RE: Spouse - 12

Ich löste mich entgültig von ihm und ließ mich dann auf eine der Bänke nieder. Dort versenkte ich mein Gesicht in meinen Händen, um nichts und niemanden mehr sehen zu müssen. Mir war klar, dass es für London auch schwer war. Aber er wehrte sich ja gegen all das nicht. Er war Teil des Ganzen und mit daran Schuld, dass ich nun hier war und mir dieser Doktor, dieser fremde Mensch, viel zu nahe gekommen war. Mein Körper kribbelte, als das Mittel nachließ und ich spürte, wie ich zu zittern begann.
Jemand kam zu uns raus, und ich sah dann Dr. Clance in seinem weißen Kittel. "Mr. Jardtsch. Ich muss Sie noch zu den Syptomen der Hormone befragen und Ihnen dann eine weitere Dosis verabreichen." Seine Stimme war ruhig, er kam langsam auf mich zu. Doch ich stand nur auf und ging an ihm vorbei. Kaum war ich durch die Tür, rannte ich los. Es wurde mir zu viel. Ich wollte diesen Mann nicht mehr sehen, keinen von den beiden.

„Cassidy, ich bin Arzt und kein Psychologe. Zudem hatte ich ihm in der Nachricht mitgeteilt, dass er noch eine weitere Dosis brauchen wird.“ Er schnaubte dunkel, hatte er seinen Kollegen im Arbeitsumfeld bisher sehr gefasst und ruhig erlebt. „Anscheinend gehen mit Ihnen ebenfalls die Hormone durch. Aber das ist wahrscheinlich gut so.“ Und so sah er London auch schon abziehen.
Ich versuchte während dessen mich zu befreien. Schrie die beiden Männer in ihren weißen Kleidungsstücken an, dass sie mich los lassen sollten, und zog damit viel Aufmerksamkeit auf mich. In all dem Gewusel und Durcheinander erkannte ich dann Londons laute und harte Stimme, und ich wurde sofort los gelassen. Leider hielt er mich dann wieder fest. Eher widerwillig ging ich dann mit ihm zum Ausgang. Mein Herz raste, ich wollte nur noch raus hier. „Er hat mich angefasst“, faselte ich einmal vor mich hin. „Er war in mir. Und ich konnte nichts dagegen tun. Ich kann gegen all das hier nichts tun.“
Kurz daraufhin saß ich in dem Shuttle und es ließ mich in meiner Straße raus. Dort angekommen stand ich dann erst einmal verloren da. Ich konnte nach Hause gehen, immerhin fühlte ich mich aufgelaugt und wollte am liebsten keine Menschenseele mehr sehen. Oder ich verschwand dort, wo mich niemand finden würde, wo ich nicht hingehen durfte. Hexe war bei meinem Großvater, denn ich hatte geahnt, dass ich mich nach alledem nicht um sie kümmern würde können. Und so traf ich die denkbar schlechtere Entscheidung.

London bekam daher später keine Antwort, als er die Nachricht an meine Wohnung schickte. Ich war in dem Abteil der Stadt, welches der Regierung nicht mehr gehörte. In welchem alle Sicherheits- und Kontrollsysteme versagten. Vielleicht war die Regierung sogar froh darüber, wenn sie sich nicht mehr damit rumplagen mussten. Versuchte, hier noch einzugreifen, wurden immer seltener, denn es wurde von anderen Menschen kontrolliert und gehakt, welche ebenfalls viel Macht besaßen. Ich war jedoch wie die vielen anderen toten Seelen darin nur ein bisschen Staub auf den Straßen.
Ich war in einer der vielen Gebäude, hatte eine ruhige Ecke unter einer maroden Treppe gefunden und lauschte dem dumpfen Bassklang. Ich war alleine, niemand kümmerte sich um mich und es war genau das, was ich wollte. Ich würde nicht wieder unter den Baum kriechen, wo sie mich fanden. Wollte mir einfach nur in Einsamkeit die letzten Stunden aus dem Bewusstsein streichen, mithilfe illegaler Substanzen.
Es dauerte nicht lange, und sie wirkten. Ich lehnte mich zurück, schloss die Augen, achtete genau auf die Wirkung und meine Gefühle. Nach einer Weile hatte ich einen unglaublichen Bewegungsdrang und begann anschließend, die Nacht über auf der Tanzfläche zu verbringen.
Am nächsten Morgen gegen 9 Uhr ging ich durchgeschwitzt und noch etwas benebelt wieder zurück. Kaum kam ich bei mir Zuhause an, hörte ich die Nachricht von London. Sie war schon viele Stunden alt. Ich hörte sie mehrmals, immer wieder. Der noch leichte Rausch ließ mich seine Stimme genießen, diese dunkle harmonische. Ich hätte mich darin verlieren können.
Doch ich meldete mich nicht zurück. Machte mir ein Frühstück, verspürte keine Müdigkeit, und stärkte mich zunächst. Die letzten Reste des Rausches lösten sich dabei langsam auf, und anschließend stieg ich unter die Dusche. Dort erst holte mich die Realität eiskalt wieder ein und mir fiel ein, weshalb ich mich den Substanzen erneut hingegeben hatte. Weinend brach ich zusammen, heulte lange rum. Es klingelte an der Tür, aber ich machte nicht auf.

