RE: Exit - No Escape - 4

Um ehrlich zu sein, wollte Leif gerne noch bleiben. Soo spät war es doch noch gar nicht. Jetzt war er schon mal hier, so eine Gelegenheit bot sich ihm sicher nicht alle Tage. "Du hältst mich nicht auf. Ich meine, ich will mich dir auch nicht aufdrängen. Es ist nur... Also ich hatte heute auch eine Menge Spaß und vielleicht, also nur wenn willst, können wir das ja mal wiederholen." Oh Gott, er hatte es gesagt. Jetzt bloß nicht rot werden! Hier gab es keine flackernden bunten Lichter, die seine Gesichtsfarbe überspielte. Aber jetzt wo es ausgesprochen war fühlte sich Leif etwas leichter und mutiger. "Hunger hab ich keinen, das geht schon." Eher Schmetterlinge im Bauch. So glücklich wie heute war er lange nicht mehr gewesen. Na gut, das Ende des Barbesuches war auch toll, aber sonst. Er durfte Lysandre nahe sein, in seinem Haus! "Sag mal... Wie viele haben dich hier schon besucht?", rutschte es aus ihm raus und sofort hielt sich Leif die Hand vor den Mund. Was für eine dämmiche Frage!

"Mir hat es auch Spaß gemacht, du warst eine große Hilfe!", lobte Lysandre und deutete auf das gezeichnete Skelett und die Handstudie. "Ich hab viel mehr geschafft als sonst!" Er räumte die Blätter sorgsam und vorsichtig in eine Mappe und räumte dann diese mit dem Zeichenzeug in eines der Regale. "Du isst ja kaum was, wie überlebst du denn?", lachte er und nickte dann. "Gerne. Schlag du nächstes Mal eine Zeit und einen Tag vor!" Auf die Frage musste er lächeln. War der Kleine eifersüchtig? Wie süß, er hatte seine Ängste und scheue überwunden für diese Frage hatte es sicher eine Menge Mut gebraucht. Er musterte das Sofa. Wie viele Mädchen hatte er sich drauf schon genommen? Sehr sehr viele. Sie bedeuteten ihm wenig, eine Zahl, die er vergaß, ein Gesicht, das nach dem Höhepunkt unwichtig wurde. Lysandre zuckte die Schultern. "Nur ein paar Kommilitonen. Ich habe eine Lerngruppe. Wenn man zusammen lernt, ist es lustiger! Und ein Kumpel kommt hin und wieder Abends!"

Das mit dem Essen war ein schwieriges Thema für Leif, deswegen setzte er lediglich ein dünnes Lächeln auf, das überspielen sollte wie ihn diese Aussage innerlich angegriffen hatte. Er musste zuhause unbedingt was essen... Aber er wollte noch nicht gehen, dann würde er auch nichts essen. Er wollte hier bleiben. Am liebsten einfach für immer. Bei seinem geliebten Lysandre... "Wie sieht es bei dir übermorgen aus?", fragte er zögernd und sich selbst, ob das jetzt zu aufdringlich war gleich in zwei Tagen das nächste Treffen zu erfragen. Aber gerade lief es so gut, also warum einen Rückzieher machen? Leif hatte endlich mehr erreicht als er es sich hätte träumen können. Sein Blick folgte dem von Lysandre zu der Couch. Eine Lerngruppe also. Passte irgendwie zu ihm. Aber das war nicht die Antwort auf seine Frage und Leif fragte sich, ob Lysandre überhaupt wusste, welche Information er sich dadurch von ihm erhoffte. Natürlich hätte er auch ganz direkt fragen können, wie viele Dates er schon mit hier her genommen hatte. Hätte... Aber er traute sich nicht. In direkt war Leif noch nie gut gewesen. Etwas nervös spielten seine Finger an dem Henkel seiner Stofftüte. Die waren fertig... Es gab keinen Grund mehr für ihn hier zu bleiben, doch seine Füße blieben wie festgewachsen an ihrem Platz stehen und sein Mund fühlte sich auf einmal furchtbar trocken an. "Kann ich... was zu trinken?", fragte er daher etwas kratzig.

