RE: Vampir zu werden ist nicht schwer... Es zu sein jedoch sehr - 2

Nilas hielt inne, als Harvey seinen Namen als Frage formulierte. Er verfluchte sich selbst seiner Unzulänglichkeiten und seiner Unfähigkeit wegen, sich seinem einstigen besten Freund nicht anvertrauen zu können. Er war doch sonst nicht so. Verklemmt und schüchtern Server einzig und allein, wenn er mit Harvey alleine war. „Hmmm?
Er stand mit dem Rücken zum Bett.

Am liebsten wäre er nun wieder aufgestanden und hätte sich zu ihm gestellt. "Können wir uns denn wieder treffen?", fragte er vorsichtig. "Ich habe Angst, Grenzen zu überschreiten, die ich nicht übertreten darf..." Denn er selber setzte die Grenzen nicht, Nilas jedoch durfte sie ändern. Gerade wirkte er wieder so unnahbar.

Es stand Harvey nicht zu nach einem Treffen , einem Wiedersehen zu fragen oder gar darum zu bitten und dennoch tat er es, obwohl er Angst hatte, vor möglichen Konsequenzen. Genau das aber tat Nilas gerade sehr gut. Gab der Menschenjunge ihm doch gerade zu verstehen, dass auch er noch etwas für ihn empfand. Nilas nicktet. „Ja, sicher.Warum nicht?“ antwortete er war aber in Gedanken nich wirklich bei ihm. Obwohl, bei ihm schon aber eben nicht wirklich da. „Schlaf gut, Harvey. Wir sehen uns morgen im Unterricht“ meinte er nach einer gefühlten Ewigkeit und verliess den Raum.

Nilas war ihm ein Rätsel. Nicht nur, dass er einfach so unvermittelt im Raum gestanden hatte und von ihrer früheren Freundschaft geredet hatte... Nun verschwand er einfach, ohne eine feste Abmachung zu treffen. Doch Harvey nickte bloß. "Bis morgen, Sir." Scheinbar waren sie keine Freunde mehr und dann würde Harvey höflich und distanziert bleiben, auch, wenn er noch gerne mit Nilas geredet hätte. Doch heute würde dies vermutlich nicht mehr passieren.

In der Nacht schlief er nicht gut, denn er war viel zu aufgeregt auf dem morgigen Tag. Nicht nur, weil er morgen mit seinen neuen Kursen beginnen würde, sondern vor Allem, weil er Nilas wieder sehen würde. War er zu weit gegangen, als er um ein weiteres Treffen bat? Seine Gedanken fanden keine Ruhe mehr. Nachdem er in der Nacht wenig Schlaf gefunden hatte, betrat er am nächsten Morgen gemeinsam mit Gordon das Klassenzimmer und hielt ausschau nach Nilas.

Nilas war pünktlich wie immer und sass in der ersten Reihe. Kurz sah er zu Harvey als dieser nur ein Paar Sekunden vor dem Lehrer ins Klassenzimmer kam. Aber nicht nur er schenkte ihm Aufmerksamkeit. Dieses Vampirmädchen war wirklich hinter dem Menschen her. Würde Harvey doch nur irgendwie durchblicken lassen, dass er genauso empfand wie Nilas. Der Vampir würde nicht mehr zögern aber so wie es aussah, bevorzugt Harvey das weibliche geschlecht, was ganz natürlich war.
Er seufzte leise und versuchte sich auf den Unterricht zu konzentrieren.

In der Tat war Nilas der erste, den Harvey erblickte. Möglicherweise auch, weil er sich in den letzten Jahren angewöhnt hatte, nach ihm ausschau zu halten. Kurz lächelte er ihm schüchtern zu, merkte dann allerdings, wie Mircella ihn zu sich heran winkte. Natürlich kam er dieser Aufforderung nach und begab sich schnell zu ihr. Offensichtlich hatte man ihm einen Platz freigehalten, was ihm schmeichelte. "Jetzt erzähl mal von deiner Reise", forderte ihn die Vampirin auf, was ihn doch ein wenig überraschte. "Es gibt doch sicherlich auch ein paar Bilder, die du nicht auf Insta hochgeladen hast. Zeig sie mir." Harvey lachte ein wenig, während er zum Lehrer schielt, der bereits die Klasse begrüßt hatte. Eigentlich wollte er sich dem Unterricht widmen, doch konnte er Marcilla schlecht eine Bitte ausschlagen. Langsam holte er sein Handy hervor, achtete allerdings darauf, dass der Lehrer nichts merkte.

