RE: Shifter - 2

Der Schrauber blickte nach wie vor unbeeindruckt drein. Er hatte im Laufe der Jahre einige Shifter kennen gelernt, mit manchen war er sogar befreundet, daher war es für ihn keine Besonderheit, es mit einem dieser Gestaltwandler zu tun zu haben. Dass dieses Exemplar Probleme mit der Tante von oben und seinem Mitbewohner hatte, amüsierte ihn hingegen umso mehr. Da er eine sehr schadensfrohe Person war, fühlte er sich bestens unterhalten. Mit der Zunge schob er sich die Kippe in den Mundwinkel und rang sich eine Bemerkung ab: "Ich meinte das ernst. Wieso verbuddelst du dich nicht einfach in einem Loch? Wenn ich ein Waschbär wäre, würde ich das sofort machen. Dann müsste ich mich nicht mit diesen selbstgerechten Arschlöchern rumärgern." Der Glimmstängel wippte mit jedem Wort, das er sagte, auf und ab - betonte so die Gelassenheit, die ihm angeboren zu sein schien. "Wenn du mich fragst; du bist weit entfernt von gemeingefährlich mit deinem kleinen nackten Arsch.", grinste er wölfisch, als hege er den ein oder anderen Hintergedanken.

Rick sah ihn an und war wirklich überrascht von dessen Gelassenheit. Wie er dort stand. Die Kippe im Mundwinkel und ein Vorschlag auf den Lippen, der ihn leicht grinsen lies. "Das mit dem Schlafen wäre damit geklärt. Jetzt stellen sich mir noch ein paar Fragen: Wo tue ich meine Klamotten, Bücher und so hin? Wo dusche ich? Auch Waschbären stinken nach ner Weile und Flusswasser riecht nach Fisch." er lachte kurz "Und die finale und wichtigste Frage: Was soll ich essen? Und nein, das was ich als Waschbär esse reicht nicht aus um auch meinen menschlichen Körper zu versorgen."
Bei der Bemerkung über seinen Hintern sah er sich kurz selbst auf diesen, indem er sich etwas verdrehte. Dann nickte er eifrig. "Ich weiß, Ich bin eigentlich viel zu liebenswert, um rausgeschmissen zu werden." und dabei klimperte er kurz übertrieben mit seinen großen Augen, mit den Händen am Kinn."

Roux zuckte mit der Schulter. Er hatte keine optimale Lösung für all diese Probleme. Es war aber auch nicht seine Aufgabe, eine Lösung zu finden. Was gingen ihm die Belange eines Shifters an? Er wusste bloß, dass es einige Shifter gab, die ganz gut zurecht kamen. Wenn die es hinbekamen, dann müsste es dieser Waschbär auch hinkriegen. So schwer konnte es nicht sein. "Mach es doch genauso wie die anderen. Soweit ich weiß leben viele Shifter gemeinsam auf Campingplätzen und helfen sich dort gegenseitig aus. Ich kenne ein paar von ihnen. Wenn du willst, kann ich sie dir vorstellen. Sind ganz coole Typen", schlug er unvermittelt vor wie jemand, der keine Probleme kannte, sondern nur Lösungen. Sogar ein sehr guter Arbeitskollege von ihm war ein Shifter, der Teil jener Campinggemeinschaft war. Roux mochte die Wildheit und Freiheit jener Leute, die in ihrer eigenen Welt lebten und die besten Partys veranstalteten. Sie rotteten sich wie Gangs auf Motorrädern zusammen, sauften und aßen am Lagerfeuer, vögelten die ganze Nacht. Er hatte das große Glück, als einer der wenigen Menschen an diesen Aktivitäten teilnehmen zu dürfen. Der Versuch des Jungen, niedlich zu sein, entlockte dem Älteren ein spöttisches Lachen. "Du solltest daran noch etwas feilen."

Die Lösung war vielleicht gar nicht so schlecht. "Vielleicht sollte ich das tun." er seufzte und schloss kurz angestrengt die Augen. So gut es war, dass er hier einen Moment seine Ruhe hatte, so sehr stresste ihn alles was vor ihm lag. Er rieb sich über die Strin und durch die Haare die danach noch etwas mehr verstrubbelt waren als zuvor. "Kannst du mir eine Nummer geben? Oder die adresse " wollte er wissen und sah ihn an. "Dann geh ich da heute noch vorbei..." es war nicht so, dass er nicht schon von ihnen gehört hatte, wusste das es eigene Gemeinschaften von Shiftern gab. Doch er hatte sich eigentlich immer nur ein normales Leben gewünscht. Ein studentenleben in dem man mal Abends zusammen trinken ging und einfach eine schöne Zeit hatte. Filmabende in der WG, Partys oder einfach nur das zusammen leben. Aber das normale blieb ihm verwehrt. Was sollte er auch machen?
Das spöttische Lächeln auf seine Grimasse hin lies ihn grinsen. "Lieber nicht." antwortete er und lies das blinzeln sein. Stattdessen sah er wieder aus dem Fenster. "Sieht so aus, als hätte sie sich nach drinnenverzogen." murmelte er.