Nass und nackt ließ ich mich schließlich in mein Bett fallen, schlief dort eine Weile, doch wachte immer wieder unruhig auf. Dieses ständige Einschlafen und Aufwachen hielt ich nach dem sechsten Mal nicht mehr auf und zog mich dann an, machte mir einen Zopf und ging zur Tür. 15 Uhr. Eine Nachricht wurde mir auf der Sprechanlage hinterlassen. Es war Dr. Clace. Er bestellte mich für heute nochmal zu sich, damit er mir die nächste Hormondosis verpassen konnte. Ich fühlte mich innerlich unendlich erschöpft und hatte keine Kraft, um mich zu wehren, also machte ich mich auf dem Weg. Rein in das Krankenhaus, die Panik spüren, die Tränen hinter den Augen zurück halten, das Zittern unterdrücken, rein in sein Zimmer, eine Spritze im Arm stecken haben, irgendwelches Gefasel. Raus aus dem Krankenhaus, ziellos über die Rasenfläche, senkte mich unter einem Baum nieder und ließ ein gefühltes Trauma mich einfach schlucken wie weiche geschmolzene Butter.

Ich vermisste das Rauschen der Blätter im Baume, denn es gab hier keinen Wind. Sehnte mich nach warmen Sonnenstrahlen, aber das Licht in dieser Etage war künstlich. Der Rasen war echt, der Baum war echt. Aber sie waren wie ich. In diesem technischen System gefangen und regungslos. Als könnte der Baum mit in seiner alten Weisheit Trost spenden, lehnte ich meinen Hinterkopf gegen ihn und sah in seine Baumkrohne hinauf, kein Blatt bewegte sich.
Ich hörte irgendwann Schritte, doch reagierte ich nicht. Spürte nur wieder mein Herz schneller rasen, aus Angst, es könnte Dr. Clace ein, oder irgendjemand Fremdes, Ärzte oder Pfleger. Ich sah nur weiter in den künstlich projezierten Himmel. Londons Stimme traf mich und auch dann dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis ich reagieren konnte. Ich hatte vergessen, wie. Und es fiel mir unglaublich schwer, die passenden Worte zu finden, oder den Kopf zu senken, um ihm in die Augen zu sehen. Dann zuckte ich mit den Schultern. Mein Herz beruhigte sich langsam wieder. "Ich war eben bei Dr. Clance und habe mir meine nächste Dosis geben lassen." Ich sog einmal die Luft tief in meine Lungen, und seufzte sie wieder aus, kam langsam wieder zu mir. "Ich weiß nicht, wohin ich will. Es ist mir gleichgültig, London, wirklich." Eine kurze Pause. "Es ist doch überhaupt nicht wichtig. Ich bin innerhalb dieser Stadt, nur das hat Bedeutung. Meine Gedanken kreisen die ganze Zeit darum, dass mich jemand vor meiner Hochzeit so angefasst hat. Sie haben meinen ganzen Traum zerstört, nichts mehr davon ist übrig."

Ich bemerkte schnell, dass London heute nicht sehr mitleidig mit mir war. Doch das war absolut in Ordnung für mich. Er fasste mich immer mit Samthandschuhen an, war immerzu tröstlich und viel zu freundlich. Ich überlegte, ob es nicht vielleicht sogar besser wäre, er wäre nicht so. Dann könnte er sich vielleicht besser um sich selbst kümmern, und müsste sich mit mir nicht so rumplagen.
Ich atmete tief durch, als er mir so klar und deutlich sagte, dass mein Traum schon länger zerbrochen war. Sagte nichts dagegen, er hatte ja recht. Ging dann einfach neben ihm her, ließ mich in den Shuttle setzen und wollte ihm keine weiteren Probleme bereiten.
Im Shuttle sah ich ihm ins Gesicht. Er erklärte mir, wie er ebenso litt. "Dann hör doch auf, dich so sehr um mich zu sorgen und mich zu umkümmern. Teil deine Energie besser ein. Verschwende sie nicht an mich." Immerhin war es, als wäre ich ein schwarzes Loch ohne Boden. Fühlte mich, als würde man mich kaum noch retten können. Eine Weile beobachtete ich ihn stumm, sah in sein Gesicht, betrachtete seine Haare, seine Statur, seine Körperhaltung. Der Raum füllte sich schwer mit seinem herben Duft. Ich spürte ein ziehen in meinem Unterleib. "Wen stellst du mir vor? Ich weiß nicht, ob ich noch weitere Menschen um mich herum haben möchte, die in all das verstrickt sind."