Nilas liess sich nichts anmerken, aber er kochte vor Wut. Diese Möchte-Gern-Prinzessin machten sich schon wieder an Harvey ran und das ohne irgendwelche Hemmungen. Es schien zwar, als gelte sein Zorn Mircella, in Wahrheit war er aber viel mehr auf sich selbst wütend. Er war sonst auch nicht so schüchtern und verklemmt, nur bei dem einen Menschen konnte er sich einfach nicht entspannen. Dieser eine strr er ölte alles bei ihm auf den Kopf. Wie gerne hätte er Harvey gesagt, das sein Platz hier war, neben ihm und zwar nicht auf dem Stuhl sondern auf dem Boden auf Knien mit einem Halsband und einer Leine in seiner Hand. Er hatte sich schon so oft vorgestellt, wie er das zu Harvey sagen würde. Aber auch wenn Vampire über den Menschen standen, wurde kein Mensch gezwungen sich einem bestimmten oder überhaupt einem Vampir zu unterwerfen. Nilas würde es nicht ertragen, von seinem Menschen abgelegt zu werden, aber Mircella mit ihm zu sehen erschien ihm mit jeder Minute noch viel unerträglicher.

Nach einer Aufforderung begann Harvey leise und in gedämpfte Stimme von seinem Urlaub zu erzählen. Er mochte es, dass Mircella wirklich Interesse an seiner Reise zeigte, so ganz hatte er es nicht wirklich glauben können. Trotzdem war es seltsam, den Lehrer nicht mehr zu beachten. Schließlich wusste er, dass es sich nicht gehörte, noch weniger allerdings gehörte es sich, Mircella nicht zu gehorchen. In beiden Fällen konnte es nicht gut ausgehen. Dennoch versuchte er so gut es ging leise zu bleiben, während Mircella ihm zuhörte.
"Mr. Oltrep", wurde er plötzlich unterbrochen. Harvey sank das Herz in die Hose, als er aufblickte. Natürlich hätte der Professor ihn bemerkt. "Sie wissen genau, dass Ihr Verhalten nicht geduldet wird. Sie können Ihr Handy gleich mitnehmen und abgeben, wenn Sie nun nach vorne kommen." Sprachlos blickte Harvey nach vorne. Noch nie hatte er vor der gesamten Klasse eine Tracht Prügel einstecken müssen, aber offensichtlich hatte er durch sein Verhalten eine Strafe provoziert. Langsam und unsicher erhob er sich.

Alle Augen richteten sich auf Harvey, der unsicher nach vorn an die Tafel ging. Nilas sah zu Mircella. Sie zuckte jedoch nur mit den Schultern und schien kein Interesse daran zu haben den Menschen in Schutz zu nehmen. Der Vampir hatte das Mädchen noch nie wirklich leiden können.
Harvey musst sein Hemd ausziehen und sich der Tafel zuwenden während der Lehrer einen Lederriemen hervor holte. Nilas stockte der Atem. Die Szenerie erinnerte ihn an die Träume seiner schlaflosen Nachte, nur war er es selbst der die Bestrafung ausführte. Ob sie nun verdient war oder nicht. Das nun ein anderer als er seine Spuren auf diesem wunderschönen, jungfräulichen Körper hinterlassen würde gefiel ihm gar nicht.
Der Lehrer holte aus und der erste Schlag traf Harveys Rücken, auf dem sich sogleich ein roter Striemen bildete. Schon beim zweiten Schlag gab die Haut nach und der Geruch von Blut stieg Nilas in Nase. Als der Lehrer zum dritten Schlag ausholte, krachte ein Stuhl zu Boden. „Das reicht!“ rief Nilas, der aufgesprungen war. Seine Augen schienen rötlich zu glühen. Der Lehrer hielt inne und sah zu dem Schüler. Eine Weile war es toten still im Raum. Dann nickte der Lehrer und legte den Riemen zurück an seinen Platz. „Ich verstehe...“
Der Lehrer hatte verstanden. Nilas selbst hatte noch nich wirklich verstanden, was er da gerade getan hat.

