Geschichten Oktober - Dezember 2018 » A Warlock's Destiny

Name: Nicolai Alvieri
Alter: 17 Jahre
Aussehen:


Nicolai lebt bereits seit frühester Kindheit allein, ohne Eltern. Seine Mutter ist längst tot und sein Vater ist vermutlich irgendein Adliger, der sich in den Elendsvierteln der Hauptstadt vergnügte und seither keinen Gedanken an seinen Sohn verschwendete. So lernte er bereits sehr früh, auf sich selbst aufzupassen und sich mit Diebstählen und Betrügereien über Wasser zu halten. Tatsächlich beweist er inzwischen ein großes Geschick darin, arglose Passanten bei kleinen Spielen übers Ohr zu hauen oder ihnen in einem unachtsamen Moment die Brieftasche zu entwenden. Dabei helfen ihm nicht zuletzt seine seltsamen Kräfte. Gegenstände zu bewegen, ohne dass er sie anfasst oder gar die Zeit anhalten... Er fragt gar nicht mehr, wieso er so etwas kann, sondern zieht seinen Nutzen daraus. Dies führt jedoch dazu, dass er ein sehr einsames Leben führt, denn sobald ihm jemand auf die Schliche kommt, wird er meist verjagt. So zieht er allein durch das Land, immer auf der Suche nach einer Mahlzeit und einer Unterkunft...

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Name: Alec Caldera
Alter: 32, optisch jedoch gerade 20



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~~Kapitel 1: Monster im Schnee~~

Es war finsterste Nacht und der Schneesturm heulte so laut, dass es den Anschein hatte, die Wände der Scheune würden nicht existieren. Der Wind pfiff durch jede Ritze und brachte unbarmherzig schneidende Kälte mit sich, die Vieh und Mann frösteln ließ. Denn in der Scheune nächtigten nicht nur drei Pferde, mehrere Hühner und Schweine sowie fünf Kühe, sondern auch ein junger Mann, dessen rabenschwarzes Haar im Schein einer kleinen Kerze bedrohliche Schatten warf. Den Blick hielt er unverwandt auf das tröstliche Licht gerichtet, dem einzigen Funken Wärme.
Der Bauer und seine Familie hatten keine Ahnung, dass sich ein Gast im Stroh ihrer Scheune ein Bett hergerichtet hatte. Am Morgen musste er schnell weg sein, wenn er keine unangenehme Überraschung erleben wollte. Denn hier, mitten im Malmalam-Wald und fernab großer Städte, hatten die Menschen der kleinen Dörfer Misstrauen vor Fremden - auch wenn diese gerade keine zauberhaften Tricks vorführten. Und er konnte es ihnen nicht einmal verdenken, auch wenn man ihn erst vor kurzem aus einer Siedlung fort gejagt hatte, nur weil er um Obdach gebeten hatte.
Schreckliche Gerüchte gingen um im nebligen Wald. Von Unholden und Vampiren, die in den finsteren Nächten dieses schon zu lange andauernden Winters Jagd auf die arglosen Dorfbewohner machten. Nur Gerüchte, hätte er vor einer Weile noch gesagt. Doch erst eine Woche zuvor war da dieses Dorf gewesen, menschenleer und völlig ausgestorben. Und er hatte sie gesehen, die Monster...
Er glaubte, sie jeden Augenblick wahrzunehmen. Bestialische Einst-Menschen, die auf allen Vieren und mit hungrigen Mienen um die Hütte und die Scheune herumschlichen. Jedes Geräusch schreckte ihn auf. Hier draußen, bedeutete Masse Sicherheit. Und selbst das hatte sich geändert. Dieser Winter brachte immer mehr Schnee, mehr Eis und Kälte. Und die Nächte... Nein, es mochte nicht nur am Winter liegen, dass sie immer länger zu werden schienen. Es fiel kaum jemandem auf, bis auf jene, die die Zeichen sahen und glaubten, das Ende aller Tage rücke näher.

Aber das war alles unwichtig. Er musste erstmal zusehen, dass er die Nacht über nicht erfror. Er behielt seine Kleidung an und begrub seinen Körper unter dem Stroh, um sich warm zu halten. Die Kerze hielt er fest in seiner Hand. Morgen würde er schnellstmöglich aufbrechen. Wölfe hin oder her, er würde den schnellsten Weg zur nächsten größeren Stadt einschlagen!

