RE: >>>night shifts - 8

Irgendwie hatte ich Lust noch ein bisschen an etwas herumzuknabbern, es beruhigte mich auf eine komische Art und Weise. Wäre da nur nicht das etwas schmerzerfüllte Schlucken! Noch dauerhaft Bananenbrei im Mund zu haben war nun auch wirklich nicht gerade das, was ich anstrebte und aus den Tee musste ich ja leider hinunterschlucken. Zumal man auf diesem logischerweise nicht kauen konnte, wo es sich ja um eine Flüssigkeit handelte. Aber nun gut, ich konnte Eric wohl schlecht darum bitte mir irgendetwas zum Draufbeißen zu besorgen, als wäre ich ein zahnendes Kleinstkind. Das würde dann wohl doch etwas komisch rüberkommen und alleine der Gedanke an letzte Nacht fühlte sich durch das große empfundene Schamgefühl ausgesprochen schrecklich an. Nein, lieber blieb ich so unauffällig wie möglich, er war das einzige was ich Wrack von einem Menschen noch hatte. Mein letzter Hoffnungsanker, wenn ich denn noch so etwas wie Hoffnung hatte. Wo doch auch schon mein eigentlich immer unerschütterlich geglaubter Glaube zum größten Teil in sich verfallen war.
"Hm!", mit einem frechen kleinen Grinsen klaubte ich mir das letzte verbliebene Stück der süßen Frucht aus der Hand des Mannes und begann genüsslich daran zu lutschen und winzige Stückchen mit meinen Zähnen abzubeißen. Umso langsamer ich aß, um so mehr hatte ich von meiner Beschäftigung und dem Zucker. Ich war bei Weitem nicht zuckersüchtig, achtete ja auch auf meine Linie und gesunde Ernährung, doch manchmal konnte auch ich nicht "Nein" sagen zu solch einer leckeren Versuchung. Und nicht umsonst wirkte es wie eine legale Droge. Zucker machte glücklich und stimulierte die Bildung und Ausschüttung von Glückshormonen. Und etwas Fröhlichkeit konnte eingesperrter Pechvogel im Moment wirklich gut gebrauchen. "Schöner warmer Tee wäre mir lieber.", äußerte ich in netter Phonetik meine Präferenz und nahm dankbar lächelnd das Smartphone in die Hand. "Oh, das sieht teuer aus..", entkam es mir unüblich ohne über meinen Kommentar nachgedacht zu haben. *Natürlich, der Gehaltscheck stimmte bestimmt. Wenn er stets sein Leben aufs Spiel setzte...*
Mit gemischten Gefühlen und einem leisen "Dankeschön" öffnete ich tatsächlich die YouTubeApp. Ich konnte ihm nicht offenbaren, dass ich mich eigentlich müde fühlte und deshalb auch nichts mit ihm spielen wollte, sondern lieber etwas entspanntem wie Videos schauen nachgehen wollte. Auch wusste ich ganz genau, dass es jeden Moment so weit sein musste. Gleich würde die Türe aufgehen und eine von diesen schrecklichen Pflegern mit den noch schrecklicheren Medikamenten kommen! "Es soll heute regnen..." Noch war der Himmel nicht dunkel, doch die kleine animierte Regenwolke auf dem Display in der linken oberen Ecke verwies auf baldige Wetteränderung hin. Nun, mich sollte es nicht stören. Ich würde meine Zelle hier sowieso nicht verlassen können, nicht einmal wenn ich es wollte. Doch gerade Regen würde ich nicht riskieren dürfen. Kälte und Nässe gemischt wirkte sich ganz sicher auf das Immunsystem aus und das war ja so schon angegriffen von Krankheit und medikamentöser Behandlung. Ich steuerte zielsicher auf die Trends zu, wo sogenannte "Influencer", "Letsplayer" und anderer sinnloser Content verbreitet wurde. Nichts für mich. Außerdem schwebte mir gerade etwas erheiterndes, leichtes ohne Spannungsboden vor. "Tiere und Kinder, eine Stunde lang" - so etwas suchte ich doch! Ich drückte den Playbutton und winkelte meine Beine an, sodass ich das Handy dort ablegen konnte und widmete mich wieder hingebungsvoll der Banane.
So lieb Erics Worte auch waren. Und nur der besten Absichten...so betrübte mich die Aussage doch eher, als dass sie mein Herz vor Glück höher springen ließ. "Eigentlich mag ich mich so...", beichtete ich kleinlaut, den Blick abgewandt und spielte nervös und verletzt mit meiner freien Hand an meinen Haaren, bedeckte meine Wange mit blonden Strähnen. Ich war ja schon immer so dünn gewesen, doch die Mädchen in meiner Straßen hatte dies immer toll gefunden. "Du siehst aus wie eine Prinzessin, ich wäre auch gerne so dünn wie du!", hatten sie damals immer schwärmend gesagt. Doch auch das hatte sich natürlich geändert. nicht dass ich für Frauen attraktiv wirken wollte, doch ich entsprach gar nicht mehr dem Schönheitsideal der Zeit. Ich war männlich. Ich sollte groß, breit und muskulös. Stattdessen hatte ich fast schon einen Sanduhrkörper und war natürlich zierlich, nicht nur schlank. *Wenn er mich so schon nicht schön findet, wie muss er mich dann jetzt ansehen?!*, ging es mir weinerlich und stark zweifelnd durch den Kopf, während Katzen- und Hundebabies mit gedrungenen Gliedmaßen und Kinder mit süßem Babyspeck vor mir über den Bildschirm liefen. Als Kind pummelig, als Frau vollbusig und schlank und als Mann groß und muskulös. Irgendwie entsprach ich keinem Ideal wirklich konnte das sein? Und dann auch noch diese ätzende Sommersprossen, welche besonders in den warmen Monaten auftraten und die ich eigentlich noch nie an mir gemocht hatte um ehrlich zu sein.

