Geschichten Januar - März 2019 » Who is more afraid? [FSK 18]

Einleitung

Tristan ist grade neu in die Stadt gezogen. Er hat seit einiger Zeit merkwürdige Anfälle und Erinnerungslücken, weshalb er von seinem Hausarzt zu einem Neurologen überwiesen wird. Dieser Neurologe ist Bela, oder auch Herr Aurich. Um die Ursachen zu klären, möchte Herr Aurich Tristan gerne Blut abnehmen und ihn näher untersuchen. Tristan hat aber zudem panische Angst vor Blutabnahmen.
Als es jedoch endlich dazu kommt, fühlt sich Tristan das erste Mal seit langem sehr beruhigt und merkwürdig geborgen. Obwohl eine Nadel in seinem Arm steckt und er eben noch gerne geweint hätte wie ein kleines Kind. Bela hatte den richtigen "Draht" zu ihm gefunden und es geschafft, ihn zu beruhigen.
Zwischen beiden entsteht eine anfangs merkwürdige Freundschaft, bei der beide nicht ganz wissen, wieso sie den jeweils anderen eigentlich mögen. Während Tristan sehr wild ist, wirkt Bela eher streng und beherrscht. Mit der Zeit werden die Kontraste stärker sichtbar, aber auch eine spürbare Anziehungskraft, die beide leugnen.
Und auch Bela ist nicht frei von Ängsten und Auffälligkeiten, die später noch gefährlich und erdrückend werden könnten.

Genre / Themen: BDSM, Krankheiten, psychische Störungen, psychische Manipulation, Gewalt.

Name: Bela Aurich
Alter: 32 Jahre
Größe: 1,88 Meter
Beruf: Neurologe

Charakter:
Perfektionistisch
Gepflegt & sauber
Mag seltene Gerüche und fremde Gerichte
Liebt teure und stilvolle Kleidung
Geht gerne Essen
Hat starke Bindungs- und anschließend Verlustängste
Streng mit sich selbst und mit anderen
Zielstrebig, überschreitet für seine Ziele auch Grenzen
Hasst es, die Kontrolle zu verlieren

Es war etwa Ende August und einige Sonnenstrahlen des leicht bewölkten Himmels fielen in das kühle Besprechungszimmer von Herrn Aurich. Es gab zwar zwei Zimmerpflanzen, aber die hatten ihm seine Sprechstundenhilfen mit angeschleppt und einfach platziert. Das Zimmer war nicht farblos, es fanden sich eher graue und blaue Töne darin wieder und metallisch Akzente, aber es war kühl gestaltet. Warme Farben wirkten auf ihn oft beunruhigender, so hatte er irgendwann herausgefunden, und diesen kleinen Raum seiner Praxis entsprechend herrichten lassen. Das konzentrierte Arbeiten fiel ihm so leichter, und er blieb ruhiger, auch wenn ihn Situationen und Menschen nerven sollten.
In die Gemeinschaftspraxis mit meinem Kollegen Herr Justel war er vor zwei Jahren eingetreten. Er war der jüngste hier, aber sie alle hatten ihre Schwerpunkte und ergänzten sich somit gut. Bela hatte Glück gehabt und letzten Endes doch den Lebenslauf eines erfolgreichen Menschen eingeschlagen, obwohl er das in jungen Jahren nie hatte kommen sehen. Aber... who the fuck cares? Es interessiert niemanden, wer der Mann hinter dem Lebenslauf einmal war, Hauptsache, die Erfolgsquoten stimmten.
Es war schon etwa 16 Uhr und gleich würde der für heute letzte Patient eintreten.Er rückte seine Brille zurecht und überflog die Überweisung. Viele Informationen hatte Bela nicht. Bloß eine kurze Information von einem Hausarzt, der männliche Patient sollte neurologisch untersucht werden aufgrund von Erinnerungslücken. Aber meist steckte viel mehr dahinter und viele Symptome wurden bei den Hausärzten auch nicht aufgenommen. Hausärzte waren eben die oberflächlichsten und schlampigsten Ärzte überhaupt, so seine Meinung. Er gab einen Scheiß auf ihre fehlerhaften Diagnosen oder wildesten Vermutungen. Solange sie die Patienten aber an ihn weiterhin überwiesen, brauchte er diese überlasteten Hochnasen.
23 Jahre… so junge Patienten hatte er eher selten. Kein Mensch sollte in diesem Alter ernsthafte Erkrankungen haben, er hatte jetzt schon Mitleid, ehe er den Patient überhaupt sehen konnte. Es klopfte an der Tür und er sah von der Überweisung auf. „Ja bitte.“

