RE: Spouse - 17

Ich war gespannt auf die Erklärung, weshalb London einen anderen Nachnamen hatte. War er vielleicht als Kind abgegeben und adoptiert worden? Das fand hier häufig in dieser Stadt statt, grade weil man auch Menschen, die keine Kind haben wollten, zum gebären zwang. Dafür war das System, Kinder zu vermitteln oder in sehr guten Heimen aufwachsen zu lassen, sehr gut ausgereift, damit aus eben diesen Kindern später keine Kriminellen wurden, wie es so häufig der Fall war.
Als er über Zukunft sprach, sagte ich nichts dazu. Das Thema hatten wir doch schon oft genug. Ich würde irgendwann fliehen, er würde hier bleiben und neu vermittelt werden und hoffentlich eine andere blonde Frau mit blauen Augen an seiner Seite erhalten. Die konnte er dann küssen, schwängern und einen auf Happy Family machen. Weit ab von mir.
Nach einer Weile saßen wir also alle im Wohnzimmer und ich machte einen auf gute Miene. Wir unterhielten uns lange, und als mein Großvater von London erzählte, saß ich dabei und hatte Tränen in meinen Augen. Heute war die Stadt fast menschenleer, es lebten wohl nur noch einige gesetzlose Rebellen dort, die dem Virus getrotzt hatten. Ich trank was vom Sekt und dem Prosecco, und das nicht zu wenig, was mich vielleicht auch etwa Emotional machte. Anschließend alberten wir herum.
Nach einigen Stunden und einem guten Essen waren schließlich alle gegangen und ich schmiss mich ein wenig erschöpft auf das Sofa.

Ich sah London dabei zu, wie er seinen Hemdkragen löste, was tatsächlich sehr anziehend auf mich wirkte. Ich mochte es, ihn im Anzug zu sehen, es ließ ihn noch weitaus männlicher wirken, als ohnehin schon. "Nein, erzähl mir deine Geschichte, ich will sie hören. Sie ist wichtiger, als die ganzen Geschichten aus den Büchern." Ich war zwar erschöpft, es war viel emotionaler Kontakt heute, aber ich war nicht wirklich müde. Nur waren es so viele Eindrücke. Erst war ich aufgestanden, hatte mich zum Frühstück zwingen müssen, dann hatte ich mich eingekleidet und bei einer Friseurin frisieren lassen. Schließlich die Hochzeit, dann die letzten Stunden hier.
Als er dann begann, von Urlaub zu sprechen, zog ich eine Augenbraue hoch. Es brauchte einige Momente, bis ich verstand, was er mir versuchte, zu sagen. Und ich wusste eine Weile nichts darauf zu antworten. Es war gefährlich, denn nicht nur ich könnte dafür belangt werden, sondern dann alle. Nur weil ich hier weg wollte, sollten sie alle bestraft werden? "Ich weiß nicht, ob wir das organisiert kriegen." Aber innerlich wollte ich es. Es war eine wunderbare Vorstellung. "Ich mache mir nur Sorgen."

Ich nickte leise. Viel konnte ich nicht zu seinem Meinungswechsel sagen, denn vielleicht wurden wir auch abgehört, weil sie vermuteten, dass ich abhauen wollte. Immerhin hielt ich nicht hinterm Berg, was ich von der ganzen Geburtensache hielt. Jedenfalls hielt es mich davon ab, noch etwas zu erwiedern. Denn als mir London erklärte, er könnte vielleicht mitkommen, schlug mein Herz schneller. Nicht nur, weil die Vorstellung unheimlich schön war, sondern auch, weil sie mir Angst machte. Dann entschied ich mich aber doch dazu, einen letzten Satz zu dem Thema von mir zu geben. "Bevor die Gebärmutter eingesetzt ist, erlauben sie uns sicher keinen Urlaub. Die wollen das schnell machen, glaube ich." Ich setzte mich auf und nahm nochmal was vom Prosecco, um was davon zu trinken. Er war sehr süß und ich liebte den Geschmack und das Sprudeln in meinem Mund.
Dann hörte ich eine Weile einfach nur schweigsam zu. "Das ist leider die Geschichte vieler Kinder. Aber du hast dich hochgekämpft." Als er letzten Endes meinte, er würde aufwachen und alles vorbei sein, nahm ich noch einen Schluck. "Nein, das wird nicht passieren, es wird sich nicht viel verändern. Nur ich könnte verschwinden."

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass der Abend so abrupt enden würde. Hatte geglaubt, wir würden noch trinken, sprechen, vielleicht gemeinam raus gehen. Aber mit einem Mal wollte er einfach schlafen gehen. Vielleicht war es ihm zu viel, vielleicht machte es ihn fertig, zu wissen, nun auf ewig mit mir verbunden zu sein und mich früher oder später verloren zu haben.
Alles vorbei... ich fragte mich, was er damit meinte. Was dieses alles beinhalten würde. Ich wollte nicht für die Zerstörung seines Lebens verantwortlich sein, und doch war ich es. Ich saß noch eine ganze Weile dort auf dem Sofa, trank, und überlegte sogar, ob ich hier bleiben sollte. Mich zusammenreißen und alles durchziehen, wozu sie mich zwingen wollten. Aber dann würde es niemals enden. Ich würde zwei Kinder auf die Welt bringen, mein Körper würde für immer verunstaltet sein, ich würde wie eine Mutter sein müssen, die ich nicht war und niemals sein wollte. Und sobald die Regierung es wollte, würden sie mich eventuell zu mehr Kindern zwingen, mit immer weiteren Untersuchungen, Verunstaltungen, Operationen. Ich ertrug diese Stadt nicht, nicht unter diesen Voraussetzungen. Und mein Herz schlug in London, der Stadt, aber ebenso auch für diesen Mann.
Eine Weile überlegte, ob ich etwas zu mir nehmen wollte, doch ich wollte es nicht in Londons Wohnung tun und ihn damit in Gefahr bringen. Doch kam ich nicht zur Ruhe. Also kramte ich aus einem Zimmer mein altes Skateboard heraus und verließ damit die Wohnung. Nach etwa einer Stunde kam ich zurück, ging duschen und überlegte dann, ob ich schlafen gehen würde. Nur wollte ich noch immer nicht. Und so setzte ich mich mit nassen Haaren gegen die Schlafzimmertür von London.

