RE: A Warlock's Destiny - 7

Ächzend glitt er vom Jüngeren und landete auf der anderen Hälfte des Bettes, wo er sich platzsparend auf die Seite legte und den Schlafenden vortäuschte. Tatsächlich begab sich lediglich sein Bewusstsein in einen meditativen Zustand, der die Kraftreserven auffüllen sollte. Sein sechster Sinn, der stets wachsam und in alarmbereitschaft war, verriet ihm währenddessen, dass Nicolai auf dem Bett hockte und mit sich selbst haderte. Es musste jeglicher Moralvorstellung des Jungen widersprechen, das Bett mit einem Geschlechtsgenossen zu teilen, und doch hatte er es seinem Gwissen zum Trotz genossen. Dain, dem es damals nicht anders ergangen war, wusste genau, dass es bloß eine Frage der Zeit war, bis der Selbstekel und die Gewissensbisse nachließen, irgendwann sogar ganz verschwanden. Daher war er guter Dinge und sorgte sich nicht länger um den verwirrten Jüngling.
Am nächsten Morgen fühlte sich der Jäger so ausgeruht wie schon lange nicht mehr. Er war voller Energie und Tatendrang, weswegen er Nicolai zur Eile antrieb. "Los, wir haben noch einen Lohn abzuholen!" erinnerte er den Burschen grollend, wobei er diesem die Decke wegzog, um ihm so das Aufstehen auf rupige und weniger charmante Weise zu erleichtern. Nachdem sie sich für die Reise zurecht gemacht und ihre Vorräte aufgefüllt hatten, verließen sie die Herberge und trotteten gemeinsam mit Elixir zu dem Bauern, der am Tag zuvor Nicolai eine Belohnung für den Warg versprochen hatte. Jener stellte sich zunächst quer, gab vor, nichts von dem Handel zu wissen. Als ihm aber Dain den stinkenden Schädel vor die Füße warf und ihm davon berichtete, dass es ein Kinderspiel wäre, den Rest der Horde in das Dorf zu locken als Vergeltung für das Ausbleiben des Lohns, zückte der Bauer seinen Geldsack und zahlte die vereinbarte Belohnung aus. Ein Viertel davon überließ Dain seinem geschäftstüchtigen Lehrling. "Heb es für schlechte Zeiten auf" riet er ihm knapp und bestieg dann den Hengst. Vom Rücken des Pferdes sah er dann auf den Burschen herab als Aufforderung, sich ebenfalls in den Sattel zu begeben. "Wenn du hier nichts mehr zu erledigen hast, sollten wir aufbrechen. Vor uns liegt noch ein weiter Weg". Bis zu ihrem Ziel würden es noch einige Tagesritte sein.

Schließlich war er ja doch eingeschlafen an der Seite des Hexers - seines Herrn sollte er wohl sagen. Eine geruhsame Nacht war es beileibe nicht, denn Nicolai schlief unruhig, von Alpträumen von Monstern und anderem geplagt. So war es kaum verwunderlich, dass er am Morgen elendig aussah mit seinen Augenringen und den unordentlichen Haaren. Ungeschickt stieg er in seine Hose und die Jacke und war froh, in Gegenwart Dains wieder angezogen zu sein.
Gemeinsam begaben sie sich in den Stall, wo alle anderen Pferde sich vor dem arroganten Biest, das sich "Nachtmahr" nannte, in die entferntesten Ecken des Raumes zurückgezogen hatten und nervös mit den Hufen scharrten. Offenbar war Dains Reittier in der Tierwelt ebenso unbeliebt wie sein Herr bei den Menschen. Irgendwie passend. Sie traten also dem Mann gegenüber, der am vorigen Tag Nicolai angeheuert hatte, der von dem dreisten Versuch, den Auftrag zu leugnen, zornesrot anlief. Glücklicherweise wusste Dain jedoch sich zu helfen und bald darauf konnte der Junge über die scheinbar gute Laune des Mannes staunen, der ihm tatsächlich einen beachtlichen Anteil überließ.
"Oh... Danke...", murmelte er, der für solch eine Summe sonst viele Geldbörsen hatte stehlen müssen. Was blieb, waren die wütenden und verächtlichen Blicke der Dörfler, die immer noch an derselben Stelle verharrten, wie um sicher zu gehen, dass sie wirklich aufbrachen. Erneut wurde Nicolai schmerzlich bewusst, dass sie ihn auch ohne Dain niemals mögen würden. Vielleicht war es das, was es ihm erleichterte, die Hand des Hexers zu ergreifen und Elixir zu besteigen.
Als sie aufbrachen, war der Junge still. Immer noch drehten sich in seinem Kopf die Gedanken an die vergangene Nacht und was sie bedeutete. Für den Hexer sicherlich nichts. Nichts außer einer temporären Befriedigung bis er sich erneut an ihm vergehen würde - so als sei er ein Weib, eine Sklavin wie sie in den Barbarenländern im Süden gehalten wurden. Er fühlte sich so schwach...
Aber war dies nicht besser als die Einsamkeit?

