RE: Exit - No Escape - 5

"Gut so!", lobte der junge Mann leise und sah zu dem Kleineren hinunter. Er musste sehen, wie tief er in der Selbstverletzung steckte. Von den anderen Problemen wusste er noch nicht. Er nahm sich jedoch durch, die Sache mit den Fotos streng und konsequent durchzusetzen, da er nicht wollte, dass der Junge allein in einer Kammer verblutete. Außerdem konnte er ihm so näher kommen und das Vertrauen erlangen, ehe er sich langsam ihn holte.

Sollte er es ihm einfach sagen? Gott, es wäre alles so viel einfacher, wenn er nur endlich mal den Mund aufkriegen würde, doch seine Lippen blieben verschlossen. Eine schmale, leicht gekräuselte Linie, mehr nicht. Leif konnte nicht hier bleiben ohne völlig den Verstand zu verlieren. Lysandres Nähe sorgte dafür, dass sich sein Körper unaufhaltsam erhitzte und langsam wanderte diese Hitze in südliche Regionen. Nicht gut! Hastig stand Leif auf und sagte schnell "Ich muss los. Wir-wir sehen uns- Ähm, übermorgen?" Bis dahin musste er seine unkontrollierten Hormone endlich in den Griff kriegen.

Er blieb hinter dem Sofa stehen und sah den Jungen verwirrt an. "Ähm...sicher doch. Bis dann!", lächelte er, als er sich wieder gefangen hatte, und begleitete ihn zu der Tür. Dort winkte er ihm nach, bis er aus der Tür war, dann schloss er die Tür und dachte nach. Was war das gerade gewesen? War er ihm zu nah getreten oder war es seine übliche Unsicherheit? Dieser Junge faszinierte ihn immer mehr und so trat er lächelnd zurück in das Wohnzimmer und sah auf sein Handy. Auf das Bild würde er noch immer bestehen..

Schnell setzte Leif einen Fuß vor den anderen. Weiter, immer weiter bis zu seiner eigenen Haustüre. Er war beim besten Willen kein guter Läufer, seine Ausdauer miserabel und dementsprechend schleppend ging seine Atmung. Normalerweise hätte Leif gar nicht so lange durchgehalten, wenn er nicht das Gefühl gehabt hätte, ihn würde etwas verfolgen. Lysandres Augen in seinem Rücken, deren Blick sich durch ihn durchgebrannt hatte und genau sah, was Sache war. Leif war paranoid, etwas vielleicht. Erst nachdem er die Tür hinter sich zugezogen hatte, atmete er erleichtert auf. In seinen kleinen vier Wänden fühlte er sich halbwegs sicher. Dafür setzte bei ihm das bekannte Gefühl von Übelkeit ein, dass er schnell schluckte. Nicht jetzt schon... Er musste noch was essen heute, sonst bekam er in der Nacht wieder einer Attacke und verbrachte dann wieder gefühlte Stunden über der Schüssel. Dabei konnte er den Schlaf wirklich gebrauchen. Die Bilder, genau. Am besten das erledigte er gleich, damit war er auf der sichereren Seite. Leif zog seine Ärmel hoch, machte abwechselnd ein Bild von seinen Armen und musterte sie. Er hatte kein Licht angemacht, dadurch wirkte der Hintergrund dunkler, da er sowieso immer die Rollläden unten hatte. Konnte durchgehen als Abend. Jetzt würde er nur noch ein paar Stunden warten und die Bilder Lysandre dann schicken. Es waren nur die leichten Kratzspuren von heute Mittag zu sehen, sonst nichts. Gut so. Damit hätte er für heute schon mal vorgesorgt. Aber was war mit morgen? Und den nächsten Tagen? Mist! Aber dann kam Leif eine Idee. Schnell zog er sich um, wechselte den Raum und machte noch ein Foto. Das war für morgen. So schoss er noch sechs weitere Bilder und deckte sich damit für die Woche ein. Sollte fürs erste reichen. Danach musste er sich was anderes überlegen. Seufzend setzte Leif sich auf sein Bett, das gleichzeitig sein Sofa war und sah auf die Uhr. Kurz nach acht inzwischen. Er schickte Lysandre das erste Bild von heute. So. Jetzt musste er noch eine Kleinigkeit essen und dann ins Bett gehen. Morgen war wieder Uni.

Lysandre beschloss, noch etwas zu zeichnen. Der Gedanke an den Jungen schien seine Finger zu lenken und so wurde es kein weiteres Anatomiebild. Es zeigte mehr. Zeigte seine Neigungen und was er heimlich mit ihm getan hätte. Zu sehen war ein kniender Junge von Hinten, Hände auf den Rücken gefesselt und den Kopf vorgebeugt. Hintern und Schenkel zierten längere Striemen. als Lysandre merkte, was er da gezeichnet hatte, schlich sich ein Lächeln auf seine Wangen und er begann, Leifs Gesichtszüge hinzuzufügen, dass es mehr nach ihm aussah. "Oh du gefällst mir kleiner!", murmelte er grinsend. Dann sah er auf sein Handy, dass piepte. Ein Bild. Gut. Gut, dass du dran denkst, schlaf gut, bis übermorgen antwortete er zufrieden und musterte das Bild zufrieden. Er beschloss, es morgen zu rahmen und in sein Zimmer zu hängen.

