RE: --|| ViPER - A better world for everyone ||-- - 2

Ich hatte mich vor eine Blüte gestellt, welche tief blau war. Woher sie kam, wusste ich nicht. Ich kannte mich nicht gut mit Botanik aus. Doch sie faszinierte mich und ich ließ mich von ihrer blauen Farbe einnehmen. "Ihre Technologie beeindruckt mich nicht", meinte ich leise. Und das lag daran, dass ich sie einholen könnte. Dann erst spürte ich seinen Atem an meinem Ohr. Ich zuckte leicht. Die plötzliche Nähe überraschte mich, hatte ich doch nicht mit ihr gerechnet. Zwar fand unsere Unterhaltung auf einer tieferen Ebene statt, aber er hatte die körperliche Distanz nun sehr spontan durchbrochen.
Seine Worte ließen mich nachdenken. Ich blieb stehen, floh nicht vor der Nähe, die er nun versuchte, aufzubauen. Ob es seine Masche war? Er gerne junge Männer mit in diesen Garten nahm, um sich hier anzunähern und sie zu verführen?
Ich drehte mich zu ihm um und sah ihm ins Gesicht. "Sie wissen nichts über meine Struktur. Nichts über meinen Widerstand." Doch als ich in diese grünen Augen sah, hatte ich das Gefühl, er konnte es spüren. Nicht einmal meinen Namen wusste er. Und doch sah er durch diese elektronischen Augen wie durch Glas. Ich hingegen war von meinem Misstrauen und Hass so sehr zerfressen, dass ich mir nur schwer vorstellen konnte, dass dieser Mann vor mir nur gutes im Sinn hatte. Das war wohl auch der Grund, weshalb ich schon sehr lange ein Einzelgänger war. "Und was haben Sie mit Ihrer Zeit vor?"

"Ich gebe der Natur zurück was ihr zusteht...", sagte ich leise.
Er war wie eine meiner Blumen. Wie sehr schrie alles in mir ihn für immer hier zu behalten, damit er niemals eingehen würde. Aber ich musste mich zusammen reißen. Ich hatte ein größeres Ziel und nichts würde mir im Weg stehen, auf wenn mir diese kleine Ablenkung sehr gefiel. Ich trat fast schon entschuldigend einen Schritt zurück.
"Sie können jeder Zeit gehen, wenn ihnen danach ist..."
Dann drehte ich mich von ihm weg und ging zu einer der Orchideen hinüber. Was machte ich hier eigentlich? Das war überhaupt nicht meine Art? Was war an ihm nur so anders? Ich stand hier faselte über Dinge die er niemals verstehen würde und wenn er alles wüsste würde es ihn abschrecken. Ich machte mir etwas vor. Mag sein, dass er einer von denen war, dem all diese Heuchelei auch nicht gefiel. Aber das hieß ja nicht, dass er auch genau so weit gehen würde.

Eine Weile noch sah ich ihn an, und drehte dann meinen Kopf, um das Gewächshaus zu betrachten. Ich hatte eine solche Vielfalt zuletzt als Kind erblicken dürfen. Sie war so wunderschön, so... göttlich... Er trat zurück. Auch, wenn er hier vielleicht gerne junge Männer verführen mochte, dieses Gewächshaus musste wirklich ewig lange Arbeit gewesen sein. Und dies tat man nicht aus einer einfachen Laune heraus. Doch das alles passte für mich noch nicht zusammen. Etwas in mir sagte, dass dieser Mann auch eine zerstörerische Kraft hatte.
"Ich will nicht gehen", sagte ich deutlich. Ich ging einige Schritte. Dieser Ort war zu herrlich, um ihn jetzt schon zu verlassen. Ich ließ mich an eine Wand sinken und setzte mich auf den Boden. Mein Blick war den Blüten gewidmet und ich ruhte hier nun aus. Dieser Ort stimmte mich milde, aber erst, wenn ich ihn auf mich wirken ließ. Ich lehnte letzten Endes auch meinen Hinterkopf an die Wand und seufzte leise. "Ich verstehe nicht, weshalb Sie in mir eine dieser Blumen sehen."

Das fand ich erstaunlich, er blieb. Doch das machte es nicht besser. Etwas in mir wollte zwar das er hier blieb aber etwas anderes in mir wünschte sich er würde weglaufen, so weit er nur konnte.
Ich sah über meine Schulter zu ihm.
"Sie sind selten heut zu Tage, desshalb.", gab ich als knappe Antwort auf diese Frage.
"Was ist mit ihnen? Woher kommt ihr Hass auf die Menschen?", ich nickte kurz in Richtung Villa um deutlich zu machen, dass ich mehr diese Gesellschaft meinte als alle.

