Geschichten April - Juni 2020 » Reencounter [FSK 18]

Name: Shin (Wahrheit / Wirklichkeit) Ross
Alter: 26 Jahre
Beruf: Synchronsprecher
Größe: 1,83 Meter
Augenfarbe: Hellblau
Haarfarbe: Tiefschwarz
Körperliche Merkmale: Helle Haut, schmale Augenbrauen, schlank gebaut, leicht japanische Gesichtszüge.
Stimmklang:
https://www.youtube.com/watch?v=FOBm2-M0oWQ
https://www.youtube.com/watch?v=GWYzxwrNcEU
https://www.youtube.com/watch?v=EV9ovemitPc
https://www.youtube.com/watch?v=PAa4hTb9NyM


Hobbys: XXX

Charakter: XXX

Geschichte: XXX

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Es war ein Morgen wie jeder andere auch, würde man meinen. Es regnete draußen leicht, als der schrille laute Wecker von Shin los ging. Er warf ihn wie üblich an die Wand. Ein stabiles Teil, welches aber wie seine siebzehn Vorgänger auch nicht ewig halten würde.
Er quälte sich aus dem Bett, nahm eine heiße Dusche, aß ein Sandwich und eine halbe Gurke, trank einen Kakao, ehe er sich dann erst anzog und zur Arbeit aufmachte. Die Haare in einem strengen Zopf, damit sie ihm nicht beim Sprechen im Weg rumflatterten.
Er fuhr mit seinem Wagen nur etwa fünfzehn Minuten, ehe er bei dem vertrauten Tonstudio ankam. Erst heute würden die Aufnahmen hier für einen neuen Film beginnen. Das Studio hatte einige Wochen nach einem neuen Tontechniker suchen müssen und Shin war gespannt, wie dieser sein würde. Alle hatten ihre Eigenarten, doch meist ging man sehr freundlich miteinander um. Irgendwer brachte zudem immer Häppchen, Kuchen oder Kekse mit in dieses Studio, das hatte sich so etabliert. Also freute sich Shin gewissermaßen, endlich wieder diesen Laden zu betreten und freundlich empfangen zu werden. Der Chef öffnete ihm die Tür, sie begrüßten sich und plauderten kurz miteinander. „Ja, also ich habe bis etwa 12 Uhr Zeit. Dann muss ich wieder los und zum anderen Studio.“ Es war leider ein Spießrutenlauf. Es hatte Phasen gegeben, da war Shin von morgens bis Abends von Studio zu Studio gefahren, und es hatte ihn fast wahnsinnig gemacht. Zwei hingegen waren gut machbar und er wirkte entspannt.
Nun trat er hinein, nahm sich einen Keks vom Futtertisch – so nannte man ihn hier – und schob ihn sich zwischen die Lippen. Doch dort blieb er auch, als er durch eine der vielen Glasscheiben des Apartments auf einmal jemand bekanntes erblickte. Das war doch nicht… Er starrte ihn an, und ein Impuls fasste ihn, trug ihn zurück zum Chef. Die Ruhe war vorbei und es war, als würde ein Sturm durch die Räume fegen. „Wer ist das?“, fragte Shin nervös nach und schnaubte vor sich hin.

Überall wo man auch hinblickte, waren Umzugskartons in der freizügigen Wohnung übereinandergestapelt. Auf dem Boden lagen vereinzelte Sachen herum, die vom trüben Licht von draußen benebelt wurden. Alles sah friedlich aus, bis…

