RE: Gefühle~mal~anders - 3

Vor Lucas Büro klopfte ich an seiner Tür, bevor ich eintrat und die Tür dann schloss. Er blickte auf und lächelte mich an.
"Guten Morgen Andrew. Was gibs?" fragte er und legte seinen Füller zur Seite, mit dem er Unterschriften aufs Papier druckte.
"Ich habe einen Ersatz für mich gefunden. Natürlich würde ich ihn einarbeiten und unter die Arme greifen." erklärte ich ihm.
"Ach so? Wie kams?" fragte er neugierig nach.
"Gestern in der Bar... Dort wurde ein Barkeeper vor meinen Augen gefeuert, als er sich geschnitten hatte. Ich konnte den Chef nicht einfach so Handhaben lassen, deswegen kümmerte ich mich um den jungen Mann und brachte ihn ins Krankenhaus. Wir unterhielten uns und seine Geschichte berührte mich. Er ist hier, für einen Probetag. Ich würde ihm gerne die Chance geben und natürlich trage ich die ganze Verantwortung, falls etwas schief laufen sollte." versicherte ich Lucas und hoffte, dass er mir diese Chance gab.
"Na wenn du dir sicher bist, dass er der richtige für diese Rolle ist, dann lass ich dich frei darüber entscheiden. Ich werde einen Vertrag von der Personalabteilung anfertigen. Natürlich erst einmal als deinen Assistenten. Schaffst du es, ihn in 2 Monaten alles angeeignet zu haben?" fragte er.
"Mh... Ja, das sollte möglich sein." sagte ich und lächelte ihn an.
"Gut, ich bin überrascht, dass du dieses Problem so klug gelöst hast. Ich bin gespannt, wer dieser Mann ist, den du diese unglaubliche Chance gibst."
"Ein netter junger Mann, ohne Perspektive. Er hat besseres verdient als diese unterbezahlten Kellner und Barkeeperjobs." erklärte ich und verließ dann das Büro.
Vor meinem Büro fingen die Vorbereitungen für die Party statt. Lächelnd trat ich in mein Büro ein und betrachtete das Bild von Kyle, wie er meinen Job ausführte.
"Steht dir." gestand ich und setzte mich auf den Besucherstuhl.

Ich sah auf. Ich war so sehr in meine Arbeit vertieft, dass ich sein Eintreten nicht wirklich bemerkt hatte. Ich errötete. Schnell erhob ich mich um Andrew wieder sitzen zu lassen. "Ich bin gerade fertig geworden!" lächelte ich. Ich deutete auf die Akten. "Ich hoffe, es passt!" Ich war fest überzeugt, dass ich meine Aufgaben gut erledigt hatte. Dementsprechend entspannt war ich. Ich wartete auf seine Entscheidung. Mir fiel auf, dass vor dem Büro viel los war. Dann blickte ich wieder zu Andrew.

"Mein Chef hat nichts dagegen. Die Bedingung ist, dass ich dich in 2 Monaten eingearbeitet habe. Zum Glück habe ich noch Bücher von meinem Studium. Wenn du magst, kann ich dir diese Ausleihen, oder wir gehen nach Feierabend, diese eine Stunde lang durch. Natürlich Kapitel für Kapitel. Den Rest werde ich dir in der Praxis zeigen." erklärte ich und hoffte, dass wir dies alles koordiniert bekamen.
Aber ich war zuversichtlich. Ich sah mir die Akten an und lächelte.
"Wundervoll. Hast du Interesse die anderen Abteilungen kennenzulernen?" fragte ich und schmunzelte.
"Gleich findet eine Geburtstagsfeier statt. Da gibt es lecker Kuchen und Kaffee." sagte ich und erhob mich vom Stuhl und öffnete die Tür.

2 Monate? Genug Zeit eigentlich. Ich würde es schaffen."Sollte zu schaffen sein!" lächelte ich zuversichtlich. "Du kannst gut erklären." fügte ich hinzu. Ich sah ihn an. "Ich bin sicher, wir bekommen das hin!"
Ich zögerte. Ich kannte außer Andrew niemanden. Aber eine Geburtstagsfeier schien eine gute Möglichkeit zu sein, die anderen Angestellten kennen zu lernen. Mein Blick glitt wieder zu Andrew. Immer noch zögerte ich, dann nickte ich. "Gerne..." Ich trat zu ihm zur Tür.

