RE: A Warlock's Destiny - 3

Der Hexer musste sich eingestehen, dass er die Tapferkeit des Jungen als durchaus beeindruckend empfand. Diese Eigenschaft würde zumindest dafür sorgen, dass er eine Ausbildung zum Hexer lange genug überlebte. Lange genug, um am Ende ein Schwert führen zu können trotz der unzähligen Verletzungen an seinem gesamten Körper, die von Misshandlungen, Trainingseinheiten und Übungskämpfen herrührten. "Du wirst niemals Ruhe haben, wenn du dich vor dem wütenden Mob wegen deiner billigen Zaubertricks verstecken musst. Sie werden dich erst fürchten, wenn du das volle Ausmaß deiner Zauberkraft erforscht hast, sodass du sie gegen deine Peiniger verwenden kannst" zählte er eine der vielen Vorteile auf, die eine professionelle Lehre in dieser Disziplin mit sich brachte. "Meine Geduld ist bald am Ende. Entscheide dich für oder gegen mich. Wähle, Tod oder Leben!" drängte der Jäger mit knirschenden Zähnen.

Nicolais Kopf war erfüllt mit Unsicherheit. Niemals Ruhe, wenn er sich verstecken musste. Da war etwas Wahres dran. Er stahl und betrog, weil ihn niemand in seiner Nähe haben wollte - und solange er dies tat, wollte ihn erst recht niemand in seiner Nähe. Ein Teufelskreis, aus dem er selbst nicht mehr heraus kam. Wenn er diesen Weg einschlug, würde ihn dies jedoch auf ewig von jenen entfremden, denen er nur nahe sein wollte. Es wäre eine Straße ohne Widerkehr.
Ob es stimmte, was der Hexer sagte? Würden seine Kräfte ihn irgendwann verzehren wie ein rachelüstiges Monster, und Unglück über alle in seiner Nähe bringen? War es vielleicht dann sogar der richtige Weg, seinem Leben ein schnelles Ende zu machen? Doch er wollte nicht sterben! Und was scherten ihn die anderen? Er wollte doch nur das, was sie auch hatten! Ein Leben, ohne davonlaufen zu müssen!
Er war verzweifelt. Den Blick lenkte er gen Erdboden, auf die Füße des Hexers, der wie ein Scharfrichter finster über ihm aufragte.
"Ich wähle... das Leben..."

„Weise Entscheidung“ lobte er zufrieden den Jungen, der die Last auf seinen Schultern kaum ertragen konnte. Derart schwer lastete die Bürde, auferlegt von seiner Magie, auf ihm. Der Bursche hatte kaum ausgesprochen, schon schnitt sich der Hexer mit der Blut besudelten Klinge ins Handgelenk, woraufhin sein eigenes Lebenselixier aus seiner Ader floss. Indem er die Klinge damit tränkte, vermischte er sein Blut mit dem des Jungen. Es war das übliche Ritual, welches ein Abkommen zwischen einen Hexer und dessen Verhandlungspartner gültig machte. „Damit wäre der Pakt besiegelt. Wir sind durch Blut und Magie aneinander gebunden. Solltest du versuchen den Pakt zu brechen, wirst du sterben. Deine Magie hat keine Wirkung auf mich. Ebenso wenig kann dir meine Magie etwa anhaben. Du bist jetzt mein Eigentum“ sprach der Hexer in einem schauderhaften Flüsterton, der die Bedeutung des Augenblicks eindrucksvoll unterstrich. Anschließend hielt er die flache Seite der Klinge dem Jüngling hin. „Zolle deinem Herrn und Meister Respekt, indem du seine liebste Schneide küsst“ forderte er den Burschen raunend auf, was nicht mehr Teil des Rituals war. Dennoch verlangte er es von seinem Lehrling, da er es zutiefst genoss, jenen zu demütigen. Dies sollte lediglich der Anfang sein...

