir hängen blieben. Dieser schien alles andere als begeistert zu sein. Als er auch noch anfing zu gähnen, konnte ich es nicht verhindern vor mich hinzu schmunzeln. Ich beugte mich zu ihm rüber, rum die anderen Besucher nicht zu sehr zu stören. ,,Erster Theaterbesuch?", raunte ich ihm zu.

Nathan war bereits mehrfach weggenickt. Sein Kopf fiel vornüber, mit dem Kinn auf die Brust, bevor er wieder hochschreckte und sich mühte, dem ganzen langweiligen Kram zu folgen, der dort vorn vor sich ging. Seit über einer Stunde lamentierte dieser Kaufmann nun schon über seinen Tod, der aber einfach nicht eintreten wollte. Wann würde der Herrgott sie nur von dieser Pein erlösen?
Just in dem Moment, als er erneut abzudriften drohte, lenkte eine Stimme zu seiner Rechten die Aufmerksamkeit von der Bühne fort und zu einem jungen Mann hin. Neugierig musterte Nathan diesen. Hochgewachsen, mit dichtem Haar und markanten Gesichtszügen. Womöglich ein kleines bisschen älter als er, mit rehbraunen Augen und charmant lächelnd. Nathan, der trotz seiner Attitüde doch recht gebildet war, verstand die Sprache des Einheimischen tadellos.
"Schön wär's", antwortete er mit einem ebensolchen Lächeln und nickte dem Mann zu. "Der hundertste wohl eher. Und dieses Stück war noch das Spannendste davon. Ihr könnt mir glauben, ich habe endgültig die Nase voll von diesem Klamauk."
Jene kulturell gebildeten Theaterbesucher, die gehört hatten, iwe der junge Mann ihr Stück als "Klamauk" bezeichnet hatte, fuhren empört zu ihm herum, hielten die Zeigefinger vor ihre Münder und zischten laut, auf dass er schweigen möge. Doch tatsächlich war dieses kurze Gespräch bislang noch das Spannendste am ganzen Stück, sodass es ihm nicht einfiel, dieses zu beenden. "Und du? Kommst du öfter her? Man sollte meinen, in Venedig gibt es bessere Wege, sich zu amüsieren."

Angelo
Der junge Mann schenkte mir ein Lächeln und wandte sich mir zu, sodass ich ihn nun noch etwas besser erkennen konnte, obwohl das Licht im Saal nur gedimmt schien. Allein die Bühne war vollkommen beleuchtet. Als er das Stück als Klamauk bezeichnete, lachte ich in mich hinein, wohingegen ich nach außen nur still mein Amüsieren kund tat. Diese Form der Unterhaltung war wahrscheinlich nicht für jedermann etwas. Ich selbst genoss es jedoch sehr, auch wenn ich einige Stücke wahrscheinlich schon auswendig kannte, so oft, wie ich sie gesehen habe.
Nun wollte er von mir wissen, ob ich öfter herkommen würde. Vermutlich unterhielt ihn diese Konversation mehr, als das Schauspiel. Die erzürnten Gesichter der anderen Zuschauer ignorierte ich gekonnt. Solange uns niemand raus warf, konnte es mir getrost egal sein. An manchen Konzertabenden war das Publikum sogar um einiges lauter als die Künstler und niemand störte sich daran. Da sollte ein leises Gespräch kein Problem sein. ,,In der Tat bin ich hier oft anzutreffen. Aber natürlich gibt es auch viele andere Wege, seine Zeit tot zu schlagen.", merkte ich an. Ich haderte etwas mit mir. Ich könnte mit diesem jungen Mann den heutigen Abend verbringen oder weiter die Vorstellung genießen, die noch einige Stunden dauerte und für die ich bereits bezahlt hatte. Trotzdem konnte ich den armen Brünetten doch nicht einfach vor Langeweile dahinscheiden lassen. So erhob ich mich letztendlich, richtete meine Jacke wieder richtig und machte eine Handbewegung, dass er mir folgen sollte. ,,Komm, ich zeige dir, was es sonst noch zu bewundern gibt.", meinte ich und drängelte mich durch die Reihe nach draußen. Zwar wirkten die Theaterbesucher wenig begeistert, dass sie Platz machen mussten, doch auch das ignorierte ich gekonnt.