Mit zittrigen Fingern öffnete Harvey sein Hemd, als er vor der Klasse stand. Sein Handy lag für alle sichtbar auf dem Tisch. Er konnte nicht einmal beschreiben, wie unangenehm ihm alles war. Jeder konnte sehen, dass er sich daneben benommen hatte. Hiernach würde sich niemand mehr für ihn interessieren. Vermutlich nicht einmal mehr Mircella. Er hatte auf ganzer Linie versagt. Der einzige Grund, warum er auf diese Schule geschickt wurde war, um jemanden kennen zu lernen, doch wer würde ihn gleich noch haben wollen? Dennoch versuchte er seien Würde noch irgendwie zu wahren, in dem er sein Hemd zusammen faltete und sich schließlich an der Tafel fest hielt. Alles schien so unwirklich…
Der erste Hieb ließ ihn zusammenzucken, doch der Schmerz folgte erst ein wenig später. Fest krallten sich seine Hände an der Tafel fest, doch wenigstens stöhnte er auch beim zweiten Schlag nicht. Umso mehr zuckte er zusammen, als er etwas poltern hörte. Sich umzudrehen wagte er jedoch nicht. Er hörte Nilas warme Stimme, doch begriff er nicht, was genau sein ehemaliger Freund gerade tat. Zu sehr war er mit seinem eigenen Schmerz beschäftigt.

Der Lehrer kramte indessen eine kleine Salbe hervor. „Sie können Mr. Oltrep nun versorgen, wenn Ihnen danach ist, Master Corrindale. Gehen Sie dazu einfach in mein Büro.“

Nilas nickte.
Stumm ging er nach vorn, kam die Salbe und Harveys Hemd. Er legte seinem Freund aus Kndertagen eine Hand auf die Schulter und führte ich mit sanfter Bestimmung ins Büro des Lehrers, welches an das Klassenzimmer angrenzte. Kaum war dir Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen lies er ihn jedoch los. Er ging zum Schreibtisch legte die Sachen ab, stützte sich auf beide Hände und liess den Kopf hängen. Nur langsam begriff er, was er getan hatte.
„Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht vor den Kopf stossen und vor vollendete Tatsachen stellen. Es ist ein Grundrecht der Menschen, selbst zu wählen. Ich werde die Sache aufklären sobald wir zurück im Klassenzimmer sind.“ Es war seltsam. Alle die Ängste, die Selbstzweifel und die Unsicherheit, sie waren wie weggeblasen. Nilas ahnte nicht, das Harveys Blut ihn schon allein über den Geruchssinn beeinflusste. Zum ersten Mal fühlte er, was es wirklich bedeutet ein Corrindale zu sein. „Weisst du noch, worüber wir gestern Abend gesprochen haben?“
Er drehte sich zu Harvey um, trat auf ihn zu und legte ihm seine Hände auf die nackten Schultern. „Du hast recht, wir sind älter geworden und einfach nur mit dir befreundet zu sein, reicht mir nicht mehr.“ Seine rechte Hand wanderte zu Harveys Kinn, hielt es sanft aber bestimmt fest und näherte sich den weichen Lippen des Anderen. „Ich will mehr... Harvey... Ich will viel mehr.“

