RE: Reencounter [FSK 18] - 3

Dieses Thema war emotional aufgeheizt. Selbst, wenn die ersten Worte schon gesprochen waren, konnte die Stimmung immer wieder kippen und sie konnten sich in einem Geflecht aus Vorwürfen verstricken. Leider waren sie beide garstige Biester mit sturen Köpfen, wenn sie stritten, und konnten alles wieder zunichte machen. Der Frieden war ein zerbrechlicher, schwacher. Erneut begann also Victor sich zu erklären, viel zu reden und stoppte grade noch, als er zu hitzig werden konnte. Eine Weile lang hatte Shin sich stark angespannt, und es löste sich wieder ein wenig, als sein Gegenüber eine Pause machte. Shin war ihre Angiftungen leid und wusste, wie vorsichtig sie nun miteinander umgehen mussten, um den Krieg ruhen zu lassen, auch wenn die Worte schmerzten. Es wurde ihm wieder bewusst, dass er Mag niemals mehr haben würde und er sie nun auch ab und zu sehen würde. "Schon gut", sagte er leise und verschränkte die Arme schützend. Er musste damit irgendwie klar kommen. Dann verdrehte Shin jedoch die hellen Augen. "Man, Victor, du musst nicht nochmal erwähnen, wie erwachsen wir sind. Das macht uns nicht zu Göttern oder besseren Menschen. Wir sind heute auch keine alten, weisen Männer, die immer klug handeln." Vielleicht wollte Victor das sein, doch Shin war weit davon entfernt und hatte auch nicht das Ziel, allzu erwachsen zu wirken. Er vermisste seine Jugend oftmals. "Aber ja, das klingt gut." Er nickte nachdenklich. "Wir versuchen einfach, uns erstmal nicht mehr anzufeinden und schauen dann mal." Viel mehr würden sie auch nicht voneinander verlangen können. Grade Shin könnte nicht erneut so schnell eine enge Freundschaft aufbauen, ohne ständig Angst zu haben, dass er nochmal belogen oder betrogen wurde. Er brauchte Zeit, und vielleicht auch noch mehr Gespräche darüber, denn verarbeitet hatte er es nie. Eher unterdrückt und versucht, zu vergessen.

Innerlich verdrehte der Größere bei Shins Gesagtem die Augen. Natürlich waren sie nicht gottesgleich oder weise, doch man musste sich doch auch nicht benehmen wie im Kindergarten. Mit dem Alter kamen nun mal die Verantwortung und eine gewisse Reife. Victor war nicht nachtragend und konnte vergeben. Und im Vergleich zu vielen anderen interpretierte er nicht irgendeinen Schwachsinn in Handlungen von Menschen. Anstatt sich den Kopf zu zerbrechen, wieso sie etwas getan hatten, sprach Victor sie an. Und genau das hätte Shin doch auch machen können. Dann hätte er die letzten zehn Jahre Klarheit gehabt. Dann hätten sie womöglich ihre Freundschaft fortsetzten können. Stattdessen musste Victor nun dieses Gespräch führen.
„Schön, dann haben wir ja Alles geklärt und können uns jetzt ganz normal benehmen. Wie schön.“ Ein Hauch von Sarkasmus lag in Victors Stimme. Er lächelte gezwungen, nahm noch einen letzten Zug seiner Zigarette, ehe er sie am Boden austrat. Für ihn war das Gespräch beendet. Er hatte dem nichts mehr hinzuzufügen. Und tatsächlich war er es auch leid über Fehler aus der Vergangenheit zu sprechen, die so lange zurücklagen. Er lebte in der Gegenwart und wollte sich auf seine Zukunft konzentrieren, anstatt alte Sünden auszugraben und neu einzuheizen. Davon hatte er mehr als genug. Und Shin sicherlich auch.
Nachdem eine kurze Pause eingetreten und nichts mehr zu sagen war, wandte sich Victor schließlich wieder dem Gebäude zu und ging die Treppen bis zum Studio hoch. Er wollte sich nun auf das nächste Projekt konzentrieren und vorbereiten, das nach der Pause beginnen würde.

Shin war nicht begeistert darüber, dass Victor das Thema nun schnell beenden wollte und es als geklärt betrachtete. Aber sie hatten unterschiedliche Standpunkte und der Schwarzhaarige merkte, dass sie beide zu stur waren, um sich dahingehend einig zu werden. Es würde vielleicht immer zwischen ihnen stehen, aber wenigstens wollten sie sich beide um den Frieden bemühen, das war ihre Gemeinsamkeit.
Still nickte Shin nur und seufzte leise. Er ließ Victor ziehen und wollte erstmal etwas Ruhe über alles wachsen lassen. Ob ihm das gelingen würde, würde man noch sehen. Nun jedenfalls musste er aufbrechen, zum nächsten Studio.

Es vergingen einige Tage, ehe sich der Chef des Studios meldete und einen neuen Auftrag für ihn hatte. Es ging um einen Kriegsfilm, in welchem er einen Offizier synchronisieren sollte. "Der Film wird bald einmal in Orginalvertonung ausgestrahlt. Ich möchte bitte, dass Sie mit Mr. Smith zur Ausstrahlung fahren und ihn sich gemeinsam ansehen. Wie übernehmen die Kosten und Unterbringung für zwei Tage. Einige der Schauspieler werden auch anwesend sein. Das ganze wird wichtig für uns ein, er soll in die großen Kinos kommen. Es muss perfekt werden." Shin sagte zu, und in drei Tagen sollte es los gehen. Alle weiteren Informationen sollte er dort erhalten.
Wie geplant stand er drei Tage später am Bahnhof und wartete auf Victor, welchen er hier treffen sollte.
Nachdenklich blickte er auf die Grenzlinie des Gleises und fragte sich, wie sich die zwei Tage gestalten würden. Er machte sich Sorgen um ihren Umgang, aber auch um die Rolle. In einem Kriegsfilm hatte er noch nie gesprochen, und wenn er seinem Vorgesetzte Glauben schenkte, musste er sich tief in die Rolle hinein versetzen und sich eng mit der Geschichte auseinander setzen, um es authentisch klingen zu lassen. Zeichentrickkatzen waren ja wesentlich unkomplizierter.