Name: Dain Lavrans
Alter: Augenscheinlich 36 Jahre alt, tatsächlich reicht sein wahres Alter weit darüber hinaus.
Herkunft: Die Burg Kaer Morhen im äußersten Norden des Reiches Kaedwen.
Magie: Illusionszauber
Hintergrund: In jungen Jahren gelangte er in die Burg Kaer Morhen, die die Hexerschule des weißen Wolfes in ihren Gefilden birgt. Dort schloss er unter der strengen Hand seines Lehrmeisters die Ausbildung zum Warlock ab, dessen Lebensaufgabe darin besteht, die Menschheit vor jeglichen Gefahren zu bewahren.
Es ist die oberste Pflicht eines Hexers Monstrositäten abszuschlachten und sich dabei nicht in die Belange der Menschen einzumischen. Politische Machenschaften oder gar gesellschaftliche Banalitäten sollen den Hexer nicht von seinem Weg abbringen. Ebenso wenig soll er sich von seinen Gefühlen zu einer Torheit verleiten lassen. Daher wird dem Lehrling jegliche Emotionalität ausgetrieben. Seine Gefühlswelt wird auf ein lebenserhaltendes Minimum reduziert auf dass er rationale Entscheidungen zu treffen vermag frei von emotionalen Einflüssen. Er ist ein Werkzeug der Magie, nichts weiter. Ihm soll es verwehrt sein sich fortzupflanzen und zu binden. Bricht er eine dieser Regeln wird er des Ordens verwiesen und zu einem Niemand degradiert. Er wird in die Geschichte der Warlocks nicht eingehen. Er wird namenlos und ungekannt sterben. Nichts und niemand wird sich an ihn erinnern. Dies ist das Schicksal eines Hexers. Seine Existenz dient einzig und allein seiner Bestimmung.
Auf seiner Reise durch fremdes Land soll er sich für seine Taten entlohnen lassen. Für gewöhnlich werden seine Dienste mit Gold und Silber aufgewogen. Weil er aber in der Schuld seiner Hexerschule steht, ist er dazu verpflichtet, jene mit Jünglingen zu versorgen aufdass diese zu Hexern ausgebildet werden. Ob der Hexer ein Neugeborenes als Bezahlung für die Beseitigung einer lebensbedrohlichen Gefahr verlangt oder es dem Elternhaus entreißt, bleibt ihm überlassen, solange er seine Schuld bei der Hexerschule begleicht.





Name: Tommen
Alter: 19 Jahre
Status: Hexer in Ausbildung
Aussehen: hellblondes Haar, blassblaue Augen, schmächtige Statur




Name: Thranduil
Alter: unbekannt
Status: Hexer mit elfischer Abstammung
Aussehen: schulterlanges schwarzes Haar, goldbraune Augen, hochgewachsene schlanke Statur



Name: Mordred
Alter: 25 Jahre
Status: Hexer in Ausbildung
Aussehen: rabenschwarzes Haar, dunkle Augen, kräftige muskulöse Statur



Name: Vesemir
Alter: unbekannt
Status: Verwalter Kaer Morhens und Ältester Hexer
Aussehen: zu einem langen Zopf geflochtenes grauweißes Haar, milchig trübes Auge, schwerfällige Statur

