Geschichten Oktober - Dezember 2018 » Zeig mir deine Welt

Florian beendete seine Schicht, zog sich um und verliess das Café. Nun würde sich zeigen, ob er den Abend alleine verbringen oder ob der Hübsche auf ihn wartete. Er glaubte nicht recht daran. Der Hübsch schien ziemlich schüchtern zu sein. Florians Zweifel lösten sich in Luft auf als er sein Date erblickte. Zielgenau ging er zu ihm. „Schön, dass du hier bist. Ich fürchtete schon, du würdest nicht Kommen“ Er streckt ihm die Hand hin. „Ich bin Florian.“

Oh Gott, was tat er hier? Er wollte weg, ganz schnell. Wieso ließ er sich überreden her zu kommen? "I-i-i..." Das fing ja schon mal gut an. Tolya bekam kein Wort heraus, sondern blickte nur etwas dümmlich auf die Hand vor ihm. Es dauerte wenige Sekunden, bis er die Hand endlich ergriff und schüttelte, wobei er sie wahrscheinlich ein wenig länger festhielt, als unbedingt notwendig.
Florian, diesen Namen wiederholte er immer wieder in seinem Kopf. Er klang wunderschön, für Tolya der schönste Name der Welt. "Ich bin Tolya." Sein Akzent klang so stark, dass eigentlich nicht mehr viel fehlte, bis er wieder komplett ins Russische überging. "Möchtest du etwas trinken gehen?", fragte er, nach kurzem Zögern. Er wusste, er redete viel, wenn er getrunken hatte. Und das würde definitiv helfen.

"Ja, gerne" antwortete Florian. "Wenn es für dich in Ordnung ist würde ich gerne wohin, wo man nicht nur Trinken, sondern auch etwas anständiges Essen kann. Ich habe heute noch nicht wirklich viel gehabt."
Tolya hiess der Hübsche und offensichtlich hatte er russische Wurzeln. Der Akzent gefiel dem Barista. Er hatte etwas verwegenes an sich. Die Schüchternheit des jungen Mannes passte jedoch nicht so ganz zu seiner Herkunft.
Nach einem kleinen Fussmarsch und einer U.-Bahnfahrt sassen die Beiden in einer Bar die zu einem kleinen Restaurant gehörte. Florian bestellte sich einen alkoholfreien Drink und einen Burger. "Was möchtest du?"

Oh je, der Barista sah wirklich nicht nur gut aus, er war auch noch unglaublich sympathisch. Tolya wusste bereits jetzt, dass es ihm das Herz brechen würde, wenn aus ihnen nichts werden würde. Okay, cool bleiben Tolya, redete sich der Russe immer wieder ein und nickte. "Ja, klar. Ich habe auch noch nicht viel gegessen." Das war eine Lüge. Tolya hatte durchaus schon eine ordentliche Portion zum Abendessen gehabt und hatte eigentlich keinen hunger, aber das würde sich sowieso ändern, spätestens wenn er Florians Essen sah. Der Weg zum Restaurant war eher still. Tolya wusste aber auch nicht, wann der richtige Zeitpunkt war, Florian die Sachen zu fragen, die er unbedingt wissen wollte.
Als sie in der Bar ankamen, war Tolya echt erleichtert, dass es sich hier um einen stinknormalen Laden handelte und Florian kein Spießer war. Der Blonde ging im Eiltempo die Karte durch, bevor er wieder zu der Bedienung aufblickte. "Ein Bier und eine große Portion Fritten mit Ketchup, bitte." Die Bedienung nickte und ging zurück zum Tresen. Währenddessen hatte Tolya schon wieder eine kleine Panikattacke. Er hatte gar nicht darüber nachgedacht, ob es für Florian okay sei, wenn jemand in seiner Gegenwart Alkohol trank. Er selbst hatte sich ja für etwas alkoholfreies entschieden. Wenn er nun ein absoluter Anti-Alkoholiker war? Tolya biss sich nervös auf die Unterlippe und sah einen Moment zu Boden, bevor er wieder zu Florian aufblickte. "Arbeitest du hauptberuflich als Barista?", fragte er, bevor eine unangenehme Stille ausbrechen würde.

"Zur Zeit schon, ja" antwortete Florian. "Bis ich eine Anstellung in meinem erlernten Beruf als Krankenpfleger finde. Ist alles in Ordnung?"
Frorian war aufgefallen, wie nervös Tolya war. "Du bist Student" stellte er fest und ergänzte auf den überraschten Gesichtsausdruck seines Gegenübers: "Du hast dich das eine oder andere Mal im Cafe als Student ausgewiesen um die 10% Rabat für Studierende zu bekommen."
Ja, auf Florian fand den jungen Mann schon seit längerem interessant.

Krankenpfleger war er also... Tolya fand, dass ihn das nur noch sympathischer machte. Er war sozial engagiert, half Bedürftigen, machte verdammt guten Kaffee und sah auch noch gut aus. Irgendwie war er doch zu perfekt und der Russe war schon irgendwie neugierig darauf, irgendeinen Makel an diesem perfekten Menschen zu finden.
"Ja, ja...", murmelte Tolya kleinlaut auf die Frage. Er musste sich echt zusammenreißen, nicht die ganze Zeit zu hibbeln. Er atmete einmal durch. Was war er: ein kleines Schulmädchen oder ein 24 jähriger Student? Tolya entspannte sich und lehnte sich etwas zurück. Das Bier kam. Er bedankte sich bei der Bedienung und trank einen großen Schluck.
Nun musste Tolya doch etwas lachen. "Du Stalker.", beschuldigte er den Barista spaßeshalber, war dann aber doch interessiert. "Und, weißt du auch, was ich studiere?" Tolya lächelte und sah Florian direkt in die Augen. Er wirkte wie ein Menschenkenner. Vielleicht hatte er ja auch für sowas einen guten Riecher.

Florian schüttelte den Kopf. "Nein, ich bin weder ein Stalker noch ein Hellseher. Du willst es mir schon verraten müssen."
Die Kellnerin brachte schon bald das Essen. Der Barista liess es sich schmecken und beobachtete sein Gegenüber. Warum ihm Tolya so gefliel, wusste er nicht genau. Er war anders als die Männer, mit denen er sich sonst traf. Vielleicht war ja genau das der Grund.