„I'm awake, I'm alive
Now I know what I believe inside
Now, it's my time….“

Mit noch völlig verklebten Augen schaltete Victor seinen Wecker aus, ehe ihn John Coopers Stimme fünf Minuten später vollkommen aus dem Bett warf. Er war einfach kein Morgenmensch, doch heute sollte ein ganz besonderer Tag werden! Vor knapp einem Monat hatte sich der junge Mann bei einem Tonstudio mitten in der Londoner Innenstadt beworben. Zwar überschlugen sich die Mieten in der Weltstadt, doch das war es alle mal wert! Ein Traum erfüllte sich für Victor und seiner zukünftigen Ehefrau.
Knurrend stand Victor auf, frühstückte und wusch sich, ehe er sich ein schwarzes Shirt mit V-Ausschnitt und eine hochwertige Lewis-Jeans überzog. Als Tontechniker musste er glücklicherweise nicht in Schlips und Krawatte auf Arbeit erscheinen. Kurz bevor er sich auf dem Weg machte, gab er Mag, seiner Verlobten, einen Kuss und wünschte ihr noch einen schönen Tag.
Glücklicherweise hatte das verliebte Paar eine Wohnung in der Nähe des Studios ergattern können. Victor benötigte eine Viertelstunde zu Fuß, was bei dem hohen Verkehrsaufkommen ein Segen war.
Als er das Tonstudio erreicht hatte, klingelte er, machte einen Schritt zurück und blickte ein letztes Mal an sich herunter. Ja, so konnte er sich definitiv sehen lassen! Er setzte sein Zahnpasta-Lächeln auf, als er von einer hübschen, zierlichen Frau hereingebeten wurde. Sie hatte orangefarbenes Haar und knallrote Lippen. Dazu trug sie einen schwarzen Rock sowie eine gepunktete Bluse. Süß.
Victor musste sich gar nicht vorstellen, schon begann sie zu strahlen. „Sie müssen Mr. Smith sein! Herzlich Willkommen!“. „Ganz genau der bin ich. Vielen Dank.“, lächelte Victor, und folgte der zierlichen Frau. Sie führte ihn durch das moderne Gebäude und blieb schließlich vor einer Tür stehen, klopfte an und öffnete die Tür als ein kurzes „Herein bitte“ ertönte. Sie nickte Victor zu, der daraufhin die Tür öffnete und das Büro betrat. Ein älterer Mann mit Halbglatze, Anzug und knallgelber Krawatte schaute von seinem Schreibtisch zu ihm auf. „Ach Mr. Smith. Wie schön Sie endlich zu sehen! Haben Sie gut hergefunden?“ begrüßte er den Neuankömmling, stand auf und reichte dem jungen Mann die Hand. Dieser erwiderte das Händeschütteln. Nach kurzem Smalltalk führte Victors zukünftiger Chef, Mr. Adams, den Neuen herum, ehe sie im obersten Geschoss und somit Victors neuem Arbeitsplatz stehenblieben. „Ich hoffe Sie finden sich gut hier ein. Ich habe keine Zweifel, dass Sie sich mit allen wunderbar verstehen werden.“ Lächelte der Ältere und klopfte Victor die Schulter. „Vielen Dank, Mr. Adams. Das hoffe ich doch auch! Aber bisher gefallen mir die Räumlichkeiten wirklich gut. Und wegen der Kollegen mache ich mir gar keine Gedanken.“ Erwiderte Victor mit kräftiger Stimme. Er hatte zweifelslos einen guten Eindruck hinterlassen.
Sie tauschten noch ein paar Worte aus, ehe sich Mr. Adams auf den Weg machte. Victor seufzte kurz auf, stemmte die Arme in die Seite und blickte auf seinen neuen Arbeitsplatz. Er wollte sich schon an die Arbeit machen, als er aufblickte und ins Stocken kam. Das konnte doch nicht… Nein, nicht hier… War das wirklich...? Victor wollte seinen Augen nicht trauen, als er durch einige Glasscheiben einen damaligen Freund erblickte. Aufgrund von misslichen Umständen waren sie zerstritten auseinandergegangen und nicht gut aufeinander zu sprechen. Schuld dafür war wohl Victor, doch eigentlich hatte er mit dem Kapitel längst abgeschlossen. Er biss sich kurz auf die Unterlippe, ehe er sich umdrehte und seine ersten Unterlagen zur Hand nahm.

