RE: Eine Medaille hat immer zwei Seiten - 2

*Mensch, so eine derartig positive Grundeinstellung zum isländischen Wetter muss man auch erst einmal haben! Dem Wetter vertraue ich wohl am allerwenigstens auf der Welt.*, dachte ich etwas belustigt, als ich während des Laufen mir nochmal seinen Abgang durch die Tür durch den Kopf gehen ließ. Das Ding mit der Sonnenbrille fand ich nämlich doch schon etwas ulkig. Es war ja jetzt nun nicht gerade so, dass die nordischen Ländern für ihre vielen Sonnenstunden bekannt waren. Schnee, ja, durchaus. Aber Sonne? Gegen die Schneeblindheit würde er wohl auch anders ankämpfen müssen. Was mir noch einfiel war, dass er sie vielleicht trug, um nicht von irgendwelchen fanatischen Fans - noch um einiges schlimmer als ich - so schnell oder bestenfalls gar nicht erkannt zu werden. Doch ob so etwas wirklich funktionierte? Zwar war er nur 10 Zentimeter größer als der durchschnitte Isländer, aber doch trotzdem schon irgendwie auffällig oder? besonders für "Stalker" und Groupies. Da halfen weder vertuschende Krücken noch Brillen oder andere Akzente die ihn unkenntlichen machen sollten. Zumal doch überall, besonders hierzulande, bekannt war, dass der Starstürmer der ehemaligen Schweden und jetzt Heimat-Isländer, verletzt war. Dafür musste er sich ja auch nicht schämen, das passierte schließlich in vielen Profisportarten. Und Eishockey war im Aggressionslevel zudem auch noch ziemlich weit oben, wenn man beachte mit was für Gerätschaften die muskelbepackten Männer dort mit enormen Geschwindigkeiten auf glatter Eisfläche spielten. Kein Grund also sich zu verstecken. Doch wer konnte schon in das Innere eines wahrscheinlich angehenden Olympiaspielers sehen?!
Und genau betrachtet war es auch nicht meine Aufgabe, darüber etwaig zu urteilen und somit beließ ich es dabei und lief einfach nur stumm weiter. "Sie kennen ja alles, Herr Emilson. Ich gebe ich zwei Minuten, ich muss ganz kurz, versprochen, noch etwas mit der Chefin klären. Bin gleich wieder da!" Rasch huschte ich noch einmal zurück in den Eingangsbereich. Ich hatte vergessen eine Priorität einzutragen und den festen Therapeuten. Auf Wunsch konnten die Patienten dies nämlich äußern. Gut, zugegeben, offiziell kam dieser Wunsch nicht aus Herrn Plachtas Mund...aber er hatte mich ausgiebig gelobt und so entschied ich jetzt einfach mal über seinen Kopf hinweg, dass er das genauso wollte wie ich auch. Ohne natürlich auf mein Wohl einzugehen, verstand sich. Natürlich. Und bevor sie seinen Termin für einen "wichtigeren" Patienten verschoben und es nachher noch außerhalb meiner Arbeitszeiten war, setzte ich noch eine hohe Priorität auf seine Termine. "So, fertig.", flüsterte ich selbstzufrieden mit mir, ehe ich flinke Hufe machte. Dem Herr stand immerhin seine volle Stunde zu und nach hinten verschieben der Zeit wäre blöd, da ja nach ihm noch jemand an der Reihe war. "Ich komme schon!"

Nach dem leckeren Mittagessen, verzog ich mich in den Garten, setzte mich in die Holliwoodschaukel und ließ die Seele baumeln und ein bisschen den Tag Review passieren. Ich vergaß total die Zeit, was ich gar nicht so schlecht fand. Doch irgendwann holte mich die Realität wieder ein. Mein Handy, in der Hosentasche, fing an zu vibrieren und zu klingeln. Es konnte nur eine Person sein und ich behielt recht. Shia, meine Fake Freundin.
Ich kramte mein Handy hervor und nahm den Anruf entgegen.
"Was gibs?" fragte ich sofort nach.
"Wo bist du denn, Darling? Ist dein Termin noch nicht vorbei?" fragte sie.
"Ich bin bei meinen Eltern." sagte ich dazu nur.
"So? Aber heute ist doch gar nicht Sonntag. Wie auch immer. Ich bin mit meiner Freundin noch ein bisschen Shoppen. Kann spät werden. Wollte nur hören, was du so machst." erklärte Shia mit ihrer hohen nervigen Stimme.
"Aha..." sagte ich desinteressiert.
"Wahrscheinlich plünderst du wieder mein Konto. Hoffentlich hast du dein Kartenlimit noch nicht überschritten."
"Ach was! Nur ein bisschen Gesicht- und Fußpflege. Noch nicht mal Schuhe kaufen waren wir." jammerte sie theatralisch. Mein Mitleid hielt sich in grenzen.
"Also dann, bis Später. Bussi!" trällerte sie und legte auf.
"Wie unnötig." kotze ich und hatte gerade große Lust mich zu bewegen.
Ich erhob mich von der Schaukel und ging zurück ins Haus. Dort sah mich mein Vater neugierig an.
"Dad... kannst du mich zum Training fahren?" fragte ich und begegnete den besorgten Blick meiner Mutter.
"Nein... ich geh nicht aufs Eis. Ich will nur zuschauen." erklärte ich.
Mein Vater nickte und erhob sich aus seinem Sessel und holte seine Jacke und Schlüssel. Ich folgte ihm und verabschiedete mich an der Tür von meiner Mam.
Wenige Minuten später stand ich in der großen Halle und sah meine Jungs von oben zu. Sie trainierten hart und hatten viel Spaß. In meinen Fingern juckte es. Ich wollte einen Schläger in den Händen halten, den Puck übers Eis tragen und mit meinem Speed kraft verleihen, bevor die Sierene für das Tor ertönte.
"Hej! Da ist Javik!!" rief Oskar und alle richteten ihre Aufmerksamkeit auf mich.

Der Rest des Tages lief wie erwartet völlig unspektakulär ohne nennenswerte Highlights. Aber was sollte hier in Island denn auch schon groß passieren? Hier war die Welt noch oder wieder in Ordnung, es gab mehr Natur als alles andere und die Kriminalitätsrate war fast schon langweilig gering. Alles was sich außerhalb der Hauptstadt Reykjavik abspielte war ja nun wirklich tote Hose und manchmal hatte ich das Gefühl wie waren die unbedeutende Miniatur Version von Australien. Nur eben mit dem komplett gegenteiligen Klima. In der Mitte war einfach nichts los. Und ich meine so wirklich gar nichts. Unbewohnbar und so. Aber irgendwo hatte es auch wieder etwas, in so einer unwirklichen Gegend leben zu dürfen und sogar gebürtiger Isländer zu sein. Es erfüllte mich wirklich irgendwie tief im Herzen mit einem gewissen Stolz. Nicht umsonst stieg die Zahl der Touristen und Zuwanderer stetig an. Die zweitgrößte Insel Europas und weltweit größte Vulkaninsel war eben einfach unglaublich attraktiv für naturliebhabende Skandinavienfans. So wie ich es einer war. Doch es zählte wohl nicht, war ich doch hier mein ganzes Leben lang gewesen. Und was man mit der Kindheit verband empfanden die meisten ja als etwas ganz besonderes. Herzlich, vertraut, schön und auf ewig begehrenswert.
So sehr ich es auch verabscheute zu frieren, konnte ich mir nie vorstellen dem Frost und Schnee Lebewohl zu sagen. Die Polarlichter und unsere süßen Islandponys, die Gletscher und Geysire, die Abgeschiedenheit - das alles war einfach nur viel zu wundervoll um ihn den Rücken zu kehren. Ich könnte es mir allerhöchstens vorstellen, so wie Javik einst, in ein anderes nordisches Land zu ziehen. Dort wäre ja das Klima, die Mentalität, Natur und auch die Kultur unserer sehr ehrlich. Aber ob ich je den Mut dazu hätte...wohl eher nicht. Zumindest nicht alleine. Und obwohl ich doch zig Leute um mich scherte, viele Freunde hatte, überall gerne gesehen und völlig umgänglich mit jedem...so war der Richtige einfach noch nicht dabei gewesen. Der Seelenpartner, der etwas ganz besonderes war. Doch wohl oder übel musste ich wahrscheinlich auch meine Erwartungen einfach etwas herunterschrauben. Nicht jeder konnte groß, kräftig, gutaussehend, sportlich, erfolgreich, selbstbewusst, selbstständig, mutig und mit genug Geld in der Tasche sein UND auch noch berühmt - so wie es bei dem Stürmer der Fall war. Der mindestens 3 Ligen über mir spielte. Und es gab nur 4....
Entspannt hatte ich alle Patienten fertig behandelt und das Zeug zusammengeräumt. Gleich würde die Putzkraft kommen und ich konnte jetzt schon einmal in meinen meiner Meinung nach wohlverdienten Feierabend gehen. Seufzend aber leicht lächelnd nickte ich der Uhr zu. *Pünktlich Schluss gemacht, wunderbar!* Ich löschte die Lichter und schloss hinter mir ab, ehe ich mir die Kapuze meiner Übergangs-Windjacke über das Haupt zog. Es war ein windiger Abend, doch mein Bus zum Bahnhof müsste zum Glück gleich kommen.