Das schiefe Grinsen in seinem Gesicht wurde eine Spur breiter. "Es gibt keine Nummer. Auch keine Adresse. Sie leben anonym im Outback. Ich kann dich hinbringen, die Frage ist nur, was hab ich davon? Die Gruppe vertraut mir. Wenn ich jemand Fremdes zu ihnen bringe, egal ob Mensch oder Shifter, dann sind sie erst mal sehr misstrauisch. Es wird mich viel Überzeugungsarbeit kosten, damit sie dich aufnehmen - auch wenn es nur für eine Nacht ist. Drum musst du mir schon etwas anbieten, damit ich mich für dich einsetze", verpasste er dem kleinen Strubbelkopf einen Dämpfer als wäre es das Normalste auf der Welt, einen Preis für eine gute Tat zu verlangen. "Die Luft ist also rein?! Dann kannst du dich ja wieder verpissen. Zieh dir vorher aber etwas an. Nicht dass noch jemand einen Herzinfarkt wegen dir bekommt", scherzte er gewohnt zynisch und warf ihm eine abgewetzte Jeans und ein fleckiges Shirt vor die Füße.

Rick starrte ihn an. "Im Outback?" fragte er irritiert, dann schüttelte er den Kopf. Im Outback und dann noch anonym und abgeschnitten von der Außenwelt. "Ich glaub dann verzichte ich lieber." mal ganz davon abgesehen, dass er diesem Kerl eh nichts als Gegenleistung bieten konnte."Ich wollte mein Studium noch dieses Jahrhundert abschließen. Da kann ich nicht am Arsch der Welt wohnen." vielleicht besorgte er sich ein kleines Zimmer bei einer netten Oma oder so. Gabs da nicht Möglichkeiten?
Rick grinste ihn an, als ihm die Kleidung vor die Füße geworfen wurde. "Hey... also ich bin dir ja echt dankbar für die kurze Gastfreundschaft und das Brot, aber ich glaube ich gehe wie ich gekommen bin." er salutierte und sagte noch "Man sieht sich." und verwandelte sich wieder in den kleinen Waschbär.
Es dauerte einen Moment, dann sprang er auf das Sofa und aus dem Fenster. Er rannte die Treppe nach oben, man hörte noch kurz die Frau kreischen, dann war es wieder still. Er hatte es in seine Wohnung geschafft.

Der Dunkelhaarige sah ihm verständnislos nach. Wozu das Studium, wenn ihn sowieso niemand anstellen würde, egal wie gut er ist? Das war seiner Meinung nach vergeudete Lebenszeit. Glücklicherweise war das nach wie vor nicht sein Problem, weshalb er den Shifter gehen ließ ohne sich in dessen Schickseil weiter einzumischen.

Am nächsten Tag wurde er zur Uni geschickt, um den liegen gebliebenen Wagen des Fakultätsleiters zum Laufen zu bringen - so einen Service bekam man nur, wenn man ein ganz hohes Tier war. Roux beschwerte sich erst gar nicht darüber, den mühseligen Weg durch den dichten Verkehr nehmen zu müssen, da er die Chance bekam, an einem Tesla zu schrauben. E-Autos waren an sich schon spannend, ein Tesla gehörte außerdem zur absoluten Königsklasse mit Seltenheitsfaktor. Roux stellte seinen Mustang auf dem Uni-Parkplatz ab und begab sich zum Campus, wo der Tesla auf dem VIP-Stellplatz vor der Fakultät auf ihn wartete. Der leitende Professor schilderte ihm das Problem mit dem Wagen, ehe er zum nächsten Seminar eilte und den Mechatroniker allein zurück ließ. Roux krempelte die Ärmel hoch und machte sich ans Werk, indem er zunächst die Motorhaube öffnete und die Hydraulik überprüfte.

