RE: Love like a Bitch, Smile like a Saint - 10

Amadeus nickte kurz nach dieser Aussage. "Das verstehe ich durchaus. Dennoch würde ich es sehr schätzen, es irgendwann erfahren zu dürfen." Dennoch ein wenig befremdlich, dass Ari zwar seinen Körper Fremden einfach anbot, solcherlei Geschichten ihm aber wohl intimer waren.
Als er nach den Mozzarella-Sticks fragte, schob Amadeus ihm den kleinen Teller herüber. "Halsbänder sind etwas sehr ästhetisches, aber auch ich will diese Sicherheit haben. Sobald ich das Gefühl habe, dir Vertrauen zu können, bekommst du es. Aber dann wirst du es immer trägen müssen, nicht nur auf diesen SM-Events. Daher überlege dir gut, ob du eines willst."
Er lehnte seinen Kopf nach hinten, als er nach seinem schlimmsten Ereignis gefragt wurde. Starrte an die Decke und ließ sich Zeit, einige Erinnerungen durchzugehen, die wie Kurzfilme vor seinen Augen aufflackerten. Doch er blieb sehr entspannt. "Ich glaube, als ich überwältigt und vergewaltigt wurde", erklärte er völlig gelassen, und nahm noch einen Schluck aus seinem Glas.

"Wieso muss die für den Sport unauffällig sein?" Immerhin war es doch egal, ob man den fremden Menschen auf der Straße das Halsband präsentierte, oder es fremde Menschen im Fitnessstudio waren, oder beim Joggen, wo auch immer.
Als Ari dann so peinlich berührt reagierte, schmunzelte Amadeus amüsiert darüber und sah auf ihn herab. Ist nicht angenehm, hatte er gesagt... ach nein.
"Ich sag es auch 'nur so'. Es ist passiert, wie vieles andere auch. Ich habe andere Methoden und Räume, es zu betrauern oder mich zu ärgern. Das mir das passiert ist, beschämt mich allerdings nicht weiter. Es war kein persönliches Versagen, sondern ein Hinterhalt. Sie werden es noch bereuen, wenn es soweit ist." Er war mit der Sache noch nicht ganz durch.
Nun sah er auf die Uhr und stellte fest, dass es schon beinahe vier Uhr morgens war. "Ari, darf ich dich nach Hause fahren?", bot er an und nahm den letzten Stick.

Amadeus antwortete nicht auf die Frage, denn Ari blickte ja direkt auf sein Handy, um sich diese selbst zu beantworten. Bald würde die Sonne aufgehen und sie hatten genug Zeit miteinander verbracht. Irgendwann war auch genug des Guten und Amadeus sehnte sich nach ein wenig Einsamkeit und seinem riesigen Bett.
"Es macht mir keine großen Umstände, sonst würde ich es nicht anbieten. Bitte keine falsche Bescheidenheit." Außerdem würde es ihn durchaus interessieren, wo und wie Ari lebte. Das Umfeld hatte oft viel Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung. Zudem kannte er dann auch seine Adresse, sollte er ihn besuchen wollen.
Dann kam die neue Information und Amadeus war kurz überrascht. "Heute Nacht?" Gemeinsam standen sie auf. "Welches Geschlecht wird es denn haben?", wollte er noch erfahren. Er legte einen Hundert-Euro-Schein auf den Tisch, empfand das als angemessen, sie hatten ja nicht viel bestellt. Bei der Garderobe angekommen fragte er dann noch: "Willst du lieber ins Krankenhaus?" Vielleicht wollte er seiner Familie ja auch beistehen, auch wenn das für Amadeus weniger Vorteile hatte, ihn dorthin zu fahren. Aber letzten Endes lag die Entscheidung bei Ari.
Nach kurzer Zeit saßen sie beide wieder in dem sündhaft teuren Auto, welches Amadeus nicht wirklich gehörte, ihn aber dennoch mit viel Stolz erfüllte. Er fuhr sie ruhig aus der Tiefgarage.

"Ja, mit Kindern kann man nicht planen. Möchtest du irgendwann mal welche?", stellte er interessiert die Frage. "Für mich selbst schließt sich das eher aus. Ich denke, ich bin kein guter Vater, dafür bin ich schlichtweg zu egoistisch und zu ungeduldig."
Als sie im Auto saßen, drückte er auf irgendeinen der vielen Knöpfe, und ein Navi erhob sich aus dem Amaturenbrett. Er sagte einmal die Adresse auf, und schon wurde ihnen ein Weg vorgezeigt. Dann fuhr er los. Er konzentrierte sich sehr auf die Straßen, es wirkte so, als würde er sich hier nicht besonders gut auskennen. Schließlich hielten sie nach zwanzig Minuten vor dem Reihenhaus und Amadeus speicherte die Adresse in sein Navi unter Aris Namen, dann sah er sich das Haus und die Gegend an. "Schick hier." Sehr bürgerlich, nicht abgehoben, aber gepflegt. "Bist du hier aufgewachsen?" Er blickte noch einmal zu Ari, musterte seinen schlanken sportlichen Körper, wie dieser in seinem Wagen lag.