Ich dachte einige Momente still über seine Worte nach. Er hatte damit indirekt behauptet, ich wäre sein Traum. Obwohl ich versuchte, das alles nicht nahe an mir heran kommen zu lassen, bewegte es mich innerlich doch. Außen aber blieb meine Miene kühl und müde. London sprach über die besagte Person in Rätseln und ich war zu erschöpft, um weiter nachzubohren. Ihm war es wohl lieber, mir aktuell nur kleine Häppchen zu geben, weshalb er das auch immer tat.
Die nächste Frage war unangenehm. Seit dem vorletzten Termin bei Dr. Clace hatte ich nicht weiter über meine Träume nachgedacht. Schon zuvor wollte ich am liebsten alles in die Luft jagen und abhauen. Aber London war zu schön, um ihn einfach zu verlassen. "Ich weiß nicht, ob ich aus den Scherben neue Träume basteln kann. Ob ich sie an all diese Umstände anpassen kann." Ich blieb vor meiner Tür stehen, unschlüssig darüber, ob ich ihn noch reinlassen wollte. Ich konnte in meinem Fleisch spüren, wie die Hormone wieder alles durcheinander bringen wollten, Blut sollte kochen, Gliedmaßen pochen, die Gedanken abschweifen und die Knochen weich werden. Es war doch genau das, was sie wollten. Das ich mich all diesen Prozeduren hingab, weil meine Triebe verrückt spielten. "Ich glaube, wir sollten uns nun trennen."

London war immer so hoffnungsvoll... nichts mehr darauf erwiedernd verabschiedeten wir uns erst einmal. Ich holte Hexe bei meinem Großvater ab, welcher sich schon Sorgen gemacht hatte. Ich wollte ihm heute nichts mehr erzählen, sondern war müde. Und so ging ich mit Hexe heim und erhielt dann auch schon den nächsten kleinen Fuchs.
Eine Weile sah ich beiden beim Raufen zu, bis ich schließlich auf dem Sofa einschlief. Sie konnten sich wunderbar gemeinsam beschäftigen. Ich aber musste den Schlaf nachholen, den ich letzte Nacht verpasst hatte. Am Abend wurde ich dann wach, ging mit beiden eine Stunde spazieren, ehe ich mich dann Zuhause hinsetzte und mich in Chemieartikeln auf meinem Tablet vergrub, um etwas für mein Studium zu tun.

Es vergingen die nächsten zwei Tage und ich versuchte, London weitestgehend aus dem Weg zu gehen. Die Hormone spielten verrückt, und immer wenn ich ihn sah oder auch nur an ihn dachte, wurde mir heiß und ich musste ein unterschwelliges Zittern unterdrücken. Doch andererseits ekelte mich das auch an, besonders, seit jemand mit seinen behandschuhten Fingern in mir war. Ich duschte viel häufiger als zuvor und schaffte es nicht einmal, selbst Hand anzulegen, weil ich mich direkt wie auf dem Gynstuhl fühlte. Es war ein nicht enden wollender Kreislauf.
Ich klingelte bei London spät am Abend, die beiden Füchse tobten um mich herum. Ich war aufgeregt. Wollte ihm zumindest Snuffkin, vielleicht aber auch Hexe abgeben, weil ich dachte, nicht angemessen auf sie achten zu können.

Ich wollte nicht mehr, als nur die Tiere abgeben und dann wieder verschwinden. Duschen und mich dann mit Serien oder dumpfen Spielen bei mir Zuhause beschäftigen, die mich von erregenden und wiederlichen sexuellen Gedanken abhalten sollten. Aber kaum, da sah mich mein Verlobter, packte er mich und zerrte mich in seine Wohnung. Eine Hitzewallung durchflutete mich direkt und ich landete auf dem Sofa, mein Körper fühlte sich weich an wie Gummi. Körperspannung war fast nicht vorhanden und so sackte ich dort direkt zusammen. "Ich fühle..." Abbruch. "Was? Nein, jetzt nicht. Bitte, London, jetzt nicht. Mein Körper dreht vollkommen durch. Sieh mich doch nur an, ich kann doch jetzt niemanden begrüßen! Nimm einfach nur die beiden kleinen Biester und lass mich gehen." Ich blickte wieder in eine andere Richtung und versuchte, seine Aura nicht auf mich wirken zu lassen. Ich würde doch keinen Fremden mit einem errigierten Schwanz kennenlernen können.