Süßlich stechend?, ging es mir durch den Kopf. Also hatte dieses Wesen Lucian bewusst angelockt und dann zugeschlagen. Doch ich war zu müde, um darüber weiter nachzudenken. Wer weiß, vielleicht war es auch nicht wichtig und diesese Wesen kam nicht in die Stadt. Zunächst schlief ich erstmal eine Runde. Dabei lullte mich Lucians Geruch in einen tiefen, entspannten Schlaf. Doch sein Geruch wurde zum Problem, als ich wieder erwachte. Denn er hatte mich im Schlaf erregt und als ich nun die Augen aufschlug, übermannte mich sexuelles Verlangen mit voller Macht. Ich keuchte und versuchte, von Lucian wegzurutschen. Ich musste irgendwie von ihm wegkommen, sonst würde ich über Lucian wie ein Tier herfallen. Aber wollte ich das überhaupt? Oder wollte Lucian das überhaupt? Wenn er so einen Geruch ausströmte, dann legte er es doch darauf an, genommen zu werden. Mühsam schüttelte ich den Kopf. Was dachte ich denn da? Ich kannte Lucian doch kaum. Ich konnte ihn doch jetzt nicht einfach flachlegen! Ich schnappte nach Luft und versuchte es mit Luft anhalten. Tatsächlich half das, ein wenig klarer im Kopf zu werden. So schaffte ich es aus dem Raum, ehe ich wieder die angehaltene Luft ausstieß und allmählich wieder zu Verstand kam. Ein Problem blieb jedoch: Ich blickte auf meinen Schritt, bei dem sich eine große Beule abzeichnete. Ich seufzte und machte mir unangenehme Gedanken, um gänzlich wieder herunterzukommen.
Verwundert sah ich ihn an. "Hm?" Ich schüttelte den Kopf. "Kein Gedanke. Ich weiß nicht, was ich von deinem Aufpasser halten soll. Das ist alles..." Ich zögerte, dann fuhr ich fort. "Naja, nicht ganz alles. Ich hab mich gefragt, warum du einen Aufpasser hast. Und warum er nicht besser auf dich aufgepasst hat, wo das doch sein Job ist. Aber ich kenn ihn nicht und ich will nicht, dass er hier auftaucht und so Mark vielleicht meine Position verrät." Er seufzte. "Verzeih. Ich bin eben ziemlich vorsichtig geworden." Ich rollte mich in meine Ecke zusammen wie ein Hund und blickte dann wieder zu Lucian auf. "Weißt du noch, wie dieses Wesen ausgesehen hat? Oder wie es roch?" Für den Fall der Fälle wollte ich es wissen und auf einen eventuellen Angriff vorbereitet sein. Vielleicht war das Wesen ja auch gar kein Feind der Naturwesen, sondern ein Feind der Werwölfe. "Nur Wasser? Das ist aber sehr praktisch." Ich lächelte. Dann wäre zur Not Lucians Versorgung ja geklärt. Ich gähnte und schloss dann die Augen. "Hm... es wird langsam wieder stärker...", murmelte ich. Allerdings war ich viel zu müde, um jetzt wieder rausgehen zu wollen. Ich brauchte ein wenig Erholung. Hoffentlich wurde ich später nicht von seinem Geruch übermannt. Langsam wurde mein Atem ruhiger und meine Lider immer schwerer. Ich konnte kaum noch Lucians Worten folgen. "Ein Rudel... nun, der Anführer eines Rudels bestimmt, was für ein Rudel es wird. Für mich war es... meine Familie... Für Mark ist es... eine Armee... Und... ja... diese Stadt ist meine Heimat. Hier bin ich geboren und gebissen worden. Ich glaube, woanders würde ich mich nicht zurechtfinden." Ich schlug noch einmal die Augen auf. Lucians Geruch drang stark in meine Nase. Und ehe ich es mich versah, stand ich auf und legte mich neben ihn. Ich kuschelte mich unter die Decken, schmiegte mich an ihn und schlief dann ein.