Als die Tür aufging, kippte ich nach hinten und spürte grade noch einen leichten Tritt von ihm, doch er fiel zum Glück nickt. Langsam ließ ich mir aufhelfen. "Ach was, die Heizungen in eurem Stockwerk sind hervorragend", meinte ich noch, halb belustigt, aber auch Melancholie lag in meiner Stimme. Meine Haare waren wie immer zusammengebunden, doch einige Strähnen hingen heraus, die London wohl in die Finger bekam.
Ich hörte mir seine Worte an und blieb eine Weile einfach im Dunkeln stehen, überlegte in Ruhe, was ich wollte. Da waren viele Wünsche, die sich aber alle wiedersprachen, wie ein Gemetzel von Kriegern verschiedener Völker.
Nach einer Weile seufzte Zanuähl leise. "Ich komme mit. Schlafen kommt für mich nicht infrage. War eben noch Skateboard fahren draußen, dann duschen, aber ich bin heute auch zu aufgewühlt. Es ist meine Hochzeitsnacht und eigentlich hatte ich sie mir mal ganz anders vorgestellt. Es frustriert mich, dich sicherlich auch." Damit gingen wir in die Küche. Ich war noch Jungfrau, hatte mich für diese Nacht aufgespart, wie es viele taten, und nun war es schwer zu ertragen, dass ich vielleicht noch lange eine bleiben würde. London wollte mich doch jetzt schon kaum gehen lassen, da konnte ich nicht auch noch mit ihm schlafen und seine Gefühle zu mir vertiefen. Und meine ebenso. Wir standen uns eh schon näher, als ich geplant hatte.

"Ich habe oft daran gedacht. Hab es mir oft verkneifen müssen, wenn sie mir grade die Hormone gespritzt hatten, mir darauf einen runter zu holen", gab ich dann zu, was wohl auch am Alkohol lag, dass ich nun so offen darüber sprach. Ich schüttelte den Kopf, um jetzt auch nicht daran zu intensiv zu denken. Immerhin stand London grade vor mir. Und er grinste so... im Mondschein. "Aber du würdest, wenn ich es zulassen würde, oder?" Immerhin hatte er mich auch schon einmal geküsst, konnte nicht an sich halten.
Die Vorschläge für den Abend ging ich kurz durch. "Nein, ich will auch nicht mehr feiern. Abend irgendwann sollten wir es tun, falls ich nicht fliehen kann und unsere Ehe für mich nicht zu prüde werden soll. Hmm... ich hätte Lust auf einen Film, das lenkt gut ab, vielleicht schlafe ich dabei ein." Ich war aktuell nur mit einem grauen großen Kauzenpulli bekleidet, welcher grade so über die Hälfte meines Hinterns ging, und hatte eine enge schwarze Boxershorts an. Aber die Fußbodenheizung wärmte meine nackten Füße sehr angenehm. Mit dem Glas Wasser tigerte ich langsam zum Sofa.

"Natürlich ist es was anderes. Aber wärst du dir sicher, dass ich es zulassen würdest, würdest du sicherlich versuchen, mich rumzukriegen." Ich wollte bei dem Thema bleiben. Es war zwar nicht klug, aber wann war ich das schon? Ich war die Dummheit im Bündel. Und genau deshalb wollte ich auch gerne über Sex reden, da ich Verlangen verspürte, und es gefüttert werden wollte, obwohl ich es gleichzeitig unterdrücken wollte.
Wir warfen irgendeinen Film an, und als dann sein Kommentar kam, drehte ich meinen Kopf im Licht der Projektion zu ihm und zog eine Augenbraue hoch. "Süß?", schnaubte ich. Ich rollte mit den Augen. Würde ich es abstreiten, würde er es nur noch stärker bestätigen. "Du sprichst wie eine 13jährige, London. Also so würdest du mich auf keinen Fall rumkriegen, falls das jemals dein Ziel wäre."

"Mir wäre alles lieber, solange du mich nicht süß nennst." Ich war nur halb beim Film. Meine Augen schwankten zwischen Projektion und seinem Gesicht. Doch als er die Braue hochzog, konnte ich nicht mehr wegsehen, vorerst. Ich musste mir dieses Gesicht einfach einprägen, denn ich wusste nicht, wie lange ich es noch sehen würde.
Als er mich so fragte, und näher kam, bekam ich eine Gänsehaut auf den Oberschenkeln. Ich sah wieder zum Film, um erneut Distanz aufzubauen. Es war ein mieses Spiel, welches ich hier spielte. Aber diese verlogenen Ärzte mit ihren Hormoncocktails machten es mir auch nicht leicht, mich immer angemessen zu verhalten. "In mir tobt ein Krieg, London. Welche Seite in mir fragst du? Die Ärzte versuchen ihr bestes, damit ich mich rumkriegen lasse. Und es gab Tage, da wäre ich vielleicht schwach geworden, hättest du es versucht." Ich zuckte mit den Schultern und lehnte mich tiefer nach hinten. "Was ich will ist schwer zu sagen. Ich will sehr vieles, zu viel."