"Ich mag dich auch so. Alles an dir, wirklich. Aber findest du nicht, dass du ein bisschen mehr auf den Knochen vertragen könntest? So schön du auch bist, es sieht nicht gesund aus, wenn man deine Knochen unter deiner Haut spüren kann. Vielleicht hat es auch einen positiven Effekt auf deine Gesundheit. Ist es nicht bewiesen, dass schlanke Menschen empfindlicher für Krankheiten sind, als Menschen die etwas mehr auf den Rippen tragen? Ich will ja jetzt nicht fördern, dass du fett werden sollst, doch ein bisschen würde dir bestimmt gut tun. Aber es ist deine Entscheidung und ich unterstütz dich, egal ob du bei deinem Gewicht bleibst oder doch meinen Rat befolgen magst." gestand ich und sah ihm einfach in sein schönes Gesicht, mit den blauen Augen und dem blonden Haar.
"Ich will nur dein Bestes, vergiss das bitte nicht." gestand ich ihm und ergriff seine Hand, wo ich erneut einen Kuss platzierte und mich dann dazu entschloss, auf die kleine Ecke zu stützen und einen Arm um ihn zu legen, ihm einfach beim Videos schauen zuzuschauen und seine Nähe zu genießen.
Als dann eine halbe Stunde später eine Schwester und ein Arzt ins Zimmer kamen, ohne zu klopfen oder sonstiges, wurden Frey seine Medikamente gebracht sowie ein wirklich unappetitliches Frühstück.
"Ähm... ist das Ihr ernst?" fragte ich und löste mich von Frey und stellte mich vor die Schwester, die das Tablett hielt.
"Das Essen, was den Namen nicht verdient hat, sieht alles andere als Gesund aus. Diesen vergammelten Obst und dieses unschöne Johgurt... dass werden Sie ihm nicht zu Essen geben! Und ist auf dem Brot Schimmel?! Das ist ja wohl eine Frechheit!" ärgerte ich mich über diese schlechte Behandlung.
"Ich verstehe... werde sofort das Essen zurückgeben lassen." sagte ich Schwester und gab dem Arzt aber die Medikamente, bevor das "Essen" wahrscheinlich weggeschmissen wurde.
"Was hat dieses Krankenhaus nur gegen diesen Patienten?" fragte ich den Oberarzt.
"Ich verstehe nicht." sagte er und tat wirklich so, als wüsste er nicht, was ich meinte.
"Frey wird hier wie ein Verbrecher behandelt. Ich dachte, ein Krankenhaus dienst dazu, gesund zu werden, doch ihm geht es nur schlecht und dies liegt nicht alleine an den Medikamenten, sondern auch an diesem erbärmlichen Essen und an dem Umgang mit ihm. Die Schwestern sind wirklich nicht freundlich. Ich kann verstehen, dass es keine tolle Arbeit ist, aber so ein beschissener Umgang habe ich noch nirgendwo gesehen!" konfrontierte ich den Arzt mit meinen Eindrücken.

Mir wurde nicht so wirklich schlüssig was genau der großgewachsene Schwede jetzt ganz genau von mir wollte. Erzählte einerseits davon wie ich schön ich doch sei (wobei ich das stillschweigend stark anzweifelte, Komplimente hatte ich noch nie richtig annehmen können, geschweige denn sie in den meisten Fällen geglaubt) und erwähnte noch im selben Satz im Einschub, wie ungesund ich doch wirkte. Ein Stich, der tiefer als jede Nadel drang und mich nun endgültig den Blick von ihm abwenden ließ. Was sollte das?...Klang so Fürsorge?...Ich zweifelte auch dies innerlich ziemlich an. Wiederum konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass er denn irgendetwas davon haben könnte, mich schlecht zu reden oder zu verwirren. Aber doch: von einer Dokumentation wusste ich genau, dass Gesundheit unweigerlich auch mit Schönheit verknüpft wurde. Klare Augen, reine Haut, eine gesunde Bräune und Statur, glänzendes haar und gepflegte Nägel - als das zeugte von einem gesunden Organismus und guter Körperhygiene. Wozu man auch nur in der Lage war, wenn man einigermaßen bei Kräften war und bereit sich für einen Partner zu öffnen, um sich schließlich mit ihm fortzupflanzen. Etwas anderes war die Liebe doch ganz kühl gesehen nicht. Das schloss uns Homosexuelle keinesfalls aus, selbst wenn wir natürlich wohl niemals eigene Kinder bekommen könnten. Zumindest nicht auf natürliche Weise. (Und in der Hinsicht hatte es lesbische Paare schon noch etwas einfacher, während wir selbst als Männer leider kein Kind austragen konnten und zur Welt bringen, ein Aspekt, der mich stets gestört hatte.)
Und während er einerseits mir hinten rangestellt versicherte stets zu unterstützen und für mich da zu sein, egal wie ich mich entscheiden würde, so merkte ich doch ganz klar, wie er an mein Gewissen appellierte. Ich war doch nicht komplett auf den Kopf gefallen, trotz meiner unendlichen Gutmütigkeit und dem Glauben an das Gute. Mir ein schlechtes Gewissen machen wollen, das tat man doch nicht umsonst. Und schon gar nicht, wenn man jemanden eigentlich volle Entscheidungsfreiheit zusprach und die Zuversicht bei jeglicher Entscheidung eine Hilfe zu sein. In welcher Weise das schlussendlich auch wirklich erfolgen mochte. Und so lächelte ich weder, noch erwähnte ich irgendetwas freundliches, ungewohnt für mich, aber seit meiner Einlieferung in das Krankenhaus doch auch wieder schon des Öfteren vorgekommen.
Dennoch gewährte ich ihm den Platz neben mir ohne zu zögern oder Widerworte zu äußern und konzentrierte mich stattdessen still wie so häufig auf das Video, beendete meine übrig gebliebene Bananenhälfte währenddessen. Zugegeben, Hunger hatte ich spätestens jetzt dann doch nicht mehr, doch die halb zerdrückte, angeleckte und angebissene Banane die ich nun schon eine Weile in meinen beiden Händen gehalten hatte wie ein Kleinkind wollte er dann jetzt sicherlich nicht mehr, das wäre wohl auch mir mittlerweile etwas zu eklig geworden und ich schmiss wirklich nur im absoluten Notfall Lebensmittel weg, aß regelmäßig Sachen die über dem Verfallsdatum waren - was mir natürlich schon das eine oder andere mal zum Verhängnis geworden ist. Anders hatte ich es nicht anerzogen bekommen und anders ließ es mein Glauben und das Wissen, dass so viele Leute weltweit verhungerten, gar nicht zu. Auch deshalb beschwerte ich mich nicht öffentlich über die Essensqualität hier.
Wir bekamen schnell erneuten Besuch und bereute es schon fast ein bisschen, das Obst zum späten Frühstück, eher Brunch, gegessen zu haben. Nicht etwa, weil es schlecht war, um Gottes Willen. Nein, nun musste ich mir, satt wie ich war, mindestens die Hälfte von den Frühstück reinziehen, obwohl ich das Gefühl hatte, dass die Qualität von tag zu Tag kontinuierlich abnahm. Doch das war sicherlich nur Einbildung...Nun ja hoffentlich...
"Eric, Eric lass!", bat ich ihn zugleich in leiser Stimme, hatte das Video gestoppt und meine Beine ausgestreckt hingelegt, die Hände im Schoß und zu ihm sehend. Doch nicht auf meine Worte reagierend zeterte er weiter und etwas angsterfüllt griff ich dann doch zu, nahm sein Handgelenk. "Eric, es ist gut, ich werde es essen. So schlimm ist es nicht!", startete ich einen zweiten fehlschlagenden Versuch, als das Tablett auch schon wieder mitgenommen würde. *Au weiha, ein Oberarzt...* Verzweifelt nachdenkend zog ich jetzt so fest ich konnte an dem Arm von dem Mann neben mir, sodass er quasi gezwungen war sich zu meiner Seite zu gesellen. "Entschuldigen sie bitte...mein...Freund...hatte eine anstrengende Nacht. Er wird sich gleich wieder beruhigen, ich sorge dafür." Ihm ein gefälschtes Lächeln schenkend wusste ich naives Ding gar nicht, dass ich mir damit gerade nur selbst ins Bein geschossen hatte, dachte ich würde Arzt und ehemaligen Spezialagenten beruhigen mit meiner folgenden Aktion. Etwas zögernd, etwas bebend setzte ich einen leichten Kuss auf die Wange des blondes Mannes, den Arzt dabei nicht aus den Augen lassend. Natürlich waren wir kein Paar und er nicht mein Freund in dem Sinne, doch würde sie dies herausfinden, würde es die ganze Sache sehr wahrscheinlich nicht besser machen. Und immerhin, der Arzt gab mir die Medikamente, die ich mehr oder weniger bereitwillig schluckte und verschwand, wie auch die Schwester mit dem Tablett.