Obwohl Dain nicht viel übrig hatte für Sentimentalitäten, konnte er den Burschen recht gut leiden. Zumindest wurde er seiner nicht überdrüssig, was Nicolai weitaus erträglicher machte als manch anderen. Daher machte er ihm hin und wieder Zugeständnisse wie etwa die Auszahlung eines Lohns für gute Arbeit, damit der Schüler rasch lernte, dass es sich lohnte sich dem Willen des Hexers zu fügen statt zu bocken.
Als sie die Siedlung hinter sich gelassen hatten und den Nachtmahr durch den Schnee preschen ließen, ging Dain im Geiste die Route durch, welche sie schnellstmöglich an ihr Ziel führen würde. Unterwegs trafen sie auf einige Bittsteller, die von abscheulichen Monstrositäten berichteten, welche den Bewohnern das Leben schwer machten. Auf diese Weise kamen sie an den ein oder anderen Auftrag, den sie gemeinsam bewältigten, wodurch Nicolai einiges dazu lernte.
Während sie rasteten brachte Dain seinem Lehrling die theoretischen Grundlagen der Magie bei. Und wenn sie vom Ritt oder der Monsterjagd nicht zu erschöpft waren, dann übten sie sich im Schwertkampf.
Ihre aktuelle Mission konfrontierte sie erstmals mit einem Untoten. Die Berichte der Augenzeugen hatten allesamt eines gemeinsam: blutleere Körper, die achtlos zurückgelassen wurden. In diesem Zusammenhang ergab sich die Gelegenheit, Nicolai über die Kaste der Vampire zu informieren.
„Vampire teilen sich in drei Unterarten auf: Garkin, Bruxa und Katakan. Der Garkin stellt die niederste Kreatur dar. Er handelt instinktiv, nicht etwa rational. Sein Blutdurst ist tötlich. Er kann sich nicht zügeln, deswegen lässt er bei seinen Opfern keinen einzigen Tropfen Blut zurück. Für gewöhnlich veranstaltet er ein wahres Blutbad und verunstaltet seine Beute bis zur Unkenntlichkeit. Nicht selten jagdt er in einem Rudel. Außerdem ist er eine hässliche Kreatur, die keine äußerliche Ähnlichkeit mit einem Humanoiden aufweist. Meistens mutet er wie eine übergroße, verwesende Fledermaus an“ unterrichtete Dain beiläufig, wobei er den Leichnam eines kürzlich verstorbenen Edelmannes genauestens inspizierte. „Die Bruxa ist die weibliche Form des Vampirs. Optisch sieht sie einer Menschenfrau zum Verwechseln ähnlich, jedoch ist ihr Gebaren weitaus animalischer. Sie dient dem obersten Vampir eines Zirkels als Gemahlin und Gespielin. Ihr Durst ist groß, allerdings kann sie sich beherrschen im Gegensatz zum Garkin. Wenn sie tötet, dann heimlich und galant. Ihre Spuren verwischt sie geschickt. Sie liebt es, Menschen zu umgarnen und um den Finger zu wickeln“ fuhr der Hexer fachmännisch fort als er sich die Bissstellen am Halse des Mannes besah.
„Die Katakane sind höhere Vampire. Eine Art Elite. Sie unterscheiden sich von ihren Artgenossen durch einen brillianten Verstand und einen unwiderstehlichen Charme. Sie sind redegewandt und anmutig. Von außen also geben sie den perfekten Adeligen ab. Tatsächlich sind sie äußerst mächtige und niederträchtige Wesen, die niemand unterschätzen sollte. Selbst für einen Hexer stellen sie eine riskante Herausforderung dar. Nur wenige überleben die Jagd auf einen Katakan“ schloss Dain das Kapitel „Vampire“ mit leicht säuerlicher Stimme ab, die andeutete, dass auch er unschöne Erfahrungen mit einem Katakan gemacht hatte. Nach einer Weile richtete sich der Hexer wieder auf und musterte seinen Schüler erwartungsvoll. „Kannst du anhand der Wunden erkennen, welche Art Vampir zugange war?“ lautete die Frage des Meisters, der mit einem Handwink Nicolai zu verstehen gab, an den Toten heranzutreten. Jener besaß am ganzen Körper mehrere Einstichstellen von langen Eckzähnen, die am Fleisch gerissen und vom Blut gekostet hatten.

In den letzten Tagen hatte sich Nicolai an die Anwesenheit des Hexers gewöhnt. Das lag vor allem daran, dass er für sich blieb, so oft es ging und auch daran, dass der Unterricht der Soldklinge so hart war, dass er am Abend zu müde war, um sich noch groß zu unterhalten oder sich zu bedauern. Das Training schlauchte so sehr, dass er über Tag fast willenlos die Anweisungen seines Meisters ausführte und nach dem Essen fast sofort einschlief. Die Übungen mit der Magie verliefen sehr vielversprechend, doch um mit einem Schwert umgehen zu können, fehlte es dem Jüngling eindeutig noch an Muskelmasse.
Wenn sein Meister sich zu einer Jagd entschloss, konnte er nicht viel mehr tun, als sich zurückhalten (oder den Köder spielen) und so war er entsprechend unzufrieden und haderte mit sich und dem Schicksal, das ihn erwartete. Immer noch wollte er nichts lieber, als dem Hexerorden zu entkommen. Doch auch wenn der Hexer ohne Zweifel noch immer sämtliche Macht über sein Schicksal in seinen Händen hielt, war er gleichzeitig wohl der einzige Mensch auf der Welt, der überhaupt etwas mit Nicolai zu tun haben wollte. So fand sich der Jüngling hin und hergerissen zwischen all den Gedanken - auch seinen Meister als Mann und (er mochte es nicht aussprechen) Liebhaber betreffend.
Als sie am Wegesrand ankamen, wo die Leichen fortgeworfen lagen wie Müll, schauderte es Nicolai nicht zum ersten Mal. Sie schienen fast mumifiziert zu sein, gleichzeitig verstümmelt und zerfetzt. Er traute sich kaum in ihre Nähe, auch wenn er in Dains Gegenwart inzwischen einiges gewohnt war...
"Va- Vampire also...", murmelte er. "Es... Es gab in Gralea einen großen Skandal, vor ein paar Jahren. Sie... Sie haben sich in der Kanalisation eingenistet und haben in den Armenvierteln gewütet. Das Gerücht ging um, die Adelshäuser hätten das gewusst und sie gewähren lassen. Wir nannten sie "Blutunholde"... Das sah genau so aus..."
Er sah sich um, fühlte sich unbehaglich und beobachtet. Hoffentlich waren sie nicht mehr in der Nähe!
"Den... den schrecklichen Wunden nach zu schließen, waren es also... Garkin, oder? Kann mir kaum vorstellen, dass mächtige Vampirlords in den Wäldern auf Jagd gehen..."

