RE: A Warlock's Destiny - 4

Gut geschlafen hatte Nicolai nicht. Die Kälte ohne eine Decke oder auch nur das Stroh in der Scheune war beißend und durchdringend und die Angst erweckte den Jüngling allzu oft aus der gnädigen Umarmung des Schlafs. So war er am Morgen nur noch geräderter als es ohnehin der Fall gewesen wäre. Noch nicht einmal die ersten Sonnenstrahlen schienen über den Buckel des Mahrs hinweg in die Höhle hinein, lediglich ein schwacher blauer Schimmer säumte den Horizont und ließ das kommende Licht nur erahnen. Ungeschickt und verschlafen richtete sich Nicolai auf alle Viere auf und versuchte erstmal herauszufinden, wer und wo er überhaupt war. Langsam drangen ihm die Ereignisse der letzten Nacht ins Gedächtnis und ließen ihn resigniert stöhnen, woraufhin er sich unwillig aufrichtete und sich sofort mit dem schlechten Gemüt seines Meisters konfrontiert sah.
"Ich... Ich weiß nur, was sich alle über Euch erzählen", fing er an. "Dass Ihr Monster jagt und Euch dafür von den Leuten bezahlen lasst, obwohl Ihr Euch von ihrem Fleisch ernährt. Ihr entführt Jungen, um sie zu opfern... obwohl ich eher glaube, dass Ihr sie zu Euch nehmt, nicht wahr? Mehr weiß ich nicht. Das erzählen die Leute eben. Man soll Hexern aus dem Weg gehen, das weiß doch jeder. Hätt ich mal drauf gehört."

Dain ragte über dem Knilch in die Höhe wie ein unbezwingbarer Berg, den Nicolai niemals würde überwinden können. Er sollte sich zu seinem eigenen Seelenheil seinem Schicksal fügen, anstatt dagegen anzukämpfen. Der Hexer kräuselte die Lippen bei dieser unzureichenden Beschreibung, die dem Volksmund entsprungen war. Er konnte es dem Knaben jedoch nicht übel nehmen, denn die Hexer sorgten bewusst und aktiv dafür, dass die Menschen ein falsches Bild von ihnen hatten. Sie sollten keine Sympathie zu den Monsterjägern aufbauen, denn dies brachte das Risiko mit sich, weniger gefürchtet und respektiert zu werden. Ebenso war die Wahrscheinlichkeit in solch einem Fall größer, dass emotionale Beziehungen zwischen den Hexern und den gebärfreudigen Menschenfrauen entstanden. Und weil das oberste Gebot besagte, sich unter keinen Umständen fortpflanzen zu dürfen, sahen sich die Hexer dazu gezwungen, sich die Frauenwelt mit grässlichen Geschichten über die Hexer vom Leib zu halten. Dies wiederum führte oftmals dazu, dass sich jene Scheusale an den eigenen Geschlechtsgenossen vergriffen. Denn ein Lustempfinden besaßen sie allemal. Nicht selten gingen die Hexer untereinander Partnerschaften ein, die einer gewöhnlichen Beziehung zwischen Mann und Frau ähnelten. Dain, der unter Seinesgleichen als unverbesserlicher Lüstling und Rumtreiber bekannt war, machte seinem Ruf alle Ehre, indem er stets für Furore sorgte. Würde er nicht zu den fähigsten Hexern gehören, hätte man ihn längst an den Eiern gepackt und daran aufgehangen als Strafe dafür, dass er mit seiner Lasterhaftigkeit dem Ansehen des Orden des Wolfes schadete. Aber auch das scherte ihn nicht. Er hielt sich für unantastbar wegen seiner herausragenden Fähigkeiten, weswegen er sich selbst Narrenfreiheit erlaubte. "Wir ernähren uns nicht von Menschenfleisch. Das lassen wir euch glauben, damit ihr uns gegenüber nicht aufmüpfig werdet oder euch gar anmaßt, uns um unseren Lohn zu bringen" stellte er sogleich richtig. Jetzt da Nicolai im Inbegriff war zu einem Hexer zu werden, musste er bestens informiert werden über seinen bevorstehenden Werdegang. "Und wieso jagen wir Monster?" hakte er im nächsten Moment nach, um den Nutzen und Zweck der Hexer zu ergründen. Nicolai sollte erkennen, dass Dain nicht sein Feind war. Gleichzeitig sollte er sich der Verantwortung bewusst werden, die auf ihn zukommen würde. Letztenendes sollte ihm klar werden, dass es eine große Ehre war, der Menschheit als Hexer dienen zu dürfen, selbst wenn diese Berufung große Entbehrungen mit sich brachte.