"Wieso sollte ich? Man muss diese Leute einfach damit Konfrontieren, sonst wird sich nie etwas ändern. Wer weiß, wie viele Menschen hier am Tag sterben, wegen solchen Sachen? Dreckige Zimmer und vergammeltes Essen. Hätte ich gewusst, wie es hier zugeht, wäre ich mit dir woanders hingefahren. So ein beschissenes Krankenhaus, hab ich noch nicht einmal im Krieg miterlebt. Da war die Versorgung noch einfacher und doch hat man sich um Kriegsopfer gekümmert." warf ich noch ein, bevor der Arzt verschwand. Das es Frey peinlich war, darauf konnte ich einfach keine Rücksicht nehmen. Es war ein Zustand, den man einfach laut aussprechen musste. Wenn die anderen schon nichts sagen, so musste ich es einfach aussprechen, was hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde. Ich bereute es, ihn hier her überhaupt gefahren zu haben. Gut, meine Hoffnung lag darin, dass er einfach Medikamente bekam und Zuhause durch das Leid gehen konnte. Aber nun hatte sich alles geändert und wir steckten hier regelrecht fest.
"Tut mir ja Leid, aber das musste einfach gesagt werden." sagte ich an Frey gewandt, bevor ich wieder meinen Platz, auf dem Stuhl einnahm.
"Soll ich schon einmal den Eimer holen? Wahrscheinlich ist es Mittags nicht so schlimm wie Nachts, oder?" fragte ich ihn, da ich es nicht genau wusste, weil ich gestern es nicht mitbekommen hatte und ihn alleine gelassen hatte. Um ihm neue Kleider und frisches Essen zu bringen. Was ich eigentlich heute auch tun wollte, doch er weigerte sich strickt, mein Essen zu probieren.
"Ich versteh wirklich nicht, warum du dir das bieten lässt. Du müsstest es doch als Krankenpfleger und Internist besser wissen. Das Essen war wirklich schlimm! Das Brot hatte weiße und grüne Stellen, der Apfel war gammelig und der Jogurt hatte wirklich bessere Tage gesehen. Und schon alleine dieses Verhalten. Legen keinen Wert auf Privatsphäre. Du hättest ja gerade geduscht haben können... ich finde das nicht in Ordnung und ich werde mich mit der Leitung zusammensetzten." gestand ich ihm. Ich war voll in Rage. Konnte es einfach nicht glauben... es tat einfach so verdammt weh, zu sehen wie Frey hier behandelt wurde.

Verzweifelt-wütend fiel ich ihm ins Wort, nachdem der Arzt das Zimmer verlassen hatte. "Und du denkst deswegen wird sich etwas ändern? Was schert sich die Bienenkönigin darum, wenn eine ihrer Arbeiterbienen streikt?" Eindringlich sah ich ihn von unten heraus an, schon alleine durch diese Position im Nachteil. Das würde doch alles zu nichts führen und wenn wir nicht gerade hier eine Sammelklage lostreten würden, so würde die Leitung doch nicht einmal minimal den Finger krumm machen. Ein Patient mehr oder weniger? Wen juckte es? In Schweden war jeder gesetzlich versichert, an mir verdienten sowieso nicht sonderlich viel, also konnte es ihnen doppelt egal sein. Und anscheinend waren Eric und ich hier auch alles andere als erwünscht. "Ich weiß ja, dass du einen großen Gerechtigkeitssinn und Selbstlosigkeit hast, doch er war Chefarzt hier. Die sitzen neben der Leitung am längsten Hebel. Eric, die können mir hier das Leben zur Hölle machen, ohne dass ich mich wehren könnte!", kiekste ich etwas aufgebracht und hatte den Blick noch nicht wieder von ihm genommen. "Du darfst dich ja ruhig auskotzen, aber doch um Gottes Willen nicht wenn Personal dabei ist."
Ich verstand es nicht. Warum glaubte er mir nicht auch einfach mal, ich war doch Krankenhauspersonal. Beziehungsweise sehr sehr bald wohl ehemaliges...Auch was mit meiner Wohnung passieren wollte wusste ich noch nicht. Mindestens einen Monat würde sie ja leer stehen, wahrscheinlicher waren aber 2 bis 3. Einen Monat bekam ich meine Krankheit ja bezahlt, doch was war mit den anderen zwei?! 1.500 bis 2.000 Euro würde mich das Ganze hier wohl umgerechnet kosten...Zwar lebte ich nicht am Existenzminimum und hatte auch ein bisschen etwas auf den Konto, natürlich. Doch ich würde nicht gleich wieder eingestellt werden und würde auch sehr wahrscheinlich nicht sofort wieder in eine Vollzeit-40-Stunden-Woche in die Arbeitswelt einsteigen können. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken müssen, mein Auto abzugeben um die Schulden zu begleichen und womöglich sogar noch in eine dieser heruntergekommenen Sozialwohnungen ziehen die, streng genommen, meist in den kriminellsten Gegenden, fast schon Ghettos, gelegen waren.
"Meine Privatsphäre habe ich doch schon aufgegeben, als ich hier durch die Tür gegangen bin...", seufzte ich und nahm dann den Blick doch weg. Was brachte es ihm jetzt so miese Stimmung gier zu verbreiten? Ich hatte gehofft bei ihm Trost und Ruhe zu finden...und dann fing er an zu fluchen wie ein Kümmeltürke. Mir war das ganze mehr als unangenehm und ohne weiteren Kommentar machte ich die Bildschirmsperre in das Handy ehe ich es auf den weißen Holznachtschrank neben mir ablegte und mir stattdessen die Strickjacke wieder anzog, einen alles sagenden Blick in Richtung des Schweden warf.