Dain verzog angewidert die Mundwinkel bei Nicolais Erzählung. Manchmal fragte sich der Hexer, wer eigentlich die wahren Monster in dieser Welt waren. Häufig zeigte sich der Mensch als eine viel größere Gefahr für die Allgemeinheit als irgendeine andere Bestie. Während nämlich Ungeheuer in der Regel bloß töteten, um das eigene Überleben zu sichern, tötete der Mensch aus mehreren niederen Gründen wie etwa Neid, Habgier, Missgunst und und und. Taten wie eben jene dieser hochwohlgeborenen Bürger Graleas bestätigten seinen Verdacht. Kein Wunder, dass Dains Hass auf die Menschheit größer war als der auf die Ausgeburten der Natur. "Viele Adelshäuser bedienen sich der Hilfe von Bestien, um sich die eigenen Finger nicht schmutzig zu machen" betonte Dain die Gräueltaten der oberen Gesellschaftsschicht. "Mich würde nicht wundern, wenn auch dieses Massaker eine Machtdemonstration sein soll" unterstellte er schlechte Absichten dem hiesigen Adel, ehe er Nicolais Einschätzung abwartete. Als diese erklang, nickte Dain bestätigend. Dabei musste er sich selbst dabei ertappen, wie sehr es ihn grämte, es mit einem Garkin zu tun zu haben statt mit einer Bruxa. Er schlachtete Frauen nämlich gerne ab, wenn er sie schon nicht ficken durfte.
An die Wächter der Stadt gewandt brüllte er einen Befehl: "Verbrennt die Leichen augenblicklich, wenn ihr die Verbreitung einer Seuche vermeiden wollt". Im Grunde war es ihm gleich, ob sich die Bewohner der Stadt mit der Fäulnis infizierten. Er wollte jedoch nicht, dass die Jagd auf den Garkin umsonst war, weswegen es ihm wichtig war für das Überleben der Städtler zu sorgen.
Nicolais Auffassungsgabe war ein Segen. Es erleichterte Dain jedes Mal, wenn sein Schützling Scharfsinn bewies anstelle von Begriffstutzigkeit. Der Bursche hatte sich in den letzten Tagen recht gut geschlagen, was den Meister zufrieden stimmte. Er wies lediglich einige körperliche Defizite auf, die ihm das Führen des Schwertes erschwerten. Sobald sie in Kaer Morhen waren, müssten sie an seiner Ausdauer und Fitness arbeiten. Bis dahin standen hauptsächlich die Beherrschung der Magie und das Erlernen von Fachwissen auf dem Lehrplan. Wann immer sie auf eine Bestie stießen, erzählte ihm Dain alles über das Geschöpf, was es darüber zu wissen gab. Und wie man es am besten bekämpfte.
"Garkin fürchten nichts mehr als Feuer. Sie sind imun gegen Stahl und Silber. Deswegen werden wir das Biest in eine Falle locken und es dann verbrennen" weihte er seinen Lehrling in seinen Plan ein, woraufhin er den leichenübersäten Schauplatz verließ und auf Elixirs Rücken sprang. "Wir sollten den Spuren folgen und den Garkin jagen bis er nicht mehr flüchten kann. Wir nutzen diesen kleinen Vorfall als Übung für dich. Du wirst den Garkin dann mit Hilfe deiner Magie befeuern bis er nichts weiter ist als ein Haufen Asche" feixte der Hexer, welcher eine sadistische Freude empfand bei der Vorstellung, einen Vampir qualvoll bei lebendigem Leib verbrennen zu lassen.

"Mo- Moment, ICH soll das machen?", fragte der Junge entgeistert und wurde kreidebleich. In der Dämmerung sah er beinahe selbst aus wie ein Gespenst. "Und... Und was, wenn es mehrere sind? So viele Leichen... das war doch sicher nicht nur einer!?"
Inzwischen stapften die mitgebrachten Männer durch das Dikicht, bewaffnet mit Fackeln mit denen sie die Toten vor einer Ewigkeit in Hirnlosigkeit und Blutdurst bewahrten. Die Schatten wurden langsam länger und Nicolai widerstrebte es zutiefst, gerade nachts im Wald auf die Jagd nach Vampiren zu gehen. Doch die Praxis erlaubte ihnen leider kein anderes Vorgehen, denn wenn sich die Monster tagsüber in ihre Bauten zurück zogen, würde sie niemals irgendwer finden - und wenn doch, wäre dies sicher seine letzte Tat.
Sie gingen also zu zweit den Spuren hinterher, die vom Tatort weg führten und schon bald verlor sich der Fackelschein in der Finsternis. Nun wurde es erst richtig schwierig, denn vor Schreck bemerkte Nicolai, dass die Spuren sich teilten.
"Bitte sagt mir jetzt nicht, dass wir uns aufteilen...", stammelte er besorgt, nur um die Ahnung bald bestätigt zu sehen.
Und nun war er allein. Folgte den Spuren zwischen den Sträuchern und Baumstämmen und hielt eine Flamme in seiner Hand, die ihm den Weg weisen sollte. Normalerweise hätte ein erfahrener Jäger auf diese verzichtet, denn die Beute würde ihn lange vorher bemerken. Doch die Sinne von Vampiren funktionierten auch bei Dunkelheit tadellos, sodass es närrisch gewesen wäre, sich der Vorteile und verhältnismäßigen Sicherheit des Feuers zu entledigen.
Mit klopfendem Herzen arbeitete der arme Junge sich vorwärts. Jedes Knacken im Unterholz ließ ihn innerlich zerspringen. Er war sich seiner Kräfte noch nicht sicher genug und hatte noch keines von Dains Monstern selbst getötet! Er war nicht bereit! Mehr als je zuvor wollte er heim, nach Gralea, egal wie sehr er dort verhasst war!
Die Sonne war endgültig untergegangen, als er an das Ufer eines kleinen Sees mitten im Wald geriet. Idyllisch dieser Ort. Glühwürmchen spielten über dem ruhigen Wasser und die Vögel sangen sanft und fröhlich. Hätte er keine Angst gehabt, hätte er diesen Ort bezaubernd gefunden. Andererseits: Hätte er keine Angst gehabt, hätte er vielleicht bemerkt, dass eindeutig zu viele Vögel unterwegs waren für diese Tageszeit. Und keiner davon war eine Eule...