Die Hufen seines Pferdes wirbelten wild und ungestüm den Schnee auf, donnerten gar auf den vereisten Untergrund, während der Hexer angespannt im Sattel saß und den Ritt dirigierte. Jeden Augenblick konnte eine Bestie aus dem Unterholz vors Pferd springen. Nirgends war es sicher. Daher hielt er sein Schwert griffbereit auf dem Rücken platziert. Der fein ziselierte Knauf ragte über die rechte Schulter empor und verlief geradewegs in eine lederne, schmucklose Scheide, die die Klinge aus Silber beherbergte. Obwohl er über magische Kräfte verfügte, trug er stets sein Schwert bei sich, das in Kombination mit einem Zauberspruch wahre Wunder vollbringen konnte. Er hielt die Zügel seines Hengstes kurz angebunden in einer Hand, damit die andere nach dem Schwert greifen konnte, sobald die Situation es erforderte. Vom Sattel baumelte der Kopf einer abscheulichen Kreatur, die er als Trophäe mitgenommen hatte, damit er seinen Auftraggebern die erfolgreiche Erledigung seines Auftrags beweisen konnte. Elixier, sein treues Schlachtross, bremste abrupt ab als er den schmalen, gepflasterten Pfad betrat, der zu einem winzigen Dorf führte, welches aus kleineren Bauernhöfen und Ställen bestand. Mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze wies er seinen Hengst dazu an, das Tor zu passieren, welches kaum Schutz vor Übeltätern bot. Der Hengst blähte die Nüstern und führte seinen Herrn hinüber zum Haupthaus des dienstältesten Bauerns. „Heda!“ Bellte der Hexer barsch, um die schreckhaften Bewohner aus ihrem Schlaf zu reißen. Sie waren ihm eine Bezahlung schuldig, weswegen er jedes Recht hatte, die Nachtruhe zu stören. Knarrend öffnete sich die notdürftig gezimmerte Holztür und gab den Blick frei auf einen hageren, alten Mann und dessen Weib, das sich zitternd und bebend vor Furcht an den Arm des Gatten klammerte. Als ob ein Greis den Hexer daran hindern könnte, sich an dessen Frau zu vergreifen, sollte ihm der Sinn danach stehen. Doch ihm stand nicht der Sinn danach, weswegen er lediglich die Hand dem Alten entgegen streckte, damit dieser den Beutel voll Silbermünzen jenem überreichen konnte. Erste Zornesfalten machten sich im überschatteten Antlitz des Hexers breit als es ihm nicht schnell genug ging. Der Bauer zögerte, bis ihm der Kopf der Bestie vor die Füße geworfen wurde. Dies war Aufforderung genug, dem Drängen des Hexers Folge zu leisten. Der Beutel wurde sogleich in der Manteltasche verstaut, ehe er mit einem knappen Nicken dem Bauernpaar zu verstehen gab, sich ins Innere des Hauses zurück ziehen zu dürfen. Es war kalt. Dunkel. Und gefährlich. Selbst für einen Hexer seines Kalibers, weshalb er sich das Recht heraus nahm für seine geleisteten Dienste in der Scheune nächtigen zu dürfen. Sein Ross benötigte zudem eine Fütterung, weshalb ihm die Herberge gelegen kam. Schwungvoll hievte er sich aus dem Sattel, packte sein Pferd an den Zügeln und stapfte durch den knietiefen Schnee. Anschließend stieß er das mannshohe Tor der Scheune auf ohne darauf zu achten, etwas beim Eintreten womöglich beschädigen zu können, brachial wie er war. Zusammen mit dem Hexer wehte der Wind in die Scheune und scheuchte das auf dem Boden liegende Stroh auf, das wie aus Geisterhand in die Höhe flog und sich mit den Schneeflocken vermischte. „Kvinde nej!“ Fluchte der Hexer erzürnt in der Sprache seiner Heimat Kaedwen ob der eisigen Kälte, die einher zog. Gleich darauf schloss er die Tür hinter sich zu, indem er sich dagegen stämmte und so den Sturm aus dem Inneren der Hütte verbannte. Fahrig klopfte er sich den Schnee von der Kleidung als ihm eine Bewegung in unmittelbarer Nähe gewahr wurde. Sofort hielt er mitten in der Bewegung inne, ehe er in die Dunkelheit spähte, die vom schwachen Glimmen einer Wachskerze kaum merklich erhellt wurde. "Wer da?" Verlangte er in einem herrischen Tonfall zu erfahren, wobei sich seine Finger um den Knauf seines Schwertes schlossen.