Uh. Der Kleine kam näher. Sehr schön, das Spinnennetz zog sich enger um ihn, bis er nicht mehr entkam, und das konnte er kaum noch erwarten... Er nickte. "Aber erst am 3 Uhr, ich muss noch eine Sitzung des Unirates hinter mich bringen!", meinte er lächelnd. "Ich freu mich schon!" Er schmunzelte in sich hinein. Klar wusste er, was der Kleine anzudeuten versuchte, die Antwort hätte ihm nur nicht gefallen. Er hatte mit fast jedem Mädchen, das die Uni hatte, geschlafen und keiner wusste, dass er schwul war. Alle verehrten sie ihn, hoben ihn fast in den Himmel, doch keiner kannte den wahren Lysandre. Dieser lächelte jetzt Leif zu und nickte. "Wasser, Cola, Limo? Bier?", fragte er und zwinkerte beim letzten neckisch.

Wann sie sich treffen würden war völlig egal. Hauptsache es gab überhaupt ein nächstes Treffen und so wie Lysandre reagierte würde es auh stattfinden. "3 Uhr ist super. Ich freu mich auch!" Hoffentlich hörte man ihm seinen Enthusiasmus nicht allzu deutlich an. Das wäre peinlich. Schnell ein anderes Thema. "Ähm... Cola ist gut", sagte Leif schnell. Besser er trank heute keinen Alkohol, sonst fing er wieder an zu reden, was Lysandre eigentlich gar nicht hören sollte. Das hieß, noch nicht. Leif würde ihm gerne sagen, was er empfand, doch die Anst zurückgewiesen zu werden war einfach zu groß, als dass er sich dazu entschließen konnte frei von seinen Gefühlen zu sprechen und sich diese Last von den Schultern zu nehmen. Nur ein mal den Mund aufkriegen, dann wäre es raus. Nein nein nein! Das konnte er nicht. Wieder nervös fuhren seine Finger unter seinen Ärmel. Leif neigte dazu in solchen Situationen, wenn er sich psychisch unter Druck gesetzt fühlte, den Schorf seiner verheilenden Wunden wieder aufzukratzen. Das passierte immer unterbewusst und er bekam es erst mit wenn seine Finger sich feucht anfühlten...

Lysandre hatte durch den aggressiven Vater gelernt, seine Umwelt genauestens zu betrachten und Menschen zu lesen. So tat er es auch mit Leif. Er sah die Freude und Hoffnung wegen des Treffens und grinste in sich rein. Wie ein naives junges Reh näherte er sich der Falle. Lysandre ging zu dem Tisch, öffnete die Flasche vor sich und schenkte ihm die Cola in ein Glas. Der Kleine schien tief in Gedanken.. und unruhig. Seine Finger wanderten unter den Ärmel. Hatte er doch richtig gesehen und Selbstverletzungsnarben? Instinktiv fing der Ältere die Hand auf und zog ihn näher zu sich. Die Geste hatte etwas dominantes und energisches. Lysandre schob den Ärmel des Hemdes zurück und sah auf die Narben. Tatsächlich. Parallele, tiefe Schnitte, viel zu gesetzt um Zufall zu sein. Der Dunkelhaarige schob die Hand weg von dem Schorf und nahm sein Schaltuch ab. Dieses tunkte er in desinfizierende Flüssigkeit. Dann wickelte er es um die verletzte Hand. "Tu das nie wieder!", meinte er nachdrücklich und sah ihn eindringlich an.