Rick hatte in der letzten Nacht noch das meiste seiner Sachen in ein Lagerhaus gebracht und war beinahe nicht zum schlafen gekommen. Er hatte sich aus dem Lager seine Uni Unterlagen mitgenommen und war wir gewohnt ins Seminar gegangen. Seit er vor etwa einer Woche enttarnt wurde, war es als würde er stinken oder als wäre er abstoßend wie bei zwei Magneten, die man aneinander hielt und nicht zusammen bekam. Um ihn herum war stets viel Platz. Zwei Reihen Sitze in den Seminaren, und wenn er durch die Korridore lief, wichen ihm die Leute aus. Er wusste, dass es noch mehr Shifter hier gab, aber diese wären wirklich dumm sich zu outen, indem sie mit ihm sprachen. So verliess er gerade das Gebäude, um zum nächsten Seminar zu gehen. Er ging an dem Parkplatz vorbei und sah auch den Typ von gestern. Doch anstatt zu ihm zu gehen, senkte er den Kopf und ging weiter.
Was er zunächst nicht sah, waren die beiden Typen, die wohl zu den Sportlern der Uni gehörten und deren Eier Kartons, die sie trugen. "Hey Freak!" rief der eine und Rick sah auf. Da kam auch shcon das erste Ei geflogen. Und was tat Rick, er duckte sich weg und hörte nur wie das Ei gegen das Auto, den Tesla, klatschte.

Roux war völlig vertieft in seine Arbeit. Er liebte, was er tat, drum war er mit Herz und Seele bei der Sache. Nichts konnte ihn aus der Ruhe bringen. Bis auf ein rohes Ei, das just in diesem Moment gegen den Kotflügel des Teslas klatschte. Schlagartig hob er den Kopf, sah sich um und richtete sich zu seiner vollen Größe auf, die durchaus beeindruckend war mit dem durchgedrückten Rücken, dem breiten Kreuz und der muskulösen Brust. In einigen Metern Entfernung entdeckte er eine Gruppe halbstarker Schwachmaten, die mit Eiern um sich warfen als wären sie auf dem Jahrmarkt. Roux konnte nicht fassen, dass sich angeblich gebildete, intellektuelle Menschen auf das Niveau eines Kindergartens innerhalb von Sekunden zurück entwickelten. Kurz darauf erblickte er den Auslöser für dieses kindische Benehmen: der Shifter von gestern. Jetzt war ihm so einiges klar. Dass der Tesla dabei zum Kollateralschaden wurde, gefiel ihm überhaupt nicht. Mit dem gusseisernen Schraubenschlüssel bewaffnet, ging er wutentbrannt auf die pubertären Volltrottel zu und riss ihnen den Pappkarton aus den Händen. Ohne Vorwarnung kippte er die Eier über dem Kopf des Anführers der Truppe aus. "Wirf noch einmal etwas gegen den Wagen, und ich zerquetsch dir deine Eier!", knurrte er dabei zornig wie ein tollwütiger Pitbull, den man besser nicht reizte.

Rick hatte es geschafft ein paar weiteren Eiern auszuweichen. Andere hatten ihn an der Schulter oder dem Rücken getroffen. Ein hatte er sogar gegen den Hinterkopf bekommen. Doch die meisten landeten entweder auf dem Boden oder auf den Autos die hier standen. Er zuckte zusammen, als Roux an ihm vorbei rauschte und sah zu, wie er diese Kerle zur Sau machte. Auch wenn es offensichtlich nicht für ihn geschah, aber ein wenig Genugtuung empfand er dabei schon.
Die beiden Kerle starrten den Mann an, der einem von ihnen gerade den Karton über den Kopf verteilte. "Hey Alter! Was soll der Mist?!" fragte einer dieser Idioten und baute sich auf, auch wenn er eine ähnliche Körperliche Statur hatte wie Roux, so hatte er nicht die gleiche Ausstrahlung. "Bist du etwa auf der Seite von diesem Monster?" rief nun ein anderer nicht sehr intelligent aussehender Mann und ging wütend auf Roux zu. Doch der Anführer, der die Eier aufm Kopf bekommen hatte, hielt ihn zurück und starrte Roux wutentbrannt an. "Ist doch nicht mein Problem, wenn dein Wagen hier rumsteht, Loser! Willst du dich etwa mit uns anlegen?" und dabei shcien ihm Rouxs knurren ziemlich egal zu sein.

Der Dunkelhaarige hatte es in seinem Leben bereits öfters mit Idioten zu tun gehabt. Daher war ihm der Umgang mit jenen nicht fremd. Er wusste genau, dass sie bloß bellen, aber nicht beißen konnten. Ganz nach dem Motto; große Klappe, nichts dahinter. "Ich frage mich gerade, wer hier das Monster ist. Ihr seid diejenigen, die sich wie Monster verhalten, nicht er", stellte er klar, wobei er mit einem knappen Kopfnicken gen Shifter deutete. Als er ein weiteres Mal blöd von der Seite angemacht wurde, fiel es ihm deutlich schwerer die Fassung zu behalten. "Das ist der Wagen eures Rektors, du hohle Fritte. Wenn er erfährt, wer für diesen Scheiß verantwortlich ist, dann seid ihr garantiert die ersten, die von der Uni fliegen", bläute er den Blitzbirnen ein. "Ihr seid aber auch verdammt mutig. Geht zu zweit auf einen Kerl los, der nichts dafür kann, dass er so ist wie er ist und einfach nur sein Leben leben will - was sein gutes Recht ist. Und falls dir das nicht deutlich genug war; ja, ich will mich mit euch anlegen!", zischte er mit Nachdruck und erhobener Waffe - dem gusseisernen Werkzeug, das nicht nur Schrauben fest ziehen konnte, sondern auch Schädel einschlagen.