Bei den zwölf Göttern, wie war er nur wieder in so ein seelenloses Kaff geraten? Am Ende der Welt und an jeder Ecke irgendein Monster beherbergend. Wäre er doch in der Hauptstadt verblieben, einem großen Hafen am Meer und voll der Anonymität. Nun war er hier und musste sich in Scheunen verstecken, damit er die Nacht nicht im Wald verbringen musste. Einige Male war es schon eng geworden - und das am hellichten Tage. Und überall kursierten schreckliche Geschichten. Auch hier fiel den Leuten auf, dass die Tage immer kürzer zu werden schienen. Und die Nächte gebaren schreckliche Bestien.
Trotz all der Vorkommnisse der letzten Tage und Nächte und seiner inneren Unruhe, fand Nicolai schließlich etwas Ruhe. In seinem Heuhaufen döste er vor sich hin und genoss den wohligen Halbschlaf. Endlich wurde ihm etwas warm und wie hypnotisiert starrte er in das kleine Flämmchen.
Und dann war die Ruhe vorbei. Ein ohrenbetäubender Krach kam vom Scheunentor her als dieses aufgebrochen wurde. Das Vieh schrie erschrocken auf und machte Radau. Zwischen dem Wiehern und dem Schreien der Hühner konnte der Junge eine fremde Stimme ausmachen, die Worte sprach, die er nicht verstand. Von seiner Ecke aus konnte er die Gestalt nicht sehen, dennoch lief ihm der Angstschweiß die Stirn hinunter, als der hereinbrechende Wind abrupt endete. Das Tor wurde anscheinend wieder geschlossen.
Mit klopfendem Herzen horchte er in die Dunkelheit. War es womöglich nur der Bauer gewesen? Doch nein, die Tiere machten noch immer Radau und ein lautes "Wer da?" ließ sein Herz in die Hose rutschen.
Schnell löschte er die verräterische Kerze und ließ ein leises und unterdrücktes "Mist" vernehmen. So leise er konnte, schlich er von seinem Schlafplatz hinter die Boxen der Tiere. Das war ein Mann. Aber ganz sicher nicht der Bauer, der ragte nicht so in die Höhe!

Elixier tänzelte unruhig auf der Stelle, gab jedoch keinen Laut von sich. Der Hengst wusste, dass er sich vom Lärm des Nutzviehs nicht anstecken lassen durfte, denn das würde ihm einige Schläge mit der Gerte einbringen. Wehe das Pferd eines Hexers benahm sich nicht wie von ihm verlangt. Das Pferd mit einem Tätscheln des Halses erstarren lassend, wagte sich der Hexer einige Schritte vor, wobei sein scharfsinniges Augenpaar mit der Fähigkeit der Nachtsicht die Dunkelheit zu durchschauen gedachte. Da! Eine geduckte, huschende Gestalt! Ehe der Wicht gänzlich hinter den Boxen der Tiere verschwinden konnte, packte der Warlock jenen im Nacken und hob ihn hoch, sodass dieser den Boden unter den Füßen verlor. Nach eindringlicher Betrachtung entpuppte sich das Bündel in seiner Hand als ein grünschnäbliger Knabe mit roten Wangen und zittrigen Lippen. Verächtlich spuckte der Hexenmeister aus ob seines nutzlosen Fundes, während er den Burschen noch immer zwischen seinen Fingern gefangen hielt. "Sieh an Elixier, dieser Knabe gibt gewiss einen guten Braten ab" höhnte seine raue Reibeisenstimme, wobei er das Bürschchen in Richtung des Hengstes hielt, der mit rötlich glühenden Augen wie ein Koloss aus reiner Muskelmasse reglos vor der Scheunentür stand und so jeglichen Weg ins Freie versperrte. "Also dann, sprich, Braten, wer bist du?" forderte er von dem Bündel zu erfahren, andernfalls würde er das hagere Kerlchen wahrhaftig über dem Feuer braten. Die Gerüchte um die Hexenmeister des Wolfordens behaupteten, jene würden sich vom zarten Fleisch der Waisenkinder ernähren. Demnach war es für einen Jungen wie jenen in Dains Fängen nicht abwägig, als Mahlzeit für den Hexer zu enden. Um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, richtete er die Spitze seines Schwertes auf den Hals des Jünglings. Eine falsche Bewegung und der Knabe würde aufgespießt werden.