"Was soll ich deiner Meinung nach denn tun? Einfach alles so hinnehmen, was sie dir antun, wie sie dich behandeln? Das kann ich nicht, Frey! Du bist mir dafür viel zu wichtig. Auch so sollte niemand behandelt werden. Diese Menschen haben einen Eid geschworen, dass sie die kranken und hilflosen Menschen retten, am Leben erhalten und sich um sie sorgen und umsorgen. Davon sehe ich hier einfach nichts. Vielleicht willst du mich einfach nicht verstehen, weil du ihre Seite aber auch die der Patienten siehst und dich einfach deinen Schicksal ergibst. Aber dafür bin ich ja da, um dich zu beschützen, wenn du es nicht kannst, weil du dafür keine Kraft hast oder dich nicht wohl fühlst." sagte ich und hockte mich neben seinem Krankenbett und blickte zu ihm auf.
"Tut mir Leid... auch für mich ist es nicht einfach." sagte ich, als die Stille eingekehrt war und sich erdrückend auf meiner Brust niederließ. Ich erhob mich wieder und ging zu dem Fenster, blickte hinaus auf den Park und sah mir all die Menschen an, die sich hier durchquälen mussten, weil der Tod an ihnen nagte. Überall auf dieser Welt gab es Leid und Krieg. Doch gerade jetzt fühlte ich mich dem Tod noch näher als sonst. In vielen Einsätzen hatte ich Kollegen verloren oder zusehen müssen, wie sie sich opferten und nun hatte ich mein Herz an einen Mann verloren, dem es verdammt dreckig ging und dies nagte so tief in meinem Herzen, dass ich einfach nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte. Wahrscheinlich war meine Liebe einfach zu groß und so machte ich mir zu viele Sorgen um Frey.
Vielleicht auch welche, die unberechtigt waren.
"Möchtest du vielleicht ein bisschen raus? Ich kann dir einen Rollstuhl besorgen und dann machen wir eine kleine Runde im Park?" bot ich ihm an, drehte mich dabei zu ihm herum.

Mir fiel nichts mehr wirklich ein, was ich zum ersten Teil seines Gesprächs sagen konnte und so starrte ich einfach nur etwas anteilnahmslos auf meine schmalen, etwas bleichen Hände, an denen die Fingernägel zeitnah wieder etwas gestutzt werden müssten. Ob ich hier wohl Zustand zu spitzen Gegenständen bekommen würde? Oder waren Worte das einzig spitze, was ich in diesem als Krankenhaus getarnten Gefängnis je erfahren würde? Vielleicht dachten sie ja, die komische, ekelerregende Heulsuse mit passiv-aggressiven Freund würde sich oder anderen etwas antun. Wobei, nur anderen, denn wie es mir ging ging der Leitung ja wohl ziemlich am Allerwertesten vorbei, was an sich schon traurig genug war. Aber vielleicht behandelten sie wenigstens heterosexuelle - oder was wusste ich, was sie an uns/mir störte - mit Respekt und der versprochenen Menschenwürde. "Du hast ja Recht...aber wer hält sich schon noch an Eide..." *Hast du nicht auch geschworen, dein Land zu beschützen?...*, dachte ich vorsichtig und flüsterte, nur für mich alleine: "...und bist jetzt hier, weil du es nicht mehr aushältst? Etwa Angst hast?..." Ich wusste ja nicht so genau, wie es nun mit seiner Arbeit aussah und warum und alles drum und dran. Eric erzählte ja auch nichts. Wir beiden erzählten viel, viel zu wenig. Doch leider sprachen wir nicht einmal über unsere Körper richtig miteinander. Er hielt sich wahrscheinlich zurück, ich zwang mich dazu, war verwirrt. Meine Mimik sagte was anderes, als was ich dachte, mein christlicher Glauben stachelte mich immer noch zu Höflichkeitshandlungen an, auch ihm gegenüber. Wohin sollte das wirklich führen?
Zudem fragte ich mich, warum mich alle Welt immer als schwach angesehen hatte...Ja sogar ich selbst. Ich war doch ein glücklicher, toleranter und positiv denkender Mensch! War es mein schmächtiger Körperbau? Mein ständiges Lächeln? Die Naivität? Die wenige Erfahrung? Weil ich so einen gutmütigen Job wie Krankenpfleger nachging oder immer Ja sagte? Weil ich als Schwuler eine Minderheit präsentierte oder mich oft aufopferte für andere? Nun ja...in the end gab ich wohl wirklich genug Anhaltspunkte und wenn es nur war, weil ich an etwas so lächerliches wie Gott glaubte - was ja im heutigen 21. Jahrhundert in der westlichen Welt wirklich nicht mehr ganz so üblich war.
"Raus gerne. Aber ich habe noch zwei gesunde Beine. Ich kann schon noch laufen." Die Blöße wollte ich mir jetzt nicht auch noch geben. Ich war doch nicht schwerkrank, alt oder schwanger. Oder in den Beinen beeinträchtigt. Nein, ich wollte noch etwas Würde in meinem Körper tragen und es vermeiden, dass Leute dachten, was für ein armer Mann ich doch sei, in so einem jungen Alter schon krank oder gehandicapt zu sein. Unglaublich viel Hoffnung hatte zwar nicht mehr, auch nicht in meinen Glauben, aber da war sie immerhin noch und für mich jedenfalls existent und real. "Ich muss mich vorher nur dick anziehen. Ich darf unter keinen Umständen krank werden." Mein Körper würde eine Infekt jetzt alles andere als gut heißen und Medikamente könnten gefährliche Wechselwirkungen eingehen oder eine Behandlung vielleicht sogar unmöglich machen. In allen Fällen würde sich das Leiden verlängern oder intensivieren, worauf ich gerne verzichten wollte, nur im etwas Natur zu sehen und frische Luft zu schnuppern, die Beine mir zu vertreten.