Der Hexer hielt Nicolais Sorge für gänzlich unangebracht. Wäre er der Meinung, sein Schüler wäre nach dem vielen Üben und Proben nicht in der Lage es mit einem Garkin aufzunehmen, dann würde er ihn dieser Bestie gewiss nicht ausliefern. Daher vermochte Dain nichts weiter zu tun als den Jungen in den tiefsten Wald zu schleppen, damit sich dieser seinen Ängsten stellte. Abgesehen davon wäre der Bursche nicht ganz und gar auf sich allein gestellt. Der Hexer würde ihn im Auge behalten und notfalls eingreifen.
Als sich die Fährte im Dickicht verlor, teilten sie sich letztendlich auf. Dank ihrer mentalen Verbindung würden sie spüren, wenn einer von ihnen in Gefahr war und sich wieder finden.
Allmählich schlich sich bei Dain der Verdacht ein, der Garkin agiere nicht allein. Zu viele Hinweise deuteten daraufhin, dass er einen Komplizen hatte, der weitaus intelligenter war als dieser niedere Vampir. Ebenso ließ sich nicht ausschließen, dass mehrere Garkin in dieser Umgebung ihr Unwesen trieben. Obwohl Garkin dumme Geschöpfe waren, ließen sie sich mit den richtigen Mitteln kontrollieren. Es wäre jedenfalls nicht verwunderlich, wenn sie einem höheren Vampir als eine Art Bluthund dienten oder einem überaus perfiden Menschen, der einen persönlichen Groll gegen die Bürger dieser Stadt hegte. Was auch immer die Ursache für das Massensterben war, Dain würde dem Treiben ein Ende bereiten. Denn dies war seine Profession.
Während er lautlos und achtsam durch das Unterholz schlich, geschah an einem anderen Ort etwas gänzlich anderes. Inmitten des Waldes befand sich eine Lichtung, die von sonderbarer Schönheit war. Es schien wie das unberührte Paradies, welches von Mutter Erde vor Jahrtausenden erschaffen wurde. Jener Ort wirkte befreit von Grausamkeit und Bosheit. Stattdessen herrschten Frieden und Sorglosigkeit. Jeder erfahrene Hexer hätte den faulen Zauber sofort gerochen. Hätte die Illusion mit geschultem Blick enttarnt, doch ein Grünschnabel wie Nicolai war wie verzaubert von dem Anblick, der seit langem das Schönste gewesen sein musste, das dem Jungen unter die Augen geraten war. Gekrönt wurde diese friedselige Harmonie von dem Auftreten einer blutjungen Schönheit, die urplötzlich zwischen den Brombeersträuchern erschien und dem Traum eines jeden Burschen entsprungen sein musste. Ihr güldenes Haar fiel ihr in dichten, seidigen Locken kaskadenartig den grazilen Rücken hinab und kringelte sich um die üppigen Rundungen ihrer weiblichen Gestalt. Ihr Antlitz war von ebenmäßiger Anmut und erhabener Eleganz. Die Augen groß und strahlend, die Lippen rot und prall. Wahrlich eine Augenweide, doch Panik ließ sie aufgebracht wirken, verzerrte gar die glatten Züge ihres Gesichts einen Moment lang. Wie ein aufgescheuchtes Reh huschte sie auf die Lichtung, das lange Gewand zerschlissen durch Dornen und Geäst, während sie auf nackten Sohlen dem Jüngling entgegen trat als würde sie bei ihm Schutz suchen wollen. Atemlos stolperte sie auf ihn zu, fing den drohenden Sturz ab, indem sie sich haltsuchend an dessen Brust warf. Aus klaren, blauen Augen sah sie zu ihm hinauf, wobei sie aufreizend mit den langen Wimpern klimperte, welche feine Schatten auf ihre geröteten Wangen warfen.
„Seid Ihr hier, um mich vor dem Monster zu retten?“ säuselte sie zuckersüß, nachdem sie sich wieder von ihrer Flucht durch den Wald erholt hatte.

Der Wald wurde immer dichter und die Spuren der Monster immer unverkennbarer. Trampelpfade führten durch das Unterholz und Tunnel waren mit scharfen Krallen durch dicke Dornenwände geschlagen. Kein Tier gab einen Mucks von sich und schnell mochte man denken, dass der Jäger selbst nunmehr der Gejagte war. Die Dornenwand in die der Hexer eingedrungen war, war unnatürlich hoch gewachsen und reichte tief in das Dickicht. Und je tiefer er darin vordrang, desto offenkundiger wurde ein schlimmer Geruch. Blutspuren klebten an den Ranken und in der Dunkelheit konnte man schwach menschliche Körper erkennen, die zwischen den Dornen ihren letzten Atemzug getan hatten. Vielleicht auf der Flucht vor den Monstern, die sie in sadistischem Vergnügen in ihren sicheren Tod zwischen den mörderischen Pflanzen gejagt hatten?
Als Dain schließlich das Ende der Wand erreichte, fand er auch dort eine kleine Lichtung von atemberaubender Schönheit vor - auch wenn der zweite Blick die Idylle wahrlich trübte, denn auch hier fanden sich blutleere Körper, herbei geschleppt von den Garkin, die die Herrin dieses Ortes mit frischer Nahrung versorgten. Das Ganze erinnerte in grotesker Weise an einen Bienenstock, in welchem die Arbeiterinnen ihre Königin versorgten.
Inmitten der Lichtung stand eine verfallene Ruine. Einst musste sie ein gemütliches Heim dargestellt haben, nun völlig abgeschottet durch den Dornenring. Nur die Grundmauern standen noch, über die ein rotes, muffiges Tuch wie eine Zeltdecke gespannt war, unter der auf modrigen Möbeln zwei schöne Frauen sich räkelten. Einer der Garkin hockte neben ihnen wie ein besonders hässlicher Schoßhund.
"...und wo glaubst du, steckt sie? Diese Narren kommen mal wieder mit Fackeln und Mistgabeln, habe ich gehört", spottete die ältere Schönheit.
"Du kennst sie doch. Sie jagt lieber selbst."
"Recht hat sie. Hoffentlich schleppt sie mal jemand Interessantes an. Sie verschleißen immer so schnell, die armen Männer."
Beinahe liebevoll - oder eher mitleidig - musterte sie die Überreste ihrer letzten Mahlzeit. Bauern waren immer so zäh, aber der Wachmann war einigermaßen schneidig gewesen - jedenfalls bis er sie und ihre Schwestern gelangweilt hatte.