Mehr als pünktlich stand Leif zwei Tage später vor Lysandres Tor. Vereinbart hatten sie drei Uhr, doch er war bereits eine halbe Stunde früher dran. Nach der Uni war Leif schnell nach Hause zum duschen und im Anschluss sofort mit der Bahn weiter. Nun stand er hier und wartete. Lysandre hatte ja diese Besprechung in der Uni und er wusste nicht, wann er damit fertig sein würde. Die Warterei wäre vermutlich nur halb so schlimm, wenn nicht die alte Dame von gegenüber vor ihren säuberlichst gepflegten Blumenbeeten stehen und ihn nicht aus den Augen lassen würde. Sie verzog keine Miene und doch könnte man ihr deutlich ansehen, dass sie ihm nicht über den Weg traute. Leif gehörte eben nicht hierher. Doch in ihrem steinernen Blick lag noch etwas anderes, was Leif nicht ganz zuordnen konnte. Sorge? Aber weswegen? Dachte sie etwa, er würde über ihren Zaun klettern und ihre heiligen Blumen niedertrampeln? Also bitte. So schlimm sah er nun auch wieder nicht aus. Okay, naja... Leif nahm sein Handy raus und sah auf die Uhr. Kurz nach drei. Lange konnte es also nicht dauern, bis Lysandre kam.

Lysandre saß im Konferenzraum der Univorstandsschaft und hörte den Gesprächen zu den neuen Sanierungsplänen der Uni nur halb zu. Während er an seinem Kuli knabberte, dachte er an Leif und das bevorstehende Treffen. Wie es ihm wohl ging? Laut der Bilder hatte er sich nicht geschnitten, er hatte täglich eines bekommen... Was er wohl tun wollte? Hmm, sie könnten Kuchen essen gehen, oder Bowlen. Im eigenen Partyraum hatte er eine Bahn. Es war bestimmt schön, mal wieder mit jemand zu spielen.... Auf mehrere Weisen... Lysandre grinste und öffnete seine Sammelmappe mit den Notizen der Sitzungen. Im hintersten Fach lagen seine Skizzen, wie das Bild, dass er nach Leifs Besuch gemalt hatte. Er strich über die feine Silouhette des Kerls auf dem Bild und malte sich aus, Leifs zarte haut zu streicheln. Während er so in Gedanken versunken dasaß, schloss der Sitzungsführende die Besprechung und Lysandre weckte das Rumpeln der Stühle. Er schreckte auf und erhob sich, blickte auf die Uhr. Bald 3! Er lief los , das Treffen wollte er nicht verpassen. Natürlich waren die Straßen überfüllt und er kam um zehn nach erst an. "Tut mir leid. Diese verdammte Sitzung!", meinte er zu Leif, der schon wartete

Als Leif die schlanke Gestalt von Lysandre die Straße entlang kommen sah hellte sein Gesicht sich sofort auf. Da war er. Sein Herz schlug schneller vor Vorfreude. Während er nur Augen für den schwarzhaarigen Traum hatte, bemerkte er gar nicht wie die ältere Dame von gegenüber mitleidig das graue Gesicht verzog und in ihrem Anwesen verschwand. Sie schloss die Tür und ließ ihre Vorhänge vor die Fenster fallen. Leif war wieder alleine, aber nicht mehr lange. Lysandre war da, stand endlich vor ihm. "Hi", erwiderte er fröhlich und setzte ein Lächeln auf. "Ich hab nicht lange gewartet", schwindelte er ein bisschen, aber er wollte Lysandre nicht in Verlegenheit bringen. Er hatte schließlich gerne hier auf ihn gewartet und seinen Tagträumen nachgehangen. Träume, in denen er in Lysandres Armen lag, umschlungen, geliebt und... Jetzt bloß nicht rot werden!, mahnte er sich selbst. Das war reines Wunschdenken. Wenn er sich zu sehr darauf versteifte würde er am Ende nur bitter enttäuscht werden. "Wie war die Sitzung?", erkundigte Leif sich, nicht unbedingt aus Interesse, aber um sich von seinen Fantasien abzulenken.

Gut. Der Kleine war gekommen. Er hatte kurz Sorge gehabt, dass er nach seinem dominanten Auftreten am Ende doch noch verschreckt war. Lysandre lächelte ihm zu. "Alles gut, die Uni überlegt, die Kantine auszubauen!", erzählte er von einem der Tagespunkte, während er den Schlüssel aus seiner Tasche kramte und aufschloss. "Vielleicht gibt es bald auch besseres Essen!", meinte er und ließ Leif eintreten. "Und? wie geht es dir? Gibt`s was neues?". erkundigte er sich und hängte seine Jacke auf. "Ich hab noch Donuts, wenn du willst?"