"Was sagst du denn zu meiner Idee`" fragte mich Oskar nun schon das 5. Mal, als er zur Bande geschlittert kam. Ich hatte mich erweichen lassen und anstatt oben in den Zuschauerreihen zu sitzen, auf die Trainer Bank gesetzte und so dem Training noch mehr Beachtung geschenkt. Doch meine Teamkollegen ließen sich von mir regelrecht ablenken. Mein Bein schien sehr spektakulär zu sein, mit der Schiene und den Krücken daneben. Aber Oskar hatte anderes im Sinn. Der wollte mal wieder eine Party starten und jeden einladen, die sich in seiner Kontaktliste befanden.
"Wirklich? Sollten wir uns nicht lieber auf die nächste Saison konzentrieren, anstatt zu feiern?" blieb ich skeptisch und hatte auch nicht wirklich große Lust zu feiern. Alkohol wurde mir auch abgeraten, wegen den Medikamenten und meinem Ernährungsplan, den ich wirklich einhalten wollte.
"Überleg doch mal! Alkohol, deine Freunde und Teammitglieder, einen Abend ohne Shia... lass dir das doch nicht ergehen. Und wenn dein Bein weh tut, dann kann das Rúna bestimmt richten." zählte Oskar mir alle Vorzüge auf. Natürlich hörte es sich nun etwas besser an. Auf Shia hatte ich sowieso selten Lust und mit meinen Freunden hatte ich auch schon lange nichts mehr gemacht. Und er wollte sogar Rúna einladen. Den kleinen, außerhalb der Praxis, erneut zu sehen, war sehr verlockend.
"Okay~ überredet. Wann soll sie denn stattfinden?" fragte ich nach.
"Hm~ nächsten Donnerstag? Freitag haben wir ja Trainings frei und die anderen können dann ja einfach früher gehen, oder so." schlug er vor und war dabei so von sich überzeugt und leider kamen sie doch alle zu seinen Partys, in seinem riesigen Haus, dass so schön aussah und wahrscheinlich einiges gekostet hatte.
"Okay." stimmte ich zu und zuckte mit den Schultern. Ich hatte ja sowieso keine Verpflichtungen.
Super!! Gibst du mir mal mein Handy." bat er und zog sich die Handschuhe aus und lehnte den Schläger an die Bande. Ich überreichte ihm sein Smartphone und sah zu, wie er eine Nachricht verfasste und diese in eine WhatsApp Gruppe schickte. Auch mein Handy vibrierte in meiner Hose, doch nachsehen musste ich nicht. Natürlich war es Oskar, der eifrig weiter Tippte und wahrscheinlich halb Island einlud.
"Fährst du mich gleich nach Hause? Hab meinen Vater weggeschickt. Ist ja schon ein wenig spät." bat ich meinen engsten Freund.
"Klar, bin zum Glück mit dem Jeep da. Da hat dein kaputtes Bein genug Platz. Wie läuft denn die Reha?" wollte er wissen, doch die anderen nörgelten schon und auch der Trainier holte ihn zurück aufs Eis.
Ich sah den Jungs noch ein bisschen zu, bis sie entlassen wurden und in die Umkleidekabine schlurften. In der Zeit, wartete ich in der Vorhalle auf Oskar und humpelte ein bisschen vor den Vitrinen herum. Ich sah mir die Errungenschaften Islands an, wie man vielleicht an 2 Händen abzählen konnten. Dies stärkte meinen Ehrgeiz nur umso mehr. Ich wollte die Meisterschaft, Euro- sowie die Weltmeisterschaft und vielleicht schaffte ich es sogar nach Olympia, um meine Medaille hier aufhängen zu lassen.

“Guten Abend!“, begrüßte ich den jungen  Busfahrer höflich und scannte meine Karte durch den Schlitz, woraufhin die kleine integrierte Lampe grün aufleuchtete als Freigabezeichen. Unterstützt von einem hohen Piepton, der ähnlich des Scanners an einer Supermarktkasse klang und einem bei wiederholten male sicherlich irgendwo ein bisschen in den Wahnsinn treiben konnte, da es doch ein ziemlich schnell nervendes Geräusch. Doch wahrscheinlich lernte man in Öffentlichen Nahverkehr arbeitetend wohl rasch sich an diese Nebensächlichkeit zu gewöhnen und das ganze wohl einfach zu überhören. Immerhin entlastete die Fahrer insofern, dass sie nicht immer jede Karte und Ausweis manuell kontrollieren mussten. Wobei jeder genau wusste, dass dreiviertel, wahrscheinlich sogar unweit mehr, sich darum nicht scherten und ab einer gewissen Arbeitserfahrung nur noch stichprobenartig und die quasi nach Schwarzfahrer aussehenden Menschen wirklich zu kontrollieren, ob und wie weit die Busfahrkarte hier in diesem Bereich gültig war.
Leicht erschöpft vom heutigen Arbeitstag setzte ich mich in die “Goldene Mitte“ des nahezu leeren Busses und stützte meinen linken Ellenbogen auf dem schmalen, etwas verdreckten Fenstersims ab. Die stets verknoteten In-ear-Kopfhörer in den dafür vorgesehenen Slot stöpselnd gähnte ich einmal kurz mit davorgehaltener Hand und schloss die Augen ruhend, nachdem den Musikmodus einfach auf simples Shuffle jeglicher vorhandener Lieder gestellt hatte. Über nichts so wirklich groß nachdenkend unterbrach ein Trommelschlag die aktuell gehörte Ballade eines dänischen Sängern in seinen bestebr Jahren und etwas erschrocken öffnete ich blinzelnd die großen Augen, erhob meinen Kopf von der stützenden, zur leichten Faust geballten Hand. “Hm? Was soll das für eine neue Gruppe sein?“, redete ich mit mit selbst in gedämpfter Stimme und entsperrte via Fingersensor meiner linken Hand den Bildschirmen. 'PARTYPEOPLE DONNERSTAG', inklusive eines lachenden, Sektglas, Konfetti und Tanzemoticon, stand dort in weißen Buchstaben auf dunkelgrünem Grund. Ein erneuerter Seufzer entfuhr mir und das Handy nun in beide Hände nehmend überflog ich erst einmal den einzuleitenden Text. In der Gruppe hatten sich bereits einige Leute getummelt, über 100 Stück und dementsprechend sah der Chatverlauf auch schon auf, was mich ein drittes mal laut seufzen ließ. *Nicht mit mir...* Etwas genervt die Gruppe erst einmal stumm schaltend, konnte ich mir so kurz nach Arbeitsschluss noch keinen Schreibkrieg leisten. Geschweige denn Lesekrieg, wo wohl 90 Prozent der eingegangenen Nachrichten aus Smileys bestanden und simplen Bullshit. So wie bei den meisten WhatsAppgruppen eben. Das gehörte bei dem Messenger doch einfach irgendwie schon regelrecht dazu. Damit musste man lernen zu leben oder man ging wie die meisten alten Menschen es heute noch vermehrt taten, zur guten alten SMS und MMS über. Doch zugegeben: wer wollte das schon?
Und eigentlich mochte ich im Großen und Ganzen das ganze Konzept des Chattens. Ich liebte es mich zu unterhalten und war sowieso ein kleiner Faulenzer. Sich abends auf die Couch zu flezen, Serien anzumachen, telefonieren, chatten, ein Vollbad nehmen und Essen bestellen. Abends musste es bei mir in der Wohnung einfach entspannt zu gehen, damit ich mich wirklich wohlfühlte. Und ich war der Herr im Haus! Wem hatte ich Rechenschaft zu schulden, wem Sollte ich mich beugen, mit wem musste ich Kompromisse eingehen? So lange ich leise war und die Nachtruhe einhielt, durfte ich in meiner Wohnung quasi machen was ich wollte.

