RE: Die Diebesgilde - 2

Sie beide wussten, dass das Wort eines Diebes keinerlei Bedeutung hatte. Er konnte es sicherlich noch nicht einmal schreiben. Doch diesen Kommentar verkniff Narim sich. Stattdessen senkte auch er sein Haupt kurz, wie es seinem Stande angemessen war. Eine Verbeugung konnte man es wahrlich nicht nennen, doch immerhin mehr Respekt, als angemessen war.
"Und warum, denkst du, bist du der geeignetste Ansprechpartner, Connor?", wollte er schließlich wissen. Sein Gegenüber sollte im gleichen Alter, wie er selbst sein. Das führte dazu, dass Narim ihn als Oberhaupt der Gilde ausschloss. Connor zeichnete sich schließlich nicht dadurch aus, dass er subtil war.

Oh, er war so ungläubig. Selbstverständlich war Connor nicht der Gildenmeister. Doch indiskret? Wie schnell sie verschwinden konnten, würde er ja sehen, wenn es darauf ankam.
"Oh, ich dachte, wir hätten da eine Verbindung, seid ich - Ihr wisst schon - Euch um Eure Börse erleichtert habe. Diese unausgesprochene Spannung zwischen uns. Ihr wisst schon, wovon ich rede."
Connor zog die Kapuze herunter und offenbarte damit Narim zum ersten Mal sein Gesicht. Er lachte leise, um seinen Scherz offenzulegen und zuckte mit den Schultern.
"Unser Gildenmeister wird nicht das Risiko eingehen, einer Falle aufzusitzen, wenn das stattdessen Leute wie ich tun können. Also sprecht, solange ich noch nicht gelangweilt bin."

Bei der Erwähnung ihres letzten Treffen stellten sich Nirams feine Härchen im Nacken auf. Wenn er besser aufgepasst hätte, wohin sie ritten, dann wäre ihm das nicht passiert. Sie hätten das Geld noch und sein Onkel hätte möglicherweise Havivas Hochzeit nicht abgesagt. Natürlich waren das alles bloß Spekulationen, dennoch fürchtete Niram sich davor, sein Vorhaben auszusprechen.
"Und möchte dein Gildenmeister Jilara wiedersehen?", fragte er vorsichtig nach. Er kam sich vor, wie ein Bittsteller, doch wollte er sich unter keinen Umständen in diese Position drängen lassen.

Connor, der seinen Dolch gerade kunstvoll um seine Hand tanzen ließ, um seine Langeweile zu suggerieren, horchte auf.
"Wie... skrupellos. Wer hätte gedacht, dass hinter so einem hübschen Gesichtchen so ein abgebrühter Bursche steckt? Und was verlangt Ihr dafür, uns Jilara auszuhändigen?" Normalerweise übernahm die Gilde ja Ausbrüche aller Art selbst. Doch die Handelsfürsten waren verdammt kreativ in der Wahl ihrer Gefängnisse. Und die Gilde war nicht gut aufgestellt.

Am liebsten hätte er dem Fremden den Dolch aus der Hand geschlagen. Er kam sich belächelt vor und verstand nicht so recht, warum es ihm bei Connor kaum etwas auszumachen schien. Statt den Dolch weiter zu beobachten, fixierte er Connors Gesicht. "Eure Treue." Er hatte wahnsinnige Angst, denn er wusste, dass er sich nicht auf die Diebe verlassen konnte. Ihre Berufung alleine sagte aus, dass sie keinen Funken Ehre in ihren Körpern hatte. Er konnte die unsichtbaren Gestalten, die sich begleiteten beinahe schon lachen hören.

"Unsere...", antwortete Connor verdutzt. Dann brach er in lautes Gelächter aus. "Treue? Haha! Junge! Ihr wisst aber schon, mit wem Ihr hier sprecht, oder?" Connor ließ das schön geschnittene Gesicht keine Sekunde aus den Augen. Immerhin, so ein Handelsfürst konnte auch zustechen, wenn er musste oder sich beleidigt fühlte. Das musste ja nun wirklich nicht sein.
"Aber einmal aus Neugier, warum glaubt Ihr, uns kaufen zu müssen? Oh, und wir sind käuflich. Womöglich sogar "treu". Obwohl, das könnte teurer werden."

Still blickte er ihn an. "Ihr werdet von mir kein Geld bekommen", stellte er finster fest. Und wenn er sich nicht auf die Gilde verlassen konnte, würde er seinen Onkel etwas anderes anhängen. Er hatte nie vorgehabt, der Gilde Geld zu überlassen, zumindest nicht, in der herkömmlichen Form. Ihr Geschäft würde wieder florieren, wenn der Plan aufging. Wenn nicht, musste er dafür sorgen, dass es so aussah, als wäre die Gilde alleine Schuld.
"Vielen Dank für das Gespräch, Connor."

"Wartet!", rief Connor. "Gebt uns unseren Mann zurück und wir schauen, ob wir miteinander ins Geschäft kommen." Nun, eines Mannes Leben war nur so viel wert, das wussten sie alle. Doch wenn sie ohne großen Aufwand sein Leben retten konnten, würden sie es tun. Die Gilde war schließlich eine Familie. Ähm. Irgendwie...
"Also, was braucht Ihr? Und wie genau werden wir davon profitieren?"