Nicolai hatte schon fast gedacht, dass die Hexer nicht wirklich Menschen aßen. Schließlich behaupteten die Leute das ja auch von ihm - und er tat solche Gräueltaten ganz sicher nicht. Wieso sollte er also dem Irrglauben aufsitzen, unter dem andere Magische zu leiden hatten?
Dennoch machte ihn die Erkenntnis nicht weniger misstrauisch. Vor ihm saß nichtsdestotrotz ein gefährlicher Mann. Nicolais Meinung nach mussten die Hexer ihren Ruf nicht künstlich verschlimmern - er war ohnehin so schlecht, dass sich ihnen niemand freiwillig näherte.
"Wieso ihr Monster jagt?", fragte er verwirrt. "Weil es von denen einfach zu viele gibt und die Leute gutes Geld für ihre Beseitigung bezahlen." Bessere Söldner also. Oder überhaupt Söldner, denn die Gefahren, denen sich die Hexer stellten, waren für gewöhnliche gekaufte Klingen eindeutig eine Nummer zu groß. "Euer Geschäft muss ja florieren, jetzt wo die Nächte länger werden."
Nicht jeder hatte es bemerkt - er, Nicolai, schon.

"Wir sind die letzte, effektive Instanz zwischen Mensch und Bestie" betonte Dain nachdrücklich, der sich in seiner Ehre verletzt fühlte, wenn er derlei wenig Anerkennung für sein Handwerk bekam. "Gäbe es uns nicht, wäre die Erde auf der du gehst, scheißt, frisst und schläfst mit dem Blut der Menschen getränkt. Zeig also etwas mehr Dankbarkeit denjenigen gegenüber, die deinen wertlosen Hintern vor Schaden durch Klauen und Reißzähne beschützen" zischte er dem Bengel entgegen. "Der Lohn, gezahlt von verarmten Bauern und anderem niederen Gesocks, reicht gerade mal aus, damit wir uns eine warme Mahlzeit leisten können. Und das alles nur, damit die Menschheit in einer gesicherten Zvilisation leben kann. Ha, dass ich nicht lache!" purer Zynismus sprach aus ihm, der es nach all den Jahren leid war, sein Leben für eine Spezies zu riskieren, die ihm im Grunde nichts bedeutete. "Was mir die lange Nacht also bisher eingebracht hat ist ein Klotz am Bein mit einem vorlauten Mundwerk und ein winziger Beutel voll Silber. Aufträge gibt es gewiss genügend, aber niemanden, der zahlen will. Ginge es nach den Bürgern dieser höchst zivilisierten Gegenden, dann sollten wir Hexer für unsere Arbeit nicht mehr bekommen als den Fliegenschiss im Kuhstall" motzte der Hexer weiter in einem schier endlosen Grollen, ehe er sich wieder auf das besann, was im Augenblick von Wichtigkeit war. "Und wieso meinst du, entführen wir Nervensägen wie dich? Wir könnten ebenso gut selbstständig für Nachwuchs sorgen. Oder etwa nicht?" ging er wieder auf die eigentliche Thematik ein, da Nicolai bereits angedeutet hatte zu wissen, was mit den Jungen geschah, die ihren Eltern entrissen wurden angeblich, um geopfert zu werden.

Nicolai fuhr zusammen, als die unerwartet harte Reaktion des Hexers ihn traf. Er hatte nicht erwartet, dass er auch noch Anerkennung verlangte für das was er tat, wo diese Zunft doch allem anderen so gleichgültig gegenüber stand. Und immerhin waren diese Bauern, von denen er sich so ungern bezahlen ließ, noch ärmer als er und mussten hungern, damit er die Schrecken der Nacht von ihnen fern hielt!
Der junge Magier weartete bis sich sein neuer Lehrmeister, dessen namen er noch immer nicht kannte, wieder eingekriegt hatte und in seiner Erklärung fort fuhr. Dinge, die der Junge nicht wirklich wissen wollte. Aber eine Wahl gab es ja nicht.
"Ich nehme an, auch Ihr wart einmal so eine Nervensäge", schloss der Junge scharfsinnig. "Ich habe noch nie von weiblichen Hexern gehört und Frauen entführt Ihr auch nicht. Da Ihr Euren Nachwuchs wohl kaum in irgendwelchen Bordells aufwachsen lassen würdet, vermute ich, dass es gar keinen gibt. Ich habe diese Märchen nie geglaubt. Über mich erzählen sie auch Geschichten und sie stimmen nicht. Wieso sollten sie bei Euch stimmen?"