Nach dem Training hatte mich Oskar direkt nach Hause gefahren. Vor dem Apartmenthaus, unterhielten wir uns noch ein bisschen im Auto, bevor ich mich aus dem schönen aber viel zu kleinen Auto raushievte. Natürlich konnte sich Oskar einen blöden Spruch nicht unterlassen. Er musste mir diesen Spruch einfach reindrücken. Doch ich nahm es einfach locker auf, da ich mich wirklich umständlich, mit meinem kaputten Bein bewegte. Ich verabschiedete mich von Oskar, winkte ihm nach, als er einfach davon brauste und ich zur Tür humpelte. Dort schloss ich die Tür auf und benutzte den Aufzug, um in mein Apartment zu kommen. Hoffentlich war Shia noch nicht da, denn ich brauchte einfach noch etwas Zeit für mich.
Ich hatte Glück, als ich das Licht anmachte und mich niemand aus dem Wohnzimmer Empfang. Ich zog meine Schuhe aus, humpelte weiter ins Wohnzimmer, wo ich die Krücken zur Seite legte und den Fernseher anschaltete. Was sollte ich auch sonst noch groß unternehmen? Ich entledigte dennoch meine Jacke und das Shirt, da mir einfach viel zu warm war. Wahrscheinlich hatte Shia wieder vergessen die Heizung runterzudrehen, bevor sie gegangen war.
Ich nahm mein Handy hervor und rief einen Lieferservice an. Jetzt konnte ich einfach eine fettige Pizza gebrauchen. Zum Glück hatte sich diese Italienische Spezialität bis in alle Länder durchgesetzt. Doch die Heimische Küche war mir immer noch lieber, doch Kochen konnte ich nicht und sonst war ja niemand für mich da. Zumindest nicht um 22 Uhr abends.
Ich bestellte mir eine große Pizza und einen Salat und hoffte, dass der Lieferservice schnell war, da ich wirklich Hunger hatte. Auch wenn meine Muskeln abbauten, so nahm ich einiges an Kilo zu, da ich mich einfach kaum bewegen durfte oder konnte. Heimlich trainierte ich mit den Hanteln, doch viel brachte es mir nicht. Doch diese Kraft in den Oberarmen brauchte ich, um mich auf den Krücken zu halten. Es war einfach immer noch total ungewohnt damit rumzulaufen.
Gegen kurz vor 23 Uhr, kam die Pizza und kurz darauf Shia, nach Hause. Ich hatte gerade das zweite Stück in mich hinein gestopft, als ich ihren mahnenden Blick sah.
"Du solltest nicht so ein fettiges Zeug essen. Du wirst noch Fett!" sagte sie und trug dabei ihre 10 Einkaufstüten.
"Ist doch egal." sagte ich nur dazu und stopfte provokativ das dritte Stück in meinen Rachen. Ich wusste was ich tat! Ich ernährte mich und konnte es mir jetzt einfach leisten!
"Aber wie willst du gut aussehen, wenn du Fett bist? Wir gehen doch Donnerstag auf diesen Empfang." sagte sie und stellte ihre Tüten ab und wühlte in diesen herum.
"Ich habe dir gesagt, dass mich dieser Empfang nicht interessiert! Außerdem hat mich Oskar zu sich eingeladen. Männerabend mit der Mannschaft. Geh doch alleine! Als Spielerfrau steht dir doch sowieso jede Tür auf." sagte ich und aß meine Pizza auf, legte den leeren Karton auf den Tisch und nippte an meiner Coke, die ich aus dem Kühlschrank geholt hatte.
"Was?! Aber das war doch abgesprochen!" sagte sie und blickte mich enttäuscht und wütend an.
"Nein! Ich hab dir die ganze Zeit gesagt, dass ich darauf keine Lust habe." verteidigte ich mich.
"Javik! Das ist so ... argh!!" rief sie und stampfte davon. Ich hörte nur, dass sie irgendwo eine Tür heftig zuschlug, doch es war mir egal. Ich sah weiter diese Serie und versuchte mich wieder zu entspannen.

Nicht ahnend, was bei meinem Lieblingssportler abging, stapfte ich schnell durch den Regen die fünf Minuten zu meiner Wohnung hinüber, nachdem ich den Bus nach circa einer halben Stunde verlassen hatte. Freudig schloss ich meine Wohnungstür auf, wo mich der vertraute Geruch meiner Sachen empfing, sowie die Fische in meinem kleinen Zimmeraquarium im Wohnzimmer. Gut, "empfangen" war bei diesen bunten Wassertierchen wohl ziemlich positiv bezeichnet. Ob ich nun da war oder nicht, das juckte sie ja relativ wenig, Hauptsache ich machte den Glaskasten ab und zu mal sauber, füllte frisches Wasser nach und fütterte stinkende, trockne rote Kügelchen. Dennoch mochte ich meine rund dutzend Fischlies sehr gerne und sah ihnen gerne zu, wie sie mal wild, mal ruhig hin und her schwammen im Wasser. Sie sahen außerdem in erster Linie sehr hübsch auch und waren pflegeleicht - also ideal für eine faule Haut wie ich es manchmal war. Leider. Gerne wäre ich so produktiv wie der Rest meiner Familie es immer pflegte gewesen zu sein.
Während ich mir inklusive Kokos-Mandel Badeschaum, ein heißes, dampfendes Bad einließ um den Tag ausklingen zu lassen, lud ich erst einmal mein Handy auf. Ich hatte noch Essen vom Wochenende, welche ich nun in einen kleinen Silbertopf schmiss und auf der Herdplatte auf kleiner Stufe erwärmte. Mich schon einmal ausziehend ließ ich Handy Handy sein, Wanne Wanne und Essen Essen. Hach, immer das was man nicht hatte wollte man unbedingt haben. Während der Eishockeyspieler mich wohl insgeheim für die Ruhe und Selbstbestimmtheit beneidete, wollte ich alles was ich eben vorbereitete lieber teilen. Ich machte das kleine Radio in der Küche mit Hilfe der weißen kleinen Fernbedienung an und ließ mich von hauptsächlich englisch und isländischer Musik berieseln, unterbrochen von Moderatorenkommentare, Werbungsanzeigen und dem morgen Wetter - ähnlich wie heute, also etwas wechselhaft und damit der klassische isländische Frühling so wie ich ihn von Kindesbeinen an kannte. "Ich häng die Jacke besser auf..", sagte ich zu mir selbst, als ich die dunkelblaue Windjacke auf einen Bügel spannte, schnell noch das kurzzeitig vergessene Essen auf dem Herd umrührte und erleichtert feststellte, dass auch noch nicht zu viel Wasser in der Porzellan-Badewanne war. Alles in Butter also!
Ich zog mich anschließend aus, schmiss meine Arbeitsklamotten und die restlichen in den Wäschekorb, der fast überquoll (so wie gefühlt ständig!) und hievte das Essen vom Topf in eine kleine Plastikschüssel um, die ich mit ins Bad nahm. Hoffentlich würde ich mich nur so talentiert anstellen und nicht den Eintopf in das Wasser schütten, was ja schon sehr zu meinem Leidwesen passiert war. Doch insgeheim hoffte ich nicht der einzige Tollpatsch in der Hinsicht zu sein. Wenigstens mein Handy hatte noch nie das Schwimmen erlernen müssen und das peilte ich auch nicht an. Wobei...ich hatte noch gar nicht auf die Nachricht geantwortet bezüglich der Party. Mit Essen und Smartphone bewaffnet setzte ich mich also vorsichtig in das gut duftende Vollbad, aß erst einmal in Ruhe während ich noch leise die Musik aus der Küche hörte und ab und an mitsummte, ehe ich das kleine grüne Symbol auf dem Display mit feuchten Finger antippte. "Hmmm...Donnerstag? der 16.? Ach mann da kann ich sowieso nicht!" Die Arbeitspläne standen fest und wegen einer Party würde man wohl kaum den Dienst mit mir tauschen. Und lügen wollte ich nun auch wirklich nicht. "Schade, die Feiern sind immer ganz lustig....Und vielleicht hätte ich ja auch..." Ich errötete ungesehen kurz und lächelte in mich hinein. Naja, jetzt hatte sich das eh erledigt. "Kann nicht, Arbeit.", schrieb ich deshalb nur kurz und verließ die Gruppe ohne weiteren Kommentar. Was sollte ich auch noch groß dazu erklären?

