RE: Die Diebesgilde - 6

"Und was werdet ihr im Gegenzug dafür verlangen?", wollte Narim wissen. Er würde sich Gewiss nicht an die Diebesgilde verkaufen, auch, wenn der Gedanke an Rache verlockend war. Er konnte es seinen Schwestern einfach nicht antun den Ruf ihrer Familie in den Dreck zu ziehen. Was ihn beunruhigte war allerdings, dass Connor ihn plötzlich dutzte, als hätte er schon jetzt seine Stellung verloren. Doch da er momentan nicht genügend Macht besaß, um Connor in seine Schranken zu weisen, würde er lernen müssen, sich anzupassen.
Auf seine Fragen verzog er nur mürrisch das Gesicht. Er hatte im Moment andere Sorgen, als sich jemanden auf sein Zimmer zu holen... und zu Connors letztem Kommentar:
"Ich wusste gar nicht, dass das deine Haupteinnahmequelle ist...", merkte er an. Aber auch, wenn Connor gut aussah, so missfiel Narim der Schweißgeruch und das schwere Parfüm, das in der Luft hing.

"Oh, es gibt sicher was, was du für uns tun könntest", sinnierte Connor schulterzuckend. "Ich meine... Du kennst ziemlich viele Familien in Abahs Landung und ziemlich viele... Anwesen. Weißt, wer vielleicht bestechlich ist und wer wo welche Ladung anmeldet. Ich meine, du bist ein Handelsfürst. Du hast Wissen, das wir brauchen können. Und wenn wir dir dein Geld und deinen Titel zurückgeholt haben, wirst du uns so einiges schulden." Es mochte Narim nicht gefallen, aber Bettler durften schließlich nicht wählerisch sein. Doch so ganz zahnlos schien der Köter noch nicht geworden zu sein, ein bissiger Kommentar kam dem Schönling noch zwischen den Lippen hervor, der Connor zum Lachen brachte.
"Tja, ich sags ja immer. Eigentlich müssten die Leute MICH bezahlen und nicht ich die Leute. Aber dir würde ich sogar ganz für umsonst die Nacht versüßen. Nur ausnahmsweise. Auch wenn du sowas vermutlich noch nicht erlebt hättest."
Bescheiden sein konnte man auch noch, wenn man tot war, fand er.

Bei seinen ganzen Überlegungen vergaß Connor allerdings eines: Narim hatte seinen Anspruch auf das Erbe nicht verloren. Er war noch immer der Handelsfürst, er hatte Leute innerhalb seiner Festung, die bereit waren, ihm zu helfen. Er musste sie nur ausfindig machen. Aber das würde er Connor gewiss nicht unter die Nase reiben.
"Tut mir Leid, Connor, aber ich habe kein Interesse." Er lächelte freundllich zu ihm auf. "Vielleicht ja, wenn du morgen gewaschen bist." Wohl auch dann eher nicht, er konnte sich nicht vorstellen etwas mit einem Dieb anzufangen... auch, wenn er bald selbst einer sein würde.

Connor zuckte lachend mit den Schultern. Eines musste man ihm lassen, ein guter Verlierer war er.

Auch eine gewisse Verantwortung ließ sich ihm nicht absprechen, denn statt zurück ins Bett verlief sein Weg erst in seine Diebeskluft und anschließend einmal quer durch die Stadt zum Versteck. Es gab einiges zu bereden. Am nächsten Morgen saß er bereits im Schankraum, bereit, Narim in Empfang zu nehmen
"Guten Morgen wünsche ich", grüßte er gelassen (und gewaschen, wie es aussah) und schob Narim einen heißen Tee herüber, der in der Stadt beliebt war. "Zeira hat sich entschlossen, dir erst einmal Schutz zu gewähren. Heute wirst du erst einmal mitkommen und dann überlegen wir, ob es sicherer ist, dich erst einmal aus der Stadt zu schaffen oder dich hier zu behalten. Ich muss... dich warnen. Unser Domizil ist nicht so luxuriös, wie du es möglicherweise gewohnt bist. Auch, wenn es uns nicht völlig an Annehmlichkeiten mangelt. Ach ja und..."
Er hielt ihm kommentarlos eine Augenbinde hin. Er war ja nicht bescheuert.
"Ich werde sehr gut auf dich aufpassen."