Erst, als Harvey Nilas Hand auf seiner Schulter spürte, merkte er, wie angespannt er bis eben noch gewesen war. Doch alleine eine Berührung reichte aus, um ihn zu beruhigen. Zumindest für jetzt würde Nilas auf ihn Acht geben. Und Harvey wünschte sich, dass dieser Augenblick eine Ewigkeit anhielt. Wie in Trance folgte er dem sanften Druck seines Kindheitsfreundes und blieb still im Raum stehen, als Nilas versuchte, sich zu sammeln. Eigentlich, so hätte man meinen müssen, hätte in seinem Kopf eine unheimliche Menge an Gedanken schwirren müssen, doch war Harvey einfach bloß ruhig.
Aufmerksam hörte er der schönen Stimme zu und nickte leise. Natürlich erinnerte sich an gestern.
Unwillkürlich machte er auch er einen Schritt auf Nilas zu und legte seine Hände leicht auf Nilas Unterarme, während er ihm in die Augen blickte. "Mir auch nicht", hauchte er leise. "Aber... ich hatte Sorge, dass du mich zu anhänglich findest", gestand er leise.

Harvey stiess ihn nicht weg. Er bestätigte sogar, dass er gleich empfand wie Nilas. Dem jungen Vampir Kannen seine Ängste jetzt total albern vor. Er schloss die Augen und küsste seinen kleinen Menschen.
„Wir sollten uns endlich einmal aussprechen. Aber dies ist nicht der Ort und nicht die Zeit dafür.“ Er löste sich vonnHarvey und drehte ihn sanft um, um sich um seinen Rücken zu kümmern.
Als er fertig war, kehrten sie ins Klassenzimmer zurück. Nilas Kumpel, der vorhin neben ihm gesessen hatte, hatte den Platz gewechselt und sich neben Mircella gesetzt. Der Platz neben Nilas war also frei. Frei für Harvey.
Diese und noch eine Stunde mussten sie hinter sich bringen. Dann hatten sie eine Freistunde und eine längere Nachmittagspause.

Harvey hatte sich seinen ersten Kuss nicht so vorgestellt. Nicht in einem vollgestellten Büro, während alle seine Klassenkameraden sich fragten was er machte; nicht mit halbnackten Oberkörper und besonders nicht so glücklich. Er hatte sich immer Romantik gewünscht, vielleicht mit ein wenig Kerzenschein und im gedämpften Licht, doch reichte Nilas aus, um ihn voll und ganz glücklich zu machen.
"Wir könnten sie uns nehmen", wandte er zaghaft ein, konnte aber verstehen, dass Nilas wieder in den Klassenraum musste.
Er selbst wollte nicht wieder zurück gehen, denn das würde bedeuten, dass er eine Stunde lang nicht mehr bei ihm sitzen würde. Dennoch ließ er sich verarzten und hätte sich am liebsten an Nilas geschmiegt, als sie den Klassenraum wieder betraten. Sofort richteten sich alle Blicke auf sie und Harvey widerstand dem Drang, zu Nilas aufzublicken. Stattdessen hielt er Ausschau nach Mircella, und erkannte zu seinem Erstaunen, dass sein Platz belegt war. Mit einem kleinen, zufriedenen Lächeln blickte er zu Nilas Platz und erkannte, dass ein weiterer Platz freigeworden war. Dennoch wartete er darauf, dass Nilas vorging, um sich zu setzen.
Dem Menschen fiel es schwer, sich die nächsten Stunden auf etwas anderes als auf Nilas zu konzentrieren, doch schaffte er es, sich nicht an ihn zu schmiegen, so, wie er es eigentlich die ganze Zeit wollte.

Seltsamerweise störte es Nilas in kleinster Weise, dass alle ihn und Harvey anstarrten. Er war der erste aus seiner Generation, die einen Menschen an sich band und tatsächlich gemäss er die Bewunderung in ihren Blicken.
Es schien ewig zu dauern bis die Stunden vorüber waren. Als es endlich soweit war und es zum Ende klingelte, packte Nilas seine Sachen zusammen. Er stopfte sie in seine Tasche, stand auf und reicherte sie Harvey. „Trägst du die für mich?“ fragte er. Da er sich Zeit gelassen hatte, waren sie fast alleine im Klassenzimmer. „Wollen wir uns in der Cafeteria was holen und uns dann irgendwohin verkrümeln?“