Er wirkte in Ordnung, der Fremde. Nathan hatte keine besondere Vorstellung von dem, wie man hier noch seine Freizeit gestaltete, doch würden die Leute doch wohl nicht ihr Leben im Theater verbringen?
Doch ausgerechnet sein neuer Freund schien ein großer Freund dieser Beschäftigung zu sein, bestätigte er doch, dass er sich des Öfteren in diesem Saal aufhielt und den Darstellern zusah. Und er hatte schon gedacht, er wäre in Ordnung. Immerhin schien der Fremde ihm sein Desinteresse nicht übel zu nehmen. Nathan quttierte das Lächeln des Mannes seinerseits mit einem Grinsen und richtete sich darauf ein, sich in aller Stille hin und wieder ein wenig austauschen zu können - doch es kam anders. Sehr zu seinem Erstaunen (und dem Unmut der Umsitzenden) erhob sich der Mann. Nathan musste zugeben, dass er enttäuscht war. Allerdings nur so lange, bis ihm ihm sein neuer Freund bedeutete, ihm zu folgen, woraufhin sein Herz unerwarteterweise einen Freudensprung machte. Er dachte gar nicht nach, denn alles war ihm recht, von hier loszukommen. So vergewisserte er sich, dass sein Aufpasser noch immer selig schlief und folgte Angelo hinaus aus dem Saal, durch die breiten und pompösen Flure des Spielhauses und hinaus auf den Platz.
"Das hat mich gerettet, Freund!", lachte er heiter. "Frische Luft! Mein Name lautet übrigens Nathan."

Angelo
Ich hatte mich gar nicht zu ihm umgedreht, um mich zu vergewissern, dass er mir auch wirklich folgte. Spätestens wenn ich alleine vor der Tür zum Stehen gekommen wäre, hätte ich mich deswegen ärgern können. Schließlich warf ich nur für diesen Unbekannten meine Pläne für den heutigen Abend über Bord. Als ich mich jedoch umdrehte, konnte ich sein heiteres Gesicht erblicken und schien meine Entscheidung nicht zu bereuen. Er nannte mich 'Freund', ging darauf nicht weiter ein. Man konnte sich schließlich schnell mit jemanden anfreunden und ich knüpfte sehr gerne neue Bekanntschaften. Als nächstes stellte sich mir der Brünette vor. Nathan hieß er also. Nicht unbedingt ein typischer Name für hier. Er musste ein Reisender sein. Auch einen leichten, englischen Akzent konnte ich vernehmen. Vermutlich ein Engländer. ,,Nun, Nathan. Es ist mir eine Ehre, deine Bekanntschaft zu machen, sowie den Helden für dich zu spielen. Ich bin Angelo.", stellte nun auch ich mich charmant lächelnd vor, ehe ich meinen Kopf etwas neigte, um eine höfliche Verbeugung anzudeuten. Da ich nicht wusste, was genau der andere gerne sehen würde, beschloss ich einfach, ihm alles zu zeigen. Ohne länger zu warten, machte ich mich auf den Weg in die nächste Gasse, die zu dieser Zeit immer belebt war. Hier wollte ich jedoch nicht hin. Mein Ziel war eine kleine Bar am Kanal, die die ganze Nacht geöffnet hatte, wo die Leute auch davor standen und ihre gute Laune die Luft zum Vibrieren brachte.