"Okay... wenn du nicht mehr kannst, trage ich dich zurück ins Zimmer." versprach ich und zwinkerte ihm zu. Ich wendete mich von dem Fenster ab und lief hinüber zur Tasche, wo ich ein paar Kleider hervor holte und diese Frey präsentierte.
"Ein Pullover und eine Hose wären schon einmal gut." sagte ich und überreichte beides ihm. Dann holte ich noch einen Schal und einen Mantel hervor, der mir definitiv zu klein geworden war und wahrscheinlich Frey, immer noch versinken würde. Dennoch hielt er schön warm und würde ihm stehen.
"Ich hab noch warme Socken, aber keine Schuhe... außer solche Schlappen." gestand ich und zeigte ihm diese.
"Würde das reichen?" fragte ich ihn mit leichter Skepsis. Ich ließ ihn sich einkleiden, während ich ihm einfach dabei zusah. Was sollte ich auch sonst anderes tun. Außerdem verstand ich seine Logik nicht, zu dem Thema Rollstuhl. Aber okay, zur Not würde ich ihn die ganze Zeit herumtragen, egal was andere davon hielten oder dachten. Es dauerte ein wenig, aber als er fertig war, hielt ich ihm meinen Arm, zur Stütze hin, falls er diese brauchte und wenn, wollte ich einfach auf Nummer sicher gehen.
"Ein bisschen frische Luft würde dir bestimmt gut tun. Müssen ja auch nicht lange draußen bleiben." schlug ich vor und lief gemeinsam, an seiner Seite hinaus aus seinem Zimmer, durch die Flure des Krankenhauses und hinaus in den Park, woraus man von seinem Zimmer einen tollen Blick hatte.
"Ist schon echt ziemlich kalt geworden." gestand ich und hatte mich selbst in meine Jacke gekuschelt. Ansonsten trug ich ja nur einen Pullover und eine Jeans sowie Boots an den Füßen.
"Du hast vorhin etwas von einem Eid gesprochen. Ja, ich hatte einen Eid geschworen, den ich auch bis zu meinem Tod einhalten hätte, wenn mich mein Arbeitgeber nicht Suspendiert hätte. Schon alleine das Verfahren, in dem mir sowieso alle die Schuld gaben, der sich über Jahre hingezogen hätte und alles der Öffentlichkeit Preis gegeben worden wäre, hätte ich nie mehr als Special Agent arbeiten können. Ich hab gekündigt. Fred hat mich für verrückt erklärt, aber das ist mir egal. Mein Ruf ist zerstört und meinen Eid kann ich nicht mehr einhalten. Meine Version der Dinge, wären vom Gericht und den Anwälten der Familien der Opfer, sowieso regelrecht vernichtet worden. Ich hätte keine Chance gehabt..." erzählte ich und blickte gerade aus, regelrecht ins Nirgendwo.
"Mein Geld reicht noch für ein paar Jahre. Vielleicht finde ich eine andere Berufung." sagte ich und zuckte nur mit den Schultern. Ich hatte keine Kraft, um an die Zukunft zu denken.

Es war schön, dass unsere Meinungsverschiedenheiten weder zu einer heftigen, gar noch ausartenden Diskussion führten, noch, dass er mich zu irgendetwas überreden wollte oder womöglich noch zwang. Oh er war doch so viel anders als Mattis. Und doch...meine Gefühle für ihn waren anders. Da war kein...kein...Verlangen. Keine sexuelle Anziehung. Er war ein netter Kerl, ja. Hübsch und freundlich und hilfsbereit. Er roch angenehm und wusste mich zu beschützen. Und ja, es war schön, neben ihm zu schlafen und mit ihm zu quatschen, aber vor allem zu wissen, dass ich nicht alleine war. Doch waren das wirklich beginnende Liebesgefühle? Oder vielleicht doch eine tolle Freundschaft mit rein platonischer Liebe? Ich wusste doch mehr oder weniger, was der selbstbewusste Schwede für mich empfand und was er von mir wollte, beziehungsweise mit mir. Was das, was ich hier machte nicht vielleicht sogar egoistisches Ausnutzen? War ich vielleicht gar nicht so fromm ich wie vorgab, beziehungsweise dachte zu sein? Nutzte ich ihn kaltherzig für meine Zwecke oder war das in Ordnung, weil beide Parteien von dieser komischen Beziehung zueinander profitierten?
Ich wollte mir lieber nicht Gedanken darüber machen und sah nur überrascht mit an, was er mir da schönes mitgebracht hatte. "Eric...da sind doch teure Sachen mit bei...Markensachen..." Ich fühlte mich unwohl so etwas zu tragen. Geld war nicht da, um mit vollen Händen ausgegeben zu werden für solch überflüssige Sachen. Man brauchte kein teures Auto oder teure Kleidung oder teures Essen. Es musste nur seinen Zweck erfüllen. So lehrte es die Bibel, so lehrte es die Gemeinde, so lehrten es meine Eltern und letztendlich auch ich. Und doch war ich natürlich nicht blind. Die schicke Kleidung hatte etwas und zu gerne würde ich auch mal faul sein wollen und überteuert essen, würde es mein Geldbeutel, aber in allererster Linie mein Gewissen zulassen, was mich so oft so stark an meinen Glauben erinnerte. Doch natürlich zog ich die Kleidung letzten Endes anstandslos an und bedankte mich ausführlich, dass er daran gedacht hatte und sie mir borgte. "Das reichte alle male.", erwiderte ich bescheiden, bevor ich mich weiter stumm anzog und schließlich mit ihm aus der Tür ging. Nach kurzem Zögern dann nahm ich auch seinen Arm als Stützte an. Ich konnte und wollte ihn nicht ständig zurückweisen mit seinen Nettigkeiten, das wäre nicht fair.
"Es riecht wunderbar...", murmelte ich mit einem Lächeln und schloss die Augen, ließ mich von Eric führen, der ja noch mitansehen konnte, wohin wir gingen. "...und kalt.", fügte ich hinzu, kurz leise auflachend. Sommer wäre mir zwar im Moment lieber gewesen, sodass ich mich ins Gras hätte setzen können und umherfliegende Schmetterlinge beobachten. Doch meinen "Mut" nach draußen zu gehen wurde belohnt. Nur der Zeigefinger guckte unter der zu großen Jacke hervor, als ich dem Schweden neben mir ein Eichhörnchen zeigte. "Titta, en ekorre!" (Schau, ein Eichhörnchen!), machte ich ihn auf das Tier vor uns aufmerksam, welches von einem Baum zum nächsten sprang. Dabei hatte ich seinen Arm freudig gedrückt. "Es sucht sich wohl schon seinen Wintervorrat zusammen. Hoffentlich findet es genug Nüsse!", freute ich mich wie ein Kind und fieberte dem Überleben des süßen Nagetiers entgegen, als Eric ein etwas düsteres Thema ansprach. "Vielleicht...",hauchte ich nur als Antwort, den Blick zu Boden gerichtet. Ich wusste nicht einmal im Ansatz, was ich darauf antworten sollte und ehe ich die falschen Worten in den Mund nahm, hielt ich ihn lieber gleich geschlossen aus Angst Fehler zu begehen und ihn zu verletzten.

