RE: Spouse - 15

Ich hatte Angst, und das konnte und wollte ich auch nicht verbergen. Ich investierte grade alle Konzentration und Kraft darin, dass meine Beine mich nicht fort trugen. London kam auf mich zu und legte einen Arm um mich. Leise seufzte ich und unterdrückte den Impuls, auch ihn von mir zu stoßen. Immerhin war es ja seine Schuld, dass ich hier war, sagte mir eine innere Stimme. Langsam kam ich näherzu seinem Bruder und betrachtete ihn, schwieg noch immer. Wahrscheinlich wirkte ich sogar unfreundlich.
Er hob seine Hand, und ich war noch so gefesselt von seiner Schwäche, dass ich erst einige Sekunden später diese nahm und ganz leicht drückte.
Als er zu sprechen begann, mit all dieser Freundlichkeit, war es wie ein Schlag ins Gesicht. Er war totkrank, und konnte so viel Nettigkeit für mich aufbringen, an diesem Ort des Todes und der Schmerzen. Ich dagegen war nur eine wilde Furie und fühlte mich neben meiner Panik nun auch noch eklig. "Ich bin Zanuähl, freue mich auch dich kennen zu lernen." Kurz presste ich die Lippen aufeinander. Mir war das alles so unangenehm, hielt es kaum aus. "Ja, ich habe eine Füchsin. Sie heißt Hexe." Vielleicht würde ich in wenigen Wochen genauso aussehen, blass und kaputt, und hier gefangen. Mein Kiefer presste sich aufeinander, so fest, dass man die Muskeln unter den Wangen sich bewegen sah.

Als er mir von Jess erzählte, erinnerte ich mich an einen einstigen Satz von London. Er meinte, sein kleiner Bruder hätte dieselbe Operation durchgemacht, wie mir noch bevorstand. Als mir dies bewusst wurde, starrte ich ihn eine Weile wortlos an. Er sprach weiter, aber erst nach seinem letzten Satz erwachte ich aus meiner Trance. Er war so schwach, vielleicht bestand sogar die Möglichkeit, dass er es nicht überlebt hätte. Langsam schluckte ich. Vielleicht würde ich ja sterben. "Wir... haben noch nicht über eine Feier gesprochen." Meine Stimme war langsam, denn erneut tat sich eine ungute Sache in meinem Geist wie ein schwarzer riesiger Schatten auf.
Neben uns war eine Bank. Und wäre sie nicht da gewesen, wäre ich wohl gegangen. Aber nun begab ich mich zu ihr und setzte mich langsam. "Tut es weh?", fragte ich Sydney schließlich und hob den Kopf, um ihm in die Augen zu blicken. Rieb meine Hände nervös aneinander.

In diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher als eine Zigarette mit einer möglichst starken Wirkung. Aber man durfte nicht in diesem Krankenhaus rauchen und ich wollte Sydney auch nicht mit dem kalten Rauch zusätzlich belasten. Angespannt hörte ich mir an, welche Erfahrungen er mit mitteilen konnte und atmete dabei schwer ein und aus. Ich konnte mir nicht ausmalen, wie schlimm es sein würde, sollte ich ähnlich lange im Krankenhaus bleiben müssen. Sogar Selbstmordgedanken stellten sich grade bei mir ein.
Mein Blick ging über den Sandweg, auf welchem die Beiden standen. "Für mich wird es niemals soweit kommen", sagte ich dann leise. "Ich weiß das zu verhindern."

Langsam sah ich zu London. Mir wurde etwas bewusst. "Du wolltest, dass er mir meine Ängste nimmt und ich weniger Widerstand leiste, oder?", fragte ich ihn, aber ohne einen Vorwurf in der Stimme. Aber wie sollte jemand, der so kaputt gemacht wurde von diesem System, wie Sydney, mich beruhigen können?
Ich blickte wieder zu dem kleinen Bruder und seufzte. "Nein, du hast es nicht schlimmer gemacht. Ich war schon immer so. Ich will einfach nicht, dass ohne meinen Willen an meinem Körper rumgepfuscht wird. Das wurde es schon einmal und es hat mich... geprägt. Ich will, dass mein Körper so bleibt, wie er ist. Ich sehe mich einfach nicht in der Rolle, ein Kind in mir zu tragen", versuchte ich ihm zu erklären. Ich mochte Sydney. Er hatte so eine ruhige Ausstrahlung, so herzensgut und friedlich, obwohl ihm so schreckliches wiederfahren war. Aber vielleicht wollte er auch ein Kind austragen und das gab ihm Kraft und Hoffnung.
Wir verabschiedeten uns. "Ich komme dich vielleicht wieder besuchen", murmelte ich leise, als er davon geschoben wurde. Aber es würde mir schwer fallen. Und ich wollte mich nicht dazu zwingen, freiwillig in ein Krankenhaus zu kommen.
Ich stand auf und verließ langsam mit London das Krankenhaus, zuckte mit den Schultern, als er mich fragte, ob ich reden wollte. "Ich könnte bei dieser ganzen Sache draufgehen..."