Besser hungern, als gefressen werden - lautete Dains Denkweise über diese achso armen Bauern. Als sich der Jüngling erdreistete, den Hexer zu beleidigen, ging er vor diesem in die Hocke und bleckte warnend die Zähne. "Vorsicht, Wurm, ich werde dir die Zunge stutzen, wenn du nicht auf deine Wortwahl achtest" grob zerzauste er ihm mit der Hand das Haar, zerrte daran, sodass Nicolai ruckartig den Kopf in den Nacken legen musste, um den Schmerz aushalten zu können. "...weil die ein oder anderen Geschichten über uns wahr sind" beendete er Nicolais Überlegungen mit einem Zischen. Für die Dauer eines Herzschlags blickte er dem Jungen lediglich tief in die Augen, ehe sich seine schmalen Lippen zu einem verwegenen Grinsen verzogen. "Uns Hexern ist es untersagt, ein Weib zu ehelichen geschweigedenn zu schwängern. Du solltest dich also schon jetzt damit anfreunden, niemals in den Genuss eines Frauenschoßes kommen zu dürfen" lachte der Hexer grollend. Oh es bereitete ihm unendliche Freude, den ein oder anderen Traum des Jungen innerhalb von Sekunden zunichte zu machen. "Ich hoffe, du zürnst mir nicht, weil ich dich nicht früher darüber aufgeklärt habe" spottete er weiter. Im Grunde war es ihm gleich, ob der Junge damit zurecht kommen würde oder nicht. Er hatte nicht viel zu sagen, weshalb ihm nichts anderes übrig blieb, als derlei Tatsachen schweigend hinzunehmen. "Einige von uns begnügen sich stattdessen mit Tieren. Andere geben sich ihren Artgenossen hin. Wieder andere vergreifen sich an Knaben wie dir" schürte er die Furcht des Burschen mit einer Schadensfreude, die nicht zu überhören war. Dabe tätschelte er Nicolais Wange als würde er diesem damit zu verstehen geben wollen, dass er als Nächster dran war. "Genug geplaudert. Pack das Zeug zusammen, damit wir aufbrechen können. Es ist ein weiter Weg bis nach Kaedwen" drängelte Dain plötzlich ungeduldig, während er sehnsüchtig in die Ferne sah, die sich hinter dem Höhleneingang auftat.

Funken schienen aus Nicolais Blick zu sprühen als er Dain in die Augen sah. Da war er wieder, der Hass, trotz der Schmerzen in seiner Kopfhaut. Er fand dieses Grinsen nur ekelhaft und hätte nach dem Hexer ausgeholt, wenn er denn gekonnt hätte. Als dieser ihm dann eröffnete, dass das Thema der Fleischeslust sich endgültig erledigt hatte, überlief es den Jungen kalt. Bedauerlich waren fürwahr die armen Seelen, die mit diesem Scheusal einen Vertrag eingehen mussten. Ekel überkam ihn indes, als ihm der Mistkerl die Wange tätschelte und am liebsten hätte er ihm auf die Stiefel gekotzt. Er würde einen Weg finden, es den Kerl bereuen zu lassen, irgendwann!
Unterdessen stapfte er durch die Höhle und sammelte Dains Eigentum zusammen, bevor er es furchtlos in Elixirs Satteltaschen verstaute und dabei leise vor sich hin fluchte.
"Wenn der glaubt, dass ich nach der bescheuerten Lehre auch nur fünf Minuten bei ihm bleibe, hat er sich geschnitten", fauchte er mehr zu sich selbst als zu irgendjemand sonst.