"Das ist Mr. Smith, unser neuer Tontechniker." Mr. Adams fasste mich an der Schulter, er kannte mich schon lange und konnte es direkt merken, wenn meine Laune sich änderte. Wir waren gemeinsam schon durch einige Höhen und Tiefen gegangen und auch, wenn er manches Mal streng sein konnte, war ich dennoch froh darüber, viele Aufträge mit diesem Studio zu haben. Für gewöhnlich war die Stimmung herzlich und freundlich, doch nun änderte sich vieles für mich. Ich schüttelte den Kopf, ganz ungläubig. "Nein, ich werde nicht mit ihm arbeiten", platze es direkt aus mir heraus. Ich schmiss meinen angekauten Keks aus einen Tisch und fuhr mir durch die Haare. "Aber Ross, hee, was ist denn los?", fragte er mich und blieb in meiner Nähe. So kannte er mich nicht. Auf der Arbeit war ich besonnen und ruhig, meistens gut gelaunt. Ich liebte meinen Job. Doch wie sollte ich arbeiten und mich in die Rollen der Schauspieler versetzen, wenn dort Victor hinter der Scheibe saß und mir Anweisungen erteilte?
"Wir kennen uns. Und wir sind damals nicht im Guten auseinander gegangen." Mehr teilte ich meinem Auftraggeber nicht mit. Dieser seufzte nur schwer und ging den Flur hinab. Er ging in den Aufnahmeraum, in welchem sich auch noch Victor befinden müsste. Vielleicht versuchte er zu schlichten. Ich dagegen verschränkte die Arme und nahm wieder den Keks, um darauf herum zu kauen. Ich benahm mich wie ein kleines Kind, doch ich war so aufgewühlt, dass ich nicht anders konnte. So gut es irgendwie möglich war, unterdrückte ich jetzt schon meine Emotionen und hielt mich zurück, Victor das Kekstablett nicht sofort um die Ohren zu hauen und ihm anschließend die Kekse in die Luftröhre zu stopfen. Immer wieder schnaubte ich tief, presste den Kiefer aufeinander.
"Mr. Smith, klären Sie das bitte mit Mr. Ross in Ruhe."

Es dauerte keine zehn Minuten, ehe Victor von seinem Chef unterbrochen wurde. Er hatte sich mit einem Klopfen angekündigt und betrat mit einem verunsicherten Lächeln den Raum. „Mr. Smith… vielleicht haben Sie durch die Scheiben bereits erkannt, dass Mr. Ross ebenfalls hier arbeitet. Sie kennen sich bereits?“ Victor rutschte etwas unruhig auf seinem Stuhl hin und her, bevor er sich räusperte. „Ja, auch wenn wir leider nicht gut auseinander gegangen sind.“ „Nun, das hat er mir auch gesagt. Und, dass er nicht mit Ihnen arbeiten wird. Mr. Smith, klären Sie das bitte mit Mr. Ross in Ruhe.“ Und damit verschwand sein Vorgesetzter. Victor seufzte nun laut auf und lehnte sich zurück, schloss die Augen und atmete tief durch. Das konnte doch nicht wahr sein! Das war sein erster Arbeitstag in einer Firma, die ihm vom ersten Moment gut gefallen hatte. Und nun musste tatsächlich Shin hier arbeiten? Das sollte wohl ein schlechter Scherz sein!
Unwillig stand der Neue auf und ging geradewegs zu seinem alten Bekannten. Er brauchte sich auch gar nicht ankündigen, da sein Erscheinen durch die teils verglasten Wände abzusehen war.
„Hi.“, war Alles, was Victor herausbrachte, als er die Höhle des Löwen betrat. Shins Gesichtszüge sahen verkrampft aus, bissig und alles andere als erfreut. Victor war sich bewusst, dass sein Gegenüber ihm wahrscheinlich am liebsten den Hals umgedreht hätte. Wer könnte es ihm auch verübeln? Victor war in der Vergangenheit ein Arsch gewesen und war es teilweise immer noch, zumindest manchmal. „Ich habe gehört, dass du nicht mit mir zusammenarbeiten willst. Liegt das vielleicht daran, dass ich dir damals die große Liebe ausgespannt habe? Oder, dass du in meinem Schatten immer gefröstelt hast?“ scherzte Victor und lehnte sich seitlich gegen die Wand. Seine Arme hatte er längst verschränkt. Was Shin konnte, konnte Victor allemal!