Jirala, oder wie auch immer der gute Mann hieß, war noch nicht wieder dazu bereit, entlassen zu werden. Leicht schüttelte er den Kopf. "Ich verlange eure Treue, dafür, dass ich euch mit dem Eisenrad helfe", erklärte er. "Und die kannst du mir offensichtlich nicht garantieren. Entschuldige mich nun bitte. Ich möchte nicht, dass meine Schwester ihre Männer auf dich ansetzt, nur, weil ich zu spät nach Hause gekommen bin. Wir werden uns wieder sehen." Die Gilde hatte ihre Augen und Ohren schließlich überall. Noch einmal nickte er dem Anderen knapp zu, bevor er wieder auf sein Pferd aufstieg. Das alles könnte furchtbar schief gehen.

Connor sah zu, wie der Junge abzog. Unverschämter Bengel. Kam bei ihnen an, ohne zu verraten, warum und lieferte für den Dienst, den er wollte, nicht einmal eine Gegenleistung. Dem musste mal jemand die Regeln erklären. Doch scheinbar war sich der Fürst seiner Sache selbst nicht mehr so sicher, denn schließlich zog er sich aus dem feindlichen Territorium zurück und ließ ihn stehen. Sowas war Connor nun wirklich nicht gewöhnt. Verdutzt sah er Narim hinterher und fragte sich, ob er was Falsches gesagt hatte. Nun, sie hatten nun die Aufmerksamkeit... Ob das gut war oder nicht, wusste er noch nicht.

Narim konnte nur hoffen, dass Connor verstand, dass er wirklich bereit war ihnen zu helfen von dem Eisenrad loszukommen. Sicher war er sich allerdings nicht, er wusste zu wenig über den Dieb. Doch sollte es dem Anderen sicherlich gelingen in seine Gemächer eindringen zu können, wenn er mit seinen Befehlshabern Rücksprache gehalten hatte.
Nachdem er sich sicher war weit genug von Connor weg zu sein, trat er seinem Pferd kräftig in die Flanken. Er wollte endlich wieder in die sicheren Burgmauern zurück, auch, wenn er am nächsten Morgen wieder seinen Onkel treffen musste.

Und so blieb Connor zurück. Nun musste er der Gildenmeisterin von dem missglückten Treffen berichten, was lästig war. Er war es ja gewohnt, die Wahrheit etwas zu schminken, doch er wollte Zeira keine Scherereien machen, indem er seinen Feind unterschätzte. Womöglich sollte er sich einmal im Heim ihres neuen Freundes umsehen. Schließlich schien es da noch ein paar Details zu geben, die ihnen das Bürschchen vorenthalten hatte.
"Ihr benachrichtigt Zeira und Schleicht-Leise", sagte er zu seinen Begleitern. "Ich werde auskunfschaften, ob man diese Familie auch um ihr Erspartes erleichtern kann, wenn sie es nicht offen durch die Straßen tragen."

Zuhause angelangt weckte Narim die Wachen, bevor er durch den Torbogen ritt. Mit Sicherheit würde Connor keine Probleme haben Einlass in die Burg zufinden, weshalb er noch einmal zur Schatzkammer hinab Schritt. Die Wachen hier erinnerte er noch einmal daran wachsam zu bleiben und versprach ihnen ein fürstliches Frühstück für den nächsten Tag. Allerdings hoffe er selbst darauf, dass Connor sich direkt bei ihm melden würde, sollte er in den folgenden Tagen bei ihm vorbei schauen. Müde machte er sich auf in sein Schlafgemach, um sich seiner Kleider zu entledigen und in sein Schlafgewand zu schlüpfen. Auch, wenn er erschöpft war, konnte er nicht einschlafen. Noch immer war die Spannung fest in ihm verankert.

Connor ließ es darauf ankommen. Es mochte unklug sein, das noch in derselben Nacht durchzuziehen, doch wähnte er sich sicher, wieder entkommen zu können. Bescheidenheit war wahrlich nicht Connors Stärke.
Er überwand die Mauern des kleinen Palasts mit spielerischer Leichtigkeit und auch die Wachen, die im fürstlichen Garten patroullierten schauten etwas zu lasch in die Schatten hinter den Büschen und Hecken. Es war schon schwieriger, Narims Gemächer zu finden. Fürs erste stieß er über eine efeubewachsene Mauer in den ersten Stock vor, wo es dann hieß, sich umzusehen.

Als er das richtige Zimmer fand, stieg er über die Außenmauer durch das Fenster hinein, um die Wachen des Hauses zu umgehen. Hm, ganz schön geräumig hier, dachte er, während er in den Schatten das breite Bett des Adligen erspähte. Er musste grinsen, denn das Mondlicht zeigte genug, um seine Gelüste zu wecken. Da sah aber jemand sehr einsam aus.

Zu Narims Glück hatte er es noch nicht geschafft einzuschlafen, als ein leiser Schatten in sein Zimmer sprang. Er bemerkte ihn nicht direkt, doch sobald er ihn spürte, war er auf seinen Beinen und hatte nach dem Degen gegriffen. Einen Augenblick später entspannte er sich. War Connor alleine gekommen? Und würde die Wache vor seiner Tür wissen, dass ein Eindringling gekommen war? Stumm legte er einen Finger auf seine Lippen, um Connor zu bedeuten, dass er still bleiben sollte. Erst dann legte er seinen Dolch beiseite. Hoffentlich würde er das nicht bereuen.
"So schnell habt ihr alles besprochen?", fragte er leise und noch immer voller Aufregung. Natürlich wusste er, dass dem nicht so sein konnte, viel mehr wollte er Connor kritisieren. Dennoch wäre eine Begrüßung angebracht gewesen.