Verwirrt beobachtete der Junge, wie der Fremde sich in das eigene Fleisch schnitt, das sofort anfing, zu bluten. Die Klinge ließ er über die Wunde fahren und erst als er weitersprach, erkannte Nicolai den Zweck dieser Aktion. Und Panik ergriff ihn.
"W-Was?? Davon habt Ihr nichts gesagt!", rief er hilflos, als ihn die Neuigkeit eines möglichen Todes bei einem Bruch ereilte. Das war aber mal wirklich eine harte Vertragsstrafe! Der Übertölpelte schüttelte energisch den Kopf. "Und ich bin niemandes Eigentum! W-Was denkt Ihr Euch eigentlich?", fragte er entsetzt und empört. Ein seltsames Gefühl in der Magengegend verschaffte ihm nur einen flüchtigen Eindruck von der Magie, die hier im Spiel war. Das konnte nicht wahr sein! Der nahm ihn auf die Schippe! Mit großen Augen starrte er die Klinge an, die ihm hingehalten wurde und an der noch immer das rote Blut von ihnen beiden hinablief. Er schüttelte den Kopf. Er wollte nicht...

Natürlich hatte er nichts davon gesagt. Er war schließlich kein Narr, der einen Vertrag durch die Erwähnung von Klauseln schlecht redete. Wer würde sich dann noch auf ein Geschäft mit ihm eimlassen? "Alles hat seinen Preis, Junge" würgte er ihn mit einer Floskel ab. Auch wenn ihr Handel im ersten Moment nachteilig für den Knaben wirkte, würde er von jetzt an ebenso einige Vorteile und Privilegien genießen. "Hör auf zu jammern wie ein altes Waschweib! Die Blutsbande sorgt dafür, dass wir uns nicht gegenseitig betrügen. Die kommenden fünf Jahre wirst du mir dienen und gehorchen. Dafür genießt du Schutz und Geleit durch mich. Ganz zu schweigen von der Macht, die du im Laufe der Zeit erlangen wirst" machte er im nächsten Augenblick die Situation schmackhaft für den Jüngling. Er sollte gefälligst dankbar dafür sein, dass sich ein Hexer wie Dain seiner annahm. "Du solltest besser damit anfangen, zu tun, was man von dir verlangt. Immerhin hängen meine Großzügigkeit und mein Wohlwollen von deinem Benehmen ab" der Junge hatte mehr Einfluss auf den weiteren Verlauf der Geschehnisse als ihm bewusst war. Allein die Qualität der Mahlzeiten würde sich nach dem Ausmaß seiner Kooperationsbereitschaft richten. Noch immer schimmerte das Blut auf dem Stahl vor Nicolais Gesicht wie ein Mahnmal, das beachtet werden wollte."Ich rate dir also, ein wenig mehr Respekt an den Tag zu legen" ermahnte er den Knaben, wobei er vor ihm in die Hocke gegangen war, um ihm direkt in die Augen zu sehen und so den Ernst der Lage zu betonen.

Hass war ein ganz neues Gefühl für Nicolai. Allein und ausgestoßen am Rande der Gesellschaft hatte er für die Menschen dennoch niemals eine solche Abneigung gehegt. Er war einsam gewesen und traurig, doch hatten die normalen Leute doch keine Schuld an ihrer Furcht. Er konnte sie sogar ein wenig verstehen, waren sie für ihn in ihrer schieren Anzahl doch genauso furchteinflößend.
Doch diesen Hexer, den hasste er leidenschaftlich. Er hasste dieses verabscheuungswürdige Subjekt, das so unerwartet und ungefragt in sein Leben getreten war, um ihn zu quälen und Gesetzen zu unterwerfen, die ihn nicht interessierten!
Ein Schauer lief ihm über den Nacken als der Mistkerl vor ihm in die Hocke ging. Erneut tauschten sie Blicke, doch mehr denn je hatte er den Eindruck, dass diese Augen sich tief in seine Seele brannten. Einige Sekunden fochten sie ein stummes Duell aus, bevor Nicolai nachgab. Konnte er entkommen? Einfach entwischen wenn der Weißhaarige schlief? Schliefen diese Monster überhaupt je?
Langsam neigte er den Kopf und küsste die blutige Klinge und eiskalt überkamen ihn neue Schauer. Als er den Kopf wieder hob, waren seine Lippen rot von ihrer beider Blut.