Nicht nur, dass Roux auf die Kerle los ging, er sagte tatsächlich etwas um Rick zu verteidigen. Der Shifter schluckte und strich sich die Haare zurück. Er bebte leicht. Würde am liebsten einfach weglaufen. Doch er war kein Feigling und würde ihn hier nicht alleine lassen.
Bei der Erwähnung des Rektors drehte der erste Typ bereits ab und meinte "Das Auto vom Rektor?" er sah seinen Boss an "Alter, ich kann das nicht riskieren." und damit drehte er ab und suchte das weite. Doch der Boss blieb stehen und schnaubte. "Bestimmt hat der kleine Freak Tollwut. Er ist eine Bedrohung für uns alle!" Er schnaubte und krempelte sich die Ärmel hoch. Auch das WErkzeug schien ihn nicht zu beeindrucken. "Du bist bestimmt auch so einer! Ekelhaft!" Doch scheinbar wollte er sich auf keinen Kampf einlassen. Er spuckte Roux vor die Füße und drehte ab. "Bevor ich mir noch was einfange." maulte er und ging in Richtung Uni davon.
Rick blieb noch stehen, er hatte die Eierschalen einigermasßen von sich gewischt und sah nun Roux an, wie dieser noch da stand. Dem großen Typen sah er nach... "Ich.. hol dir mal n Lappen fürs Auto.." sagte Rick leise, frustriert und wollte an ihm vorbei gehen.

"Pass bloß auf, dass ich dir nicht ans Bein pinkle!", drohte Roux dem Anführer der Bande breit grinsend, nachdem dieser den Verdacht geäußert hatte, er würde den Shifter bloß verteidigen, weil er selbst auch einer war. Zu seiner Erleichterung suchten die miesen Typen kurze Zeit später das Weite - auf eine Prügelei war er nämlich nicht wirklich scharf gewesen. Zumindest nicht während der Arbeitszeit. Er ließ den Schraubenschlüssel wieder sinken und schob ihn in die Seitentasche seiner blauen Latzhose. Als der Junge von gestern neben ihm auftauchte, musterte er die Spuren der zerplatzten Eier auf dessen Kleidung mit einem besorgten Blick. "Kommt das öfters vor?", fragte er noch immer hörbar wütend. "Nicht nötig. Ich hab was zum Saubermachen dabei", lehnte er ab und holte den Putzlappen aus der anderen Hosentasche hervor.

Rick sah zu ihm hoch und schluckte, dann nickte er leicht. "Seit einer Woche ungefähr täglich.." gab er zu und zog dann die Augenbrauen zusammen. Lies sich etwas von der Wut des größeren anstecken. "Aber ich werd mich von diesen Trotteln nicht kleinkriegen lassen. Sind ja nur noch 4 Jahre und wenn ich promovieren darf, eben etwas länger." er biss sich auf die Unterlippe.
Als Roux den Lappen hervor zog nahm er ihm diesen flink aus der Hand, um damit zum Auto zu gehen. Es wurde zweimal getroffen. "Sorry jedenfalls, dass du mit reingezogen wurdest." meinte er und ging in die Hocke, um das Ei vom Auto zu wischen. "Du bist Auto Mechaniker?" fragte er nach.

"Ich bewundere ja deinen Kampfgeist, aber ich kann nicht verstehen, warum du dich mit diesem Scheiß abgeben willst. Wozu das Studium? Dich wird eh niemand einstellen, jetzt da jeder weiß, dass du ein Shifter bist. Mach was sinnvolles aus deinem Leben, statt in dieser Uni abzuhängen, wo man dich wie eine ansteckende Krankheit behandelt", versuchte er ihn von seinem Weg, der nicht vielversprechend war, mit seiner Sicht der Dinge abzubringen. Etwas überrascht sah er zu wie ihm der Lappen aus der Hand gerissen und gleich darauf der Wagen sauber gewischt wurde. Roux fand zwar, dass der junge Student keine Schuld an der Misere trug, dennoch ließ er es zu, dass sich dieser bei ihm revanchierte. "Ja, sieht ganz so aus", bestätigte er die Vermutung des Shifters, nachdem er sich lässig an das Auto gelehnt hatte, von wo aus er eine gute Sicht auf den Jungen hatte. "Hast du einen fahrbaren Untersatz?", fragte er salopp als wäre es überlebenswichtig, ein Fahrzeug zu besitzen.