Unser Weg führte uns zu einem kleinen Garten mit vielen verschiedenen Blumen, die den Frost und die Kälte strotzen. Zudem war der Garten von Tannen und anderen Büschen umzäunt, so dass man alleine und abgeschottet war. Irgendwie war dieser Ort perfekt für Verliebte, die etwas Zeit und Ruhe finden wollten. Auch ich peilte mit Frey diesen Ort an, hatte sogar die Decke dabei, damit er sich nicht auf der Bank verkühlte. Als wir vor der Bank standen, legte ich einen Teil der Decke auf die Sitzfläche und legte den Rest über seinen Schoss. Hoffentlich war es so angenehm warm und gemütlich. Ich rückte auch nah an ihn heran, damit ich ihm zusätzlich wärme spendete. Zudem lehnte ich mich an die Lehne der Bank und streckte meinen Arm aus, damit es auch Frey kuschlig und warm hatte.
"Sag mal... möchtest du irgendwas über mich wissen? Eigentlich wissen wir voneinander recht wenig. Und in der Zeit, in der wir uns kennen gelernt haben, gab es noch genügend andere Hindernisse, die wir bewältigen mussten. Ich hätte mir ehrlich gesagt, auch ein anderes Kennenlernen vorgestellt, aber wer weiß, ob wir uns dann überhaupt begegnet wären. Schweden ist groß und Stockholm hat eine große Einwohnerzahl. Es gibt viele hübsche junge Männer... und dennoch glaube ich, dass ich mich Zuhause einfach verbarrikadiert hätte, wenn meine Verletzungen nicht so dramatisch gewesen wären." gestand ich ihm.
"Falls du dich fragst, wie es meinen Wunden geht... ich hab keine Ahnung. Gestern, als ich Zuhause war, habe ich die Wunde gesäubert und neu verbunden, doch es sondert sich noch immer etwas Flüssigkeit ab. Keine Ahnung, ob das normal ist. Schmerzen hab ich jedoch keine und Bewegen kann ich mich auch. Es würde mir sogar nicht auffallen, wenn sie aufreißen würde. Ehrlich." erzählte ich und schmunzelte.
"Und sonst? Hast du Träume die du dir noch erfüllen möchtest?" fragte ich und blickte zu dem kleineren Mann mit dem blonden Haar. Gerne hätte ich ihn in den Arm genommen und einfach nur gehalten, etwas von meiner Stärke wieder gegeben.

"Hier ist es schön!", kommentierte ich leise den Ort wo wir uns befanden und wo zu meiner Überraschung wirklich wenig Leute waren. Aber gut, wir waren immerhin auch ein ganzes Stück gelaufen, soweit kamen die meisten ja nicht. Immerhin war dies ein Ort voller kranker oder sich rehabilitierenden Menschen und vielen Alten. Um sich kurz mal die Füße zu vertreten oder frische Luft zu schnappen nahmen sie keine lange Wegstrecke auf sich. Doch es lohnte sich. Auf dem Pfad hierher hatte ich auch schon ein bisschen mein Schwächegefühl hinter mir lassen können. Hätte Eric mir gesagt oder hätte ich mir selbst bewusst gemacht, wie weit ich doch für meinen Zustand gelaufen war, hätte ich wohl schon viel viel eher schlapp gemacht. Zum Glück war nichts davon eingetroffen. Es gab mir wirklich etwas Kraft. "Wenn jetzt noch Blüten und Blätter vorhanden wären...und ein paar mehr Tiere...", seufzte ich und setzte mich bereitwillig in das gemütlich gemachte Nest auf der Bank. "Oh, hast du dir etwa keine Sitzunterlage mitgenommen? Nicht dass du noch Nierenprobleme bekommst!", erwiderte ich besorgt, doch er ließ sich nicht dazu bringen, mit mir die Decke zu teilen und mich dafür natürlich von einem Stück trennen zu lassen. "Es ist warm genug.", versicherte ich ungefragt, nur für den Fall, mein Beschützer machte sich Sorgen ich könnte trotz allem noch frieren.
"Etwas über dich wissen?", unterbrach ich sichtlich verwirrt und drehte den Kopf in seine Richtung. Nun, immerhin sprach er da nur die Wahrheit aus. Wann hatten wir unsere Gespräche mal auf uns oder gar die Vergangenheit gelenkt? Irgendwie war immer nur das Hier und Jetzt Thema gewesen. "Etwas über dich wissen...hm..", wiederholte ich noch einmal leiser, den Blick auf den Schoß gerichtet und spielte mit einer Ecke der Decke als Tarnung indem ich so tat, als würde ich überlegen. Es war wie einen Namen geben. Man fing an, eine Beziehung aufzubauen und sei es nur ein Gegenstand. Doch Eric war kein Gegenstand und wir kannten den Namen des anderen. Was würde passieren, wenn wir nun mehr übereinander wussten? Wollte ich das wirklich? Wollte ich wirklich seine Vergangenheit wissen, die mich vielleicht Mitgefühl empfinden ließ, mich mit ihm Verband, zu einem engen Vertrauten machte oder vielleicht den Schweden in einem anderen Licht sehen ließ? Doch er bot er mir an...konnte ich da nein sagen? Wäre das nicht unhöflich. Und überhaupt erwartete man dann doch, dass der Gesprächspartner eine Gegenleistung brachte und auch über sich erzählte. Aber nur ungerne wollte ich mich ihm so emotional ausliefern und wieder einmal abhängig machen. Dieser Mann brachte mich stets in Bredouillen.
"Nein, hätten wir wohl nicht. Ich lebe ja eigentlich nur fürs Arbeiten und sonst bin ich zuhause in meiner Wohnung, wo ich lese, schlafe und esse.", ergänzte ich mit einem kleinen Kichern und war ganz froh, dass er auch schon schnell weitersprach. "Das ist gut, wirklich. Wie lange ist die OP her? Ein Monat? Länger? Kürzer? Ach Gott, ich habe wirklich kein gutes Zeitgefühl, meine Tage laufen immer gleich ab. Nur die Jahreszeiten draußen lassen mich daran erinnern, welchen Zeitraum wir jetzt ungefähr haben. Oh und das Wachstum meiner Pflanzen, haha." Nochmals ein kleines Lachen meinerseits. "Aber vielleicht solltest du doch noch einmal zur Kontrolle gehen, würde ich dir raten. Nur...Naja...vielleicht nicht hier...", äußerte ich mit gedämpfter Stimme meine Bedenken und drehte mich um, wo die Klinik nur noch ziemlich klein zu sehen war.
Als hätte ich mit diesem Nebensatz buchstäblich den Teufel an die Wand gemalt, erinnerte mich mein Körper auch wieder daran, warum ich denn eigentlich hier war. "Autsch!" Ein Stecken entstand in meiner Magengegend und ich umklammerte leicht vorgebeugt meinen Bauch. Zu erfüllende Träume? "Ich will lieber zurück...!", quengelte ich, Angst die Kontrolle über meinen Körper zu verlieren und mich noch vor dutzend mehr Menschen zu blamieren als vielleicht nur vor Eric und ein bisschen Krankenhauspersonal, die das ja eh schon gewohnt waren und die mehr oder weniger darüber hinweg sahen.