Angelo also. Ein waschechter Venezianer, kein Engländer, der irgendwann mal hergezogen war. Nathan freute sich, die Stadt einmal so wie die Einheimischen kennenzulernen. Fern von seinem Lehrer oder anderen Schnöseln, die ihn nur langweilten. Schnell ließen sie das Theater hinter sich und schlängelten sich durch die enger und am Abend dunkler werdenden Gassen, aus denen die Lagunenstadt bestand. Er war furchtbar aufgeregt. Wieso, wusste er selbst nicht ganz. Endlich wieder einmal frei sein, nach all der Zeit.
Angelo musste von hier sein. Er kannte sich tadellos aus, bewegte sich durch die Menge wie ein Fisch durch das Wasser. Sie kamen an Läden und Markständen vorbei, überall wurden die berühmten Masken Venedigs angefertigt und ausgestellt. Fischhändler riefen laut durch die Gegend und Kahnführer trällerten ihre Lieder.
Er folgte dem Fremden weiter, bis sie an einem Steg direkt am Wasser standen und auf eine kleine Bar zuhielten, über der Laternen warmes Licht spendeten. Richtig urig, fand Nathan, der sich mit Angelo gemeinsam hinein zwängte.
"Hier war ich noch nie!", verkündete er lächelnd. "Du bist wahrlich meine Rettung!"

Angelo
Eilig hatte ich es nicht, weshalb ich mich in einem gemächlichen Tempo voran machte. Ab und zu blickte ich mich dabei trotzdem nach dem jungen Mann um, um ihn auch ja nicht zu verlieren. Es herrschte ein reges Treiben und überall war etwas zu bestaunen. Verführerische Düfte venezianischer Speisen lockten einen zu den ganzen Ständen und selbst bei Nacht konnte man noch eine schillernde Farbenpracht genießen. Da konnte man leicht abgelenkt werden und verloren gehen. Da ich dieses Spektakel jeden Tag bewundern durfte, war ich schon etwas abgehärtet, wobei ich mich immer noch davon verzaubern lassen konnte. Der Brünette schaute sich auch um, wie ich feststellte, folgte mir jedoch die ganze Zeit.
Letztendlich erreichten wir mein Ziel und betraten den beleuchteten Eingang der kleinen Bar. Dass Nathan hier noch nie gewesen ist, hätte ich mir beinahe denken können, weshalb ich amüsiert grinste. Er wirkte nicht wie jemand von hier und ich kannte hier die verschiedensten Bewohner. ,,Das hätte ich mir fast gedacht. Seit wann bist du hier? Bist du ein Engländer?", fragte ich ihn mit einem interessierten Lächeln, ehe ich mich zwischen einer Bande älterer Männer durchschob, um mich an einen noch leeren Holztisch zu setzen, von dem aus ich meinem Begleiter zu wank, damit er sich zu mir gesellte.

Die urige kleine Kneipe wae genau nach dem Geschmack des jungen Briten, der sich hinter seinem neuen Freund hinein quetschte und an dem Tisch niederließ. Überall standen die Venezianer und redeten laut und tauschten die neuesten Neuigkeiten aus. Das übliche Feierabend-Gelaber, die Politik, die Arbeit...
"Ich bin erst seit einer Woche hier. Kannst du das glauben? Und ich habe bisher nichts anderes als den Palazzo meines Gastgebers und das Theater gesehen. Es ist ein Trauerspiel... Dabei kann man in dieser Stadt so viel Spaß haben, denke ich..."
Er zuckte mit den Schultern.
"Was trinkt ihr hier eigentlich? Ich will irgendwas Starkes!"

Angelo
Aufmerksam hörte ich dem Jungen zu, während ich meinen Blick durch die wabernde Menge streifen ließ, ob sich hier irgendwo bekannte Gesichter finden ließen. Tatsächlich erkannte ich den ein oder anderen Händler wieder, der uns etwas abgekauft oder verkauft hatte. Manche waren sogar Stammkunden bei uns. Doch auch eine hübsche Schwarzhaarige erkannte ich wieder, die mich wohl auch entdeckt hatte, da sie mir ein erfreutes Lächeln zuwarf. Auch meine Begleitung schien sie bemerkt zu haben, da sie den Engländer neugierig musterte. Auch ich wandte mich wieder ihm zu. ,,Eine Woche schon im schönen Venedig und nichts anderes gesehen, das ist wirklich unverzeihlich. Dabei gibt es noch so viel zu sehen.", entgegnete ich ihm. ,,Ich verbringe mein ganzes Leben hier und kann mich nicht beklagen. Es gibt etliche Wege, sich zu amüsieren. Siehst du die Frau dort?", fragte ich ihn und deutete zur Schwarzhaarigen. ,,Sie ist hübsch oder? Sie leitet ein Freudenhaus hier in der Nähe. Dort solltest du unbedingt mal vorbei schauen.", empfiehl ich ihm. Die Damen dort freuten sich ebenfalls über neue Kunden, vor allem wenn sie noch so jung und hübsch waren. Auch ich musste mir eingestehen, dass er einen guten ersten Eindruck auf mich machte - auch wenn er das Theater verschmähte.
Nun wollte Nathan von mir wissen, was es hier zu trinken gab. Etwas starkes wollte er. Entweder er wollte sich betrinken oder war ziemlich trinkfest. Mir war beides Recht. So bestellte ich für uns, als der Wirt sich zu uns durchgedrängt hatte. ,,Zwei Becher mit feinstem Rum.", sagte ich, woraufhin er nickte und wenig später mit den gefüllten Bechern wieder kam.

