Geschichten Oktober - Dezember 2018 » Insel der Monster

Priapa, eine sagenumwobene Insel mitten im Ozean.
Man weiß nicht viel, außer dass die Insel angeblich von einem bösen Overlord beherrscht wird, der das Land mit seinem Monstern unterjocht.
Deswegen findet man auch immer wieder Aushänge, in denen nach mutigen Helden gesucht wird, die sich der Gefahr stellen und die bösen, bösen Monster bekämpfen. Natürlich gegen Gold oder anderen Kram.

Willkommen in Priapa.
Betreten auf eigene Gefahr.
Vorsicht: Monster ins Brunst kreuzen.

"Blebt vord menssen"
Das mit roter Farbe (hoffte man jedenfalls...) beschriftete Schild, das über den Ortsnamen des heruntergekommenen Dorfes gekritzelt war, verhieß nichts Gutes. Priapa hatte längst nicht mehr den Ruf als Wiege der Götter, wo die sagenhafte Quelle der Weisheit lag (wahlweise auch Schatz des Schicksals oder Schlucht des unendlichen Goldes genannt...). Was auch immer sich hier verstecken mochte, die Leute waren scharf darauf. Und so landeten noch heute wagemutige Helden und Abenteurer von allen Inseln an den steilen Küsten dieses Eilands - nur um dann nie wieder gesehen zu werden.
Das erste, was Kastor überblickte, war das heruntergekommene Hafenbecken. Viele Gebäude waren verwaist oder halb verfallen und nur wenige Leute tummelten sich hier. Die Schiffe verfaulten im Hafenbecken, halb versunken oder aufgebockt auf Sandbänken. Sie sahen ausgeschlachtet aus. Das einzig schöne Schiff hier war sein eigenes, die Adamanteia, Leihgabe des Herzogs in seiner Heimat. Dort war er recht bekannt. Sohn eines bekannten Kriegshelden, meisterlicher Bogenschütze, Brecher vieler Herzen... Kastor hatte für seine 19 Jahre bereits einiges hinter sich und war bereit gewesen für ein neues Abenteuer. Keinesfalls würde ihn diese Insel in die Knie zwingen. Er war ein Held. Von den Göttern auserwählt. Die konnten ihm ruhig kommen!

Kastor wanderte durch sie Stadt. Das beeindruckendste war die Stadtmauer, auch wenn sie an mindestens zwei Stellen eingebrochen war und provisorisch mit Schutt und Holzpalisaden aufgefüllt waren. Viele Gebäude waren, heutzutage brauchte man mehr Farmer draußen auf dem Feld als Handwerker und Bürger in der Stadt.
Eines der wenigen Gebäuden, die erschreckend gut in Schuss waren und das auch noch sehr belebt schien, war der Seehengst. Offenbar das einzige Gasthaus der Stadt, wo man keine Angst haben musste, dass man in der Nacht erdolcht wurde. Also Fand sich Kastor früher oder später dort ein.
Ein Junge mit flammend rotem Haar in weiten Leinenhosen und bloßen Oberkörper trat an seinen Tisch und lächelte ihn an.
"Hallo Fremder, was kann ich dir bringen?"

Kastor setzte sich an den Tisch und setzte den Bogen an seine Seite auf den Boden, musterte den Rotschopf neugierig.
"Bier. Aber starkes! Und dann sag mir mal, warum es hier so aussieht. Dieser Hafen ist ja eine Katastrophe."
Er lehnte sich zurück und sah sich im Schankraum um. Soweit nichts Ungewöhnliches. Und das war in dieser Stadt besonders ungewöhnlich.

"Kommt gleich."
Der Junge verschwand zur Theke und kam bald darauf zurück.
"Hier bitte." Er stellte ihm einen Humpen und einen kleinen Tonbecher mit klarer Flüssigkeit hin. "Das hier hier ist echt mies. Wenn du was starkes willst, kipp den Schnaps rein."
Der Junge lehnte sich ihm gegenüber an die Wand.
"Und mit der Stadt geht es schon lange den Bach runter. Die ehemaligen Einwohner sind entweder von Monstern getötet oder entführt wurden. Danach kam der Handel zum erliegen, wir mussten uns mit Nahrung versorgen und viele sind aus der Stadt aufs Land gezogen. Dazu kommt, und frag mich bitte nicht warum, dass Frauen mittlerweile Mangelware werden. Neun von Zehn Geburten sind hier Jungs. Also schrumpft die Bevölkerung weiter. Und außer Abenteurern kommt hier auch kein einer her. Nichts für ungut, ich bin froh über jeden, der uns die Viecher da draußen vom Leib hält."

"Merkwürdig. Klingt wie ein Fluch", gab der junge Krieger zu und zuckte mit den Schultern. Flüche hatte er noch nicht so viele gebrochen. Gerade mal acht. Da war er nun wirklich kein Experte. Probehalber kippte er den Krug an seine Lippen, verzog jedoch das Gesicht. E sstimmte: Das Bier war wirklich nicht gut.
"Also gut, dann eben der Schnaps. So, wenn Monster das Problem hier sind, dann werde ich euch schnell Abhilfe schaffen. Von wo kommen sie in der Regel?"

"Also, die Gerüchte sagen, dass sich irgendwann ein böser Magier in dem Tempel auf der Spitze des Berges eingenistet hat. Aber ob das wahr ist ... keine Ahnung. Unser Chronist ist schon vor vielen Jahren mit dem gesamten Stadtarchiv verbrannt. Also keine Ahnung ob das ein Fluch ist. Die gesamte Stadt ist mittlerweile so magisch begabt wie ne Kartoffel."
Der Junge legte den Kopf in den Nacken und lachte."
"Von wo kommen die Monste nicht? Hippocampen im Wasser, Minotauren in den Bergen, Wolfsmenschen in den Wäldern, Gnolle in den Ebenen, Nagas in den Sümpfen. Such dir was aus! Wenn du glaubst, was töten zu können, nur zu! Ich bin voll auf deiner Seite!"