Ich verstand seine Bitte sofort und machte mir rasch Sorgen um ihn. Jetzt wäre vielleicht ein Rollstuhl praktisch gewesen, doch leider hatten wir keinen und so mussten wir uns einfach zu Fuß, beeilen. Ich erhob mich und half Frey ebenfalls hoch und lief mit ihm so schnell er konnte los. Jedoch waren seine Krämpfe hinderlich beim laufen.
"Soll ich dich nicht lieber tragen?" fragte ich ihn und konnte mir das einfach nicht länger mit ansehen. Frey ging es nicht gut und wir hatten keine anderen Möglichkeiten. Kurzentschlossen entschied ich für ihn und packte ihn mir, trug ihn auf beiden Armen und lief mit ihm so flink ich war, durch den Park und zurück ins Krankenhaus, statt den Aufzug zu nehmen, erklomm ich die Treppen und brachte ihn in sein Zimmer zurück, wo ich ihn erst wieder absetzte und ihn dorthin begleitete, wo er dringend hin musste. Auf Toilette. Dort gab ich ihm jedoch die Privatsphäre, die er benötigte. Ich setzte mich auf einen Stuhl, nahm die Tasche zur Hand und holte ein frisches Handtuch hervor. Der Inhalt der Tasche neigte sich dem Ende zu. Am liebsten würde ich irgendwann gerne nach Hause zurück und die Tasche mit neuem Inhalt füllen. Am liebsten nur mit Dingen für Frey, damit ich ihm den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen konnte. Doch ihn alleine, in diesem Irrenhaus lassen, konnte ich jedoch auch nicht. Ich hätte jede Sekunde Angst um ihn, dass Sie ihm irgendwas Falsches verabreichen würden oder dergleichen. Frey war mir heilig und so konnte sie mir richtig in den Arsch treten.
"Alles okay?" fragte ich, während die Minuten vergingen. Von Frey hörte ich kein einiges Wort. Vielleicht war er auch einfach erschöpft und ist eingeschlafen, zusammengebrochen? .... Ich sollte vielleicht nachsehen.
"Frey?" fragte ich, erhob mich von meinem Platz und klopfte an die Tür.
"Frey, alles okay bei dir? Ich komm jetzt rein, okay." sagte ich und drückte die Klinke nach unten, öffnete die Tür und blickte auf Frey, der am Boden lag, Kopf über der Schüssel und verdammt bleich aussah. Reste von Kotze, hingen an seiner Wange und Lippen. Wirklich unappetitlich und doch brach es mir das Herz, ihn so zu sehen. Ich hockte mich neben ihn hin, nahm ihn vorsichtig in den Arm und tupfte seinen Mund und Gesicht ab. Streckte meine Arme aus, öffnete den Wasserhahn, der nicht wirklich weit entfernt war und feuchtete das Handtuch an, tupfte es über sein bleiches Gesicht und hielt ihn einfach, während ich ihn abtupfte.
"Ich bring dich ins Bett." wisperte ich leise. Das Handtuch legte ich ins Becken, erhob mich vorsichtig und hob dann Frey, wie ein Kleinkind, auf meine Arme und brachte ihn hinüber ins Bett. Dort schlug ich die Decke fort, legte ihn vorsichtig auf die Lacken und das Kissen, bevor ich ihn bis zur Nase zudeckte und ihm meine Jacke hinlegte, die er gerne zum Kuscheln benutzte.
Ich holte das Handtuch, einen Eimer und Wasser, bevor ich neben seinem Bett platz nahm und für ihn da war, wenn er mich brauchte.
"Soll ich vielleicht einen Arzt holen? So schlimm war es doch noch nie." gestand ich und hatte so meine Bedenken.