Die Nacht kam und wich wenige Stunden dem Morgen. Ich war auf der Couch eingeschlafen und hatte mir einen ordentlichen Krampf in der Schulter-Nacken-Partie eingefangen. Es schmerzte wirklich schlimm und ich hoffte, dass eine heiße Dusche, meine Muskeln lockern würden. Aber irgendwie wusste ich, dass nur 2 bestimmte Hände, mich wieder lockern und entspannen konnten. Dennoch versuchte ich es mit der Dusche, humpelte zu dem Gästebad und zog mich dort aus, stülpte die Plastiktüte um mein Bein und klebte dies Wasserfest ab. Als ich es fertig präpariert hatte, stieg ich unter die heiße Dusche und genoss das Wasser, hob vorsichtig meine Arme und ließ diese vorsichtig unter dem heißen Strahl kreisen. Doch es wurde leider nicht besser. Also seifte ich mich fix ein und hoffte, dass Rúna heute auch in der Praxis arbeitete. Nach der erholsamen Dusche, trocknete ich mich ab und humpelte hinauf in das Schlafzimmer, wo Shia im Bett herum wälzte und alles zerwühlte. Ich mochte es nicht... mochte es überhaupt nicht neben ihr zu liegen und neben ihr zu schlafen. Sie war anhänglich und ich mochte ihren Duft nicht... Alles war so Falsch und so gar nicht mein Leben. Außer das Eishockey! Das war ich. Javik Raik Plachta, aus Leidenschaft Eishockeyspieler für meine Heimat Island.
Ich öffnete den Schrank und holte mir eine frische Unterhose heraus, zog diese umständlich an. Danach fischte ich nach einer frischen Jeans, einem Pullover sowie Socken. Danach verließ ich dieses fremde Zimmer und ging wieder hinunter ins Wohnzimmer, wo ich mich fertig anzog und dann nach meinem Handy angelte. Ich rief meinen Vater an, dem ich mein Leid klagte und sofort bereit war, mich zum Arzt zu fahren. Danach war die Praxis dran, wo ich hoffte, einen freien Platz bei Rúna sicher zu haben.
Um 08:30 Uhr holte mich mein Vater ab, der vor der Tür auf mich wartete. Mit den Krücken bestückt, humpelte ich im Sweatshirt, Boots und einer Sonnenbrille auf der Nase, zum Auto und stieg in den Wagen ein.
Sofort fuhr mein Vater los und fragte auch sofort, was passiert war.
"Ich bin auf der Couch eingeschlafen. Shia hat ein bisschen Stress gemacht. Nichts wirklich Nennenswertes." sagte ich und winkte ab.
"Shia ist wirklich hübsch und nett... aber deine Mutter und ich finden, dass sie nicht wirklich zu dir passt. Ich möchte mich nicht in deine Beziehung einmischen, aber irgendwie wirkt ihr nicht Glücklich. Zumindest nicht mehr so wie früher." sprach er und es hörte sich alles einfach so wahr an. Meine Eltern wollte nur das Beste für mich und ich belog sie so hinterhältig. Vielleicht sollte ich wenigsten meine Eltern einweihen, dass ich Schwul bin und diese Beziehung nur eingegangen bin, um keine Gerüchte zu riskieren. Meine Eltern unterstützen mich in allen Lebenslagen und liebten mich. Wieso sollten sie nicht auch einen schwulen Eishockeyspieler lieben.
"So schlimm ist das nicht..." sagte ich, nicht wirklich überzeugend.
Endlich kamen wir an dem Ärztehaus an. Sofort stieg ich aus und humpelte zum Eingang. Es schmerzte bei jedem Schritt und doch hielt ich es aus. Bald würde ich wieder auf diese Liege liegen und seine Hände auf meinem Rücken spüren.

Auch wenn ich schon ziemlich müde und geschafft vom Tag war, so wollte mir mein heutiger Besuch einfach nicht aus dem Kopf gehen. *Ach verdammt!* Mit zusammengekniffenen Augen tauchte ich nach unten unter das leicht milchige Wasser und hielt dort die Luft an. Wie sollte ich nur in Zukunft adäquat meine Arbeit machen, wenn ich nun einen "Lieblingspatienten" hatte? Und warum eigentlich ausgerechnet er? ich war noch blutige Jungfrau...leider Gottes in allen Beziehunsgfragen! Sicherlich hatte ich zig (Ex-)Freunde, aber eben keinen Freund-Freund im Sinne von Partner. Küssen, Rummachen, Sex - all das hatte ich mit meinen Anfang/Mitte 20 noch gar nicht erfahren und war somit ein ziemlicher Spätblüher. Und dann fing ich als Noob gleich in der Profiliga an. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ja, richtige Männer waren mein bevorzugte Typ, doch dann konnte ich ja wenigstens bei den Z-Prominenten Sportlern anfangen. Und warum überhaupt Eishockey? Ja, Wintersportarten hatte ich typisch Isländer immer toll gefunden und gemeinsam mit meinem Bruder und Vater zusammen geschaut, aber dabei nie eine Sportart so wirklich favorisiert. Und jetzt das...
Apropos Eishockey...schon kurz nach meinem Wannengang fand ich mich keine 10 Minuten später auf der Couch wieder, das kleine handliche Tablet in der Hand und auf meinem Schoß abgelegt. Im Hintergrund lief leise der Sportkanal, da ich es so still nicht wirklich mochte. "Au weia, die sind aber schon nicht billig...", stellte ich enttäuscht schmollend fest, doch was hatte ich auch bei der 1. Liga erwarten sollen? *Naja, es wäre sowieso schön, wenn er mir was schenken könnte...vielleicht sogar seines! Nein, nein, er bekommt sie ja gesponsert. Wahrscheinlich mussten sich sogar seine eigenen Eltern die Fanklamotten kaufen...oder? Aber naja, kommt eh komisch rüber, wenn ich ihm nach einen Pullover frage, lassen wir das lieber.*
Und so gab ich das Shoppen vorzeitig auf, schonte so immerhin meinen Geldbeutel, aber trotzdem nicht mein Schlafpensum. Dieses würde ich nämlich in der heutigen, nur kurz werdende Nacht, sicherlich nicht erfüllen. Viel zu spät ins Bett gehend schaltete ich den Fernseher erst gegen 3 Uhr morgens aus, erschrocken, wie schnell die Zeit doch vergangen war. Auch hatte sich das Zähne putzen nur halb gelohnt, da eine Tafel dänischer Schokolade, sowie eine Büchse Cola mich vor dem Flimmerding begleitete.
Dementsprechend gerädert stand ich, viel zu spät, auf und hastete wie von der Tarantel gestochen schon bald durch meine Wohnung, schmiss nur etwas Obst und eine Wasserflasche in meine Tasche, zerrte wahllos zusammengewürfelte Kleidung aus dem Schrank und schlüpfte in diese. Zu meinem Glück immerhin richtig herum und die passten sogar ganz gut zusammen. Auch dachte ich noch an meine Regenjacke, sodass ich in der Not wenigstens etwas vor dem Regen geschützt wurde, selbst ohne separaten Regenschirm. Doch das war auch das einzige Glück, was ich an diesem Morgen meines nennen konnte. Ich hatte Augenringe und musste meine Hygiene mit Deo und einem Minzkaugummi zwangsweise ersetzen. Immerhin hatte ich gestern Abend gebadet und musste mich somit nicht ungewaschen fühlen, auch wenn ich das Gesicht gerne nochmal mit Wasser benetzt hätte bevor ich in den Bus stieg. Nicht einmal meine dunklen Haare hatte ich mehr bürsten können und entgegen einer Frauenhandtasche, beinhaltete mein Beutel keine Beautyprodukte...Zu meinem Entsetzen nicht einmal mehr frische Arbeitskleidung, was mich wirklich die Krise bekommen ließ. Nackt, in Alltagskleidung oder Bademantel würde ich zwar jetzt nicht auftauchen müssen, doch meine Befürchtung bestätigte sich und an der Praxis angekommen, musste ich mich mit Kleidung der Größe L begnügen. Immerhin einer Frauen L...Doch für jemand, der eine Frauen XS trug doch schon ein großer Unterschied. Die Hose konnte ich wenigstens schnüren und die Beine umkrempeln. Aber dementsprechend bescheuert sah ich natürlich auf.
"Hoffentlich sieht mich jetzt nur mein Chef nicht...", murmelte ich, im kleinen Raum der Angestellten stehend und machte mir zwangsweise einen kleinen Zopf, um meine dicken gewuschelten Haare nicht ganz so bekloppt aussehen zu lassen. Kaum war ich fertig rief dann auch schon die Arbeit und ich eilte zurück zum Empfang, um das Telefon entgegen zu nehmen. *Ich hätte wirklich nicht aufstehen sollen!*, dachte ich nach Beendigung des Gespräches mit dem eigentlich ersten Patienten, der nun spontan abgesagt hatte. Immerhin, er hatte wirklich entschuldigend geklungen. Und doch nahm ich es ihm übel. "Ich hätte mich ordentlich anziehen, fertig machen und vielleicht sogar frühstücken können! Was soll denn das, haben wir Freitag den 13.?!" Prüfend warf ich einen Blick zum Kalender. "Hmpf...Naja, es kann wohl nur noch besser werden..." Im Sparmodus lehnte ich mich umständlich über den Empfangstisch und streckte so mein Hinterteil hinaus, langte nach einer Handcreme, die dort immer stand. Gerade hatte ich sie hervorgeholt, da klopfte es plötzlich hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um und bekam einen kleinen Herzinfarkt. "Javik?!" Ich sah aus wie die Personifikation von Desaster und ER kam heute unangekündigt in die Praxis?! Hektisch hob ich die Tube wieder auf, die mir aus der Hand gefallen war und lief zur Türe, öffnete diese nur einen Spalt genug um meinen Kopf hindurch zu stecken. "Morgen Javik, was ist passiert? Sag bloß ich habe eine Termin vergessen?!" Ich war leicht rot im Gesicht. Hatte er gesehen, wie ich ihm quasi mein Po wie auf dem Präsentierteller gezeigt hatte?! Und was dachte er über meinen Müdigkeits-Schlabberlook?!