Unterdessen hatte die dritte der drei unseligen Schwestern scheinbar Glück bei ihrer Suche nach einem interessanten Spielzeug gehabt, denn Nicolai in seiner Naivität fiel auf ihren Trick herein so wie dutzende vor ihm. Aufgelöst erstarrte er als das Mädchen in seiner vollendeten Schönheit sich an ihn warf und dabei zugleich hilflos wie elegant anmutete.
"I-Ich...", stammelte er verwirrt. Wie kam sie nur hierher? Hatte sie den Vampiren wirklich bis jetzt entkommen können? "Keine Sorge! Ich... Ich bringe dich heil zurück..."
Er klang dabei ebenso hilflos, wie sie sich gab, aber da er nun einmal in der Lage war, die Sache unter Kontrolle zu bekommen, musste er sie wohl beschützen. Dain würde ihm die Ohren langziehen, weil er dafür die Monster laufen ließ.
Nun, es war nicht zu ändern.
"Wir... Wir müssen hier lang."
Es war verrückt. Er konnte kaum den Blick von ihr abwenden. Er war völlig gefangen von ihrer atemberaubenden Erscheinung, dem wallenden Haar und den vollen Lippen.
"I-Ich bin Nicolai!", platzte es aus ihm heraus, ohne dass er sich recht erklären konnte, warum. Die Gefahr schien für einen Moment vergessen und es war, als ob er unbedingt wollte, dass sie sich an ihn erinnerte.

Dain fluchte wüst in seiner Sprache beim Anblick der Szenerie, die sich vor ihm erstreckte. Es hätte nicht grotesker sein können; Blutbesudelte Rosenranken wuchsen halb zerfallenes Mauerwerk empor, in voller Blüte stehend und doch nicht hübsch anzusehen, denn der Tod war allgegenwärtig. Zerfetzte Körper bedeckten den grünen Rasen, hingen von Gestrüpp herab und lagen in Blutlachen. Dominiert wurde dieses Abbild grenzenloser Mordlust von zwei Grazien, die sich an diesem Schlachtfeld ergötzten. Wieder musste der Hexer einen Fluch, der ihm auf der Zunge brannte, hinab schlucken. Nicht etwa, weil er eingeschüchtert war von diesem Massaker, sondern weil es ihm nicht behagte, gleich zwei vampirische Huren pfählen zu müssen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass eine davon die Gemahlin eines Vampirlords war, wuchs mit jeder weiteren Bruxa auf seiner Liste an. Da Katakane rachsüchtige und nachtragende Wesen waren, würden sie den Tod ihrer Gemahlin nicht ungesraft hinnehmen. Und einem Katakan konnte er sich derzeit nicht stellen, jedenfalls nicht mit Nicolai als Klotz am Bein. Es war eine verzwickte Lage, in der sich Dain befand. Fast hielt er es für das Vernünftigste, sich aus der Affäre zu ziehen und die Menschen ihrem Schicksal zu überlassen. Doch seine Hexerehre zwang ihn zum Bleiben. So festigte er den Griff um sein Schwert und biss die Zähne zusammen. Sein untrügliches Augenmerk analysierte derweil die Lage, während er sich eine Strategie zurecht legte. Ein einziger Fehler würde genügen, und er wäre der nächste tote Körper unter vielen. Mit dem magischen Siegel Ard würde er die Ungeheuer einen Moment lang lähmen können. Dies verschafft ihm die benötigte Zeit unbehelligt an sie heran zu stürmen. Den Garkin würde er dann mit dem Zauber Axii mental beeinflussen, sodass dieser zum Verbündeten des Hexers wurde und sich auf seine Herrinnen stürzte. Das dadurch entstandene Chaos würde Dain dann nutzen, um die Vampirinnen zu pfählen.
Der Garkin an der Seite seiner Herrin fletschte die ellenlangen Fänge als ihm ein Geruch in die schlitzartigen Nasenlöcher stieg, der weder menschlich noch vampirisch war. Sogleich flatterte er alarmierend mit den ledrigen Flügeln, was die Damen aufschreckte.
„Nanu? Wer wagt es, die Ruhe zu stören?“ empörte sich die Ältere, ehe sie einen grellen Schrei ausstieß, der durch Mark und Bein ging. Dain, dessen Sinne nicht empfänglich waren für derartige Reize, erlitt keinen Hörsturz, so wie es bei einem gewöhnlichen Menschen der Fall gewesen wäre. Stattdessen formte er mit seinen Fingern ein Zeichen, welches den Zauber Aard auslöste, woraufhin Bruxa und Garkin inmitten ihrer Bewegungen erstarrten. Jetzt hatte er knapp fünf Sekunden zum Reagieren. Wie ein Pfeil schoss er aus seinem Versteck hervor und wirkte Axii auf den Garkin, der sich sogleich auf die Kehle der älteren Bruxa stürzte und diese mit seinen Reißzähnen aufriss. Derweil wandte sich Dain blitzschnell der Jüngeren zu, indem er ihr den Pflock in die Brust rammte und so ihr totes Herz zu Staub zerfallen ließ. Kreischend fiel die einstige Schönheit in sich zusammen wie ein einstürzendes Kartenhaus. Zurück blieb eine leere Hülle, die an einen verwesenden, menschlichen Leichnam erinnerte. Die andere Bruxa, welche ihre Krallen in den Garkin stieß, um ihn von sich runter zu stoßen, heulte klagend auf ob des Verlustes ihrer Schwester. Mit zerfetzter Kehle rappelte sie sich auf, bleckte die spitzen Eckzähne und preschte auf den Hexer zu, der seine Klinge rasch in die Höhe riss, sodass der Angriff daran abprallte. Dies brachte die Bruxa ins Wanken. Benommen torkelte sie auf der Stelle, was der Garkin ausnutzte, indem er sie von hinten ansprang und zu Boden riss. Dieses Mal fiel er über ihr hübsches Antlitz her, das er mit Krallen und Fängen vom Schädel kratzte. Ohrenbetäubende Schreie begleiteten die Qualen der Bruxa, welche ein jehes Ende nahmen als Dain den Garkin mit dem Feuerzauber Igni in Brand steckte. Das Monster brüllte schmerzerfüllt und ließ von seinem Opfer ab in dem verzweifelten Versuch, die Flammen von sich zu wischen. Ohne zu zögern warf sich der Hexer auf die Bruxa und trieb auch ihr den Pflock tief ins Herz, sodass sie augenblicklich zu einem pergamentartigen, leblosen Korpus wurde, der im Wind zu Staub zerfiel. Schwer atmend erhob sich der Jäger zu seiner vollen Größe, straffte die Schultern und ließ die Halswirbel knacken, während er sich sein zerstörerisches Werk zufrieden ansah. Der Garkin hinter ihm war inzwischen nicht mehr als ein lichterloh brennender Fleischberg, von dem ein ätzender Gestank ausging.