Der pechschwarze Hengst scharrte mit dem Vorderhuf als er die störrischen Worte des Lehrlings vernahm. Es missfiel dem Nachtmahr zuftiefst wie jener über seinen Meister sprach. Das Tier würde alles in seiner Macht stehende tun, um den Knaben an einer Flucht zu hindern, selbst wenn dies nicht notwendig war, da der Hexer sich selbst zu helfen wusste. Dennoch war auch der Hengst der Ansicht, dass dem Knaben eine zusätzliche Lektion nicht schaden konnte. Die Satteltaschen waren kaum bepackt, schon schwang sich Dain auf den Pferderücken und ergriff von dort aus den Jungen im Nacken, um ihn hoch zu heben und vor sich auf den Sattel zu setzen. Direkt im Anschluss gab er seinem Schlachtross die Sporen, der sogleich im gestreckten Jagdgalopp hinaus preschte. Die wiegende Gangart des Pferdes sorgte dafür, dass Dain im Rythmus zum Galopp mit seinem Unterleib immer wieder gegen den Hintern des Jünglings stieß, was ihn auf Dauer wahnsinnig machte. Denn dadurch wurde ihm schmerzhaft bewusst, wie lange sein letztes körperliches Vergnügen her war. Mit zusammen gebissenen Zähnen etrug er seine Pein, bis er nach stundenlangem Ritt entschied, an einer ihm bekannten Quelle zu rasten. Jene befand sich am Rande eines Waldes umgeben von felsigen Erhebungen und meterhohen Tannen. Das Wasser plätscherte aus einem Wasserfall in eine beckenartige Vertiefung in der Erde und war so heiß, dass es dampfte trotz der Schneemassen, die sich drum herum gebildet hatten. Dain stieg vom Pferd und besah sich die Umgebung, welche keine Anzeichen von menschlichem Leben aufzeigte. Lediglich das Schuhu einer Eule oder das Heulen eines Wolfes war zu hören. "Los, füll die Trinkschläuche mit Wasser" wies er seinen Lehrling an, während er auf die Quelle zutrat und eine Hand hinein steckte. Es war eine wahre Wohltat sich diesem erfrischenden Nass hinzugeben. "Wenn du damit fertig bist, hilfst du mir aus meiner Rüstung" lautete kurz darauf der nächste Befehl von Dain, der bereits damit beschäftigt war, einen Lederriemen an der Schulter zu lockern. Da der Hexer zu den wenigen seiner Art gehörte, die viel Wert auf ihre Körperpflege sowie ihre Erscheinung legten, badete Dain unwahrscheinlich gern, was er nach seiner letzten Mission dringend nötig hatte.

Der Ritt war für Nicolai alles andere als angenehm. Er hatte noch nie auf einem Pferd gesessen und entsprechend taten ihm schon bald die Innenseiten seiner Schenkel weh. Den Schmerz schluckte er wütend herunter, auch wenn er bald davon überzeugt war, dass keine Wundsalbe der Welt den Schaden wieder gut machen konnte. Stundenlang ritten sie auf dem Mahr durch den Wald, ehe sie die Hügel erreichten, die man tags zuvor nur als schemenhafte Silhouetten hatte erkennen können. Um sie herum die weißen Kappen, die einmal Tannen gewesen waren und vor ihnen lag ein kleiner Teich, umgeben von Felsen. Nicolai hatte noch nie eine heiße Quelle erblickt und beobachtete die dampfenden Schwaden über dem See. Alles um sie her war so ruhig und friedlich und selbst die Kälte wurde erträglicher. Ein wunderschöner Ort. Kaputt gemacht wurde der Frieden nur von der Stimme seines neuen Meisters, die die Luft durchschnitt wie ein scharfer Wind, der nur mehr Kälte brachte.
Seufzend nahm sich der junge Magier die Wasserschläuche und ging hinüber zu dem Teich, wo er sie eintauchte. Verwundert ließ er seine Hand durch das Wasser gleiten und ein wohliger Schauer durchlief ihn. Wärme, nach all den kalten Wochen. Es war himmlisch. Nur entfernt nahm er gleich seine nächste Aufgabe wahr und ließ unentwegt Wasser in die Schläuche laufen.
"Habt Ihr eigentlich auch einen Namen?", fragte er desinteressiert. Er wollte diesen Sklaventreiber nicht die nächsten Jahre "Arschloch" nennen. Und "Meister" bekam er erst recht nicht aus ihm raus. Die Schläuche legte er nach der Abfüllung zurück in die Satteltaschen und trat wie befohlen hinüber zu Dain. Er war zu dem Schluss gekommen, erst einmal zu tun was der Hexer verlangte. Er ahnte, zu welchen Grausamkeiten diese Zunft fähig war und wollte dies nicht aus erster Hand erleben. Hinter Dain stehend, beäugte er die vielen Riemen und Schlaufen.
"So richtig?", fragte er knapp als er einen der Gurte lockerte. Nach und nach gelang es ihnen so, Dain aus der Kleidung zu schälen.