Es geschah schnell. So schnell, dass er keine Möglichkeit zum Reagieren mehr hatte: Der Fremde packte ihn am Kragen und hob ihn mühelos mit einem Arm in die Luft. Da hing er nun. Die Naht seiner Jacke schnitt ihm in seine Achseln, sodass er sich nicht aus ihr befreien konnte. Und voller Schrecken blickte er in fremdartige Augen und auf einen schneeweißen Haarschopf. Selbst eine Kanalratte wie er hatte Geschichten über die Hexenmeister aus dem Norden gehört, die Monster jagten und sich von kleinen Kindern ernährten, die sie von ihren Eltern entführten, ganze Dörfer niederbrannten und verlorene Reiche im Norden erobert hatten. Und auch wenn Nicolai sich nicht mehr als "kleinen Jungen" sah, reichten die Worte des Mannes aus, um ihn vor Panik nach Luft schnappen zu lassen. Wenig hilfreich war zudem dieses gespenstisch stille Ross, hoch aufragend und beinahe so bedrohlich wie sein Reiter. Bei den Zwölf, dieses Tier hatte rote Augen!
Mehr Aufmerksamkeit forderte sogleich die Klinge, die in der Dunkelheit zu schimmern schien und die sich anschickte, sein Blut zu vergießen.
"I-I-Ich heiße Nicolai...", stammelte er. "D-Der Müller - me-mein Onkel weiß, dass ich hier bin!", versuchte er, dem Monster auf die Nase zu binden. Vielleicht schreckte ihn die Aussicht von Zeugen ja ab!

Das Schattenspiel auf seinem Gesicht verwandelte jenes zu einer dämonisch anmutende Fratze, die unheilvoll auf das hilflose Mündel hinab blickte mit Augen, in denen das Höllenfeuer zu flackern schien. Ein argwöhnisches Verziehen des rechten Mundwinkels entblößte einen kurzen Moment lang eine Reihe weißer Zähne, welche eine Spur spitzer zuliefen als bei gewöhnlichen Humanoiden. Wahrlich, ein hungriger Wolf in Menschengestalt dieser Hexer. "Des Müllers Neffe, also?" wiederholte die düstre Stimme des Monsterjägers zweifelnd, während er das Kerlchen weiter hinauf hob, sodass sie auf Augenhöhe waren. Wie gerissen der Bursche doch war. Sponn Lügen mit der Absicht, den Hexer zu vertreiben. Ein Hexer konnte jedoch nicht vertrieben werden. Schon gar nicht durch Zeugen. Dain war inzwischen unzählige Male hinter Gittern gefangen gewesen. Wie ein wildes Tier hatte man ihn zu bändigen versucht aufgrund seiner abscheulichen Vergehen und seiner unmoralischen Vorgehensweise bei der Ausführung seines Handwerks. Doch nichts hatte ihn jemals brechen können. Er war eine Legende, gefürchtet und bejubelt zugleich. Denn nichts und niemand konnte Ungeheuer derart effektiv beseitigen wie er, selbst wenn es Kollateralschäden gab. Es mussten eben Opfer gebracht werden zum Wohle aller. "Wie heißt denn dein hochverehrter Onkel?" fragte er raunend nach, um den Wahrheitsgehalt von Nicolais Worten zu prüfen. Da Dain die Bewohner des umliegenden Landes bestens kannte, würde er schnell merken, wenn man ihn bezüglich der namentlichen Identität eines jener Bauern belog.

Nicolais grüne Augen trafen auf die roten des Hexers. Ihre Gesichter fanden sich auf gleicher Höhe. Der Junge hatte noch nie einen echten Hexenmeister von Nahem gesehen und er war genauso furchteinflößend wie er immer geglaubt hatte. Geschichten kursierten im ganzen Reich über diese Leute, doch sah man sie in zivilisierten Gegenden eher selten - schließlich gab es dort keine Monster zum Ausschlachten und man verabscheute sie. Früher hatte er sie dafür bemitleidet - schließlich verabscheute man auch ihn. Er hatte, bei aller Furcht, irgendwie an Ähnlichkeiten geglaubt.
Doch das hier war anders. Er hätte alles Gold der Welt gegeben, wenn er nur ganz woanders hätte sein können in jenem Augenblick, weg von diesen Augen, diesem Mann und seinem Reittier, das geradewegs aus den Tiefen der Hölle entstiegen sein musste.
Dann kam die Frage nach dem Namen seines angeblichen Onkels. Und obwohl er genau wusste, dass der Hexer es wusste - und dieser sicher auch wusste, dass er es wusste, füllten sich seine hellgrünen Augen mit jugendlichem Trotz.
"Tarmin", nannte er den Namen, während seine Füße weit über dem Boden baumelten. Er hielt seine Hände an seinem Kragen, denn der schnitt schmerzhaft unter sein Kinn. "Mein Onkel heißt Tarmin!"