Name: Rosé
Vorname: Tristan
Alter: 23 Jahre



Charakter:
Tristan hält die Menschen auf abstand. Es fällt ihm schwer, jemandem zu vertrauen.
Er trägt fast ausschliesslich schwarze Kleidung, was ihn noch blasser erscheinen lässt, als er ohnehin schon ist.
Er ist Vegetarier, liebt seine Gitarre und seine Musik, die seine Mutter als Lärmbelästigung bezeichnet. Er leidet an Epilepsie.
Seine Anfälle werden unter anderem auch durch aussergewöhnliche Stresssituationen und drauf folgende Panik - Attacken ausgelöst.
Er mag keine grossen Ansammlungen von Menschen und verbring seine Freizeit am liebsten Zuhause ein seinem Zimmer.

Eine halbe Stunde schon sass Tristan im Wartezimmer und bekämpfte den Drang, zu fliehen. Er hasste Arztpraxen, Krankenhäuser und alles, was auch nur im entferntesten etwas damit zu tun hatte. Er war nur auf drängen seiner Mutter zum Hausarzt gegangen, der ihm dann nicht einmal helfen konnte und ihn weiter reichte, an einen Spezialisten, einen Neurologen. Was ein Neurologe ist, wusste er nicht wirklich, es interessierte ihn auch nicht besonders. Arzt war Arzt. Wie konnte überhaut jemand diesen Berufsweg einschlagen?
Kaum zu glauben, wie viel Kontrolle er seiner Mutter über sein Leben zurück gegeben hatte. Er trug sogar das lange Haar zusammen gebunden, hatte geduscht und sie gewaschen. Macht man angeblich so, bevor man zum Arzt geht.
Als er hier ankam, war das Wartezimmer voll, was ihn daran hinderte, einfach wieder zu gehen. Wäre doch etwas komisch rüber gekommen. Jetzt aber war er allein und wirklich kurz davor, zu verschwinden. Doch da tat die Arzthelferin in den Türrahmen und bat ihn, sie zu begleiten.
Sie führte ihn durch die Räumlichkeiten und klopfte an eine der vielen Türen. "Ein gedämpftes: "Ja, bitte" erklang und sie öffnete. "Herr Rosé für sie, Doktor."
Mit einem Lächeln gab sie den Weg frei und liess mich eintreten.
Was für ein kalter, trister Raum. Etwas Farbe würde hier nicht schaden, selbst wenn es schwarz wäre, dachte er als er sich umsah. Ihm gegenüber sass ein Mann an einem Schreibtisch. Muss wohl der Spezialist sein. Die Hände in den Hosentaschen blieb Tristan nah der Tür stehen. "Hi" mehr sagte er nicht zu dem Doktor.

Als die Tür aufging, und die Sprechstundenhilfe ihm diesen jungen Mann in das Zimmer schob, musterte Bela ihn ein wenig verwundert. Er hatte selten junge Patienten, aber noch nie hatte ich hier jemanden im Raum stehen, der so sonderbar aussah. Er musste ein wenig schmunzeln, ließ sich aber ansonsten nicht viel anmerken. Die Sprechstundenhilfe verschwand auch schon und Herr Rosé - welch schöner Nachname - bewegte sich jedoch keinen Zentimeter tiefer in den Raum hinein. Es kam nur eine sehr kurze Begrüßung. Bela nickte mit seinem Kopf zu dem Stuhl vor seinem Schreibtisch. "Wenn Sie wollen, können Sie sich setzen, aber Sie müssen nicht." Es fiel ihm schwer, ihn zu Siezen. Obwohl er seines Alters her einen angemessenen Körper und auch männliche Konturen hatte, wirkte er so jung und frisch, wild und rebellisch, und kotzbrockig wie ein Teenager. "Erzählen Sie doch, warum Sie hier sind. Was haben Sie für Beschwerden?" Er begann so, wie er immer begann. Auch einen Teenager musste man ernst nehmen, zumindest im beruflichen Bereich. Privat war es natürlich etwas ganz anderes, wie er sich da mit Menschen auseinandersetzte. Aber das hatte in diesen Räumen niemanden zu interessieren. Gleich würde er Feierabend haben und er mochte die scharfe Trennung seines Berufs- und Privatlebens. Niemals wollte er das vermischen, auch wenn er manches Mal Überstunden machte, doch außerhalb dieser Räume gab es keine gestörten Köpfe um ihn herum. Alles gebildete, freundliche, gesunde Menschen, die er nicht mochte. Und das sollte sich auch eigentlich nicht ändern.