"Würde ich wollen, dass du meinen Namen kennst, hätte ich ihn dir längst verraten" bekam der Knabe knapp als Antwort. Dain würde einen Dreck tun und seinen Namen einem viel zu intelligenten Streuner nennen, der so vieles damit anrichten konnte. Wenn ein Magier nämlich erst den wahren Namen eines Individuums kannte, konnte er diesen in seine Einzelteile zerpflücken. Nicht einmal ein mit Blut besiegelter Vertrag konnte dies verhindern. Noch war Nicolai gewiss nicht dazu fähig, doch schon bald würde er mächtig genug sein. Bis dahin musste Dain dessen bedingungslose Loyalität erlangt haben. Andernfalls würde es schlecht für den weißhaarigen Hexer aussehen. Denn früher oder später würde der Jüngling notfalls über Umwege den Namen seines Peinigers in Erfahrung bringen. Äußerst kritisch beobachtete er Nicolais Finger dabei, wie sie an seiner leichten, schwarzgetränkten Lederrüstung, die die Schwachstellen seines menschlichen Körpers schützte, noch etwas ungeschickt herum fummelten. "Vorsicht! Das Leder darf nicht ausleiern" gab Dain knirschend zu beachten, damit der Junge besonders darauf achtete, die feineren Riemchen nicht mit zu viel Kraft auseinander zu zurren. "Das nächste Mal etwas schneller. Für den Anfang aber nicht schlecht" tadelte und lobte er den Jungen im selben Atemzug, was keiner so gut beherrschte wie Dain. Er war ein wahrer Charmebolzen. Nachdem er die Lederrüstung los geworden war, streifte er das schwarze Gewand von sich, sodass er nur noch in ein dünnes Leinenhemd gekleidet war, das ihm bis zu den Oberschenkeln reichte. Ohne den Burschen weiter zu beachten, stieg er in die Quelle, bis er knietief darin stand. Mit dem Rücken zu Nicolai gewandt zog er sich nun das Hemd vom Kopf und warf es auf das felsige Ufer. Dain hätte vor Entzücken stöhnen können dank der wohltuenden Wirkung des dampfend heißen Wassers, das die verkrampften Muskeln und die versteiften Glieder sofort entspannte. Dass Nicolai seinen Rücken sehen konnte, der mehrfach von Klauen zerfetzt wurde und nur mühselig verheilt war, sodass unzählige Narben zurück geblieben waren, oder gar seinen blanken Hintern, störte den Hexer nicht. Er hatte schon lange kein Schamgefühl mehr, weswegen er sich um solche Nichtigkeiten nicht kümmerte. Wie eine Statue, die in Marmor gemeißelt war, stand Dain zunächst einfach nur da, den Dampf und das Wasser auf seiner geschundenen Haut genießend, während er die Augen verschloss und die gereinigte Luft einatmete. Nach einer Weile glitt er tiefer ins Wasser, tauchte gar ab, ehe er an einer anderen Stelle wieder auftauchte und die sanften Wogen des Wassers gegen seinen Unterleib klatschen ließ. "Worauf wartest du? Zieh dich aus und komm her" erlaubte er mit einem Handdeut seinem Lehrling, sich ebenfalls an dieser Wohltat zu erfreuen. "Schrubb mir den Rücken" verlangte er dann von Nicolai, um diesem zu verdeutlichen, dass jedes Vergnügen im Leben einen Haken hatte.