Das rotwangige Mädchen tapste neben Nicolai her, wobei sie sich bei ihm eingehakt hatte, um bloß nicht von der Seite ihres Retters zu weichen. Als sein Name fiel, lächelte sie vergnügt. „Amalia“ verriet sie ihm ihren Namen in einem schnurrenden Tonfall, der einladender nicht hätte sein können. Bevor sie die Lichtung mit dem See hinter sich lassen würden, blieb sie plötzlich stehen und sah sich um. „Haltet Ihr es für klug, des nachts in den Wald zu gehen? Hier ist es viel friedlicher! Wir sollten hier bleiben bis die Sonne aufgeht und die Schrecken der Nacht vertreibt“ gab sie mit einer Unschuldsmiene zu bedenken, die kein Wässerchen trüben konnte. „Ich bin mir sicher, Ihr bekommt auch dann Eure Belohnung ausgezahlt, wenn ihr mich am Morgen nach Hause bringt“ untermauerte sie ihren Vorschlag mit weiteren Argumenten, um den Jüngling davon abzuhalten, jenen Ort zu verlassen, den ihre Vorstellungskraft erschaffen hatte und der als Falle fungierte, in die ahnungslose Jünglinge wie Nicolai tappen sollten. Weil sie über die Schwachstellen eines Mannes bestens Bescheid wusste, wiegte sie ihre Hüften wie bei einem Tanz hin und her, während sie vorgab, sich dem See nähern zu wollen. „Ist es nicht romantisch hier? Sagt, habt ihr jemals solch einen schönen See erblickt?“ schmierte sie ihm weiterhin Honig um den Mund mit ihrem verträumten, unschuldigen Gesäusel.

Schlagartig hob in den Wäldern ringsumher ein bösartiges Knurren an. Scheinbar hatten die Schreie ihrer Herrinnen die übrigen Monster alarmiert, die nun allesamt auf die Lichtung zuhielten. Da hatte wohl jemand in das Wespennest gestochen...

Nicolai hielt dem Mädchen wie ein Kavalier den Arm hin und führte es über die Lichtung, am Ufer des Sees entlang. Er war völlig verzaubert von ihr, konnte kaum den Blick von ihr abwenden. Es war wahrlich Liebe auf den ersten Blick. Und als sie ihm vorschlug, die Nacht an diesem Ort zu verbringen, wollte er nichts lieber als ihrem Wunsch zu entsprechen. Seinen Meister konnte der Teufel holen. Wenn nötig, blieb er für immer hier mit ihr... Der Gedanke, dass sie an diesem wunderbaren Ort ein Monster stören würde - dass überhaupt irgendetwas sie je stören würde - war lachhaft!
Die sanfte Stimme des Mädchens ließ ihn lächeln und in ihren großen Augen konnte man sich wahrlich verlieren.
"Ja... Ja, lass uns bleiben", seufzte er und setzte sich mit ihr an das Ufer, ohne je den Blick von ihr abzuwenden. "Amalia ist ein wunderbarer Name... Er passt genau zu dir."
Normalerweise wären solche Worte ihm nie über die Lippen gekommen, doch die Romantik quoll dem Burschen buchstäblich aus den Ohren. Gut, vielleicht war er auch ein wenig geil. Nun, nicht nur ein wenig. Er wollte nichts lieber, als diese Frau zu lieben bis er eines schönen Tages sein Leben aushauchte.
"Ich will nirgendwo anders sein", gab er zu, beugte sich ganz langsam vor, um sie zu küssen. Wie von selbst glitten seine Hände an die Riemen, die sein Hemd geschlossen hielten.

Dain schnaubte abfällig. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn sich die Sache damit erledigt hätte. Stattdessen musste er sich mit dem niederen Gesocks der Vampirkaste abgeben. Er konnte weiterhin nur hoffen, dass sich kein Katakan unter ihnen befand. Wieder machte er Gebrauch von Axii, damit sich die Biester gegenseitig zerfleischten. Jene, die kampfunfähig geworden waren, verbrannte er dann mit Igni.

Das Mädchen war ganz und gar entzückt von den guten Manieren ihres Beschützers. Es frohlockte sie innerlich, es diesesmal mit einem Kavalier zu tun zu haben statt mit einem Bauerntrampel. Amalia errötete sanft bei jenem Kompliment, das ihrem Namen und ihrer Person galt. Die Unschuld vom Lande vortäuschend senkte sie beschämt die Wimpernkränze über ihren strahlend blauen Augen, sodass Nicolai nicht erkennen konnte, welch ein Blutdurst tief im Inneren ihrer Irden wütete. Nachdem ihr Blick wieder geklärt war, öffnete sie blinzelnd ihre Irden und sah dem jungen Mann geradewegs in die klugen Augen. Die Maid, welche es liebte mit ihrer Beute zu spielen und diese zu trietzen, wich Nicolais Lippen mädchenhaft kichernd aus als wäre ihre Schüchternheit zu groß, um sich solch einer Zärtlichkeit hinzugeben ohne sich vorher ein wenig zu genieren. Damit ihr Retter nicht völlig leer ausging, drückte sie ihm anstelle des Kusses einen Schmatzer auf die Wange. Anschließend fielen ihr Nicolais Finger auf, die unruhig an den Verschlüssen seines Hemds nestelten. Fragend runzelte sie die Stirn - die angebliche Jungfer perfekt spielend - ehe sie in all ihrer Naivität nachfragte: "Hast du vor im See zu baden?" gluckste sie, wobei ihr Blick unverhohlen an Nicolais halb geöffnetem Hemd hing.

Eine sanfte Röte trat in Nicolais Gesicht als dieser die Lippen zu einem schelmischen Grinsen verzog.
"Nur, wenn du mitgehst", antwortete er, sich das Hemd über den Kopf ziehend. Er warf es hinter sich und schmunzelte als sie sich genierte. Immer wieder folgte er ihr, kroch bald auf allen vieren hinter ihr her, ehe er schließlich über ihr hockte und sich lächelnd seinen Kuss holte. Er schwebte im siebten Himmel.