"Hm...", machte ich nur. Ich wusste nicht so recht, was ich von diesem Aufpasser halten sollte, da ich ihn ja nicht persönlich kannte. Ich fand es merkwürdig, dass Lucian überhaupt einen Aufpasser hatte. Er war schließlich kein kleines Kind mehr. Vielleicht war er ja irgendwie adlig? Nun, solange er mir nicht für Ärger sorgte, war es mir eigentlich ziemlich egal. Ich lernte von Lucian, dass es zwar seine Vorteile hatte, ein Mischling zu sein, aber wohl auch so seine Nachteile. Zumindest was die Zeit für die Heilung betraf. "Der natürliche Feind der Naturwesen? Ich dachte, du wüsstest nicht, was das für ein Wesen sei", hakte ich verwirrt nach. Verschwieg mir Lucian irgendetwas? "Du kannst gerne bis Neumond bleiben. Wenn du willst, auch noch länger. Du musst nur verstehen, dass es schwierig für mich ist, zusätzlich für jemanden zu sorgen. Versteh das bitte nicht falsch, ja? Es ist nur... nicht immer ganz einfach auf der Straße genügend Nahrung zu finden. Isst du außer Fleisch eigentlich noch andere Dinge, die dir viel Energie bringen?" Lucian sprach davon, hier etwas bestimmtes ausfindig machen zu wollen. Was das wohl war? Ich lebte schon so lange hier und wüsste nicht, dass es hier irgendetwas Interessantes gäbe. Außer jeder Menge Werwölfe. "Wenn dir dein Leben lieb ist, solltest du besser kündigen, Lucian. Mark wird nicht ruhen, bis er dich bekommen hat. Sobald er dich wieder riecht, wird er Jagd auf dich machen", warnte ich ihn. Ich schüttelte leicht den Kopf. "Warum sollten alte Rudelmitglieder nach mir suchen? Ich habe im Kampf gegen Mark verloren. Er ist rechtmäßiger Anführer des Rudels und er hat mich verbannt. Wenn man in einem Rudel lebt, hält man sich an die Gesetze seines Anführers. Sonst funktioniert das nicht. Das hat mit im Stich lassen nichts zu tun." Ein wenig missmutig runzelte ich die Stirn. Lucian war noch so jung, er verstand solche Dinge vielleicht noch nicht so ganz. "Und ich bin Mark nicht ebenbürtig. Vorhin habe ich ihn lediglich ausgetrickst. Aber im Kampf hab ich keine Chance."
"Du hast einen Aufpasser bei dir?", hakte ich nach. So wirklich gut aufgepasst hatte der aber nicht. "Der kommt doch aber hoffentlich nicht hierher, oder?" Bei dem Gedanken war mir ein wenig unwohl zumute. Ich wollte nicht, dass hier jemand ein und aus ging und Mark somit vielleicht meine Position verriet. Und diese Beinverletzung würde noch mehrere Monate dauern? Oh je. Solange jemanden zu versorgen hatte ich eigentlich nicht vorgehabt. "Dieses Naturwesen in dir... verlangsamt das irgendwie deine Heilung?" Und offenbar hatte Lucian auch noch andere Schwierigkeiten, aus seiner alten Heimat. Was das wohl für Probleme waren? "Dein Ding? Was hattest du denn hier vorgehabt?" Ich legte den Kopf schief. "Sorry, dass ich dich so verhöre. Aber wenn wir unentdeckt bleiben wollen, muss ich solche Dinge einfach wissen. Ich mag es nicht, etwas zu planen und wegen nicht gewusster Informationen dann einen Fehler zu begehen." Ich stutzte bei Lucians Frage. "Mein Rudel? Ich... nein, ich denke nicht. Also... es ist schon lange her. Viele aus dem Rudel sind weg und es sind so viele neue Wölfe dort. Die wollen mich bestimmt nicht. Sonst würden sie Mark ja nicht folgen..."
Lucian hatte eine ganz schön verworrene Familiengeschichte hinter sich. "Hast du denn mit diesen Vampiren noch etwas zu tun oder bist du jetzt dein eigener Herr? Wobei du eigentlich noch ein Jungwolf, soweit ich das riechen kann. Ungewöhnlich, dass du da schon allein unterwegs bist", fand ich. "Wird dein Bein denn heilen?", fragte ich Lucian dann besorgt. Er sollte lieber bald auf den Beinen sein, im wahrsten Sinne des Wortes, wenn es erneut zu einem Kampf mit Mark kommen sollte. "Ich habe schon mein ganzes Leben lang hier in dieser Stadt gelebt. Erst als Mensch, dann als Werwolf... Irgendwann war ich auch Anführer des Rudels... bis Mark kam... Ich bin jetzt 350 Jahre alt. Eigentlich könnte ich dieser Stadt auch einfach den Rücken kehren und irgendwo anders ein normales Leben aufbauen. Aber... das ist meine Heimat. Und ich sehe es nicht ein, sie wegen Mark zu verlassen." Ich legte den Kopf schief. "Und was hat dich hierher verschlagen?"