Also verriet der Hexer seinen Namen nicht. Wo da die Schwierigkeit lag, konnte Nicolai wirklich nicht sehen, immerhin kannte der andere auch seinen. Zur Not konnte man sich doch einen Namen ausdenken, wenn man es wirklich so haben musste. Fürs erste konnte er damit leben, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie er den neuen Mitreisenden denn nun nennen sollte. Er entledigte den Meister also seiner Rüstung, nicht ohne das versteckte Lob in dessen Worten zu bemerken und beobachtete diesen, wie er in den Teich stieg. Die Rüstung legte der Junge zu den übrigen Sachen.
Er hatte keine Probleme mit ehrlicher Arbeit und so scheute es ihn nicht, dem fremden Mann beim An- und Ausziehen zu helfen. Was ihn störte, war der Anteil seiner Freiwilligkeit bei diesem Arbeitsverhältnis...
Dains Nacktheit war für Nicolai ebenso wenig anstößig. Er war ein Mann, es gab in Grahlia Thermen, in denen man viele nackte Männer sah. Erregt wurde er dadurch nicht. Auch wenn der Hexer vielleicht glaubte, dass er nichts mit Frauen zu tun haben würde, die Vergangenheit konnte er nicht ungeschehen machen .- und die war doch recht bewegt gewesen.
Auf die Aufforderung hin stieg Nicolai ebenso nackt ins Wasser. Im Gegensatz zu dem ausgebildeten Hexer war sein jugendlicher Körper nicht von Kampfnarben übersäht, die Haut wirkte makellos und Muskeln zeichneten sich sanft auf seinen Armen und seinem Bauch ab. Ein dünner Haarstreifen verlief von seinem Bauchnabel hinunter zur Scham und für einen so jungen Kerl konnte Nicolai sich doch sehen lassen, denn sein bestes Stück hatte doch eine mehr als akzeptable Größe.
"Womit soll ich Euch den Rücken schrubben?", fragte er entnervt, denn immerhin hatte er keinen Lappen zur Hand. Also nahm er sich einen flachen Kiesel vom Grund des Beckens und wog ihn in der Hand. Eine leicht raue Oberfläche. Das würde ja wohl reichen.
Ohne Frage, das Wasser war mit seiner Wärme eine Wohltat. Umso mehr ärgerte er sichd arüber, dass nur Dain sich entspannen durfte.

Nicolais Vergangenheit interessierte den Hexer nicht sonderlich. Was gewesen war, lag zurück und würde schon bald in Vergessenheit geraten. Was zählte, war einzig und allein die Zukunft. Die Zukunft des Jungen als Hexer. Mehr nicht. Von jetzt an würde er sich an die Regeln halten müssen, ganz gleich ob ihm diese gefielen oder nicht. Ebenso wenig scherte es Dain, wie der Junge ihn nannte. Er konnte ihn gedanklich schimpfen wie er wollte, solange er es nicht laut aussprach. Ansonsten wären die geläufigen Bezeichnungen "Meister" und "Herr" angebracht. Sollte es Nicolai nicht auf Anhieb gelingen, sich an jene Anreden zu gewöhnen, würde ihm Dain gewiss mit strenger Hand Hilfestellung leisten.
Als sich Nicolai seinen Weg durch das Wasser bahnte und kleine Wellen erzeugte, die gegen Dains Kehrseite schwappten, ließ der Hexer es sich nicht nehmen mit einem flüchtigen Blick über die Schulter die entblößte Gestalt seines Lehrlings zu betrachten. Die kühlen, schier leblosen Augen wurden einen Hauch schmaler bei dem Anblick, den Nicolais durchaus attraktiver Körper bot. In Kaer Morhen würde man den Knaben gewiss als Leckerbissen bezeichnen, der sich schnell einen Leibwächter suchen sollte, da er andernfalls von Bett zu Bett gereicht werden würde. Boshaft lachte Dain bei dieser Vorstellung in sich hinein. Falls Nicolai meinte, Dain in dieser Einöde dienen zu müssen, wäre die Hölle auf Erden, dann sollte er abwarten, was ihn in der Feste der Hexer erwartete.
Verglichen mit Nicolais jugendlichem, unverbrauchtem Körper war Dains Leib sehnig und zäh von seiner Beschaffenheit her. Die Haut war blass und gezeichnet von den Spuren der Schlacht. Die Muskeln hingegen hart wie massiver Stein, der die athletische Statur des Hexers vorteilhaft betonte. Die feinen Härchen auf seiner Haut waren ebenso hell wie sein Haupthaar und deswegen für das bloße Auge kaum sichtbar. Lediglich ein weiß-grauer Schatten aus Stoppeln zeigte sich entlang seines Unterkiefers und im Schambereich als kurz geschorenes Dreieck.
Dem Einfallsreichtum des Jünglings war es zu verdanken, dass Dain im nächsten Moment mit einem flachen, rauen Stein geschrubbt wurde, der sich bestens dafür eignete. Damit hatte sich die Frage wohl erledigt, womit Nicolai zusätzlich bewiesen hatte, dass er Grips besaß. Warum also die Fragerei? Während Dain in dem Genuss der Reinigung schwelgte, lockerte er in kreisenden Bewegungen die Schultermuskulatur und richtete das Wort an den strammen Burschen: "Wie hat sich deine Magie bisher erkenntlich gemacht? Was kannst du mit ihr bewirken?" Es war wichtig für Dain zu erfahren, wozu sein Lehrling imstande war, um einen Trainingsplan nach dessen Bedürfnisse erstellen zu können. Trotz der Mühe, sich ordentlich zu artikulieren, stockte seine Stimme hin und wieder, ehe sie in einem wohligen Seufzer unterging ob der angenehmen Rückenpolitur.