Setzen wollte Tristan sich nicht, auf keinen Fall und doch brachte die Gleichgültigkeit in der Stimme des Mannes ihn dazu, ein paar Schritte näher an den Schreibtisch heran zu treten. Sein Hausarzt, den er sich nicht selbst ausgesucht hatte, hatte etwas schleichendes, schleimiges in seiner Stimme. Der Experte dagegen sprach mit klare, fast sogar kalter Stimme, was Tristan eindeutig als angenehmer empfand. "Meine Mutter hat mich dazu überredet zu Hausarzt zu gehen und der hat mir hier her geschickt" begann er. "Hab seit etwa einem halben Jahr immer mal wieder Lücken in Gedächtnis, manchmal sind es Minuten, manchmal sind es Stunden die mir fehlen. Ist irgendwie so wie ein Filmriss, nach dem man sich die Kante gegeben hat. Nur eben, dass ich seit 5 Jahren keinen Alkohol mehr angerührt habe."
Unruhig trat Tristan von einem Fuss auf den Anderen und spielte mit den überlangen Ärmeln seines Shirts. Bestimmt würde der Mann ihn gleich irgend ein Rezept ausstellen und ihn nach Hause schicken, redete er sich ein.

"Hmh...", meinte er und hörte ihm nur zu, blickte ihn an, nicht allzu aufdringlich. "Ich werde Ihnen einfach einige Fragen stellen, die Sie beantworten können, damit ich eventuell einer Diagnose näher komme." Es war nicht sein erster Fall dieser Art und würde sicherlich nicht der letzte sein. "Wann treten diese Lücken auf? Hat Ihnen mal jemand erzählt, was während dieser Zeit dann passiert?", wollte er wissen und stellte noch weitere Fragen, nach den Antworten. "Nehmen Sie irgendwelche Medikamente oder Substanzen? Fühlen Sie sich psychisch stabil? Mir ist bewusst, dass das sehr persönliche Fragen sind. Nichts von Ihren Antworten wird diesen Raum je verlassen." Er machte sich keine Notizen, das tat er immer hinterher. Er hörte nur zu und wollte verstehen. Dieser junge Mensch erinnerte ihn an jemanden... sein altes Selbst vor mehr als 10 Jahren. Auch er war einmal jung und anti, gegen alles, Hauptsache dagegen. Aber darauf würde heute niemand mehr kommen.

Tristan kaute auf seiner Unterlippe, streifte seinen rechten Ärmel immer wieder etwas hoch, nur um ihn dann gleich wieder bis über die Fingerspitzen runter zu ziehen. "Kann ich nicht sagen. Ist ganz unterschiedlich. Mal in der Berufsschule, mal bei der Arbeit, mal Zuhause, mal im Einkaufszentrum, mal im Kino" listete er auf und strich sich nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Nicht wirklich. Aber mein Unfallrisiko scheint sich in der Zeit zu erhöhen, an die ich mich nicht erinnern kann. Meine Mutter fand mich einmal bewusstlos am Fuss der Treppe und ein Schulfreund fand mich reglos unter der Dusche in der Umkleide. Medikamente nehme ich keine, ab und zu mal eine Kopfschmerztablette. Krank war ich auch schon lange nicht mehr und sonst. Ich hatte mal was mit Drogen. Ist aber schon eine ganze Weile her." Für Tristan, der nie wirklich sehr gesprächig war, waren das sehr viele Worte und zusammenhängende Sätze. "Psychisch stabil? Ich weiss nicht mal, was das bedeutet:" lachte er ohne es wirklich lustig zu finden.

"Wie oft im Monat oder in der Woche haben Sie diese Aussetzer?", wollte er ermitteln und dachte über mögliche Ursachen nach. Nicht selten war es psychosomatisch bedingt und Bela musste seine Patienten zu Psychologen und Psychiatern verweisen. "Was für Drogen waren das und wie lange haben Sie diese genommen? Hatten Sie mal eine Überdosis?" Diese Information war schon sehr viel interessanter, denn sie könnte eine Ursache darstellen.
Wie Herr Rosé auf die nächste Frage reagierte, war ebenfalls nicht häufig zu sehen. "Welche psychischen Beschwerden haben Sie?" er hasste es, noch immer nach all den Jahren, so intime Fragen im Erstgespräch zu stellen. Aber es war notwendig, um schnell handeln zu können. Wenn er könnte, würde er schon heute verhindern, dass sich der junge Mann gleich bei einem Anfall den Schädel zerbarsten würde. Aber meist dauerte es Wochen oder sogar Monate, neurologische Ursachen zu beseitigen oder Symptome zu lindern. Er hatte sich keinen leichten Beruf ausgesucht.