Shin erinnerte sich, wie er damals schon auf dem Schulhof auf Victor losgegangen war, nachdem er erfahren hatte, dass er seine Freundin verführt hatte. Die Lehrer mussten sie auseinander reißen und Shin wäre so kurz vor dem Abitur fast von der Schule geflogen. Heute wollte er es besser machen. Das Studio war ihm wichtig, die Kollegen, und auch die Synchronrolle. Er konnte nicht riskieren, diesen wichtigen Arbeitgeber zu verlieren, auch wenn er noch weitere hatte.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie Victor auf ihn zu kam und wenig später direkt los legte. Er versuchte nicht, den Frieden zu wahren, sondern provozierte direkt. Tatschlich fiel es dem Halbasiaten nicht leicht, Abstand zu wahren. Seine Fäuste waren schon geballt. Er atmete tief durch. "Halt's Maul. Ich arbeite hier schon ein paar Jahre länger als du. An deiner Stelle würde ich lieber den Arschkriecher spielen." Solange Shin nicht gewalttätig wurde, würde ihn hier niemand raus werfen, da war er sich sicher. Er brachte fiel Geld ein und alle hielten viel von ihm. Dagegen war Vincent fremd und neu. "Ich habe kein Interesse daran, mit dir zusammen zu arbeiten. Aber... falls Mr. Adams dich wirklich einstellen will, muss ich mich damit abfinden. Und das solltest du auch, anstatt dich über mich lustig zu machen." Leider war die Stelle des Tontechnikers zwei Wochen unbesetzt geblieben, neue waren anscheinend grade schwer zu finden und sie hingen im Zeitplan hinterher. Mr. Adams würde wohl nur im Notfall nochmal eine neue Stelle ausschreiben.
Kurz dachte Shin über Victors Worte nach. Seine Thesen mochten zutreffen, doch nun stand Shin keinesfalls mehr in seinem Schatten, und das beruhigte ihn.

Victor konnte seinem Gegenüber ansehen, dass dieser kochte. Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt und schien wohl noch mit sich zu ringen. Victor zog bloß seine Augenbrauen hoch und ein süffisantes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. Sollte er doch. Sollte Shin doch auf Victor losgehen.
„Ich spiele den Arschkriecher, wenn ich es für nötig halte. Aber keine Sorge… Mr. Adams hat ein ziemlich gutes Bild von mir.“ Lächelte der Größere und hoffte instinktiv den Anderen damit zu provozieren. Aufgrund von Shins Vergangenheit war Victor klar, dass der Andere ab und zu auch zuschlagen konnte. Auch Victor hatte ein paar Mal einstecken müssen, doch das war mittlerweile Jahre her. Und schließlich hatten sie ja auch schöne Momente zusammen erlebt. Bis Victor dann auf Frauenjagd gegangen war. Aber immerhin hielt diese Beziehung nun schon seit fast zehn Jahren! Ob Shin in seinem Liebesleben wohl auch so… glücklich war? Ob er ausgelastet war? Victor konnte es sich bei diesem benehmen kaum vorstellen. Jeder normale Erwachsene hätte so eine jugendliche Sünde längst verziehen.
„Du musst dich wohl damit abfinden. Ich habe Berufserfahrung und ein exzellentes Arbeitszeugnis vorzuweisen. Ich bin wohl essentiell für die Firma, also auch für dich.“ Erwiderte Victor. „Ach, und den Arbeitsvertrag habe ich bereits unterschrieben. Dennoch hoffe ich, dass du mir meine Probezeit so angenehm wie möglich gestalten wirst. Wir sind schließlich ein Team.“ Das letzte Wort hatte Victor besonders betont, während sich seine Augen in die des Jüngeren bohrten. „Ich lade dich auch gerne mal auf ein Bier ein.“ Fügte er schnell und mit weniger Ernsthaftigkeit hinzu. Diese passive Aggressivität hatte er von Mag kopiert. Sie war immer ein guter Streitpartner gewesen, von der man eine Menge lernen konnte.