Ich führte Andrew in den großen Raum, wo auch er bald seinen Platz hatte. Die Arbeitsplätze waren durch gläsernde halbhohe Trennwände eingegrenzt. Ansonsten konnten alle miteinander reden, arbeiten und ebenso in Ruhe arbeiten.
Ich führte Kyle zum Personalraum, wo sich schon ein paar Kollegen aufhielten. Der Ehrengast fehlte jedoch weiterhin.
Schmunzeld gesellte ich mich zu ihnen.
"Leute, bevor wir den Ehrentag einer gewissen Person feiern, möchte ich euch jemanden neues im Team vorstellen. Liebe Kollegen... das ist Kyle, mein neuer Assistent." verkündete ich und schob Kyle in denMittelpunkt, behielt meineHände jedoch auf seinen Schultern.

Ich war Andrew leise gefolgt. Unsicher ließ ich mich in den Mittelpunkt schieben. Mein Blick glitt über die anwesenden Männer und Frauen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Hilflos blickte ich zu Andrew. Ich stand in der Mitte des Raumes und suchte nach Worten. Ich fühlte mich fehl am Platz, denn die Leute um mich herum trugen teure Designeranzüge. Ich hingegen konnte von solchen Klamotten nur träumen. Bestimmt fuhren die Angestellten edle Luxuswagen. Ich riss mich aus den Gedanken. "G-guten Morgen!" stammelte ich. Ich blickte erneut zu Andrew.

"Guten Morgen. Freut mich, dass du unser Team unterstützt. Der Boss hat echt immer viel zu tun." erzählte Ted. Er stammte aus der Abteilung Beschaffung und wollte wohl ein Stück Torte abgreifen. Die anderen tauten ebenfalls aus der Starre auf und begrüßten das neue Mitglied. Ich lächelte Kyle an und klopfte ihm auf die Schulter, bevor ich ihn los ließ.
"Das ist also der junge Mann." ertönte eine altbekannte Stimme. Ich drehte mich um und machte Platz für Lucas, der den Geburtstag einer treuen Mitarbeiterin nicht verpassen wollte.
"Genau. Kyle, darf ich dir unseren Geschäftsführer vorstellen, Lucas Stepford. Lucas, dass ist Kyle." stellte ich die beiden vor.
Lucas hielt Kyle die Hand hin und lächelte ihn an.
"Freut mich. Ich erwarte großes von Ihnen, Kyle." sagte er und haute somit seinen Standardspruch raus.

Ich entspannte mich langsam. Meine Kollegen schienen nett zu sein.
Als ich eine Stimme hinter mir hörte, drehte ich mich um. Auch der Geschäftsführer wirkte freundlich. Ich lächelte fröhlich. Ich schüttelte seine Hand. "ich werde mein bestes geben!" versprach ich.
Ich sah zu Andrew. Ich war ihm unglaublich dankbar, dass er mich hierher gebracht hatte.
Ich beschloss, ihm später nochmals zu danken.

Als Cassy das Büro betrat, drehten sich alle zu ihr um und riefen zeitgleich im Chor: "Herzlichen Glückwunsch!!" und schmissen Konfetti. Sogar Lucas machte den Spaß mit und ließ sich ein albernes Partyhütchen aussetzen. Cassy war total begeistert und wurde von allen Kollegen umlagert. Karten, Geschenke und der Kuchen wurden ihr präsentiert.
"Leute, lasst sie doch erst einmal ankommen." versuchte ich Cassy zu retten, damit sie nicht unter der Last zerbrach. Sie lachte und wischte sich Freundentränen aus den Augenwinkeln. Zusätzlich achtete sie darauf, das ihr Make-Up nicht verwischte. Sie war zutiefst gerührt und bedankte sich herzlichst bei allen. Nachdem sie die Kerzen ausgepustet und den Kuchen angeschnitten hatte, kehrte Ruhe ein und kleine Grüppchen bildeten sich. Alle aßen vergnügt Kuchen und unterhielten sich. Für 2 Stunden durften alle Pause machen und den Geburtstag mit Cassy feiern. Ich blieb bei Kyle, weil er sonst vielleicht alleine war, doch weit gefehlt. Er wurde sofort vom Team intrigiert und mit Kuchen und Kaffee versorgt.
"Woher kommst du? Wie alt bist du? Hast du eine süße Freundin? Was hast du vorher gemacht? Harter Job, den du dir da ausgesucht hast..." waren nur ein Bruchteil der Fragen, mit dem die Leute Kyle löcherten.