Dieser Anblick war wirklich pures Gift für mich und meine lange erkämpfte Selbstbeherrschung. Gerade jetzt, hätte ich alles über Bord geworfen, was ich mir aufgebaut habe, nur für diesen einen Moment puren Glücks. Aber wie gesagt, wäre es nur ein Moment gewesen, indem ich so sein konnte wie ich wirklich war. Ein schwuler Mann. Gott, wie ich andere Männer beneidete, die offen auf den Straßen Schwedens rumliefen und so unbeschwert mit ihren Lebensgefährten Händchenhielten oder sich auf offener Straße küssten. Hier in Island eine Seltenheit, doch es gab auch Mal einige dieser Freiliebenden. Mein Blick hing immer Sehnsuchtsvoll auf die verflochtenden Hände und deren verliebten Gesten. Etwas, was ich nie erfahren würde, solang meine Karriere lief. Vielleicht wenn ich in den Ruhestand ging, so mit Mitte 30. Also in frühstens 10 Jahren. Und in all diesen Jahren, würde ich dann nur mit Frauen zusammen sein. Wahrscheinlich nicht mehr mit Shia, die zum Glück nichts von meiner Neigung wusste, denn dann würde sie mich noch mehr ausnutzen, was sie so schon tat. Vielleicht brauchte ich eine neue Freundin. Nicht vielleicht, ich brauchte dringend eine neue. Eine, die nicht so war wie Shia. Ich hielt diese Zicke einfach nicht mehr aus.
"Guten Morgen." begrüßte ich Rúna verspätet. Sein Anblick hatte mich vollkommen aus der Bahn geworfen.
"Nein... keinen Termin. Ich hab jedoch Schmerzen. Rücken und Nacken... hab irgendwie mies geschlafen und mich wohl verlegen." erklärte ich ihm und blickte kurz an ihm vorbei.
"Hast du gerade einen Patienten? Soll ich im Wartezimmer warten oder einen Termin machen?" fragte ich und wollte auch schon umkehren, doch bevor ich auch nur einen Schritt machen konnte, öffnete er die Tür und ließ mich passieren.
"Danke." sagte ich und lächelte ihn an. Ich humpelte in den Raum und steuerte die Liege an, lehnte mich an diese und stellte die Krücken zur Seite.
"Warst du spät dran?" fragte ich und schmunzelte zu seinem Aufzug.
"Sieht süß aus." sagte ich und presste meine Lippen aufeinander, um ein Lachen zu unterdrücken.
"Hast du auch Oskars Nachricht bekommen? Er lässt am Donnerstag eine Party steigen. Seine sind ja wirklich Legendär. Gehst du hin?" fragte ich und beobachtete seine Reaktion auf meine Frage.
"Meine Freundin hat mit mir geschimpft, weil sie an dem Tag auf eine Gala, mit mir wollte, doch ich lieber für einen Männerabend bin. Mal sehen, wie ich mich entscheide." gestand ich und zuckte mit den Schultern, als mir dann wiederum erst klar wurde, dass meine Schultern schmerzten und ich einen kurzen Schmerzlaut, über meine Lippen entkommen ließ.
"Scheiße tut das weh." gestand ich und überspielte meine Schwäche mit kichern, was so verdammt peinlich war. Ich, starker Mann der harte Checks aus- sowie einteilte, jammerte wegen ein bisschen Muskelschmerzen. Gott... mutierte ich zu einer Memme.
Kurzerhand zog ich den schweren Baumwolle Sweater aus und warf diesen auf den Stuhl. Ich schmiss mich auf die Liege und legte mein Gesicht in den Kreis, wo ich mich langsam anfing zu entspannen.
"Kann ich mich eigentlich irgendwie erkenntlich zeigen, weil du mir meine Schmerzen wegmassierst? Vielleicht Karten für die nächsten Spiele oder so?" hackte ich nach und drehte meinen Kopf vorsichtig zu ihm.
"Ich kann dir bestimmt auch Fan-Zeugs klar machen. Du sagst mir einfach, wer dein Lieblings Spieler ist und ich kann dir bestimmt ein Trikot oder so, mit Signatur zukommen lassen." bot ich an, bevor ich endlich den Mund hielt und mich ihm einfach überließ.

"Oh achso...und da kommst du extra zu mir?! Ich habe dir doch von den Wärmepflastern erzählt...die Apotheken müssten doch sehr zeitnah auf haben, die hat eigentlich jede glaube ich. Ich glaube da hätte Wärme ausgereicht und eigentlich bist du ja hier für die verletzungsbezogene Physiotherapie...", äußerte ich vorsichtig meine Bedenken, während ich ihn durch die Glastüre eintreten ließ. "Oh aber-! Ich freue mich natürlich, dass du so viel Vertrauen in mich steckst! Und ich kann das natürlich wieder in Ordnung bringen. Du hast Glück, als hättest du es riechen können, ist wirklich mein erster Patient quasi ausgefallen. Hat gerade überraschend angerufen. Naja, ist schön, so bin ich nicht ganz so umsonst hier bereits so früh aufgetaucht!" Ich lachte kurz auf und geleitete ihn zum Behandlungszimmer, wo ich ihn gestern schon fachmännisch betreut hatte.
"Hmmmm, frag nicht nach Sonnenschein...Ich wünschte, jemand würde mir das Fernsehgerät wegnehmen..." Hastig hängte ich hinten dran: "Alsi nicht, dass ich oft gucken würde, aber wenn dann-! Nun ja, dann kann ich irgendwie das Flimmerteil schlecht wieder ausstellen, du verstehst mich?" Entschuldigend grinsend sah ich zu mir und er direkt zur mir. "Sieht süß aus." - traf mich direkt ins Herz, welches einen kleinen Sprung machte und meinen Puls peinlich berührt ansteigen ließ. "W-Wirklich?!", kiekste ich viel zu unauffällig für meinen Geschmack und fing an, an dem notdürftig gemachten Zopf herumzuzuppeln, was es natürlich keinen Deut besser machte oder die natürlich entstehenden Huckel beseitigte. "Mit einem Zopf hängen mir zumindest keine Haare im Gesicht, doch ich trage ihn nicht zu oft. Ich finde, er steht mir nicht wirklich. Wirkt auch manchmal etwas zu feminin. Und naja..." Ich nahm den Stoff meiner Arbeitskleidung fragend in die linke Hand. "L ist mir eindeutig zu groß. Sieht komisch aus und ist auch irgendwie...komisch zu tragen...wenn man S gewohnt ist. Aber danke."
"Hmhm, Arbeit.", bekam der Isländer nur als knappe Antwort, ohne dass ich ihn ansah. Nachdem wir beide nämlich kurz geschwiegen hatten, hatte ich mir noch einmal genau seinen Blick und die Worte durch den Kopf gehen lassen, die dafür sorgten, dass eine gewisse Röte in meinem herzförmigen Gesicht vorhanden blieb. Und so hörte ich auch gar nicht hin, als er darüber erzählte, wie seine Planung, beziehungsweise Verpflichtungen dafür aussahen und vor allem nicht, dass er eine Freundin hatte. Denn selbst wenn ich es mir, inklusive hunderter Verehrerinnen, denken konnte, so war es schöner so. Lieber schwelgte ich noch etwas in meiner eigenen kleinen Traumwelt, wo ich glücklich meinen Wünschen nachgehen konnte und wo Javik mir noch weitere schöne Komplimente mache die mehr bedeuteten.
Ihn Kichern zu hören, so ein hochgewachsenes Muskelpaket, hatte schon glatt etwas niedliches an sich. Sicher, auch dieses Kichern war immer noch relativ, aber irgendwie schön! Meine wieder eingeölten Finger glitten jetzt wieder, ähnlich wie gestern, aber dieses mal mit dem Augenmerk auf seiner Schultergegend, über den Sportlerkörper. Ein bisschen wie vom Blitz getroffen hielt ich kurz inne. Wäre es nicht so abgedreht, hätte ich gedacht er hätte mich gestern in meiner Wohnung beobachtete oder belauscht. Konnte es so große Zufälle geben? Sollte der Tag doch noch entgegen meiner Erwartungen am frühen Morgen zu einem gut, gar einem weiteren Glückstag werden?! "Ach was, was, ich mache hier nur meine Arbeit, dafür werde ich bezahlt und du zahlst ja auch dafür." Ich machte weiter, verzog etwas das Gesicht. "Apropos...ich muss dir das trotzdem leider anrechnen, wenn das mein Chef herausfindet..." Der Mann unter mir unterbrach mich. *Signiert?!* "Ein Pullover!", platzte es wie aus der Pistole geschossen aus mir heraus und ich drückte mir schnell die Hand vor den Mund. "Also falls das geht natürlich. Und ich bezahle natürlich entsprechend, du musst mir um Gottes Willen nichts schenken. Und auch die Nummer ist völlig egal, ich weiß es zu schätzen, dass du dir überhaupt die Mühe machen würdest!", versuchte ich das Ganze noch schnell zu retten. Oder zumindest das, was noch zu retten war.