Als mir London nochmal von Sydney erzählte, nickte ich dann ruhig und presste die Lippen aufeinander. Er wollte mir die Angst nicht nehmen, und konnte es auch gar nicht. Jede Argumentation würde an mir versagen, zerschellen wie ein dünnes Glas. Ich war einfach von Angst zerfressen. Und hatte ihm bis heute nie erklärt, weshalb es so war. Vielleicht war die Zeit dafür langsam reif. "Ich will Sydney wieder sehen, seine Art beruhigt mich irgendwie, wenn auch nicht auf die Operation bezogen."
Als mir London vorschlug, noch zu ihm zu kommen, willigte ich ein. Und so dauerte es nicht lange, da kamen wir bei ihm Zuhause an. Ich zog meinen Zopf nochmal straffer. Man sah es im Dutt kaum, aber sie waren durch die Hormone länger geworden und etwas dicker.
"Ich..." zögerte einige Sekunden, bevor ich die restlichen Worte sprach. "...ich will dir erklären, woher meine Angst kommt. Vielleicht verstehst du es dann besser." Langsam setzte ich mich auf sein Sofa. Wollte die Erinnerungen unterdrücken, doch spürte schon, wie sie gegen mein Bewusstsein klopften.

Langsam schüttelte ich den Kopf." Nein, ich will es dir erklären. Du tust zu viel für mich und ich habe das Gefühl, dass du ein Recht darauf hast, zu erfahren, weshalb ich dir das Leben so schwer mache." Zudem begann ich London zu vertrauen. Als dann auhh noch sein Fuchs auf meinen Schoß kam, begann ich dessen Brustfell zu streicheln. Es war weicher als das von Hexe, wahrscheinlich wegen seiner genetischen Modifizierungen.
"Ich war etwa 8 Jahre alt und mir sollte der Blinddarm rausoperiert werden. Und während der OP versagte die Narkose. Ich wachte teilweise auf, bekam alles mit, konnte aber nicht sprechen oder mich bewegen. Und danach war ich ein völlig anderes Kind. Ich wollte nicht zur Schule, konnte nachts nicht schlafen, war sehr unruhig, laut und ängstlich. Ich hasste alle Erwachsenen, weil sie mir das angetan hatten. Die ganzen Therapien haben mich zwar wieder normalisiert, nach einigen Jahren jedenfalls, aber ich habe immer noch Panik vor Operationen." Ich versuchte es kurz zu fassen, rieb meine schwitzigen Hände aber nervös aneinander.

Ich schüttelte den Kopf, sah dabei auf den Boden und konzentrierte mich auf einen Punkt.
"Nein. Ich habe etwa 4 Jahre lang verschiedene Therapien gehabt, auch stationär. Aber mit 12 wollte ich dann nicht mehr, hab's aufgegeben. Ich wollte es eigentlich nur noch vergessen, auch wenn ich wusste, dass mich das irgendwann wieder einholen würde.
Ich streichelte Snuffkin weiter, es beruhigte mich, zu fühlen, wie er atmete und es genoss. Und auch Londons warme Hand war angenehm. "Ja, das und auch die Einstellung, dass mein Körper mir gehört. Ich finde es ethisch falsch, wie die Regierung vorgeht. Es gibt viele Länder, in welchen man mehr Rechte als Bürger hat." Ich lehnte mich zurück und fuhr mir über die Haare. "Mehr Menschen auf diesem Planeten sind falsch, sonst kollabiert alles. Es war schon ganz richtig, dass der Virus es eingedämmt hatte", offenbarte ich meine radikale Ansicht.

"Aber sie bauen weitere Abschnitte und Stockwerke. Die Stadt will weiter wachsen. Es wird bei den 2 nicht bleiben. Sie wollen mehr Einfluss haben, sich ausbauen. In kaum einer anderen Stadt gibt es solche Verpflichtungen."
Über seine Frage dachte ich ruhig nach. Langsam verblassten die Erinnerungen an meine Kindheit wieder, und die ähnlich unangenehmen Gefühle über die Zukunft kamen in mir auf. Still nickte ich dann. "Wenn ich mich zu sehr wehre, und das werde ich tun, sperren sie mich wahrscheinlich ein, und werden meinen Körper weiterhin benutzen. Also werde ich versuchen zu flüchten, sobald möglich. Aber ich bin noch nicht soweit." Dazu brauchte ich mehr Informationen, vielleicht sogar Kontakte und Netzwerke, einen genauen Plan. Und es hielt mich noch etwas. Meine blauen Augen sahen langsam in das Gesicht meines Verlobten, welches ich dann wahrscheinlich nie wieder sehen würde. "Und dich werden sie neu verheiraten." Er würde seine Traumfamilie haben, hier, mit irgendjemand anderes. Oder er würde unsere Kinder großziehen, während ich im Gefängnis saß.
Daran zu denken, es mir jetzt bewusst zu werden, zerbrach etwas in mir. Ich senkte den Blick wieder. Wäre diese Stadt nicht um uns herum, wie als würde laut und mörderisch der Krieg um uns wüten, ich hätte mich hingegeben. Doch er wollte Kinder, und ich konnte sie ihm nicht geben.
"Warum nicht?" Ich stellte mir vor, ihn ans andere Ende des Planeten zu führen, ihm Strände, Wälder, Berge, Weltwunder und Wale zu zeigen. All das, was er nie gesehen hatte, und mir schmerzlich fehlte, da ich es kannte. Ich fuhr mir mit meinen Fingern zwischen meine Haare, kratzte leicht über meine Kopfhaut.