Dain konnte den Hass des Jungen förmlich riechen. Etwas anderes hätte ihn auch enttäuscht. Er beobachtete nur allzu gern die emotionale Entwicklung seiner Opfer. Alles beginnt stets mit Hass und Abscheu. Danach folgt die Verachtung. Wenig später die Verzweiflung. Kurz danach erfährt ihre Verbindung die entscheidende Wende. Entweder es führt alles zur Resignation oder zur Hingabe. Dies hing stark davon ab, welche Richtung von Dain gefördert wurde. Wenn er sein Opfer - in diesem Fall sein Schützling - seiner würdig erachtete, lag ihm viel daran dessen bedingungslose Hingabe zu erlangen. Andernfalls genügte ihm die Resignation, welche das Opfer ohne Widerworte ausführen ließ, was er von diesem verlangte. Wohin die Reise Nicolai und ihn führen würde, würde sich noch zeigen. Momentan sah es eher nach einer anstrengenden Odyssee aus. Umso mehr Vergnügen würde es dem Hexer bereiten den Wurm zu brechen. Zumindest tat er nach erneuter Aufforderung das, was er von ihm erwartet hatte. Das schillernde, tief rote Blut auf den verführerisch geschwungenen Lippen des Burschen betonte dessen Kusspolster vorteilhaft und doch ließ sich Dain nicht dazu hinreißen, ihm das köstliche sowie wertvolle Lebenselixier von jenen zu lecken. Der Wicht sollte zunächst im Dreck kriechen, ehe er ihm Zugeständnisse machte. "Ich sehe, du hast verstanden" lobte er den Knaben mit dem schneidenden Ton seiner monotonen Stimme, die durch die Höhle echote wie ein gespenstisches Klagen. "Ich vermute, du bist hungrig?" fragte er als wäre es eine reine Banalität sich um das Wohlergehen eines Lehrlings zu kümmern, die lediglich der wankenden Großzügigkeit des Meisters zu verschulden war. "In der Satteltasche meines Pferdes findest du Brot und Käse. Bring es mir" mit der Spitze der Klinge deutete er auf das riesige Schlachtross, das auf dem Boden vor dem Höhleneingang lag und mit feurigen Augen die Szene wachsam verfolgte. Seine gesamte Körperhaltung schien symbolisieren zu wollen, dass es eine große Dummheit war, sich dem Tier zu nähern.

Nicolai hatte keine Ahnung, was dieser Teufel für ihn plante. Doch auch ohne dieses Wissen ahnte er, dass es nichts Gutes sein konnte. Nun ging er also bei einem echten Hexer in die Lehre. Kein Magier, wie man ihn sich im Allgemeinen vorstellte, verdienten diese Männer sich ihr Gold doch mit harter Muskelarbeit, statt tagein tagaus über Büchern zu brüten oder Tränke zu brauen, hatte er gehört.
Der Junge errötete vor Wut und Scham als der Hexer den Kuss der Klinge mit einer dummen Antwort quittierte, bevor er ihn losschickte, Essen aus den Satteltaschen auf diesem... diesem Tier... zu holen. Was immer es war, ein Pferd jedenfalls nicht. Zuerst noch voller Ungeduld, wurden seine Schritte rasch langsamer und bedächtiger, denn dieses Wesen schien seine Gesellschaft weder zu wünschen noch zu dulden. Feindselig glühten die roten Augen der Bestie in Pferdegestalt und schienen seine Gedanken ebenso zu lesen wie die seines Herrn.
"I-Ist das ein Nachtmahr?", fragte Nicolai, halb andächtig, halb nervös, denn von diesen Geschöpfen hatte er gelesen. Dunkle Dämonen in Gestalt von Pferden, die mit ihren Hufen Brandspuren auf Schlachtfeldern hinterließen. Hatte der Hexer ein solches Ross etwa tatsächlich gezähmt?