"Ach, musst du echt nicht. Die schmeißen mir die Sachen aus dem Club regelrecht entgegen. Ich hab ein paar Trainingsklamotten, die echt gut sind und Sweatshirts und T-Shirts, aber ich kann mir eigentlich immer was nehmen, ohne dafür was zu bezahlen. Bei der nächsten Behandlung, wegen dem Bein natürlich, bring ich es dir mit. Ich glaube, dass bald sogar ne neue Collection raus kommt. Da ist bestimmt auch was für dich dabei und ich finde es nicht gut, dass unsere Fans, nicht in unseren Farben eingekleidet sind. In Schweden trugen sie alle Gelb und Blau, egal ob es um den Verein, die Nationalmannschaft oder einfach so war, die Fans stellten ihre Vereinsliebe zur schau. Langsam nimmt es ja zu, dass die Isländer, für ihren neuen Verein, ein paar Fanartikel kaufen, aber es ist echt noch zu wenig. Vielleicht sollte man da ein bisschen in Marketing stecken." hauchte ich zum Schluss, da seine Behandlung Wirkung zeigte und meine Muskeln lockerte, geschmeidig dehnte und die Verspannungen regelrecht weg massierte. So ganz ohne Schmerzen.
"Rúna~ das ist echt der Wahnsinn." gestand ich halb keuchend und halb mit rauer Stimme, da es einfach so gut tat und so verdammt erregend war. Ich musste nachher aufpassen, dass ich nicht zu viel verriet. Aber darin war ich sogar schon geübt. Als ich mit 15 Jahren bei den Youngsters in Schweden war, hatte ich auch so meine Problemchen, die ich gekonnt auf die Sportaktivitäten und dem Adrenalin zuschob. Es wurde mir sogar abgekauft. Es gab schon ein oder zwei hübsche Jungs, mit denen ich es mir Nachts, unter der Bettdecke vorstellte und dabei meine Hand auf Wanderschaft schickte. Da war es noch das natürlichste der Welt. Heute war alles komplizierter und als Prominenter hat man sowieso eine Verantwortung gegenüber den Fans. Die Presse lauerte sowieso überall. Mich wunderte es, dass sie noch nicht vor der Praxis lauerten und nach Interviews hechelten.
Als der junge, talentierte Masseur, seine Arbeit beendete, war ich schon ein bisschen traurig. Ich hätte wirklich gerne, noch ein bisschen länger, seine Hände und Massage gegönnt. Es war einfach so selten, dass mich jemand, ein Mann, so berührte, wie es sonst nur Shia tun würde, wenn ich sie lassen würde. Was ich natürlich nie tat. Sex mit ihr war immer schnell und kurz. Ich hatte noch nie eine Nacht, die ich mit ihr vollkommen genoss. Solange es mein Schwanz noch mit machte, war alles okay. Erst wenn es soweit war, musste ich mir etwas einfallen lassen.
"Schade ..:" murmelte ich, als ich mich wieder anziehen konnte. Ich schlüpfte in das Sweatshirt und rutschte von der Liege.
Ich folgte Rúna zum Empfang, wo er etwas in den Computer tippte und eine Rechnung für die Behandlung ausstellte. Ich kam gerade an, als er die Rechnung auf den Tressen legte und daneben einen Kugelschreiber platzierte. Ich Unterschrieb wortlos und holte mein Portmonee aus der Hosentasche und zückte ein paar Isländische Kronen hervor. Diese legte ich auf die Rechnung und schob Rúna diese zurück. Den Durchdruck bekam ich als Quittung und somit war alles erledigt.
"Oh... ähm ich hab meine Sonnenbrille vergessen. Könntest du sie mir holen?" bat ich ihn und hoffte, dass er dieser Bitte nach kam. Als er dies tat, hoffte ich wirklich, dass er lange mit der Suche beschäftigt war. Es war wirklich noch nicht viel los und die anderen Masseure oder Empfangsdamen, waren im Mitarbeiterraum am tratschen. Schnell schlich ich mich hinter den Empfang und suchte nach Rúnas Terminplaner. Als ich diesen gefunden hatte, schaute ich nach Donnerstag und fand einen fetten, gut strukturierten Plan vor, Zu jeder Tageszeit, Empfang Rúna einen Kunden, also hatte er wirklich keine Zeit für diese Party. Leicht deprimiert, humpelte ich rechtzeitig wieder auf die andere Seite des Empfangs und nahm die Brille entgegen, die er mir im gehen reichte.
"Danke. Bist mein Retter. Nicht nur wegen der Brille, auch wegen dem Schmerz, den du mir so gekonnt wegmassiert hast. Ich werde dein Geschenk nicht vergessen." sagte ich und zwinkerte ihm zu, bevor ich die Brille aufsetzte und zur Tür humpelte. Ich verließ die Praxis mit verdammt guter Laune.

Fast schon etwas enttäuscht zwang ich mich trotzdem weiterhin zu lächeln, selbst wenn Javik das ja gar nicht sah. *Naja, dann sollte ich es wohl wahrscheinlich wirklich ohne schlechtes Gewissen annehmen. Wenn er das eh in Hülle und Fülle hat. Ist wohl froh etwas Ballast loszuwerden in seinem Haus...Wundert mich dann aber, warum er es noch nicht eher mit vollen Händen verschenkt hat.* Mein Puls und die Röte bekam sich glücklicherweise sehr Zeit nah wieder von ganz alleine in den Griff und machte es mir möglich viel konzentrierter zu arbeiten. "Ach wirklich? Hm, ist mir noch gar nicht aufgefallen, um ehrlich zu sein. Aber ich beschäftigte mich sowieso erst seit Kurzem wirklich intensiv mit der Sportart.", murmelte ich, ein bisschen in meinen eigenen Gedanken und blickte verträumt aus dem Fenster. Solange ich noch ordentlich und gewissenhaft massierte, warum denn auch nicht? "Aber die wirklich richtigen und zählenden Fans werden sich doch aber sicherlich Fanartikel kaufen. Gibt doch schließlich einen Onlineshop, wenn auch mit nicht gerade billigen Artikeln. Aber das ist halt so bei der ersten Liga. Ist ja im Fußball, Schwimmen, Tennis oder so auch gar nicht anders. Oder wie bei berühmten Bands und Sängern!", erörterte ich nachdenklich und lief um die Liege herum. Entsprechend der gelegenen Richtung der Muskelfasern wollte ich die Nackenmuskulatur auch mal horizontal massieren und stand nun mit meiner Körpermitte und leicht breit aufgestellten Beinen an seinem Kopfende. Was mir normalerweise - und hoffentlich auch den Patienten - nicht viel ausmachte und alltäglich war, war dann im jetzigen Moment doch leicht unangenehm.
Es gab wohl ein komisches Bild ab, wie der großgewachsene Körper unter meinen Händen stöhnte und ich leicht gebeugt und breitbeinig so dastand. "Javik bitte...", murmelte ich, nun doch wieder Röte im Gesicht und drehte den Kopf weg, um ihn und seinen muskulösen Rücken nicht ansehen zu müssen. Ich war ja letzten Endes auch nur ein Mann mit Bedürfnissen. Zu meinem Glück wohl war ich noch blutige Jungfrau. "Hast du einmal davon probiert, kommst du nicht mehr davon los.", hatte ein guter Freund mir mal immer erzählt, selbst wenn es sich dabei um Sex mit einer Frau gehandelt hatte. Und ganz ähnliche Erzählungen hatte ich schon von anderen gehört. Dennoch, ich wollte wirklich nicht mit dem erstbesten Mann ins Bett springen, nur um endlich mein erstes mal haben zu können. Und wahrscheinlich war es auch ganz angenehm so ohne Erfahrungen. Ich vermisste nichts groß. Sicherlich, ab und an ließ ich es mir gut gehen, nur mit mir alleine, aber auch das war recht selten und hielt sich völlig in Grenzen. Sollte sich das jetzt etwa ändern?! Oh bitte nicht, ich lebte ganz gut so und war zufrieden.
Meine langsam eintrudelnden Kollegen aber schienen von dem überschwänglich begeisterten Mann aber nichts mitzubekommen oder blieben einfach nur sehr höflich. Besser so, ich wollte nicht in ein falsches Licht gerückt werden und am Ende womöglich noch meinen Job verlieren. Aber naja, er war bei Weitem nicht der erste Patient, der seine Entspannung oder die Schmerzen verbal zum Ausdruck brachte. Wenigstens begann er nicht zu schwitzen, was ich ja auch schon hatte erleben müssen. Und so kam auch diese Behandlung zeitnah zu einem Ende und ich entließ den Eishockeyspieler, welcher sich wieder anzog. "Ich trag schon einmal wieder ein.", hatte ich mich indes verabschiedet und grüßte eine Kollegin auf dem Flur, die nun ebenfalls einen Patienten empfang. "Schon früh wieder was los hier, nicht?" Ich schmunzelte, sie lachte und ich lief weiter an den Computer, wo ich mich wieder einloggte und alles wichtigste eintrug, sowie die Rechnung ausdruckte.
"Bitteschön!", gab ich Javik lächelnd alles benötigte und stand schon wieder auf, um ihn zu verabschieden, als er mich bat nach seiner Sonnenbrille zu suchen. "Und du hast sie wirklich nicht hier schon liegen gelassen?", äußerte ich meine Bedenken, kam dann aber der Bitte nach und verschwand gemächlich wieder im Behandlungsraum, wo ich mich auch nicht allzu sehr hetzten ließ. "Hier bitteschön.", überreichte ich den Sonnenschutz freundlich, nur knapp nachdem er erfolgreich verheimlicht hatte in meinen Kalender zu schmulen. "Oh und Dankeschön." Ich legte Geld und Quittung erst einmal auf den Tisch neben mir. ""Kein Dankeschön nötig, wirklich. Ich bin eher dir zu Dank verpflichtet.", antwortete ich lächelnd und nickte ihm aufrichtig zu. "Na dann, auf wiedersehen, kommt gut nach Hause!", wünschte ich ihm mit einem kleinen Wink, hielt die Tür auf und schloss sie im Anschluss wieder. Dieser Isländer raubte mir noch einmal den letzten Nerv...