"Schön... Da kommt ja einiges auf mich zu", grinste der junge Held selbstbewusst. Er würde dieses Nest in Nullkommanichts monsterfrei gehalten haben. Er kam sich vor, wie ein Kammerjäger. "Zeig mir nur den Weg zu diesem Bergtempel. Womöglich sollte man sich dort zuerst umsehen."
Hach... Überall war er gefragt. Es konnte wohl nicht genug von ihm geben.
Er erhob sich und schulterte den Bogen. "Ich werde mir einen Überblick verschaffen."

"Also, der Tempel ist, angeblich, auf dem Gipfel des höchsten Berges. Ihr werdet ihn leicht finden. Es ist der mysteriöse, wolkenverhangene. ....Wartet!"
Der Junge sprang auf und folgte ihn.
"Es wird langsam dunkel. Wollt Ihr wirklich noch heute da raus? Wir hatten schon lange keinen echten Helden mehr hier. Und ich würde wirklich allllles tun, um Eure erste Nacht hier so angenehm wie möglich zu gestalten. Es könnte die letzte sein. Wollt ihr nicht lieber noch etwas trinken und Euch danach in ein schönes, warmes Bett legen?"

"Wenn ihr mir keine Huren mit prallen Brüsten spendieren wollt, könnt ihr nichts tun", grinste der junge Mann selbstbewusst und schlug dem Jungen kumpelhaft auf die Schulter. "Keine Sorge. Ich habe nicht vor, heute noch aufzubrechen. Doch ein kleiner Überblick über das Gelände kann nicht schaden. Ich will nicht im ersten Sumpf von Schlangenleuten unter Wasser gezogen werden."

"Vor der Stadt sind ein paar Bauernhöfe, da ist es vergleichsweise sicher. Dann kommen Richtung Osten der Wald und im Westen die Steppe. Über alles was dahinter liegt, könnt Ihr Euch Gedanken machen, wenn Ihr soweit kommt. Aber bitte, wenn Ihr wollt könnt Ihr Euch gerne in der Stadt umsehen, auch wenn es nicht viel zu sehen gibt."
Der Junge schob sich wieder etwas näher an den strahlenden Helden ran.
"Frauen sind wie gesagt Mangelware, aber ich würde Euch nur zu gerne Gesellschaft leisten. Wie gesagt, ich würde fast alles für einen Helden wie Euch tun."

"Äh... Das ist ja ganz nett..."
Der blonde Schönling zuckte mit den Schultern. "Aber weißt du, die Weiber sind mir lieber. Nur dafür machen wir doch sowas, nicht wahr?", grinste er und stemmte die Hände in die Hüfte. "Obwohl, ich denke, du darfst deinen Mund benutzen, um mich etwas zu entspannen, wenn ich zurück bin."

"Oh, mir können die Weiber gestohlen bleiben. Aber ich habe auch nicht die Ambitionen, ein Held zu werde. Und die paar Mädels die es hier gibt werden von ihren Väter, Brüdern oder Gatten gut bewacht. Das gilt insbesondere, wenn die drei die selbe Person sind. ..... Ein Witz. Leider wäre es nicht so lustig, wenn es nicht schon vorgekommen wäre."
Er grinste ihn an.
"Nur zu gerne, großer Held! Ich halte mich für Euch bereit, wenn ihr von Eurer Erkundung zurückkommt!"

"Sehr gut. Halt die Ohren steif, Feuerhaar!"
Kastor mochte sie nicht. Diese jungen Männer, die sich benahmen wie Weiber und sich den mächtigeren Mitgliedern ihres Geschlechts unterwarfen als seien sie deren Ehefrauen. Nie im Leben würde er sich so geben. Solch eine Erniedrigung. Doch wenn der Druck arg groß wurde, konnte ihm der Bursche Abhilfe schaffen.
Er musste zugeben, er war doch etwas überrascht. Normalerweise erwartete ihn eine Wolke von Bewunderern, wo auch immer er auftauchte. Doch hier? Den Menschen hätte es nicht egaler sein können, hatte er das Gefühl. So als würden sie jeden Tag einen wie ihn sehen. Tze, denen würde er es noch zeigen.
Er stand nun vor dem Durchbruch in der Stadtmauer. Das Gebiet hier war vom Sumpfwasser, das durch die Öffnung lief, ein wenig überflutet, sodass er bis zu den Knöcheln im Wasser stand. Diese Leute bauten ihre Stadt nicht einmal mehr auf, als hätten sie den Sinn völlig verloren.

Die Stadtbewohner fanden wohl, dass das Sumpfwasser die meisten Landmonster genauso zuverlässig abhielt wie eine Steinmauer, dabei aber Pflegeleichter war. Tatsächlich schien er den meisten Leuten egal. Die gingen lieber weiter ihrem Tagwerk nach. Von der Bresche aus konnte Kastor ein paar der umliegenden Bauernhöfe sehen, und den Anfang des Waldes, vor dem die Einwohner hier so Angst hatten.

Feuerhaar indes war wieder in die Taverne zurück getrottet und vertrieb sich mit einem Bier die Zeit. Andere Kunden gab es kaum. Und mit ein wenig Glück konnte er heute Abend einen weiteren selbsternannten Helden zu seiner Sammlung hinzufügen.