Leider hatte Victor recht, mit dem, was er von sich gab. Er war wichtig für diesen Betrieb. Ohne einen Tontechniker lief hier nichts. Letzten Endes konnte Shin nur hoffen, dass sich Mr. Adams während der Probezeit des Braunhaarigen noch umentschied, weil dieser sich einfach daneben benahm. Vielleicht würde er Shin immer wieder provozieren, bis es selbst Mr. Adams nicht mehr aushielt, oder die Qualität der Arbeit würde zu sehr unter ihrer angespannten Beziehung leiden. Doch sie beide waren hier wichtig, nicht einfach austauschbar, und mussten sich somit zusammen reißen und miteinander irgendwie arbeiten. Leider merkte der Jüngere, dass dies schwierig sein könnte, da Victor seine miese Art und Weise nicht abgelegt hatte.
Ja, nun waren sie leider ein Team. Das wütende Schnauben, welches Shin schon immer ausgemacht hatte, trat immer wieder hervor. "Nein, danke", meinte er nur. "Ich besorge mir nun etwas zu trinken, und dann fangen wir mit der Arbeit an. Wir sind schon im Verzug." Mehr wollte ich dazu nicht sagen. Weitere Diskussionen führten nur zu weiteren Streitigkeiten und Zeitverlust. Er musste mich sammeln, um in seine Rolle zu gehen, was jedoch so emotional nicht einfach werden würde. Also suchte er die Pausenküche auf. Ein großer Tisch mit vielen Stühlen, frischer Kaffeegeruch, Wasser und Säfte, in den Schränken waren einige Snacks. Die Küche war gut ausgetattet und wir bestens versorgt. Dort nahm ich ein kühles Wasser, ehe Susann, die mit den organgenen Haaren, auch eintrat. "Habe dich selten so garstig erlebt", meinte sie dann und wühlte in den Schränken herum, suchte wohl mal wieder nach etwas Süßem.

Victor konnte nur die Augen verdrehen. Er konnte sich selbstverständlich auch professionell und anständig verhalten. Er wurde stets geschätzt und hatte seine Arbeit immer ernst genommen und gewissenvoll erledigt. Bis auf Shins nervtötende Art und der Wahrscheinlichkeit, dass sie sich noch öfter angehen würden, hatte Victor diesen Platz also sicher. Und wer weiß… Vielleicht konnte Shin seine Abneigung gegenüber dem Anderen ja auch eines Tages ablegen. Victor würde es brennend interessieren, was sich in Shins Leben so abspielte. Immerhin lebte er in London. Er musste erfolgreich sein in dem was er tat… also als Synchronsprechen. Ob er wohl schon in Filmen mitgesprochen hatte, die Viktor kannte?
Schnell schüttelte er den Gedanken ab und begab sich ins Tonstudio. Dort schaute er sich erstmals um, da er noch nicht mit dieser Technikmarke gearbeitet hatte. Dennoch kam er gut zurecht und überprüfte Mikro, die Beschallung und begab sich schließlich zur Pausenküche, um Shin zu rufen. Dieser unterhielt sich mit der hübschen Orangehaarigen. „Hey.“ Lächelte Viktor ihr zu und wandte sich dann an Shin. „Kommst du? Ich bin mit der Vorbereitung fertig. Und wie du weißt, sind wir schon im Verzug.“ Viktor verwendete mit voller Absicht dieselben Worte wie Shin zuvor. Er wollte mahnend klingen und auch, als ob er bereits den vollen Überblick hatte. Man hätte meinen können, dass er schon Ewigkeiten dort arbeitete.
Victor begab sich zurück zum Studio und setzte sich auf seinen Platz, schaltete seine Technik und den Computer an. Dann nahm er sich die Aufzeichnungen und überflog Shins Text. Nach Shins Redeanteil zu schließen, durfte er wohl eine der Hauptdarsteller synchronisieren. Seine Stimme war auch markant. Ein guter Job, den er da ergattert hatte.
„Na dann wollen wir mal…“ murmelte Viktor leise vor sich hin. Die Arbeit konnte beginnen.