"Wie oft....? Kein Ahnung. Ich hab das nicht so mit bekommen. Es waren wohl so vier oder fünf mal gewesen in den letzten drei Monaten." Tristan war es sehr unangenehm über seine Sucht zu reden. "Heroin... Sechs Monate, wenn man die Zeit in der Entzugsklinik dazu zählt.... Eine Überdosis...?" Erinnerungen flackerten auf, Bilder erschienen in seine Kopf, Bilder seines toten Freundes, der sich eine Überdosis gesetzt hatte.
Ein flaues Gefühl breitete sich in ihm aus, ausgehend von seinem Magen. Er konnte förmlich spüren, wie die Übelkeit in ihm aufstieg. Er sah, dass der Mund des Arztes sich bewegte, aber er konnte ihn nicht hören, alles schien auf einmal so unendlich weit weg zu sein. Er fühlte wie sein Arm zu kribbeln begann und glaubte eine Nadel in seinem Arm zu sehen.
Ob es Einbildung war oder nicht, Tristan konnte den Anblick von Nadeln und Blut nicht ertragen. Schwindel überkam ihn. Er taumelte.

(Ist dass in deinem Sinne)

(Ja, das ist so in Ordnung).

Er nickte und wollte am liebsten noch mehr Fragen stellen. Es war eine der wichtigsten Methoden, um eine Krankheit zu behandeln... das einfache Gespräch. Die Information über die Droge war überaus wichtig. Und es wunderte ihn, dass es nur ein so kurzer Zeitraum war und dieser junge Mensch bislang keinen Rückfall hatte, wie die meisten. "Drogen können als mögliche Ursachen für deine Symptome in Betracht kommen", sagte er noch, ehe der andere das Wort Überdosis wiederholte. Es wurde still im Raum, für einige Momente. Überlegte Herr Rosé? Bela beobachtete ihn eingehend. "Herr Rosé?", fragte er vorsichtig nach, aber er erhielt keine Antwort. Der Andere blickte auf seinen Arm, begann zu taumeln, wirkte geistesabwesend. Bela stand nun auf und nahm einen Stuhl, den er rüber schob. Mit einem beherzten Blick packte er ihn an den Schultern und drückte ihn auf den Stuhl. "Ganz ruhig, Sie brauchen sich nicht zu fürchten", sagte er und hockte sich vor ihm hin, sah in sein Gesicht und hielt ihn fest, damit er nicht umkippte. Er wartete ab, wie sich sein Zustand entwickeln würde, bot ihm aber Schutz und Halt, aber auch eine gewisse Strenge und Stärke. Bela zeigte keine Angst und Unsicherheit, um dies nicht auf seinen Patinten zu übertragen.

Minutenlang sass Tristan einfach nur da, ohne sich zu regen. Lediglich sein linker Arm, den er noch immer mit dem Rechten fest hielt, zuckte irgendwie. Dann aber liess es nach, hörte ganz auf. Tristan liess ihn los und sagte „Nein, nie.“
Alls wäre nichts gewesen. „Meine Psyche? Ich hab Angst vor Nadel, kann kein Blut sehen und hasste alles war nur im entferntesten mit Krankenhäusern zu tun hat.“
Tristan stockte. Warum sass er denn jetzt, wo er doch unter allen Umständen hatte stehen bleiben und warum sass ihm dieser Arzt gegenüber? Er rückte auf dem Stuhl so weit nach hinten wie er konnte. „Es... ist wieder passier oder?“

Bela legte den Kopf schräg und überlegte eine Weile. Der Andere begann das Gespräch wieder dort, wo es geendet hatte, ehe er dann bemerkte, wo er war. Erschrocken schob er sich zurück. Bela nickte langsam nach seiner letzten Frage. "Sie haben getaumelt und gezuckt, daraufhin habe ich Sie auf den Stuhl gesetzt, damit Sie mir nicht zusammen brechen." Er stand auf und nahm wieder Abstand, ließ ihm seine Distanz. "Es ist gut, dass Sie keine Überdosis hatten. Aber vielleicht ist Stress ein akuter Auslöser. Das ist nicht selten der Fall, dass Stresshormone solche Anfälle auslösen können. Wahrscheinlich haben Sie sich an etwas erinnert." Er setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch und betrachtete ihn. "Ich verstehe Ihre Angst vor Krankenhäusern und ich verstehe auch, dass Sie sich sicherlich auch nicht in meiner Praxis wohl fühlen, da sie in einem Krankenhaus liegt... aber um abzuklären, welche Ursachen die Anfälle haben, möchte ich Sie gerne näher untersuchen. Und dazu müssten Sie nochmal hierher kommen. Es wird ein EEG geben, also wir würden Ihre Gehirnaktivität messen, zusätzlich ein Röntgenbild ihres Körpers und auch leider eine Blutabnahme."

Beendet.