Ich war etwas überfordert mit der Situation. So viele neue Menschen. Und hier sollte ich arbeiten? Ich war es nicht gewohnt, so viele Kollegen zu haben. Normalerweise hatte ich 1-2 Kollegen. Und die waren nicht wirklich gut gelaunt. Hier war alles anders. Als ich von so vielen neuen Leuten umzingelt wurde, musste ich lächeln. Ich würde mich hier bestimmt wohl fühlen können. Ich wusste im ersten Moment dennoch noch nicht, wie ich mit der Situation umgehen sollte. All diese Fragen; als würden sie sich dafür interessieren. Ich beantwortete ruhig jede Frage und stellte fest, dass ich schon lange nicht mehr so glücklich und entspannt war. Mein Blick glitt zu Andrew. Er hatte irgendwas...irgendwas, das ihn interessant machte. Ich verdrängte die Gedanken. Woher kamen diese? Schnell sah ich wieder weg und widmete mich den Gesprächen meiner neuen Kollegen. Ich zwang mich, mich auf sie zu konzentrieren. Die Zeit verging. Ich fühlte mich willkommen und merkte, wie ich entspannter wurde. Ich begann sogar, selbst Gespräche anzufangen und konnte sogar lachen.

Das Kyle direkt Anschluss zu den Kollegen fand, freute mich sehr. Dies würde das Klima entspannen, wenn er demnächst bereit war, meinen Job zu übernehmen. Ich hoffte, das die anderen nicht allzu Große Hoffnungen machten. Das wäre nämlich Fatal. Aber eigentlich mochten doch alle ihre Arbeit, oder täuschte dies?
Lucas sprach über ein paar neue Kunden, die mit uns arbeiten wollten, was meine ganze Aufmerksamkeit forderte. Ich nickte und hatte bei dem ein oder anderen ein paar Bedenken, doch da musste ich mich einfach mit dem Unternehmensprofil auseinandersetzten.

Ich warf Andrew einen Blick zu. Ich war noch immer unsicher. Immerhin war meine Position eine Stelle, auf welche man Monate oder sogar Jahre hin arbeiten musste. Und nun war ich da; Ein 'dahergelaufener Junge'. Ich gab mir Mühe, mir nichts anmerken zu lassen. Einer meiner Kollegen erzählte amüsiert von irgendwelchen Frauen. Gelächter erklang, ich sah unsicher zu Boden. Ich hatte mich nie für Frauen interessiert. Aber, wenn ich mich nicht für Frauen interessierte, für wen oder was dann? Ich versank in Gedanken. Gab es eigentlich wen, für den ich mochte? Mehr als normal? Ich bekam nichts mehr um mich herum mit. Die Unterhaltungen der anderen wurde zu einem monotonen Rauschen.

Lucas und ich verzogen uns in mein Büro und besprachen kurz alles weitere für Andrew. Über Nacht sollte ein extra Arbeitsbereich geschaffen werden und man sollte ihn schnellstmöglich in den Arbeitsablauf der Abteilung einarbeiten, was natürlich meine Aufgabe war. Schließlich war er so gesehen mein Schützling und ich musste mich um ihn kümmern. Nachdem alles mit Lucas geklärt war, verschwand unser Chef auch zurück in seine Abteilung und ging seiner Arbeit nach. Ich hingegen begegnete Andrew vor der Tür meines Büros. Er schien recht aufgewühlt zu sein.
"Alles in Ordnung?" fragte ich fürsorglich nach.

Ich zuckte überrascht zusammen, als ich Andrew's Stimme hörte. "I-ich..." ich verstummte, suchte nach Worten. "A-alles ok..." Ich wollte ihn nicht mit meinen Nichtigkeiten belästigen. "Ich wollte mich noch einmal dafür bedanken, dass ich hier arbeiten darf!" versuchte ich mich noch schnell zu retten. "Das tut nicht jeder. Vor allem, da Sie mich nicht kennen!" Ich hatte nicht bemerkt, dass ich ihn wieder mit 'Sie' ansprach. Ich zwang mich zu lächeln. Ich hoffte, dass man mir meine Nervosität nicht anmerkte. Ich sah zu ihm auf. Seine Gegenwart ließ mich tatsächlich ruhiger werden. Warum dies so war, konnte ich nicht sagen.