Nachdem mein Vater mich wieder abgeholt hatte, fuhr er mich zu dem Stadion, wo meine Jungs immer trainierten und sich für die kommenden Spiele vorbereiteten. Genau Heute stand nämlich eins vor der Tür und ich wollte meine Jungs anfeuern. Wahrscheinlich wäre es gut, wenn ich mich den Medien zeigte und signalisierte, dass ich die Jungs unterstütze und nicht wie ein geschlagener Mensch Zuhause vor dem Fernseher verkrümelte. Vielleicht hätte ich Rúna auch Karten, für dieses Spiel schenken sollen. Nicht unbedingt in meiner Reihe... da es zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnte, auch wenn dies Schwachsinn war. Vielleicht machte ich mir manchmal zu viele Gedanken. Aber die Angst schwang bei mir immer mit. Ständig musste ich auf der Hut sein, dass niemand meine Interaktionen mit Männern falsch aufnahm oder sogar kommentierte.
"Ich finde es gut, dass du zu dem Spiel gehen willst." sagte mein Vater, der vor dem Stadion hielt, wo die Absperrmaßnahmen begannen. Doch meinen Vater kannte jeder gut und ließ man überall hin passieren.
"Danke, ich schau ein bisschen beim Training zu. Brauchst mich nicht abholen oder so. Ich verbring den Tag mit den Jungs und heiz sie ein bisschen ein, dass sie sich nicht allzu sehr blamieren sollen." stichelte ich und grinste meinen Vater an. Auch dieser verstand den Joke und zeigte seine Zähne und seine Fältchen an den Augen, die hervortraten, wenn er lachte.
"Bis Später, mein Junge." sagte er und drückte mich kurz. Ich nickte und verabschiedete mich von ihm, lief zum Fanshop und suchte etwas für Rúna heraus. Gerade kam sowieso die neuste Collection rein, auf die ich einen Blick werfen konnte. Dort hing ein wunderschöner Pullover, der Rúna bestimmt hervorragend stehen würde. Er trug die Nationalfarben unseres Landes und trug auf dem Rücken in schwarzen Lettern den Landesnamen. Ich nahm diesen in seiner Größe und fügte zu dem Präsent noch einen Schal, eine dicke Mütze und ein Trikot. Da ich nicht wusste, wer sein Lieblings Spieler war, griff ich einfach nach einem Trikot, mit meiner Zahl und meinem Namen. Wieso? Ich war auch nur ein Mann und dachte, dass ich so ein verdammt guter Spieler war, dass fast alle nur meinen Namen auf den Rücken trugen. Was natürlich nicht der Wahrheit entsprach, aber unter dem Ranking, unter den ersten 5. landete.
Als ich alles hatte, ließ ich dies in einen großen blauen Karton, mit unserem Logo und den Farben, verpacken und legte noch einen Gutschein sowie Tickets, für das heutige Spiel dazu. Falls er dafür Zeit hatte. Das Spiel begann ja erst gegen 21 Uhr. Vielleicht konnte er es noch schaffen, wenn er wollte.
"Das sind aber viele Geschenke, Mr Plachta. Da wird sich der Beschenke aber freuen." sagte die Kassiererin, während sie alles eingetippt hatte und nun das Präsent verpackte.
"Woher wissen Sie, dass es für einen Mann ist? Es kann doch auch für eine Frau sein." geriet ich ein bisschen ins Schwitzen.
"Na... Sie haben doch nur Männerkleidung eingepackt." sagte sie und blickte mich entschuldigend an.
"Oh... Ja, gar nicht drauf geachtet." versuchte ich meine Nervosität zu verbergen. Als das riesige Präsent verpackt war, bat ich einen Kurier damit zu beauftragen und schrieb die Adresse sowie die Kontaktperson auf.
"Mein Physiotyp... ohne ihn würde mein Bein nicht so gute Fortschritte machen." erklärte ich vorsichtshalber und bezahlte den ganzen Spaß, bekam dennoch einen riesigen Rabatt gewährt.
"Danke für Ihren Einkauf." sagte sie, als ich verschwand und der Kurier gerade das Präsent abholte und zur genannten Adresse fuhr.
Seufzend lief ich nun in das Stadion und suchte nach meinem Team, dass gerade im Gym trainierte. Gerne hätte ich mit gemacht, ein bisschen meine Muskeln aufgebaut und mit ihnen rumgealbert, doch es ging hier um die Meisterschaft der Norwegischen Liga und diese war knallhart.
Heute trafen wir auf die Norwigs Rocks. Stahlharte Männer, deren Fahrstil echt riskant waren und ihre Checks recht schmerzhaft. Einmal durfte ich schon gegen die Jungs spielen, wo wir nur ganz knapp verloren hatten. Dies wollte ich heute nicht sehen, also waren alle konzentriert, auch wenn mir dies mehr Angst bereitete, als die lockere Stimmung.
"Irgendwas stimmt nicht." meinte der Trainer zu mir, als er mich sah.
"Sie sind konzentriert. Ist doch gut..." sagte ich und nahm die Sonnenbrille ab und hängte diese in den Kragen des Pullovers.
"Schon, aber es ist so gezwungen. Vielleicht kannst du sie nachher auf dem Eis ein bisschen auflockern. Wir haben da was für dich vorbereitet." sagte er und grinste mich an. Ich war überrascht, was es sein könnte.
Als die Zeit soweit war, wartete ich auf die Jungs und begrüßte sie mit lauten Anfeuerungslauten.
"IHR HAUT SIE HEUTE WEG!!! iSLAND-TIGURS!!!" schrie ich und jubelte den Jungs zu. Sofort kamen sie von der einen Seite, auf die andere geschlittert und hielten kurz vor der Bande an und machten mich mit Eis nass, als sie so apprupt abbremsten.
"Jungs!" mahnte ich spaßhaft und schlug allen Mitgliedern in die Hand.
"Machst du mit?" fragte Bjarik unsere Nummer 41 und Captain der Mannschaft.
"Kann nicht, mein Bein ist immer noch in der Ruhephase." erklärte ich und klopfte mit der Krücke auf die Schiene. Mein Trainer und andere aus dem Trainerstab kamen zu mir und brachten da eine Konstruktion mit, die mich einfach nur zum Lachen brachte. Einen schlitten, zusätzlich einen Schläger, damit ich auch bloß beim Training mitwirken konnte.
"Okay, aber seit nicht zu hart zu mir und Kristjan, lass mir ein paar Tore durchgehen." bat ich unseren Torwart mit der Nummer 35.
Wenige Minuten später war ich auf dem Schlitten befestigt und einer aus dem Trainerstab, fuhr mit mir über das Eis. Mit dem verkürzten Schläger ergatterte ich öfters den Puck und schleuderte diesen im Sitzen zum Tor. Leider waren alle Torhüter verdammt gut und ließen mich echt zappeln. Doch als ich Ingvar Sigthorson mit der Nummer 1 auf dem Rücken und zweiter Captain unserer Mannschaft, zum Tor schlitterte, passte ich ihm zu und ergatterte gemeinsam mit ihm das Tor. Das Stadion jubelte, mit gespielten Sounds.
"Yeahr!! Verdammt gut!" rief ich ihm zu und boxte ihm in die Seite.
"War ein guter Pass, Javik." lobte er und schlug mit seinem Handschuh auf meinen Helm. Das Training neigte sich dem Ende und die Jungs wirkten vollkommen losgelöst. Die Gäste waren nun dran mit dem Training und ich konnte diese ein bisschen analysieren. Es war immer spannend zu sehen, wie die Gegner trainierten und spielten.
Danach gingen wir gemeinsam Essen. Es war einfach magisch, wenn ich mit meinen Teammitgliedern zusammen war. Deswegen landete auch jede andere Anfrage, ob ich zurück nach Schweden oder sogar Finnland kommen wollte, in den Müll. Island war mein Zuhause!