"Die Frage war nicht, ob du kannst, sondern ob du möchtest", betonte Amadeus und ihn nervte es, dass Menschen oftmals über das sprachen, was möglich war - und das war für ihn meistens offensichtlich und daher uninteressant - anstatt über ihre wahren Gefühle zu reden. Ständig erhielt er dann Antworten auf Fragen, die er nie gestellt hatte. Die Leute missverstanden ihn, bewusst oder unbewusst. Entweder weil niemand gerne über Gefühle sprach, oder sie einfach zu dumm waren, um Fragen korrekt zu verstehen. "Das du kein stabiles Umfeld bietest, weiß ich bereits." Er hoffte nun wirklich, dass Ari mal kurz in sich horchte. Zeit hatte er, hier im Auto, bei ruhiger melancholischer Musik, welche dazu einladen sollte, tiefere Gedankengänge zuzulassen.
Als sie angekommen waren und Ari meinte, dass er glaubte, Amadeus würde es hier schäbig finden, zog er die Augenbrauchen hoch. "Nur, weil ich einen Bugatti fahre, heißt das nicht, dass ich auch in einem geboren worden bin." Er war zwar mittlerweile besseres gewohnt und liebte seinen Lebensstil, doch das hieß nicht, dass ihn das gewöhnliche bürgerliche Leben anekelte. Es gab schlimmeres, als ein Reihenhaus.
Er nickte, als Ari erzählte, wo dieser aufgewachsen war, und wirkte dann selbst eine Weile nachdenklich und in sich gekehrt. "Ich bin in einem veralteten Haus ohne Wasser- und Stromanschluss geboren worden, in einem winzigen verarmten Dorf. Als ich das erste Mal klassische Musik hören durfte, als wir uns ein Radio leisteten, wusste ich, dass ich dort nicht hingehörte."

Amadeus verdrehte kurz unauffällig die Augen. Anscheinend war Ari noch zu jung, um sich darüber Gedanken gemacht zu haben. Das störte ihn, dieses unbedachte, wenn Menschen zu etwas keine Meinung hatten oder nichtmal ein grobes Gefühl. "Eines der wichtigsten Fragen der Menschheit und du ... kannst nichts dazu sagen." Na wunderbar. Ihm war anzumerken, dass er nicht begeistert war über das geistige Schwammstück, welches er erhalten hatte. Vielleicht war Ari noch zu jung... wobei Amadeus schön jüngere hatte, die auf diese Frage zumindest mehr Anwort wussten. Vielleicht hatte Ari in anderen Themen mehr zu erzählen.
Als Ari bemerkte, dass Amadeus weit außerhalb gewohnt hatte, nickte er still. "Sehr weit", murmelte er dann vor sich hin. Die nächsten Worte, er blickte zu dem Jüngeren. Vielleicht war der Grund dafür, dass Amadeus auch diese Feststellung eher dürftig fand, dass das vorherige Thema schon nicht viel hergegeben und er nun ein negatives Bild hatte. "Ja, man hält als Kind gerne aus." Er seufzte. Dann stieg er aus dem Wagen, ging einmal drum herum. Es nieselte. Er öffnete die Beifahrertür von Ari.

Amadeus bemerkte, wie Ari die Augen verdrehte. Doch das fand er nicht schlimm. Er mochte es hin und wieder, wenn man ihm die Stirn bot. Doch heute erwartete er nicht mehr allzu viel. Er wusste selbst nicht, woher seine Stimmung so schnell umgeschwungen war, aber er hatte sich selbst so angenommen. Kleinigkeiten konnten ihm oft die Laune vermiesen und aus dem zuvor charmanten Mann einen miesen Arsch schaffen. Seine Mitmenschen mussten damit zurecht kommen, oder sich halt von seinem Beisein trennen.
Dann kam doch noch die Antwort, auf die er gehofft hatte. Eine klare Entscheidung, kein ewiges Herumgedruckse. "Gut", antwortete er gefasst und sah Ari in die Augen. "Danke für das Angebot des Kaffees, aber ich muss nach Hause. Ich brauche gelegentlich Einsamkeit. Ich hoffe, ich werde dir zukünftig genug Nähe bieten können." Er sagte dies, weil er bezweifelte, ob er das auch wirklich konnte. Ari wirkte, als könne er nicht genug von ihm kriegen, und auch nicht schnell genug. "Träum von mir." Mit diesen Worten ging er wieder um den Wagen herum und stieg ein. Er sah nicht nochmal zurück, sondern zündete den Motor und fuhr davon.

Amadeus Tage waren voll mit Arbeit, mit seinen anderen Subs, mit Telefonaten, einem Konzert, und Einsamkeit. Er hatte Ari nur herzlichen Glückwunsch geantwortet. Aktuell hatte er kaum Zeit für ihn gefunden.

Es war ein früher Morgen, als er beschloss, noch einmal Spazieren zu gehen, ehe er in seinem nahegelegenen Büro auftauchen sollte zu einem Mitarbeitergespräch. Seine Frisur saß perfekt, er trug seinen gebügelten Mantel, darunter einen Anzug und eine dunkelgrüne Krawatte mit winzigen schwarzen Punkten.
Irgendwann kam er bei einer kleinen Eislaufbahn an. Sie war nicht riesig, wurde aber in dieser Jahreszeit grade am Abend gut genutzt. In der Ferne sah er dort jemanden, der mit einem schlanken Körper und fließenden Bewegungen über das Eis flog. Er blieb stehen und begann zu beobachten, holte mit einen bitteren Gesichtsausdruck eine Zigarette heraus und zündete diese an. Dann zog er einmal tief.
Langsam kam er näher. In seinen Augen lag Neid, ja fast schon Hass, wenn man denn darauf achtete. Irgendwann erkannte er dann, dass es Ari war, und blieb erneut stehen.