"Schon, aber Mark will dich wegen deiner Andersartigkeit bestimmt noch viel mehr in seine Pfoten kriegen", befürchtete ich. So etwas Seltenes wollte er sich bestimmt nicht entgehen lassen. Erstaunt hob ich eine Augenbraue. "Du bist von Vampiren großgezogen worden? Wie ungewöhnlich. Stimmt es eigentlich, dass Vampire und Werwölfe sich eigentlich nicht ausstehen können? Ich bin noch nie einem Vampir begegnet, von daher..." Aber wenn Lucian sagte, Vampire hätten ihn großgezogen. Was für ein seltsamer junger Mann. "Wie kam es dazu? Was ist mit deinen Eltern?" Ich blickte auf sein Bein. Es war schon mal gut zu wissen, dass sich Lucian zur Not mit Wasser und Schatten verteidigen konnte. Ich würde dafür sorgen, dass hier immer genügend Wasser herumstand, welches Lucian als "Waffe" benutzen konnte. "Wie ist das mit deinem Bein passiert? Das war nicht Mark, oder?" Ich horchte auf. "Du kannst dreckiges Wasser reinigen? Das wäre hier eine wirklich nützliche Fähigkeit." Ich lächelte. "Aber überanstrenge dich nicht. Komm erstmal zu Kräften." Bei Lucians Frage seufzte ich. "Schon seit über hundert Jahren. Er ist vielleicht nicht der Klügste, aber er ist verdammt stark. Und er hat ein riesiges Rudel hinter sich."
Ich nickte sacht. "Gehört ja, aber noch nie einen gesehen. Und in all der Zeit, die ich hier in dieser Stadt schon lebe, habe ich auch noch nie ein anderes Wesen gesehen oder gerochen. Du bist wirklich sozusagen eine Situation hier. Kein Wunder, dass Mark so scharf auf dich ist." Und Lucians Geruch machte es auch nicht besser. Lucians Erklärung war ein wenig verwirrend. Menschen bezeichneten weibliche Naturgeister auch als Naturwesen. Aber es waren eigentlich Männer, die sich ein weibliches Erscheinungsbild gegeben hatten? Ich runzelte die Stirn. "Aha... verstehe..." Ich verstand es nicht wirklich. Ich verstand nur, dass Lucian zur Hälfte auch so ein Naturwesen war. Eine Nymphe. "Kannst du als Wasser...Naturgeist da auch irgendwie Wasser beeinflussen?", fragte ich ihn gebannt. Dann schüttelte ich den Kopf. "Du brauchst mir meine Hilfe nicht zurückzuzahlen. Für mich war es schon immer selbstverständlich, jemanden in Not zu helfen..." Auch wenn es in meiner jetzigen Situation nicht leicht war. Missmutig sah ich drein. "Leider hat sich mit Mark vieles in dieser Stadt geändert. Vor allem, was Hilfsbereitschaft anbelangt."
Ich grinste Lucian schief an. "Diese Frage einem Obdachlosen zu stellen ist irgendwie amüsant. Ich habe immer Hunger..." Als Werwolf auf der Straße zu leben war nicht gerade leicht. Der Nahrungsbedarf war viel größer als bei einem Mensch und es musste vor allem viel Fleisch sein. Mit Gemüse und anderen Lebensmitteln konnte ich nicht so viel anfangen, auch wenn ich sie vertrug. Aber sie schenkten mir einfach nicht die nötige Energie. "... aber ich finde zumindest genug in den Mülltonnen, um über die Runden zu kommen", schloss ich meinen Satz. Allerdings war mir schon anzusehen, dass ich ziemlich dünn war. Mein Körper bestand eigentlich nur aus Sehnen, Haut, Knochen und Muskeln. Ich hatte kein Gramm Fett zu viel auf den Rippen. Dennoch hatte ich keine Sekunde damit gezögert, Lucian die Hälfte von diesem Hühnchen abzugeben. Ich war schon immer hilfsbereit gewesen und hatte ein gutes Herz. Das hatte mich zwar erst in meine jetzige Lebenssituation gebracht, aber nichtsdestotrotz hielt ich weiter an meinem Glauben fest, anderen in Not helfen zu müssen. "Deine andere Seite... Was für eine Seite ist das genau?", fragte ich ihn neugierig. Ich rieche, dass du noch ein recht junger Werwolf bist, aber was steckt noch in dir? Du hast vorhin silbern geblutet. So etwas habe ich noch nie gesehen.