Seine Schritte auf dem Gras waren nicht zu hören. Seine unbändige Wut dafür umso deutlicher zu spüren. Ein leichenblasser Jüngling mit dunklem Haar trat aus dem Inneren der Ruine und seine dunkelroten Iriden schienen zu leuchten. Sein wahres Alter war nur in seinen Augen sichtbar, äußerlich mutete er fast an wie ein Junge im Alter von Dains Lehrling. Wenngleich weit anmutiger, beinahe wie eine Raubkatze.
"Du... du hast sie... Du hast meine Frauen getötet!", rief er zugleich fassungslos und hasserfüllt. Er hätte ohne Weiteres zum Hochadel gehören können, doch das Hausen im Wald spiegelte sich in seinem Äußeren wider. So makellos der Körper war, so verschlissen und abgetragen war die KLeidung. Sein einst weißes Hemd war zerrissen und dünn. Er hätte ebenso nackt sein können, denn sein Oberkörper war durch den feuchten und zerfetzten Stoff mehr als gut zu sehen. Wenn nicht die Frauen, so war zumindest ihr Herr eben genau Dains Beuteschema.

Amalia wich ihm immer weiter aus, lockte ihn mit ihrer Lieblichkeit, bis er schließlich über ihrer halb liegenden Gestalt ragte und sich dreisterweise holte, wonach es ihn gierte. Sie ergab sich widerstandslos als seine Lippen ihre berührten. Scheu bewegte sie ihre vollen Kusspolster gegen seine, ließ sich von ihm in das weiche Gras in ihrem Rücken drücken und sich so von ihm dominieren. Sie erbebte leicht vor Erregung aufgrund seines entblößten Oberkörpers, der einen beeindruckenden Anblick bot, welcher ihren Schoß vorfreudig die Beine spreizen ließ. Der Gedanke an ein Bad im glasklaren See driftete dahin, wurde ersetzt durch sinnliche Fantasien, die sie zugern mit diesem Jüngling erleben wollte. Zaghaft strich sie mit ihren samtweichen Fingerkuppen über seine Seiten, hinauf zu der harten Brust und verschränkte dann die Arme in seinem Nacken, um ihn fester an sich zu ziehen und so den noch zarten Kuss zu intensivieren.

Der Hexer fand sich in einem Meer aus zerfleischten Körpern wieder, die um ihn herum lagen und von seiner Kraft zeugten. Er atmete schwer, erschöpft vom Zaubern und Kämpfen. Seine Energiereserven waren schwindend gering, weswegen es ihn zürnte, ausgerechnet jetzt einem Katakan gegenüber zu stehen, der ganz und gar nicht erfreut war über die Dezimierung seines persönlichen Harems. Es traf ihn wie der Schlag aus heiterem Himmel als er erkannte, um wen es sich bei dem Vampir handelte. Es war Dimitri, dem er vor Jahren begegnet war und nur knapp mit dem Leben davon gekommen war. Die demütigende Erinnerung nagte an seinem Stolz, was er zähneknirschend zum Ausdruck brachte. Damals war er geblendet gewesen von Dimitris höchst erotischem Anblick, weswegen er ein leichtes Ziel abgegeben hatte. Doch heute war er um einiges erfahrener und vorsichtiger. Um sich nicht anmerken zu lassen, dass er kaum noch bei Kräften war, ließ er die Klinge in seiner Hand angriffslustig kreisen. "Du solltest mir dankbar sein, dass ich dich von diesen Furien erlöst habe. Ich bin immer wieder erstaunt über deinen schlechten Geschmack, Dimitri" provozierte er den Katakan mit all dem Spott, den er aufbringen konnte. Gleich danach wischte er sich mit dem Handrücken das Blut von der Lippe, die im Eifer des Gefechts von Krallen erwischt worden war. Sowohl Hexer als auch Vampir hatten sich seit ihrer letzten Begegnung äußerlich nicht verändert. Sie glichen noch immer den jungen, kraftstrotzenden Männern von früher, die nach einem verbitterten Kampf auseinander gegangen waren. Dain mutete jedoch nach dem Abschlachten von Bruxa und Garkin etwas wüst an. Sein bleiches Haar war zerzaust und blutdurchtränkt. Seine blasse Haut überzogen mit Spuren von reißerischen Krallen, doch sein Blick war nach wie vor ungebrochen.

Gelassen schlenderte der Vampir zwischen den Leichen einher und betrachtete diese interessiert.
"Nun, sie erinnerten mich an dich. Du weißt schon... Dumm, leicht zu beeindrucken und... billig." Sein böses Grinsen sprach Bände. Er legte es anscheinend darauf an, den Hexer zu ärgern. Wie selbstverständlich gab er sich und seine Anmut strafte die Lumpen an seinem Leibe Lügen. Er trat an eine Anrichte hinter der Liege (vor der wiederum die Asche seiner Frauen sich miteinander vermischte) und holte zwei Kelche heraus.
"Ich hatte mich in meinem Domizil eingeschlossen, weil sie mir auf die Nerven gegangen sind. Waren auch ziemlich faul. Daran, sie einfach umzubringen, hatte ich gar nicht gedacht."
Wein in den Kelch schüttend, trat er an seinen alten Bekannten heran und reichte ihm das Getränk. Angst, dass er ihm sofort den Kopf abschlug, hatte er nicht. Die Begegnung nach all den Jahren war für sie beide zu interessant.
"Ich hatte mich hier doch eigentlich ganz gut zurückgezogen. Ab und zu ein paar Bauern vernascht, zugegeben. Ich hab den Mädchen gesagt, sie sollen aufhören, irgendwelche Bauern zu verwandeln und es mir überlassen, wenn sie unbedingt ein Spielzeug behalten wollen. Tja, und nun haben diese Schafe wohl dich engagiert? Wenn es dir um Gold geht - da unten habe ich genug, um dich für einen Aufwand zu entschädigen. Hmm, gut siehst du aus. Hast ein paar Muskeln zugelegt, wie?"
Unverhohlen musterte er die Erscheinung des blutübergossenen Hexers und bot ihm einen Platz auf der Liege der zweiten an, während er sich auf die erste setzte - und die Asche seiner Frau achtlos beiseite wischte.