Der plötzliche Ruck durch seinen Arm kam dann doch unerwartet. Leif schnappte erschrocken nach Luft, hob seinen Blick und sah direkt in Lysandres dunkle Augen, die einen Ausdruck angenommen hatten, welcher ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Auf einmal war er ihm so nah und dieser Blick... Oh Gott. Völlig gebannt hatte Leif die Luft angehalten und wohl vergessen zu atmen. Er war nicht im Stande Lysandre davon abzuhalten seinen Ärmel hochzuziehen und damit seine Narben, für die er sich zutiefst schämte, freizulegen. Augenblicklich verkrampfte er sich, wollte sich aus dem Griff losreißen und davon rennen. Aber soweit kam er überhaupt nicht. Lysandre war überraschend stark und hatte ihn fest im Griff. Wie paralysiert beobachtete Leif, wie sein Schwarm seine aufgekratzten Wunden mit einem Tuch verband und zischte vor Schmerz auf. Das Desinfektionsmittel brannte höllisch in dem offenen Fleisch. Schnell nickte Leif. Vielleicht irrte er sich auch, doch in seinen Ohren klangen Lysandres Worte wie eine Drohung, die er unter keinen Umständen wahr machen wollte. Andererseits kannte Leif sich selbst... Er konnte diesen Drang nicht abstellen, nicht einfach so. "Ich... Ich geh jetzt besser", stemmelte er mit trockenem Hals, wich von Lysandre zurück und seinem Blick aus unter dem er weiche Knie bekam. Seit wann hatte der Dunkelhaarige so eine herrische Art?

Sein Blick hatte wohl gewirkt. Der Kleine leistete kaum widerstand, als er ihn verarztete. Lysandre sah zu ihm. "Kleiner, tu das nicht wieder. Ich mein es ernst. Du verletzt dich völlig ohne Grund und hast Aggressionen gegen dich." Er legte die Hand auf seine Schulter. Fest aber sanfter. "Ich will, dass du mir das versprichst, und mir deine Arme jeden Abend fotografierst und zeigst!" Er wusste, dass er es nie einem Arzt zeigen würde, das perfekte Druckmittel. "Oder willst du zu einem Arzt?" Er sah ihn eindringlich an. Nein. Wenn ihn jemand verletzen würde wäre er es.

Was? Leifs Augen wurden ungläubig größer. Er sollte Lysandre jeden Abend seine Arme fotografieren? Die Hand auf seiner Shulter, die ihn wohl beruhigen sollte, fühlte sich mit mal an wie ein Stein, der ihn immer weiter runter drückte. Er schüttelte den Kopf. Unmöglich. "Das... Ich kann das nicht", widersprach er, legte seine Hand über den provisorischen Verband. Lysandre würde etwas sehen, was er nicht sehen wollte. Aber zu einem Arzt wolte Leif auch nicht gehen. Schon während seiner Jugend hatte er eine tiefe Abneigung gegen Psychotherapeuten entwickelt. Der erste, bei dem er war hatte ihm nicht richtig zugehört. In Wirklichkeit aber hatte er einfach ein Problem mit seiner Sexualität gehabt und den damals zwölfjährigen Leif deutlich spüren lassen. "Ich geh nicht nochmal zum Arzt...", murmelte er wie in Trance und schüttelte erneut, diesmal aber langsamer den Kopf.

"Dann zeug mir deine Arme, mein Junge! Du weißt, dass ich das nur will, dass du dich nicht weiter verletzt!" Er strich über seine Schulter. "Du willst doch nicht, dass du mal zu tief schneidest und verblutest? Was, wenn dich keiner findet! Willst du schon diese Welt verlassen?" Er strich über den Verband. "Lass ihn drauf und zeig mir auf Bildern, dass du es dir anders überlegt hast!", wies er erneut an. Er würde da nicht mit sich reden lassen. Der Kleine sollte damit aufhören, sich zu hassen, den Schmerz so zu wollen. Er wollte ihn sich langsam holen, von ihm Besitz ergreifen und nicht ständig aufpassen, dass er sich nicht aufschlitzte.