Ich war also selten. Ja, das mochte stimmen. Ich hatte eine sehr eigene Meinung und auch mein Äußeres war ungewöhnlich, wobei ich aber meine Haare noch sehr unauffällig getönt hatte nur für diesen Anlass.
Ob die Leute schon nach mir fragten, damit sie sich selbst präsentieren konnten?
Seine nächste Frage änderte nichts. Nichts an meinem starren Blick auf die Blumen, nichts an meiner Mimik oder Haltung. Kaum versuchte ich darüber nachzudenken, ob ich sie beantworten wollte, fegte sie in ihrer Konsequenz alle Gedanken hinfort und hinterließ eine graue Leere in meinem Kopf. Mein Atem wurde ein wenig flacher, es war das einzige, was man bei genauem Hinsehen erkennen konnte. Meine Antwort dauerte lange.
"Ist es nicht die logische Konsequenz unserer Geschichte?" Die Auslöschung vieler Tier- und Pflanzenarten, die Ausbeutung vieler Völker und Misshandlungen von Menschen, die Kriege, die Umweltverschmutzung, die Klimaerwärmung, die verschiedenen Nuklearkatastrophen. Mein Blick war leer. Ich konnte nicht genauer darüber nachdenken, in mich hinein horchen, denn sonst erfasste mich dieser Sturm, von dem der Mann vor einigen Minuten noch gesprochen hatte. "Wir werden wohl beide unsere Geheimnisse in uns tragen. Gemeinsam mit dieser Einsamkeit, zwischen all diesen Menschen."

Lange betrachtete ich den jungen Mann. Ja, geheimnissvoll war er. Und dennoch hatte ich das Gefühl ihn schon lange zu kennen.
Vielleicht hatte es mehr damit zu tun, dass er in mir etwas wach rief, was ich einst gewesen war.
Aber diese Zeit war schon lang vorrüber und ich war lange schon nicht mehr so naiv zu glauben ich könnte die Welt verändern, wie sie jetzt war.
"Einsamkeit schafft man sich selbst...", sagte ich leise und betrachtete die gläserne Decke meines Gewächshauses. Ich lächelte etwas. Mit den kleinen Lichtern wirkte es als gäbe es noch einen Himmel und Sterne in denen man sich verlieren konnte.

Ich wusste lange Zeit nicht, wie ich seine Aussage kommentieren sollte. Ich konnte ihm nicht widersprechen, wollte ihm aber auch nicht Recht geben. Immerhin würde es bedeuten, als müsste ich zugeben, selbst Schuld an meiner Situation zu sein, so misstrauisch, widerspenstig, hasserfüllt.
Wieder schwieg ich also. Diese Situation war so merkwürdig. Aber verlassen wollte ich sie auch nicht.
Dann klingelte es in meinem Kopf. Ich verzog das Gesicht bitter und ging ran. Man konnte mittlerweile per Gedanken kommunizieren und telefonieren. Der Veranstalter beschwerte sich über meine Abwesenheit. Also stand ich schwermütig auf. "Ich muss wieder rein", murrte ich vor mich hin und schleifte durch das Haus, um zum Ausgang zu gelangen.

Ich bewegte mich von meinem Platz. Langsam folgte ich ihm zur Tür. Es schien mir ganz so als würde er kurz zögern.
Erneut blieb ich dicht hinter ihm stehen, lies ihm nur wenige Zentimeter.
"...aber sie wollen nicht zurück...", stellte ich fest mit tiefer leiser Stimme.
Etwas regte sich in mir, etwas das ich bisher gut zurückhalten konnte. Das Zögern und sein Widerwille zu gehen hatte es wach gerufen.
Würde ich es zurückhalten können, wenn er nicht ging?

Vor dem Ausgang blieb ich stehen. Diesen Ort wollte ich nur sehr ungerne verlassen. Eigentlich hatte ich einen Auftrag, den ich erfüllen wollte. Ich musste lernen, wie diese Menschen funktionierten, was sie dachten und planten.
Der Andere stellte sich wieder hinter mich. Ich unterdrückte ein Schauern, als ich seine Stimme hörte. "Ja....", sagte ich leise und atmete tief durch, ehe ich die Luft anhielt. Ich drehte meinen Kopf ein wenig, konnte sein Gesicht im Augenwinkel betrachten. Fragte mich, weshalb ich mich so leicht um den Finger wickeln ließ und was mich dazu trieb, hier zu bleiben. Wieso ließ ich ihn so nahe kommen? "Und was wollen Sie?"