Shin wusste, dass sich Victor erst einmal an die Technik gewöhnen und alles einstellen musste, ehe er selbst dazu kommen sollte. So war es immer und es war nichts besonderes, dass man ihn aus der Küche abholte. Bis dahin benässte er seine Stimmbände mit kühlem Wasser und versuchte sich innerlich in die Rolle zu begeben. Es war ein neuer animierter Kinderfilm, in welchem er einen bösartigen schwarzen Kater spielte, welcher versuchte, alle Hunde zu versklaven. Tatsächlich gefiel ihm die Rolle sehr. Er musste fauchen, miauen, schreien, fluchen. Zum Glück war diese Rolle oftmals so mies gelaunt, dass ihm Victors auftreten dabei unterstützen konnte.
Schließlich holte Victor dann den Synchronsprecher ab, woraufhin dieser mit den Augen rollte. Auf die paar Sekunden zwischen Küche und Aufnahmeraum kam es auch nicht mehr an. Er nahm die Flasche mit und stellte sich vor das vertraute Mikrofon. Schließlich kam dann der Rest der Crew auch noch ins Studio und setzten oder stellten sich um Victor. Dieser konnte durch ein großes Fenster Shin beobachten. Es war üblich, dass oftmals drei oder mehr Personen dabei zusahen, mithalfen, überprüften. Die Aufmerksamkeit war dabei auf Shin gerichtet, doch er hatte sich schon während der Schauspielschule daran gewöhnt. Normalerweise verlief die Arbeit sehr lustig und keinesfalls öde. Wenn der Schwarzhaarige Fehler machte, konnten alle darüber lachen, und es war auch in Ordnung, wenn die Kollegen ihn auslachten, wenn er sich zu sehr in eine Rolle vertiefte und einige Minuten brauchte, um sich wieder zu fangen. Shin fragte sich jedoch, wie es heute sein würde mit dem neuen Tontechniker. Ob Victor ebenfalls so locker war und sich ins Team einfügte, oder ob er für Shin nicht mehr übrig hatte als ein ewiges Genörgel. Das mochte bei einem wütenden Kater noch in Ordnung gehen, aber andere Rollen könnten sich davon schnell negativ beeinflussen lassen.
Eine Szene wurde auf den Bildschirmen eingeblendet, der Text lag vor Shin bereit und er blieb frei im Raum stehen, blickte dann auf einmal durch das Fenster direkt zu Victor und fauchte einmal, um sich einzustimmen. Susann kiecherte leise.

Ein Schmunzeln schlich über Victors Gesicht. Shins Rolle passte ja wie angegossen zu ihm: ein mürrischer, rechthaberischer, sadistischer und vor allem übelgelaunter Kater. Na wenn das mal nichts war…
Shin betrat das Tonstudio und kurz bevor er loslegte, fauchte er Victor an und sah ihm dabei direkt in die Augen. … Okay?! Victor war etwas perplex, doch dauerte seine Verwunderung nicht allzu lange an. Er konzentrierte sich ganz auf seine Arbeit, gab Shin hin und wieder Anweisungen oder Signale, wenn er etwas wiederholen sollte. Auch Victor musste sich eingestehen, dass Shin sehr talentiert war. Und die Rolle war wie für ihn gemacht.
Im Großen und Ganzen klappte die Zusammenarbeit aus Victors Sicht schlussendlich sogar ganz gut, trotz kleiner Hindernisse. Schließlich waren die beiden Erwachsene. Zumindest konnte Victor Berufliches und Privates voneinander trennen. Er wollte schließlich auch einen guten Start in der neuen Firma hinlegen.
Sie arbeiteten bis zum Mittag durch und kamen dabei gut voran. Schließlich machte sich Victors Magen bemerkbar. Er setzte das Headset ab und hob die Hand, um Shin zu signalisieren, dass er Pause machen würde.
„Was haltet ihr davon, wenn ich euch zum Mittag einlade?“ Victor hatte sich zu seinen neuen Kollegen umgedreht, die neben ihm aufgepasst und mitgeholfen hatten. Einer war ziemlich groß, trug eine Nerdbrille und ein rot-weiß kariertes Hemd. „Na klar, gerne!“ er klopfte Victor freudig die Schultern. „Ich bin übrigens Michael, aber alle nennen mich Mike.“ – „Victor, sehr erfreut.“ Auch der junge Mann zu seiner Rechten hatte zugestimmt. Nun fehlte bloß noch Shin, aber dieser würde sich bestimmt sträuben mitzukommen. Dennoch war es ja ein Versuch wert zu fragen. Es musste ja nicht jeder in der Firma wissen, dass die beiden nicht gut miteinander konnten. Das würde die Teamfähigkeit nicht stärken. „Wie siehts aus? Kommst du auch mit, Shin?“ auffordernd blickte Victor zu Shin.