Die schmalen Lippen des Hexenmeisters formten sich zu einem dünnlippigen, boshaften Lächeln als sich der Knabe in Bewegung setzte und damit Mut bewies. Für wahr, der Jüngling war zu etwas zu gebrauchen. Oder aber er verspürte einen heftigen Todeswunsch, den Elixier ihm gerne erfüllen würde, sollte das Pferd den Burschen als mental schwach einstufen. Da Elixier sich jedoch nicht regte und keine Anstalten machte sich zu erheben, deutete Dain daraus, dass der Hengst einverstanden mit der Wahl seines Lehrlings war. "Gut erkannt. Ein leibhaftiger Nachtmahr. Gleichermaßen störrisch wie loyal. Wage es niemals ihn zu hintergehen oder er wird dich in Stücke reißen" warnte er den Jungen eindringlich, nachdem er sich am Feuer niedergelassen hatte und das Messer in seiner Hand mit mehr Interesse inspizierte als den Knaben bei seiner Aufgabe. Das stolze Ross richtete seinen infernalischen Blick auf Nicolais Augenpaar als würde es darin lesen wollen. Der Schweif zuckte hin und her wie eine Schlange, die sich auf den Angriff vorbereitete. Doch dieser blieb aus. Stattdessen wieherte der Hengst markerschütternd, ehe er sein majestätisches Haupt auf den Boden legte als Zeichen dafür, dass der Bursche in die Satteltasche greifen durfte. "Bravo! Elixier kennt dich als Teil unserer kleinen Gefolgschaft an. Das soll allerdings nicht heißen, dass er dich nicht töten wird, solltest du ihn oder mich erzürnen" erklärte er dem Jungen das Gebaren des Nachtmahrs geduldig, wobei er darauf wartete, dass Nicolai mit der kargen Mahlzeit zurück kehrte.

Nicolai war angespannt, als er sich dem Ross näherte. Ein echter Nachtmahr. Sie stammten angeblich aus einer anderen Ebene. Keiner grasigen Landschaft, sondern einer anderen Welt. Einer des Feuers und des Schwefels, wo sie sich von den Geistern der weniger glücklichen Einwohner dieses Ortes ernährten. Grässliche Raubtiere, die aus irgendeinem Grund auf dieser Ebene das Aussehen stolzer Feuerrösser annahmen.
Nicolai hatte Angst, doch er hatte an diesem Abend wahrlich schon zu oft dem Tod ins Auge gesehen, um von dieser Möglichkeit noch groß erschüttert werden zu können. Als das Tier sich niederlegte, näherte er sich und griff in die Satteltasche, wo er das Brot und den Käse seines neuen Meisters (und Sklaventreibers) heraus fischte. Beruhigend legte er die Hand auf den Hals des Tiers - eine Geste, die er nicht hatte ausführen wollen, wollte er doch nur von ihm weg. Doch Nicolai konnte schon immer gut mit Tieren, sodass es beinahe ein Reflex geworden war, sie zu liebkosen.
"Hier", sagte er schließlich und reichte halbherzig die Nahrungsmittel an den Dasitzenden. Er setzte sich und schwieg, sein Magen knurrend, und erwartete nicht wirklich, für seinen Mut mit etwas zu Essen belohnt zu werden.