Übernächtigt kam Narim schließlich die Treppe hinunter. Er hatte nicht gut geschlafen, denn in den Nebenräumen war es noch lange wild hergegangen. Noch nie hatte er anderen Menschen beim Sex zuhören müssen. Selbst das Bett war hart gewesen und Narim hatte sich gefragt, warum er nicht direkt auf dem Boden geschlafen hatte.
"Morgen", grüßte er müde und lächelte, als er den Tee sah. "Vielen Dank." Im Gegensatz zu Narim sah Connor besser aus, wenn auch ebenfalls übernächtigt. Schwach nickte er blickte Connor dann aber entsetzt an, als er die Augenbinde erkannte.
Die würde er ganz sicher nicht anziehen. "Connor. Ich war schon vorher bereit mit euch Geschäfte zu machen. Glaube mir, wenn man wissen wollte, wo genau ihr euch befändet, hätte man nicht mich geschickt." Er würde doch nicht blind in irgendeine Falle laufen.

"Du sollttest wirklich lernen, den Leuten mehr zu vertrauen, Prinzlein", kommentierte Connor lächelnd und hielt ihm weiterhin die Augenbinde hin. "Es tut mir leid, aber es ist entweder das hier oder gar nichts. Bis wir uns nicht vollkommen sicher sind, können wir nicht riskieren, dass irgendwer unseren Laden kennt. Also?"
Er war geduldig, doch er konnte sich nicht über das Wort der Gildenmeisterin hinwegsetzen. Wenn sie sagte, das war Narims einzige Chance, dann war dem so. Keine Widerrede und keine zweite Chance. Das machte er dem hübschen Kerl auch klar.
"Hey, wenn ich dir was hätte tun sollen, dann hätte ich das längst getan und sei mal ehrlich: Dir bleiben momentan nicht allzu viele andere Optionen. Oder?"

Trocken lachte Narim auf. War das etwa Connors Ernst? Sein Onkel, sein eigener Onkel hatte versucht ihn ermorden zu lassen. Nur, weil er und Akila sich immer gut verstanden hatten, war er dem Tod um haaresbreite entwischt. Und jetzt sollte er einfach so einem daher gelaufenem Dieb vertrauen? Still blickte er Connor an und wartete ab. Er wusste wirklich nicht weiter. Seiner Meinung nach, war das Alles hier viel zu viel Aufwand um ihn davon abzuhalten ein Geheimnis auszuplaudern. Aber Connor hatte Recht, er hatte keine andere Wahl...

"Dann mal los", seufzte er und führte Narim erst einmal hinaus und in eine Seitenstraße hinein. Dort verband er ihm letztendlich die Augen, um ihn so durch die eher weniger einsehbaren Winkel der Stadt zu führen.
Im Nordwesten der Stadt führte er ihn zu einem alten Waschplatz mit einer großen Zisterne in der Mitte. Dort führte er ihn hinein, denn momentan stand kein Wasser darin. Man hätte meinen können, die Zisterne wäre ein großartiges Geheimversteck, doch was war noch besser? Ein Geheimversteck in einem Geheimversteck! Ein Druck auf einen bestimmten Stein in der Wand und es öffnete sich ein Spalt darin, durch den er Narim führte. Durch den schmalen Korridor dahinter und sie befanden sich mitten im Diebesnest, einer großen Kaverne mit mehreren Etagen und Ebenen, allesamt auf irgendeine Weise mit Eroberungen geschmückt, mit Bücherregalen oder Girlanden, während in der Mitte des ganzen eine steinerne Statue einer unbekannten weiblichen Figur emporragte. Büdchen und Stände waren überall aufgestellt, zweifelsohne Hehler und andere. Korridore gingen nach links und rechts ab, zu den Quartieren und in die Keller. Ein ziemlich blühender Ort für eine Bande Gesetzloser.
"Du kannst die Binde nun abnehmen."

Er hatte einen Höllentrip vor sich, doch versuchte er, sich nichts anmerken zu lassen. Connor durfte auf keinen Fall bemerken, wie schlecht es ihm momentan ging. Er hatte keine Familie mehr und die einzigen, die ihm helfen wollten, taten dies bloß, weil sie erwarteten später entlohnt zu werden. Nach nur wenigen Schritten hatte Narim die Orientierung vollkommen verloren. Er war sich sicher, dass er so oder so nicht mehr zurück finden würde, dennoch behielt er die Augenbinde auf, auch, wenn er versuchte nach unten zu schielen.
Dann endlich, schienen sie angekommen zu sein. Hastig riss er sich die Augenbinde vom Kopf, wodurch seine Haare zerzausten.Schnell blickte er sich um und staunte, als er die Umgebung sehen konnte.