Die Arbeit verlief gut, auch wenn Shin mit seinem neuen Tontechniker noch nicht so warm geworden war, wie mit dem Alten. Die Rolle bereitete ihm große Freude, doch Victors Anwesenheit ließ ihn nicht in Ruhe. Er lachte weniger als sonst, war unentspannter und hatte ein stärkeres Gefühl davon, unter Druck zu stehen. Seine Kollegen wussten, wie er war, wenn er seine Rollen spielte und wie albern es wirken konnte. Doch Victor war wie ein Fremder für ihn. Zum Glück behinderte es nicht die Rolle, sondern befeuerte sie hier und da. Mike und sein Kollege, sowie Susann mussten aber auch mehrmals lachen, wenn Shin sich verhaspelte oder aufregte, fauchte oder schreien musste.
Es war kurz vor zwölf Uhr, als Victor dann eine Pause machen wollte und die anderen zum Essen einlud, sah der Schwarzhaarige grade auf seine Armbanduhr und trank einen Schluck. Er ging zu den anderen herüber. Normalerweise aß er mit ihnen, sehr gerne sogar. Seine Blicke aber waren nun die eines dunklen, herrschaftssüchtigen Katers, der keinen Spaß verstand. Susann musste kichern. "Ach Shin...", säuselte sie, als sie meine Mimik erkannte und bemerkte, dass ich noch längst nicht raus aus der Rolle war. "Wir können dir auch gerne etwas Katzenmilch kaufen." Sein Gesicht verzog sich und er schnaubte dunkel. Dann sah er nochmals auf seine Armbanduhr. "Ich muss gleich leider los, in einer halben Stunde schon habe ich den nächsten Termin. Tut mir leid, aber heute ist es zu knapp", versuchte er doch freundlich zu bleiben. Es kam ihm gelegen, dass er nun verschwinden musste, um sich nicht weiterhin mit Victors heuchlerischen Verhalten abgeben zu müssen. Dieser tat vor den Kollegen sehr nett und freundlich - ein richtiger Schatz - doch ihre Begegnung vorhin alleine auf dem Flur hatte gezeigt, dass er hinter der Fassade noch immer ein respektloser Arsch war.

Unmerklich schnaubte Victor. Natürlich, es tat Shin leid, dass er sie zum Mittagessen nicht begleiten konnte. Wahrscheinlich machte er innerlich Freudensprünge. Sein verbittertes Gesicht hatte Victor gereicht, als er aus dem Aufnahmeraum gekommen war. Vermeidliche Trauer sah anders aus, aber das sollte Victor nicht davon abhalten ein angenehmes Mittagessen mit seinen Kollegen zu haben. Shin würde er in Zukunft noch oft genug sehen.