Ich merkte Lucian an, dass er noch Schmerzen hatte. Was war das eigentlich mit seinem Bein? Hatte Mark ihn dort verletzt? Wenigstens ging es Lucian etwas besser. Ich lächelte ihn an. "Freut mich, zu hören", sagte ich und beobachtete Lucian dabei, wie er innerhalb kürzester Zeit eine ganze Flasche leer trank. "Trink ruhig so viel wie du willst", bot ich ihm großzügig an. Auch wenn es wirklich nicht immer einfach war, ausreichend zu trinken zu organisieren. Aber ich würde Lucian in seiner Notlage keine Auflagen machen. Es war wichtig, dass er rasch wieder zu Kräften kam. Ich nahm das Hühnchen von meinem provisorischen Grill und zerteilte es mühelos mit meinen bloßen Händen in zwei Hälften. Ich reichte Lucian seine Hälfte und machte mich dann hungrig über meine Hälfte her. Lucian erkundigte sich, ob ich seinen Geruch aushielt. "Mach dir darüber keine Sorgen. Ich hab dir einige Decken drübergelegt, um den Geruch zu dämpfen. Der Geruch vom Hühnchen hat jetzt auch alles andere überlagert und zur Not geh ich halt raus. erzählte ich ihm, während ich genüsslich meine Hühnchenhälfte verspeiste. "Hm, bis zum Neumond... Ich weiß gar nicht genau..." Als Werwolf spielte der Neumond eigentlich keine Rolle. Daher achtete ich nicht darauf. Für Lucian schien er von viel größerer Bedeutung zu sein. "In ein paar Tagen vielleicht? Du warst auf jeden Fall nicht allzu lange bewusstlos. Nur ein paar Stunden."
Um bei klarem Verstand zu bleiben, blieb ich nicht allzu lange in Lucians Nähe. Die meiste Zeit hielt ich mich entweder auf dem Dach oder auf dem Hof auf. Einmal pro Stunde schaute ich aber nach ihm, um sicherzugehen, dass sich sein Zustand nicht weiter verschlechterte. Dabei nahm ich mir immer vor, nur kurz nachzusehen. Doch durch den Geruch, der von Lucian ausging, blieb ich dann doch immer mehrere Minuten lang bei ihm. So etwas hatte ich noch nie erlebt und so fragte ich mich, was für ein Wesen Lucian eigentlich war. Bisher hatte ich in meinem Leben immer nur Werwölfe kennengelernt. Das hing damit zusammen, dass ich schon immer hier in dieser Stadt gelebt hatte. Und diese Stadt war schon immer in fester Hand von Werwölfen gewesen, sodass sie für andere Wesen wohl uninteressant war. Die Nacht brach schließlich herein und ich schaute gerade wieder nach Lucian, als dieser sich unter den Decken zu regen begann. Er wurde wach. Ich hatte derweil begonnen, das gefundene Hühnchen über einer Feuerstelle zu braten. Der Geruch des Rauchs und des Fleischs mit seinem saftigen Bratenfett übertünchte zum Glück genug Lucians süßlichen Geruch, um bei klarem Verstand zu bleiben. Lucian richtete sich auf. Er wirkte noch immer mitgenommen. Suchend sah er sich um und fand schließlich meinen Blick. "Hey...", sagte ich leise. "Wie geht es dir? Möchtest du etwas essen? Ich hab ein Hühnchen für uns gefunden."
Plötzlich wurde er von jemandem angesprochen. In seinem Zustand erkannte Elias zunächst nicht, wer ihn da ansprach. Nur, dass sich dieser Jemand Sorgen um ihn machte. "Mir geht's... gut...", murmelte Elias abwesend. Da zuckte ein erneuter heftiger Kopfschmerz durch seinen Kopf. Und auf einmal verschwand das Bild der Bücherregale um ihn herum und er sah etwas völlig anderes. Er war sich nicht ganz sicher. Irgendwie war alles verschwommen und verzerrt. Aber er meinte zwei Schmen in all diesem Nebel ausmachen zu können. Und er bekam ein ungutes Gefühl, welches er sich nicht recht erklären konnte. Ächzend brach Elias zusammen. Er wimmerte vor Schmerz aber auch vor Angst, weil er nicht recht wusste, was mit ihm los war. "Ni...Nicolay... Holt meinen Diener... bitte...", brachte er keuchend hervor und hoffte, dass er laut genug gesprochen hatte, um gehört zu werden.