Nicolai ergab sich seinen Trieben und das mit vollem Vergnügen. Gefangen in seiner Sehnsucht und seinem Verlangen nach der Schönheit, suchten seine Lippen immer wieder nach ihrem vollen Mund und fuhren an ihr herab, streichelten ihr Brustbein und schon bald ihre Brüste, als er diese entblößte.
Inzwischen war aller störender Stoff entfernt und sie konnten sich an ihren schönen Körpern ergötzen. In diesem Moment hätte Nicolai für die Schönheit alles getan und nichts wollte er lieber, als ewig bei ihr zu bleiben. Sanft und behutsam, gleichzeitig zielstrebig, zeigte er ihr sein Verlangen, küsste sie überall und versicherte ihr seine Liebe. Schließlich lagen sie Arm in Arm und er arbeitete sich erneut unter ihr hervor, hockte sich über sie und seine Augen bekamen einen fast wahnhaften Glanz. Während er ihr einen langen Kuss abrang, machte er sich bereit, in sie einzudringen und sie so zu lieben, dass sie niemals mehr einen anderen haben wollte!

Die Augen des Hexers wurden schmal, während er den Vampir abschätzig musterte als dieser zwischen den Leichen umher schlenderte und seine Gleichgültigkeit demonstrierte. Ein unterschwelliges Knurren entrang sich Dains trockener Kehle bei der unangebrachten Beleidigung, die offenbar ihm galt. Dumm und billig. Alles in ihm schrie danach, sich für diesen Frevel auf den Katakan zu stürzen und ihm die höhnende Visage windelweich zu prügeln. Instinktiv krempelte er sich zu diesem Zweck sogar die Ärmel hoch, verblieb jedoch an Ort und Stelle ohne Anstalten zu machen, sich dem Vampir zu nähern. Er klammerte sich bloß an sein Schwert wie an einen rettenden Strohhalm. Pest und Hölle! Warum ausgerechnet jetzt? In seinem momentanen Zustand würde es Dain niemals gelingen, den Vampir niederzuringen geschweige denn zu vernichten. Ihm blieb daher nichts anderes übrig, als sich ebenso friedlich zu zeigen wie der Katakan. Indem er einen Waffenstillstand heuchelte, würde es ihm eventuell gelingen unbeschadet davon zu kommen.
Außerdem plagte ihn die Neugier, mehr über Dimitri zu erfahren, der wesentlich herunter gekommener wirkte als er ihn in Erinnerung hatte. Was wohl der Grund für seine ungewöhnliche Abgeschiedenheit in der Wildnis sein mochte? Damals hatte er in Saus und Braus gelebt wie ein Lebemann, der jede Sinnesfreude genoss.
"Schön blöd, wenn man seine eigenen Untertanen nicht unter Kontrolle hat, was?" erwiderte er auf die Bemerkung bezüglich der widerspenstigen Frauen zynisch. Dem Hexer stellte sich das Nackenhaar auf als der Vampir auf ihn zustolzierte und ihm den Kelch darbot. Argwöhnisch beäugte Dain den Wein, ehe sich sein selbstsicherer Blick in das vampirische Antlitz bohrte als würde er die Hintergedanken seines Gegenübers lesen wollen. Ihm waren die Motive des Katakans ein Rätsel, weswegen er sich zur Vorsicht ermahnte. Es missfiel ihm, sich dessen Gastfreundlichkeit beugen zu müssen und das nur, weil er sich nicht in der Verfassung fühlte, es mit dem Vampir aufzunehmen. "Du solltest wissen, dass es mir nicht allein um das Gold geht" knurrte Dain, seine Ehre verteidigend. Er war nicht bestechlich. Schon gar nicht ließ er sich von einem Ungeheuer hinters Licht führen.
"Du hingegen hast an Glanz verloren" höhnte er mit einem dünnlippigen Lächeln, das der zerfetzten Kleidung des Vampirs galt. Unbewusst schmeichelte ihm die Feststellung des Vampirs dagegen sehr. Weiterhin Kooperationsbereitschaft vortäuschend, folgte er mitsamt des Kelches in seiner Hand der Einladung des Vampirs. Er setzte sich allerdings nicht auf die Liege. Viel eher blieb er davor stehen, lehnte sich mit der Kehrseite gegen die Anrichte und funkelte den Katakan mit einem undefinierbaren Blick an, der sowohl Abscheu als auch Wohlwollen bedeuten könnte.
"Danke, ich stehe lieber. Es ist nicht meine Art, mich mit einem Vampir auf Augenhöhe zu begeben" lehnte er dankend und gleichermaßen arrogant ab, ehe er die blutrote Flüssigkeit in seinem Kelch hin und her schwenkte, damit sich das Aroma der Weinreben entfalten konnte.

Die Schöne kicherte und gluckste immer wieder, je mehr Kleidung der Nacktheit wich. Sie war so kindlich und heiter in ihrer Leidenschaft, dass es einem Abenteuer glich, gemeinsam den Körper des jeweils anderen zu erforschen. Bewundernd ertastete sie jeden Zentimeter seines Körpers, streichelte hier und da die Erhebungen der Muskeln, zerzauste ihm gar frech das volle Haar. Ihr köstlicher Kirschmund lud dabei zum Küssen ein, denn er war halb geöffnet und die Zunge leckte über die Unterlippe voller Konzentration. Ohne zu zögern erwiderte sie seine naiven, gedankenlosen Versprechungen, teilte seine Lippenbekenntnisse und die leeren Worte, welche ihr nichts bedeuteten. Sie war ein Monster, das nicht lieben konnte. Sie begehrte bloß sein Blut. Mehr nicht. Als er dazu überging, ihr Heiligtum mit seiner Unwürdigkeit zu schänden, ließ sie erstmals ihre nadelfeinen, spitzen Eckzähne zwischen den verführerisch geschwungenen Lippen aufblitzen. Sie wollte das Entsetzen in seinen Augen sehen, wenn ihm schlagartig bewusst wurde, dass er es nicht mit der Unschuld aus seinen Träumen zu tun hatte, sondern mit einem gerissenen, hinterhältigen Biest. Zeitgleich verwandelten sich ihre Liebkosungen in ein Kratzen ihrer scharfen Fingernägel, die seinen Rücken mit langen Striemen versahen.