Die erste Woche verlief für Victor besser als erhofft. Er leistete gute Arbeit und hatte Spaß mit seinen Kollegen, die ihn auch zu mögen schienen. Bloß Shin war ihm ein Dorn im Auge. Immer wenn die beiden alleine waren, feindeten sie sich an und es lag immer ein gefährliches Brodeln in der Luft. Man hätte denken können, dass die Situation jeden Moment ausarten könnte.
Victor hatte auch seiner Verlobten Mag von Shin erzählt, die total angetan war ihn wiederzusehen. Sie hatte ihn ohne zu Zögern auf Facebook angeschrieben und zu einem Treffen in einer nahegelegenen Bar eingeladen. „Aber er ist dein Ex. Ich verstehe nicht, weshalb du ihn sehen willst. Und außerdem hasst er mich.“ grummelte Victor. „Und ich ihn.“ Fügte er noch leise, kaum merklich hinzu. „Ja, na und? Shin und ich waren immerhin über ein Jahr zusammen. Willst du nicht wissen, was er die letzten Jahre so gemacht hat? Wie es ihm geht?“ – „Nein, nicht im Geringsten.“ – „Dann bleib doch hier.“ Mag zog eine Schmolllippe und sah verärgert zu Victor hoch. „Mag… das… ich…“ er stöhnte auf. Er wusste wann er verloren und die Klappe zu halten hatte.
Die Stunde der Wahrheit rückte immer näher. Mag zog sich noch einen Lidstrich, während Victor sein bestes Parfum auftrug. Trotz Shins Anwesenheit wollte der 27-Jährige einen guten, gepflegten Eindruck bei dem Personal der Bar hinterlassen. Er hatte sich eine schwarze Hose angezogen und ein graues Shirt mit V-Ausschnitt, das an einigen Stellen Risse hatte. „Du siehst gut aus.“ Schnurrte Mag und zog Victor herunter, um ihm ein Kuss auf seine Lippen zu drücken. „Danke, du auch.“ Säuselte er. Victor fuhr sich noch einmal durch seine Haare, ehe sich die beiden auf den Weg machten.
Die Bar war mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwa 20 Minuten von ihrer Wohnung entfernt und sah überaus verheißungsvoll aus. „Das nächste Mal gehen wir allein hier her.“ Grinste Victor. „Gehst du schonmal rein? Ich rauche noch eine und komme gleich nach.“ Mag nickte zustimmend und betrat die Bar in ihrem schicken, schwarzen Minikleid. Victor holte sich eine Zigarette aus der Hosentasche, steckte sie an und legte den Kopf in den Nacken. Das konnte ja ein Abend werden…

Shin hatte lang nachgedacht und zwei Tage gebraucht, bis er Mag antworten konnte. Die ganze Geschichte versetzte ihm einen Stich im Herzen. Nicht nur, dass er damals das Mädchen verloren hatte, welches er sehr geliebt hatte. Er hatte sogar seinen besten Freund und damit jeden Halt verloren. Vielleicht half es aber ja, sie noch einmal wieder zu sehen, mit ihr in Ruhe zu sprechen und es abzuschließen. Er konnte immerhin nicht ewig so schlecht gelaunt bei der Arbei sein. Nachts konnte er auch nur noch sehr unruhig schlafen, er träumte von Victor und manches Mal von Mac, oder schlief nicht ein, da ihn die Gedanken an die Vergangenheit nicht los lassen wollten. Zu erfahren, dass beide bis heute noch ein Paar waren, war nur schwer zu auszuhalten. Niemand wusste wirklich, wie es ihm damit ging.
Schließlich hatte er doch eingewilligt. Für ihn würde es kein Date werden, sondern eher eine Aussprache. Er hatte sich zwar ordentlich angezogen, da er sich im Vorfeld über die Location informiert hatte, jedoch hatte er sich nicht unnötig viel Mühe gür Mag gegeben. Er würde nicht versuchen, sie zurück zu gewinnen und noch mehr Probleme mit Victor hervor zu bringen, als er eh schon hatte.
Als er sie durch die Tür kommen sah, war er einige Augenblicke wirklich überrascht. Sie sah verdammt gut aus und für einen Augenblick fragte Shin sich, ob sie vielleicht gar mit ihm flirten wollte. Auf hohen Schuhen schritt sie auf ihn zu. Er umarmte sie leicht zur Begrüßung, sehr kurz und knapp. Trotz ihres Outfits und ihrer Schönheit blieb er gefasst. "Hey, hast du gut hierher gefunden?", fragte er sie locker und setzte sich dann wieder. "Darf ich dir etwas bestellen?" Er war höflich, doch wenn man ihn gut kannte, bemerkte man ebenso seine Nervosität, da seine Finger leicht zitterten, als er durch die Getränkekarte blätterte.