Nicolai war im Stillen beeindruckt von der Kraft, die unter der Haut des Hexers zu sehen war. Harte Muskeln und die Spuren zahlloser Kämpfe. Wahrlich, so ein Hexer war für seinen Mut und seine Macht nur zu bewundern, auch wenn dieses Exemplar scheinbar selbst mehr Monster als Jäger war.
Der Lehrling saß hinter seinem Meister im Wasser und hörte jedes Seufzen und Stöhnen aus der Kehle seines Meisters überlaut ob der Stille die an diesem Ort herrschte. Hoffentlich hatte er bald genug, denn diese Wärme war Balsam auch für den Jungen.
"Wie sie... sich erkenntlich gemacht hat?", fragte Nicolai und hörte einige Sekunden auf zu schrubben. "Ich kann Dinge bewegen, ohne sie zu berühren. Und wenn ich zornig bin, erscheinen Blitze um mich her und... und manchmal hören alle um mich herum auf, sich zu bewegen. Dann steht alles still."

Dain hörte aufmerksam zu, auch wenn es ihm schwer fiel sich bei dieser Wohltat zu konzentrieren. Erschwerend kam das Ziehen in seiner Lendengegend hinzu, welches von einem anderen Verlangen als der der Körperwäsche herrührte. Manchmal verfluchte er sich selbst für seine unstillbare Gier nach der ein oder anderen Sinnesfreude. Zähneknirschend ließ er sich das Gesagte durch den Kopf gehen, musste sogar einen Moment lang staunen über das magische Potenzial seines Schülers, denn es zeugte von großer Macht, Außenstehende Kraft der eigenen Gedanken zu beeinflussen oder gar zu manipulieren. Ersten Einschätzungen zufolge dürfte Nicolai über ähnliche Fähigkeiten wie Dain verfügen, was ihre Zusammenarbeit erleichtern würde, da sie sich mit derselben Materie beschäftigen müssten. "Ich nehme an, du kannst diese Phänomene nicht bewusst kontrollieren?" ging er genauer darauf ein, wobei seine sonst so herrische, basslastige Stimme einem kleinlauten Säuseln glich. "Das genügt. Du darfst dich entfernen" entließ er kurze Zeit später Nicolai von seiner Aufgabe, weil ihm nun der Sinn nach etwas anderem stand. Doch bevor er seinen Sinneswandel in die Tat umsetzen würde, wollte er noch ein wenig mit seiner Beute spielen so wie es sein stark ausgeprägter Jagdtrieb von ihm verlangte. Der Bursche würde also in dem kleinen Teich seine Kreise ziehen dürfen, bis er völlig arglos war. Und genau dann, wenn er es am wenigsten erwartete, würde das lüsterne Raubtier in der Gestalt von Dain zuschlagen...

"Nicht bewusst? Doch. Doch, eigentlich schon. Obwohl, manchmal, wenn ich Angst habe oder wütend bin, passiert es einfach so."
Erleichtert ließ Nicolai von Dain ab und zog sich an das andere Ende des Teiches zurück, wo er sich an die felsige Wand lehnte und erfreut die Augen schloss. Es war großartig und am liebsten wäre er ewig hier geblieben. So warm war ihm ewig nicht gewesen. Die Kälte des Winters schien neben Häusern und Stoff auch in die Menschen gekrochen zu sein.
Entspannt wie er war, träumte er ein wenig vor sich hin, an glücklichere Tage, die so selten gewesen waren. Damals hatte seine Mutter noch gelebt und er war für andere noch kein Monster gewesen. Alles war gut gewesen. Dann die Streifzüge durch die Hauptadt, alleine. Er hatte sich trotzdem über Wasser halten können. Hatte hin und wieder Spaß gehabt und das Leben genossen.
... und nun war er hier. Mit einem mürrischen Hexer, der ihn einfach nicht in Ruhe ließ. So konnte es kommen.