Wie recht der Bursche hatte, der um einiges belesener zu sein schien als gedacht. Womöglich würde sich sein Wissensdurst noch als nützlich erweisen. Dass Nicolai den Hengst derart selbstverständlich tätschelte, gar liebkoste, schürte in Dain die Hoffnung, dass aus dem Burschen eines Tages ein passabler Hexer werden würde, der gar imstande war ebenfalls einen Nachtmahr zu zähmen und zu unterwerfen. Doch bis dahin würde es noch ein sehr weiter Weg sein. Elixier schnaubte zufrieden ob der Geste und schnappte dann nach dem Kragen des Jungen neckisch, weil es ihm teuflische Freude bereitete, dem Burschen einen Schrecken einzujagen. So waren sie nun mal, die Nachtmahre. Allesamt abscheuliche, schadenfrohe Bastarde. Wortlos nahm Dain die Speisen entgegen und reichte im Gegenzug dem Jüngling das blutbesudelte Messer. "Reinige es - Lektion Nummer eins: wer sich den Wanst vollschlagen will, muss es sich zunächst verdienen" folgte sogleich die Erklärung samt überheblich blitzender Hexeraugen, die nicht von Nicolai abließen. Nicht einmal dann, als sich Dain ein Brotkrumen in den Mund schob und demonstrativ genüsslich darauf zu kauen begann. "Vorzüglich" schnurrte er provokativ, um den Hunger des Jungen zu schüren.

Mürrisch nahm er das Messer in die Hand - seine Lippen hatte er sich längst mit dem Ärmel abgewischt - und betrachtete die Klinge unwillig. Er wollte schlafen, hatte er doch nur in der Ohnmacht gelegen. Immer noch tat ihm der Körper vom Aufprall weh und der Hunger nagte an ihm. Er sah zu wie der Hexer sich das Brot in sein vorlautes Maul schob und reinigte die Klinge so gut es ging mit einem Tuch. Nach und nach verwischten die Blutspuren und die Klinge blitzte wie zuvor im Schein des Feuers. Dunkle Schatten tanzten an den Wänden und schienen größer zu werden und sie mit ihren Tänzen necken zu wollen.
Hier saß er, in einer Höhle im Wald, an der Seite eines Hexers und reinigte wortlos dessen Klinge, wie selbstverständlich. Innerlich kochte er vor Wut, auch wenn diese durch die Erschöpfung doch arg gedämpft wurde.
"So", sagte er schließlich und hielt seinem neuen Meister die Klinge hin. "Fertig."

Der Hexer beobachtete seinen neuen Diener mit Argusaugen - wenn nicht sogar wie ein Schakal, der den geeigneten Augenblick abpasste, sich auf seine Beute zu stürzen. Wieder steckte er sich etwas Brot zwischen die Zähne, gefolgt von einem Stück Käse, während er sich von Nicolais Bemühen, die Klinge zu polieren, unterhalten ließ. Es war aber auch amüsant diesem trotzigen Bengel dabei zuzusehen wie dieser mit niederen Arbeiten in der Gunst des Hexers aufzusteigen versuchte. Noch mühte er sich bloß für den Erhalt seines erbärmlichen Lebens darartig ab. Doch schon bald würde ihn etwas ganz anderes dazu motivieren, seinem Meister zu gefallen... Als die Klinge in ihrer vollkommenen Schönheit im Schein des Feuers erstrahlte nickte Dain anerkennend. "Sie gehört nun dir" verkündete der Hexer andächtig, da es Tradition unter den Hexern war, ihren Zöglingen eine Waffe zur Selbstverteidigung zu überlassen als auch zu Trainingszwecken. Zudem stellte dies ein Test dar. Sollte der Lehrling der Versuchung erliegen, die Klinge gegen seinen Meister im Schlaf oder in einem anderen unbedachten Moment zu richten, so würde dieser erkennen müssen, dass er sein eigenes Todesurteil unterschrieben hatte aufgrund des Vertrags, den sie mit Blut besiegelt hatten. Dieser besagte nämlich, dass weder der Meister seinen Lehrling töten konnte noch der Lehrling den Meister. Einzige Ausnahme stellte der Ungehorsam des Lehrlings dar. Sollte sich jener als Enttäuschung herausstellen, stand es dem Meister zu, jenen hinzurichten. Ohne den Blick von Nicolai abzuwenden warf er ihm die Reste seiner Mahlzeit zu. "Verschluck dich nicht" höhnte er und lehnte sich dann mit dem Rücken gegen die felsige Wand.