Um 21 Uhr begann das Spiel und ich saß gebannt in der der Ecke des Trainerstabs und blickte geradewegs auf das Spielfeld. Ich konnte des öfteren mit dem Trainer plaudern und meine Analyse zum anderen Team preisgeben. Ich war bereit für das Match und glaubte an den Sieg der Tigurs.

Ich machte gerade kurz Pause mit einem Kaffee im Angestelltenzimmer, als unsere Klingel ringte. "Erik? Machst du auf?!", versuchte ich, ohne den Blick dabei von meinem Smartphone zu nehmen, auf welchem ich mal wieder Sport schaute und biss in meinen saftig triefenden Apfel. "Jaja, Hauptsache der Herr muss sich nicht bequem. Der alte Sack macht schon.", murrte der circa 35-jährige Masseur scherzhaft und ich grinste ihn schief an. "Schon dein Testament geschrieben?", konterte ich witzelnd und blickte ihm sogar kurz hinterher, ehe ich ihn für 2 Minuten nicht mehr zu Gesicht bekam.
"Hallejulia, Rúna, was hast du denn alles bestellt?!" Mit einem nicht wirklich zu deutenden Gesichtsausdruck kam der gebürtige Däne wieder und überreichte mir ein viel zu groß geratenes Packet mit schöner blauen Schleife. "W-W-Was? Das war ich nicht!", stotterte ich und stoppte in drei Anläufen das Video, welches sich erst nicht schließen wollte. Den Apfel in den Mund nehmen, weil so schnell kein Teller vorhanden war und ich ihn ungerne auf die nur semi-saubere Tischoberfläche legte, kam ich näher.
"Na und wer soll das sonst bestellt haben?"
"Keine Ahnung, ich jedenfalls nicht!"
"Der Kurier meinte aber, es sei für einen Herr Levinsson, das bist doch du oder nicht?"
"Ja...ja schon aber...Guck doch mal die Schleife an! Das sind doch keine Sachen für die Praxis. Und außerdem würde ich ohne den Chef oder die Chefin doch nicht einfach bestellten. ich schwöre dir, ich habe. es. nicht. bestellt.", beteuerte ich noch einmal mit in die Hüfte gestützten Händen und hatte den Apfel nun doch notgedrungen abgelegt, damit ich meinen Kollegen nicht so unhöflich anuschelte und nachher womöglich noch vollspuckte. "Nun mach doch mal auf, ich bin neugierig!", bat er und schließlich doch nachgebend platzierte ich den Karton auf dem Tisch und pellte ihn aus der schönen Verpackung und enthüllte den Inhalt. Mittlerweile war auch Saara vom Empfang zu uns gekommen, voller Neugier. "Klamotten und...Karten?!" Wir rätselten alle drei kurz vor dem geöffneten Paket, ohne es näher auszupacken. "Die Farben sind die von der isländischen Flagge, eindeutig. Und die Karten..." Sie beugte sich hinunter, doch Flagge und Island war alles was sie hatte sagen brauchen und noch bevor ihr überraschtes "Eishockey?!", kam, wusste ich schon was Sache war.
"Das ist von Javik!"
"Javik? Javik Plachta?"
"J-Ja, er ist doch seit dieser Woche Patient bei uns und..."
"Meine Güte, DER Javik Palchta von den Tigurs, wie geil ist das denn bitte?!" Und schon riss Erik es an sich, woraufhin ich lautstark protestierte. "Hey, gib das sofort zurück!" Ich verstand hier wenig Spaß, sehr zu Überraschung meiner Kollegen, doch sie fragten nicht nach und ich gab ihnen keine Antwort. "Wie gemein, dass du die ganzen Sachen bekommst und wir nichts. Hättest ja mal an uns denken können.", äußerte der Mann sich, sichtlich gekränkt und vielleicht sogar etwas wütend. Es belastete mich sofort, dass der Haussegen schief zu hängen schien in unserem Team, doch ich getraute mir keinen andern Konter als: "Ich habe ja nicht darum gebeten!" Und glücklicherweise legte Saara ihm eine Hand auf die Schulter. "Ich glaube Rúna. Und du weißt doch, dass er bei vielen Patienten für seine außergewöhnliche Massagetechnik und den Charakter beliebt ist. Vielleicht kommt er ja an was vergünstigtes für uns heran." Ich nickte und mit Scham erfüllt händigte ich ihm zumindest die Gutscheine aus. "Etwas anderes kann und will ich dir nicht geben. Das wäre unhöflich Javik gegenüber. Es ist schließlich an mich adressiert, bitte nimm es mir nicht übel..."
Erik schien dies zwar nur halbherzig zu akzeptieren, meckerte aber immerhin nicht mehr und ich hatte keine weitere Zeit mich zu freuen, wir mussten alle wieder an die Arbeit. Mir bereitete jetzt nur noch Sorgen, wie ich es zum Spiel schaffen sollte. Er hatte mir die Karten extra geschenkt. Sie verfallen zu lassen wäre wirklich unter aller Gürtellinie und auch verschenken wäre wirklich nicht nett, besonders nicht ohne seine Zustimmung. Doch ich traute mich auch nicht, ihn da irgendwie auch nur ansatzweise zu fragen oder mich zu erklären. *Dann muss ich da wohl hin...Aber wie? Es ist am anderen Ende der Stadt!* Während einer kleinen Pause zwischen zwei Patienten hatte ich kurz Zeit zu gucken wo ich überhaupt genau hinmusste. *Ach hätte ich doch nur einen Führerschein!*, ärgerte ich mich, nachdem ich sah, dass ich fast 2 Stunden unterwegs sein würde. Nun ja, das Stadion lag halt am anderen Ende der Stadt, die Öffentlichen fuhren abends unregelmäßiger und gefühlt waren wieder überall Baumaßnahmen. Ich würde nicht einmal nach Hause vorher können, denn selbst so würde ich erst knirsch da sein, hoffentlich gewährten sie mir dann überhaupt noch Einlass!
"Bis morgen!", verabschiedete ich mich, besonders darauf bedacht pünktlich Schluss zu machen und saß schon bald darauf im Bus, wo ein kleiner Höllenritt anfing. Nicht etwa die Fahrt an sich, nein, einer meiner Anschlüsse verspätete sich und ich verpasste natürlich den nächsten Bus. Gehetzt war ich nun aus dem letzten ausgestiegen und hastete zum Eingang, wo ich erst einmal meine Tasche abgeben musste. Schön blöd, denn ohne vorher nochmal hineinzuschauen bemerkte ich erst zu spät, dass ich in diese noch den neuen Pullover gequetscht hatte, was alles gewesen war, was mit ach und krach hinein gepasst hatte. Nun hatte ich nur noch den Schal.
"Ich bin mir doch nicht so einig, ob das heute nun ein Glückstag oder Pechtag ist...", murmelte ich, kaufte mir noch rasch ein Wasser und hörte von Drinnen schon Gegröle. Klar, angefangen hatte das ganze Spektakel schon. "Entschuldigung, Entschuldig, sorry, Danke, äh, Entschuldigung." kämpfte ich mich durch die Reihen und saß dann endlich an meinen Platz, musste mich erst einmal sammeln. *Oh je, die anderen decken bestimmt, man habe einen Penner hier hineingelassen...* Durch meine cremigen und öligen Hände, die natürlich über den Tag hin ihren Weg in mein Haar gefunden haben, saß ich immer noch mit dem Zopf und Arbeitskleidung auf der Tribüne. (ich hätte, hätte ich mich umgezogen, den frühen Bus verpasst) Meine Übergangsjacke lag nun vor meinem Füßen, mir war vom Rennen noch recht warm, ich war ja durch mein Asthma schnell aus der Puste.