Der Jäger lachte kehlig ob des verzweifelten Versuchs des Jungen, sich unversehrt aus dieser misslichen Lage zu befreien. Wie ein Donnern echote das gedämpfte Lachen durch die Scheune und brachte mit einem Mal das gackernde und wiehernde Vieh zum Schweigen. Wie flüssiges Öl rann das Lachen die Kehle des Hexers hinab, der sogleich Feuer und Flamme war wegen des amüsanten Zeitvertreibs, den der Jüngling ihm bot. "Tarmin ist der Stallbursche, der dem Müller bei Nacht als Hure dient" korrigierte er den Knaben grölend, ehe sich seine diabolischen Augen zu Schlitze formten, um den Jungen genauer begutachten zu können. "Sag, Nicolai, bist du nicht vielleicht ein Dieb, der die hart arbeitenden Bauern um ihr Hab und Gut zu erleichtern beabsichtigt?" Der schraubstockartige Griff um des Jungen Kragens festigte sich bei dem aufkeimenden Verdacht, es mit einem Betrüger und Langfinger zu tun zu haben, was nicht ungewöhnlich war in Gegenden wie dieser. "Womöglich sollte ich dich an den Müller verkaufen, damit er eine zweite Hure hat für den Fall, dass ihn Tarmin auf Dauer langweilt?" schlug er mehr zu sich selbst sprechend vor, wobei er den Griff um dessen Kragen lockerte, damit seine Finger hinüber zu dem zerzausten, dunklen Haarschopf wandern konnten, um sich darin fest zu krallen, was wiederum dazu führte, dass der Bursche ohne jegliche Vorwarnung auf die Knie fiel - die Hand in seinem Haar war der einzige Halt, der ihn davon abhielt, schmerzhaft auf den Boden zu stürzen.

Nicolai lief ein eisiger Schauer über den Rücken als der Mann lachte. Sowas Scheusliches hatte er ja noch nie gehört! Er schluckte den großen Klos in seinem Hals herunter und ärgerte sich über die genauen Kenntnisse des Mannes. Er hatte erwartet, dass er ihn nun zu seinem "Onkel" bringen würde, um den Verdacht zu bestätigen und dass er dadurch die Gelegenheit bekam, abzuhauen. Doch offensichtlich hatte er sich geirrt.
Bei den nächsten Worten des Hexers fror ihm die Visage jedoch endgültig ein. Es stimmte, er war ein Dieb und Betrüger, aber hier hatte er noch nichts verbrochen. Er war lediglich hier, um die Nacht zu ruhen! Es konnte doch nicht sein, dass er ihm einen Strick aus Verbrechen drehte, die er nicht begangen hatte!
"I-Ich habe nichts getan!", versprach er, gerade als er mit einem Ruck wieder zu Atem kam, nämlich als ihn der Fremde fallen ließ. Nur um bald darauf den Schmerz auf seinem Kopf zu spüren, wo eine Hand sich in seine Haare gekrallt hatte. Augenblicklich entfuhr ihm ein Schreien und Wimmern. Er legte die Hände auf jene, die ihn hielt und versuchte, sie loszureißen. "Los lassen! Los lassen! Bitte, ich suchte nur einen Platz zum Übernachten! Ich habe nichts getan! Lasst sofort los, bei den Zwölfen!!"