Es war nicht schwer gewesen, die Klinge zu reinigen - nicht physisch. Doch eine derartige Überwindung hatte Nicolai selten ertragen müssen. Dieses Schwein wollte er nicht bedienen! Alles in ihm sträubte sich und sein Abscheu brannte in seinen Eingeweiden wie Feuer. Purer, unverfälschter Hass!
Hass, der sich schlagartig in Verwunderung wandelte, als Nicolai die Waffe wieder entgegennehmen sollte, mit dem Vermerk, sie gehöre nun ihm. Der Tonfall des Hexenmeisters zeugte von einem ehrwürdigen Moment, den der Junge aber nicht zu schätzen wusste. Er wusste nur, dass er nicht um dieses Geschenk gebeten hatte. Dennoch nahm er sie an, nicht ohne leise zu widersprechen:
"Eben meintet Ihr noch, es sei Eure liebste Schneide."
Nur mehr ein kärglicher Rest der ohnehin schon dürftigen Mahlzeit war ihm übriggeblieben und mit bitterer Miene hob er den letzten Brotklumpen und das letzte Stück Käse auf. Hätte er die Wahl gehabt, hätte er sie dem Großmaul ins Gesicht geworfen. Doch hungrig wie er war, durfte er nicht wählerisch sein. Er hatte sich schon oft erniedrigen müssen, um überleben zu können. So auch jetzt. Nicolai zog sich also in eine Ecke der Höhle zurück und aß die Portion restlos auf. Die Klinge legte er achtlos an seine Seite. Von drüben sah er immer noch den Alten zu sich her starren, da jedoch nichts mehr kam, glaubte der Junge sich in Sicherheit, ein wenig die Augen zu schließen...

Der Hexer zuckte daraufhin unbeeindruckt mit der Schulter. "Jede Klinge ist ersetzbar. Ich werde mir eine neue besorgen" tat er die Angelegenheit als Kleinigkeit ab. Dass sein Waffenarsenal aus mehreren, verschiedenen Klingen bestand, verschwieg er dem Burschen. Nicht, dass dieser auf dumme Gedanken kam. Nachdem Nicolai aufgegessen hatte, gestattete er ihm zu ruhen. Er musste ausgeschlafen sein für den nächsten Tag, der am frühen Morgen für sie beide beginnen würde. Auch Dain schloss die Augen mehr zum Schein als zur Notwendigkeit. Ein Hexer schlief nämlich nicht. Er meditierte stattdessen, um seine physischen als auch psychischen Kräfte zu regenerieren. Daher täuschte er bloß seinen Schlaf vor, damit sein Schützling den fälschlichen Eindruck erlangte, es mit einer gewöhnlichen, menschlichen Kreatur zu tun zu haben, die man im Schlaf überlisten konnte. Sollte er es wagen, den Hexer zu überfallen, würde dieser schneller darauf reagieren als Nicolai es jemals vermuten würde.
Am nächsten Morgen weckte Dain den am Boden schlummernden Jüngling mit einem leichten, aber deutlich spürbaren Tritt in die Seite. "Genug geschlafen, Faulpelz!" lautete der morgendliche Gruß im barschen Tonfall, ehe Dain einen Wasserschlauch zur Erfrischung dem Burschen vor die Füße warf. "Was weißt du über uns Hexer?" verlangte er mit dem nächsten Atemzug von dem Knaben zu erfahren, damit er einschätzen konnte, welche Wissenslücken Nicolai besaß.