Der junge Brite fühlte sich in der vollen Kneipe pudelwohl. Jedenfalls weitaus wohler als inmitten all dieser spießigen Theaterbesucher im Alter von 50 aufwärts. Nein, die Gesellschaft hier war weitaus... ansprechender...
"Wow...", murmelte Nathan beeindruckt und zog die Schönheit praktisch mit seinen Blicken aus. "Die soll ein Freudenhaus leiten?"
Die sah so jung aus. Nun, nicht so jung wie sie beide, doch auch nicht alt und verbraucht. Schön eben. Schön und reif und genau das richtige, um eine Nacht lang Einsamkeit und Unbill zu vergessen.
"Du kannst mir glauben, dass dieses Freudenhaus meine nächste Anlaufstelle wird", versprach der Junge und nahm sich von dem Rum, der vorzüglich schmeckte, auch wenn er wirklich sehr stark war - also genau das, was er wollte. Also bestellte er noch mehr. Er woltle heute abend nicht nüchtern bleiben!

Angelo
Nachdem uns der Rum aufgetischt wurde, nippte ich etwas am Becher, während ich den Jüngeren etwas beobachtete, wie er sich die Brünette anschaute. Sie schien ihm zu gefallen, auch wenn er es hinterfragte, ob sie wirklich ein Freudenhaus leitete. Nicht nur Männer oder ältere Damen konnten ein solches Unternehmen leiten. Ich kannte Caterina schon länger und sie war nicht zu unterschätzen. Besser hätte man das Freudenhaus jedenfalls nicht leiten können. Nur manchmal konnte sie etwas schnippisch werden und bediente selbst nur selten. Ich selbst kam jedoch schon in den Genuss.
Da Nathan mir nun mitteilte, was seine weiteren Pläne sein würden, musste ich grinsen. ,,Da werden sich die Damen aber über einen so jungen, hübschen Mann freuen.", meinte ich, ehe ich noch einen Schluck aus meinem Becher nahm und ihn wieder auf den Tisch stellte. Der Engländer bestellte sich gleich noch einen Becher. Anscheinend wollte er sicher stellen, dass der Alkohol wirklich anschlug bei ihm. ,,Wie lange bleibst du denn noch in der Stadt?", wollte ich wissen.

Nathan war es leid, dieses ständige "Sich-Benehmen". Als hätte sein alter Herr sich in seiner Jugend nicht amüsiert. Und nun musste er so tun, als sei er ein solch bierernster Zeitgenosse... Das machte doch keinen Spaß.
Doch der Ausblick, der war schon nicht übel. Nathan glaubte gern, dass Caterina ihr Geld wert war. Für eine Hure benahm sie sich tadellos und ihre Bewegungen und ihr Blick erinnerten ihn an eine Raubkatze. Eine ziemlich schöne Raubkatze...
Nur mit Mühe eiste sich der Junge von dem Anblick los und fixierte seinen neuen Freund, dem er für das Kompliment dankte.
"Mindestens noch einige Wochen. Wenn nicht länger", antwortete er. "Vater will, dass sein Freund mir Erziehung angedeihen lässt oder so. Als ob er das schafft..."