Dain genoss seine überlegene Position, die er voll und ganz ausnutzte. Die Verzweiflung des Jungen kam einer Befriedigung nahe, die sich mit nichts Bekanntem vergleichen ließ. Im Grunde scherte es den Hexer einen Dreck, ob der Knabe die Bewohner des Dorfes zu bestehlen plante oder nicht. Er war ein verdammter Gesetzloser, der keinen Gerechtigkeitssinn besaß. Dennoch erfüllte es ihn mit dem aller größten Vergnügen, den Burschen glauben zu lassen, er hätte es mit einem Gesetzeshüter zu tun. Der Jäger konnte die Pein des Jungen regelrecht riechen. Der Geruch nach Angstschweiß und Todesangst hatte solch eine herrliche Duftnote, dass es dem Hexer schier anders zumute wurde. Aus dem Verlangen, dem Burschen das Fürchten lehren zu wollen, wurde ein ganz anderes Bedürfnis. Doch er ließ sich seinen Sinneswandel nicht anmerken. Dafür war er viel zu geübt, wenn es darum ging, seine wahren Absichten zu verbergen. Dass Zerren und Reißen an seiner eiskalten, steinharten Hand entlockte ihm ein gehässiges Grinsen, das die Sicht auf die spitzen Eckzähne frei gab, die im fahlen Mondschein, welcher durch das Fenster fiel, gefährlich aufblitzten. "Wenn das so ist, wirst du das Lager mit mir teilen müssen. Denn auch ich bin hier, um zu rasten" entschärfte der Hexer schließlich die Situation, nachdem ihm die Lust auf die seelische Folter des Jungen vergangen war. Selbst das Betteln und Flehen konnten ihn nicht bei Laune halten, weil er müde geworden war von der tagelangen Jagd auf das Dorfungeheuer. Ein letztes Mal zerrte er an Nicolais seidigem Haar, ehe er ihn mit einem Ruck losließ und ihn von sich stieß. "Wage es bloß nicht, mir in die Quere zu kommen oder dich an meinen Habseligkeiten zu vergreifen. Ich hacke dir deine Finger schneller ab als dir lieb ist. Haben wir uns verstanden?!" steckte der Hexer die Grenzen ihrer gemeinsamen Übernachtung in der Scheune ab, wobei der Klang seiner abgrundtiefen Stimme deutlich machte, dass der Hexer nicht zu scherzen pflegte.

Das war also das Ende seines kurzen Lebens. Aus ihm gerissen in seiner Blütezeit, so jung und unschuldi...
Genau in diesem Augenblick ließ ihn der Scheißkerl letztendlich los und davon überwältigt und überrascht landete er gleich darauf auf dem Hosenboden. Was auch immer gerade geschehen war, dieser dämonische Hexer schien schlagartig das Interesse an ihm verloren zu haben! Nicolai konnte sein Glück kaum fassen, stand jedoch schon vor dem nächsten Problem. Der Junge hätte nun am liebsten die Scheune verlassen und sich einen anderen Schlafplatz gesucht. Doch nachts im Malmalam-Wald herumzulungern, war so ziemlich das Dümmste was man tun konnte. Nur die dünnen Holzwände schützten die Dorfbewohner vor den Schrecken der länger werdenden Nächte. So blieb ihm nichts anderes übrig als die Nacht mit ihm zu verbringen. Er wollte sich bereits zurückziehen, als er bemerkte, dass der Fremde auf den Heuhaufen zuging, den ER selbst zusammengesammelt hatte!
Natürlich, er war stolz und ziemlich vorlaut, aber vor allem war er klug, insbesondere klug genug, um keinen Streit mit einem Hexer zu suchen. Erst recht nicht wegen Heu.
So sah er sich in dem finsteren Stall um, wobei er sich von Mann und Reiter selbstverständlich so fern hielt, wie es ging, und sammelte sich ein neues Bett zusammen. Die Tiere hatten sich inzwischen widerwillig beruhigt, hin und wieder hörte man aber doch ein Gackern oder Schnauben, denn die beiden Menschen in ihrer Mitte waren ihnen suspekt.
In einer Ecke liegend, in der er auf den Neuankömmling einen freien Blick hatte, entschloss Nicolai sich, nicht zu schlafen. Er wollte nicht im Schlaf doch massakriert werden. Doch das war leichter gesagt als getan, denn letztendlich war er bereits die halbe Nacht wach gewesen und die Müdigkeit forderte ihren Tribut. Schließlich fielen ihm endgültig die Augen zu...