Natürlich wusste Leif, dass Lysandre nur das Beste für ihn wollte. Wer beführwortete es auch schon, dass sich jemand selbst verletzte? Geschlagen nickte er. Im Grunde kannte er jedes Argument schon selbst und ja, ganz ungefährlich war es nicht, aber Leif hatte ja auch nie die Absicht sich wirklich umzubringen. "Ist gut...", gab er sich geschlagen, zog den Kopf ein und krallte die Finger um sein Handgelenk. Trotz allem hatte er immer noch das Bedürfnis zu verschwinden, alleine zu sein und sich wieder zu beruhigen, was letzendlich bedeutete genau das zu tun was er soeben verboten bekommen hatte. Wenn er jetzt ging, würde er bereits heute Abend verlieren. Leif nahm all seinen Mut zusammen etwas zu fragen, was ihm sonst nie über die Lippen gekommen wäre. "Dann lass mich jetzt nicht alleine... Bitte. Ich will nicht nach Hause." Seine Stimme war leise, zitterte leicht vor Unruhe. Alleine bei dem Gedanken an seine kleine Studentenwohnung wurde ihm kalt.

Lysandre sah die Unruhe in ihm und zog ihn nahe an sich heran. Sein Kleiner würde ihn als Beschützer aber auch neue lenkende Kraft erkennen müssen. "Ich bin da, du bist stärker als der Wille, dich zu verletzen, dass weißt du!" Er strich durch sein Haar und zog ihn sanft zu der Couch. "Beruhige dich erstmal und atme tief durch!" Er nickte auf seine Bitte und reichte ihm eine Decke. "Erst beruhige dich, wir finden eine Lösung, das verspreche ich." Interessant. Diese SVV- Sache trieb ihn in seine Arme und er wirkte nicht mal böse, wenn er ihm etwas befahl. Es schien immer zu seinem Besten

Dankbar schlang Leif die Decke um sich. Er musste sich endlich beruhigen. Es war schon peinlich genug wie er hier in Lysandres Gegenwart so abklappte, da konnte er keinen Nervenzusammenbruch gebrauchen. Es wussten einige was er tat, aber niemand hatte bosher s reagiert wie Lysandre und das verunsicherte ihn. Er war so besorgt um ihn, aber ohne mitleidig dabei rüber zu kommen. Eher wirklich ernsthaft darum bemüht ihm zu helfen und das rührte Leif. Lysandre war so ein guter Mensch und er nutzte ihn hier so schamlos aus. "kann ich das wieder gut machen? Ich mache dir sicher total die Umstände." Einen psychisch angeschlagenen Jungen bei sich behüten, der heimlich auf einen stand. Wenn er das herausfand konnte Leif sich gleich begraben gehen.

Lysandre stand hinter dem Junge auf dem Sofa und legte das Kinn auf seinen Kopf, die Arme um ihn geschlungen. Irritiert hob er den Kopf, als er die Entschuldigung hörte. "Wofür denn? Du tust nichts, was Umstände macht. Du erschrickst mich nur mit deinem Hass auf dich selbst" Er strich über seinen Rücken, und klopfte aufmunternd auf die Schultern. "Darum bitte ich dich auch um diese Bilder!", meinte er eindringlich. Er ahnte längst, dass Leif auf ihn stand und würde dies gut nutzen

Etwas erschrocken über die erneute so vertraute Berührung zuckte Leif leicht zusammen. Es war genau das was er sich wünschte und doch so unwirklich. Bildete er sich hier möglicherweise auch nur etwas ein? Etwas benommen nickte er zustimmend. Ihm war egal, ob er sich und Lysandre gerade belog, er wollte diesen Moment einfach auskosten. Zögernd, aber mutiger geworden, lehnte er seinen Kopf nach hinten gegen die Brust seines Schwarms. "Ich mache dir die Bilder", sagte er Lysandre zu und legte den Kopf ein Stück in den Nacken um von innren nun zu ihm aufsehen zu können.