Leif folgte ihm hinein. Noch immer hatte er beim Betreten dieses Anwesens sowas wie ein schlechtes Gewissen. Er passte einfach nicht hier her. "Mir geht es gut", antwortete er ehrlich. Seit er sich Lysandre genähert hatte ging es ihm tatsächlich besser. Er konnte endlich mit seinem Schwarm sprechen und war ihm näher als je zuvor. Das war mehr als er erwartet hatte und es stimmte ihn wirklich glücklich. Dennoch lehnte er das Angebot mit den Dounats dankend ab. Auch darüber, dass es bald besseres Essen in der Kantine geben würde konnte er sich nicht so ganz begeistert. Egal. Ihm fiel die Nachbarin ein. Ob er Lysandre wegen ihres eigenartigen Verhaltens fragen sollte? Andererseits... Sie war eine ältere Dame, da war so was vielleicht doch normal. Bekam Lysandre sonst keinen Besuch? "Was hast du heute vor?", erkundigte sich Leif stattdessen.

"Du bist so still, ist alles gut?", fragte er und drehte sich zu ihm um. Zwar kannte er ihn ruhig und zurückhaltend aber heute schien es besonders. "Freut mich, das zu hören!", lächelte er und biss von einem der Donuts ab. Süß sah er wieder aus. So schüchtern, jung.... Lysandre setzte sich und musterte ihn. "Ich wollte sehen, worauf die Lust hättest? Sollen wir hier reden oder willst du in ein Cafè? Oder Kino? Am Abend könnten wir wieder zu der Bar, oder Bowlen?" Er hätte einige Ideen, mit dem Kleinen war es sicher lustig und er wollte auch, dass er ihm zu trauen begann..

"Ich... Ähm, ja. Alles gut." Sah man es ihm wirklich so deutlich an, dass ihm was durch den Kopf ging? Lysandre hatte es auf jeden Fall bemerkt. "Wir können gerne in ein Café gehen. Allerdings wäre es mir lieb, wenn es ein kleiner Laden ist. Wegen der vielen Leute, also..." Zu viele Menschen, die er nicht kannte machten Leif nervös. Allerdings konnte er sich wegen dieser Ängste auch nicht in seiner Zweizimmerwohnung verbarrikadieren. Auch wenn er das manchmal wirklich gerne tun würde. "Wir haben morgen wieder Uni, ich weis nicht ob es klug ist, abends dann nochmal wohin zu gehen", äußerte Leif seine Bedenken, obwohl er wirklich gerne mit Lysandre mehr Zeit verbringen wollte.

"Mach dir keine Sorgen, jeder ist mal in Gedanken. Falls was wäre, sag bescheid, ja?", meinte er und sah auf die Uhr auf dem Handydisplay. 15.17 Uhr. Sie hatten noch recht früh. "Ich kenne ein Café in der nähe, es ist wunderbar, und auch recht klein" Lächelnd nickte er ihm zu. "Dann bist du da wohl vorbildlicher als ich. Ich gehe oft noch abends aus." Und langweilte sich. Die Mädels, die hinter ihm her waren, interessierten ihn nicht, er wollte was interessantes. Und Leif weckte sein Interesse immer mehr, da er stets etwas unausgesprochenes um sich zu haben schien und seine Scheu war so unglaublich niedlich. Immer wieder stellte Lysandre ihn sich in seinem Spielzimmer vor. Nackt, festgebunden und seinen Händen ausgeliefert.

Oh je. Wirkte er jetzt wie ein Spießer weil er sich Abends nicht um die Häuser trieb? Leif wollte auf keinen Fall den Eindruck einer Spaßbremse und eines Strebers vermitteln. "Nein! Ich meine... Also, wir können schon was danach machen. Ich war nur davor sonst nie noch weg, deswegen...-" Und wieder verhaspelte er sich. Wie er es hasste seine Stimme nicht im Griff zu haben und zu stottern, weil sein Mund schneller war als sein Kopf. Leifs Finger klammerten sich um seine Jacke, die er noch in den Händen hielt. Falls sie gleich weiter wollten musste er sie ja nicht aufhängen. Außerdem hatte er so etwas an dem er sich festhalten und seine unruhigen Finger beschäftigen konnte.

Er schmunzelte. Hm. Vielleicht konnte er ihn ja so lenken, dass er mit ihm ging, eine Weile blieb und sogar genug trank. So könnte er ihm Vertrauen vorheucheln und Leif würde tiefer in sein Netz geraten. "Nein, wenn es dir zu spät wird, musst du nicht, ich dachte nur, es wäre lustig gewesen!", meinte er freundlich nicht ohne List. Diesen Jungen zu manipulieren, wäre wohl einfacher als er gedacht hatte