Dain hatte wahrlich besseres zu tun, als einen halbstarken Jüngling im Schlaf zu massakrieren. Ihn kümmerte der Wicht nicht. Soll er doch in der Ecke verrotten oder sich mit einem Huhn vergnügen. Es scherte ihn wahrhaftig nicht. Stattdessen lehnte er sich in dem Heuhaufen zurück, das Nicolais Blicken zu Urteilen nach ihm als Bett gedient hatte, und schob die kniehohen Stiefel von den Füßen. Ebenso entledigte er sich seines bodenlangen Mantels, wodurch seine lederne Hexerkluft zum Vorschein trat, die wie eine zweite Haut an ihm saß und seine kräftige Statur perfekt zur Geltung brachte. Das bleiche Haar, welches an den Seiten kurz geschoren war, strich er sich aus der Stirn, um einen freien Blick auf den Talisman in seiner Hand zu haben. Das Relikt ward erschaffen worden vom fähigsten Zwergenschmied und mit der Magie der Elfen versehen worden, sodass es die Zauberkräfte des Trägers zu verstärken und fremde Kräfte aufzuspüren vermochte. Der Talisman in From eines Wolfkopfes leuchtete schummrig bläulich auf, was bedeutete, dass sich ein magsiches Wesen in seiner unmittelbaren Nähe befand. Stirnrunzelnd sah sich der Hexer in der winzigen Scheune um als ihn die Erkenntnis wie ein Schlag traf. Nicolai... Ging die magische Aura, welche von dem Talisman aufgespürt wurde, etwa von dem Knaben aus? Skeptisch musterte er das schlafende Häufchen Elend, ehe er den Kopf ungläubig schüttelte. Unmöglich! Falls der Bursche wirklich über Zauberkräfte verfügen sollte, wieso hatte er sich dann nicht gegen den Hexer gewehrt als dieser den Burschen malträtiert hatte? Der Talisman irrte sich jedoch nie und er bezweifelte stark, dass eines der Hühner oder Kühe zaubern konnte. Demnach kam nur der Junge in Frage. Der Jäger langte nach einem Stein auf dem Boden, holte aus und schleuderte ihn dem Jungen entgegen, um ihn zu treffen und so zu wecken. Dain hätte ebenso gut aufstehen und ihn wach rütteln können. Der Bursche war ihm allerdings nicht die Mühe wert, sich wegen ihm erheben zu müssen. "Wer oder was im Namen der sieben Höllen bist du?" zischte Dain alamiert. Sein ernster Ton machte verständlich, dass er keine Lügen hören wollte. Eine einzige Unwahrheit und er würde dem Burschen die Haut bei lebendigem Leib abziehen.

Obwohl nicht beabsichtigt, schlief er tief und fest. Die unmittelbare Bedrohung schien zumindest für diese Zeit vorbei und er musste nach den letzten Tagen, in denen er stets unterwegs gewesen war, endlich etwas Ruhe finden. Angenehme Träume jedoch hatte er wahrlich nicht, denn Ungeheuer und Hexenmeister suchten ihn heim und quälten ihn. Unruhig wälzte er sich hin und her, ohne die Blicke zu bemerken, die ihm der finstere Besucher zuwarf oder das Unheil zu ahnen, das noch über ihn hereinbrechen würde.
Als ihn etwas hart an der Stirn traf, schreckte er auf. Ein rotes Rinnsal lief aus seinem Haaransatz und panisch sah er sich in der Scheune um, nur um diese bösartigen Augen wieder auf sich gerichtet zu sehen.
"Wer... was...", stammelte Nicolai und sprang auf. Er verstand nicht. Was war denn nun wieder?
Als er endlich verstand, was der Fremde von ihm wollte, fragte er mehr aus Perplexizität als aus Trotz:
"W-Was geht Euch das an? Ich bin niemand! Könnt Ihr mich nicht einfach in Frieden lassen?"

Dieser naive Trotz, der dem Burschen eines Tages das Leben kosten würde, reizte den Jäger. Es brachte sein unheiliges Blut zum Kochen von dieser halben Portion angeblafft zu werden. Offenbar hat der Wicht noch immer nicht verstanden mit wem er es zu tun hatte und wie schlecht es um ihn stand. "Antworte!" herrschte er den Knaben an, da er dessen Ausflüchte satt hatte. Elixier stieß ein gespenstisches Wiehern aus wie zur Betonung des Gesagten und scharrte angriffslustig mit dem Vorderhuf. "Dein Leben hängt am seidernen Faden. Sprich oder stirb. Du hast die Wahl!" fuhr er zähneknirschend fort, nachdem er sich dazu genötigt sah, von seiner Magie Gebrauch zu machen, was er eigentlich vermeiden wollte aufgrund der erschöpften Reserven. Trotz der Distanz zwischen ihnen schlangen sich unsichtbare Finger um den Hals des Jungen simultan zu der Hand des Hexers, die eine würgende Bewegung vollführte. Es war Telepatie, die Dains Vorstellungskraft wahr werden ließ, indem sich sein Gedanke in der Luft manifestierte und den Jungen zu würgen begann. "Du besitzt magische Kräfte, nicht wahr?" äußerte er endlich seinen Verdacht, um diesen begriffstutzigen Bengel auf die richtige Spur zu bringen.