Eine Weile war es still, bevor er antwortete. Ich beobachtete jede Bewegung und jeden Atemzug, wie er leicht den Kopf drehte und mich an sah.
Ich wusste es würde mich in Schwierigkeiten bringen, das konnte alles gefährden, aber ich dachte nicht weiter darüber nach.
"Sie...", sagte ich ruhig und fast flüsternd.
Jeder Muskel in meinem Körper und meine Nerven waren angespannt. Jetzt hatte ich jede Möglichkeit für ein sicheres Zurück uns beiden genommen. Er konnte ablehnen und gehen, dann würden sich hier unsere Wege trennen und wir würden uns höchstwahrscheinlich nie wieder sehen. Doch was wenn er darauf einging?

Ich wusste nicht, wie so etwas so schnell passieren konnte. Vor einer halben Stunde noch war er ein Fremder für mit. Ich hätte gedacht, dass wir draußen eine Runde plaudern würden und mehr nicht.
Meine Hände begannen zu zittern. Wer wollte mich schon? Es fiel mir schwer, zu glauben, dass es diesen einen Menschen gab, der mich nun wollte, obwohl er mich kaum kannte. Vielleicht war genau das der Grund.
Aber ich war hier. Mitten drin in diesem Zaubergarten. In seinem Zaubergarten. Dieser Mann war ein Rätsel. Ich hatte eine Schwäche dafür, schon als Kind. Meine Füße wollten mich nicht über die Schwelle tragen. Etwas hielt mich auf. Ich sollte gehen, hatte Angst zu bleiben. Angst vor der Nähe, mein Atem wurde flacher. Aber die Sehnsucht war es, sie ließ mich nicht verschwinden. Vielleicht war ich zu lange allein und hatte nur darauf gewartet, dass irgendjemand nach mir griff. "Sie machen mir Angst", gab ich zu. Und fühlte mich, als hätte ich mich entkleidet und nackt präsentiert, als ich ihm das sagte. "Ich wollte sterben, noch bevor mich jemand jemals wollte."

Diese angespannte Situation ließ meine Nerven explodieren, es war als würde die Luft knistern und prickeln. Ich wollte ihn anfassen, dieses Geschöpf vor mir halten und nie wieder los lassen. Aber ich riss mich zusammen und dachte mir es ist schon viel, was ich ihm mit meiner Antwort auf seine Frage was ich wolle, zugemutet hatte.
"Das halte ich für eine unhaltbare Verschwendung..."

Ich sah an ihm hoch, in seine grünen Augen. Ja, es war sehr angespannt zwischen uns. Eine kaum erträgliche Aura, die uns umgab und die sich zwischen uns aufbaute. Als würden unsere Seelen sich in einem Gewitter wälzen.
Eine Weile verharrte ich so, hörte seine Antwort. Mir vielen keine passenden Worte dazu ein. Er würde mich nicht verstehen, denn er wusste nichts über mich. Nach einer gefühlten Ewigkeit schüttelte ich nur langsam den Kopf.
Dann ging ich wortlos durch die Tür. Trat hinaus in die schwarze Nacht und versuchte den Weg zurück zum Gebäude zu finden, in dem die Party in vollem Gange war.

Ich starrte in diese Augen, die nicht seine waren und dennoch diesen Ausdruck hatten, der mich sofort fasziniert hatte.
Dann ging er, wortlos. Fast schon hatte ich so etwas erwartet und schloss kurz die Augen. Er hatte seine Wahl getroffen und ich würde ihn nicht bedrängen.
Im Gegensatz zu ihm, kehrte ich an diesem Abend nicht auf die Party zurück und blieb für mich.

5 Tage später.

Es war mitten in der Nacht. Und ich war wach und ruhelos, wie seit Tagen schon. Saß am Rechner, analysierte Codes, übte mich. Aber irgendwann verlor ich mein Ziel aus den Augen...


Ein Traum. Nichts weiter als ein Traum, mag man meinen.
Wenn Libre schlief, tief und fest, schon seit Stunden.
Der Traum begann in einem Raum. Ein indischer Tempel. Der Saal war von vielen Säulen durchzogen, kunstvoll und hoch hielten sie die bunt bemalte Decke.
Der Saal war riesig. Am Ende kam man durch einen großen Bogen, welcher von rotem Holz gerahmt wurde. Links dahinter führte ein Fluss durch den Tempel. Der Fluss lief aus der Wand in einem langen Becken durch den Raum, floss wieder die nächste Wand hoch. Warme Milch mit Honig floss hindurch. Der Raum war an einer Wand offen. Man hatte den Blick auf eine riesige Bergkette. Auf den bunten Mosaikfliesen des Bodens lag ich. In weißen Tüchern gewickelt, gehüllt und damit bedeckt. Mein Gesicht blickte zu den Bergen. Man sah nur meinen Hinterkopf mit den weiß-violetten Haaren, wahrscheinlich erkannte er mich nicht.