Ja, nun bereute ich es auch zugegeben etwas, dass ich seinem Vorschlag bezüglich eines Rollstuhls nicht nachgekommen war trotz guter Argumentation. Mir war die Vorstellung einfach zu peinlich und welcher Mensch Mitte 20 wollte wie ein gebrechliches Wesen auf solch einen Gegenstand angewiesen sein? Viel Stolz hatte ich ja noch nie besessen, doch irgendwie hatte selbst ich mich nicht dazu durchringen können wir diese Blöße zu geben. Wobei an einem Ort wie diesem, einem Krankenhaus, sich komische Blicke wohl in Grenzen gehalten hätte. Dennoch war ich mir sicher, würde ich weniger auf Unverständnis, dafür aber Mitleid treffen. Der Großteil würde sicherlich denken, ich armer Mann sei gelähmt, zumindest die Beine. Und mal ehrlich: Was hatte ich jetzt gewonnen? Von einem anderen Mann wie ein Kind getragen zu werden wahr wohl noch um Längen peinlicher und eigentlich hatte nur noch das Blut gefehlt, schon hätten wir endgültig unsere Mitmenschen geschockt. So dachte man wahrscheinlich schon, wir wären auf dem Weg in die Rettungsstelle zu rauschen.
Ich hatte es nicht mehr so gut alleine zu Fuß geschafft. Die Angst schnürte mir fast jegliche Luft ab und verschlimmerte die Krämpfe nur, da ich schon bald unter Luftnot litt und mein Körper sich zur Gegenmaßnahme verkrampfte, was die Magenkrämpfe wiederum verschlimmerte und in mir noch mehr Panik aufstieg, welche wieder auf die Lungen ging - und naja, so weiter und sofort. Es entstand eben ein schwer durchbrechlicher Kreislauf und ich wurde zunehmend blasser, während mein Energieabfall rapide, fast schon exponentiell ging. Selbst wenn ich wollte, ich hätte Eric in dem Zustand den antworten können, doch jeder Depp würde sehen, dass mich meine Füße in den nächsten Metern nicht mehr tragen können würden.
Und so war es mein Glück im Unglück, als mich kräftige Arme vom Boden hoben und ich meine Hände in den Stoff krallte. *Beruhig dich! Alles wird gut- alles-!* "E-E-ric!", presste ich schwerfällig, hatte die Augen zusammengekniffen. Ich hörte um mich herum Stimmen und drückte das Gesicht vor Scham an seinen Brustkorb. Niemand sollte mich so sehen! Doch das war wie alles hier nur Wunschdenken. Und es gab ja auch weitaus schlimmeres. Erstmal mussten wir sehen, dass wir schnell ein Bad auffanden und hier zeigte sich praktischerweise Erics vergangene Spezialausbildung der damit verbundene körperliche Zustand. Welch ein Glück.
Meine einzige Antwort für den Schwede aus dem Bad war ein leises Wimmern, doch er ließ nicht lange auf sich warten und schon erschien der großgewachsene Mann neben mir im Bad, wo meine weinerlichen Augen auf ihn trafen. Es schüttelte mich kurz, als seine vergleichsweise kalten Hände mich nahmen - ich war ja immer noch dick eingekleidet in die Draußenklamotten und schwitzte dementsprechend heftig. "Hmmm!" Abwehrend versuchte ich seine Hilfe abzulehnen und drückte ihn schwach weg, versuchte meine Kopf aus seiner Reichweite zu bringen, doch er war stärker. Verdammt, ich wollte das nicht, das war alles so peinlich. *Warum? Warum kann ich nicht einfach hier und jetzt sterben?!* Mit brennendem Hals, Fieber, Übelkeit und allgemeinem Unwohlsein wurde ich mit seiner Hilfe zurück ins Bett gebracht, wo ich mit meinem Stöhnen und schluchzen und Frauen auf der Entbindungsstation ehrliche Konkurrenz machte. "Bloß nicht! Bleib mir weg mit dem!", unterbrach ich mein Weinen und hatte das Kissen umklammert. Immerhin, die Übelkeit nahm ab und ich erinnerte mich an grundlegende Pflegedinge. Zusammenrollen für die Schmerzen, tief atmen für frische Luft, Ablenkung, Ruhe! Ich versuchte von nun an Eric auszublenden und mich auf mich zu konzentrieren. Die Gewissheit, dass er gegebenenfalls trotzdem da war, ließ mich mit großer mentaler Anstrengung wirklich etwas entspannen und ich merkte wirklich, wie sich zwar nur sehr langsam, aber doch Besserung einstellte. In erster Linie wohl geänderte Atmung. Und so war ich nach bereits einer Dreiviertelstunde schon wieder in der Lage wie ein Mensch zu agieren.
"Ich glaube ich war dieses mal selbst Schuld...meine Psyche…", erklärte ich matt und bat um ein Glas Wasser, welches ich zwar langsam, aber letztendlich doch komplett austrank. Sicherlich, die Schmerzen und erhöhte Temperatur waren immer noch vorhanden. Und allen voran die Erschöpfung, doch zumindest mein Magen hatte sich soweit beruhigt, dass keine Übelkeit mehr vorhanden war, was mir schon einiges an Erleichterung brachte. "Würdest du mir nochmal Bananen bringen?...Ich gebe dir auch das Geld! Und vielleicht etwas Knäckebrot oder Zwieback...oder solch leichte Kost.", bat ich ihn nach einiger Überwindung, unauffällig an der Jacke festhaltend. "Aber lass dein Handy hier!", fügte ich anschließend noch hastig hinzu und tat so, als wäre ich beiläufig. Dabei hatte ich einfach nur Angst, er würde vielleicht seine Chance wittern und die Flucht ergreifen. Ich hatte wirklich Angst alleine zu sein und das stand mir ins Gesicht geschrieben. In meinen Gedanken nahm ich sein Handy quasi als Pfand. Wenn er es haben wollte, musste er eben wieder kommen.

Wie konnte Frey wirklich noch glauben, dass ich ihn alleine lassen würde? Ich tat alles für ihn. Mir war es egal, ob er stank, Kotze am Mund kleben hatte oder gerade wie eine Leiche aussah, es war doch alles natürlich, wenn man Krank war und wahrscheinlich würde ich nicht besser aussehen, wenn ich in seinem Zustand, oder einem anderen wäre. Frey hatte zwar Augen im Kopf, nutzte diese wohl nur nicht richtig oder bildete sich ein, dass ich die Zeit, die ich nicht hier sein MUSS, feier wie ein Teenager. Schwachsinn! Ich genieße jeden Moment, den wir zusammen haben können. In Guten wie in Schlechten Zeiten.
"Du bist wirklich ein kleiner Dummkopf." gestand ich und schüttelte den Kopf.
"Ich bring dir die Sachen. Dauert ein bisschen, dafür muss ich zu einem Supermarkt, aber ich werde mich beeilen. Mein Auto steht auf dem Parkplatz. Ich werde auch kurz nach Hause fahren und ein paar neue Sachen mitbringen. Wollen dem ollen Krankenhaus ja nicht noch mehr zur Last fallen." sagte ich und meinte den letzten Satz ironisch.
"Du kannst mein Handy gerne haben. Ich wäre aber auch so wieder gekommen." gestand ich, erhob mich und strich ihm durch sein fettiges Haar. Kurz beugte ich mich über ihn und legte meine Lippen auf seine Stirn und hinterließ einen Kuss auf diese kühle, verschwitzte Hautstelle.
Ich packte die benutzten Sachen zusammen und schultere die Tasche, als ich fertig damit war. Ich verabschiedete mich kurz, bevor ich ging und rannte regelrecht aus dem Krankenhaus, da ich Frey wirklich ungerne alleine ließ. Am Auto angekommen, schloss ich dies auf, schmiss die Tasche auf den Beifahrersitz und setzte mich auf meinen Platz, startete den Motor, schnallte mich an und raste los zum nächsten Supermarkt. Zum Glück hatten die noch offen und ich beeilte mich mit meinem Einkauf. Bananen, Zwieback, Gemüsebrühe, die ich wahrscheinlich nachher, fix in der Mikro erwärmte und in eine Thermoskanne umfüllen würde. Als ich alles hatte und auch ein paar Brötchen und andere Dinge, für mich, bezahlte ich alles an der Kasse und tütete es ein. Im Auto fuhr ich sofort nach Hause. Dort beeilte ich mich, während Suppe und Tee vor sich hin kochte, packte ich die Tasche neu, fügte Handtücher und Shirts, sowie Hose, Unterhosen und andere Dinge ein. Als ich fertig war, den Tee und die Brühe verpackt hatte, trug ich alles wieder zurück ins Auto und fuhr zurück zu Frey. Natürlich geriet ich um diese Uhrzeit in den schlimmsten Berufsverkehr in ganz Stockholm. Fluchend schlug ich auf das Lenkrad ein und hoffte, dass Frey gerade nicht lit oder einen Anfall bekam. Ich wollte gerade nur bei ihm sein.

Ach, ich war doch wirklich zu dämlich. Natürlich konnte er ahnen, warum ich so unbedingt an sein Mobiltelefon wollte. Und das war in erster Linie sicherlich nicht um weitere Katzen- und Kindervideos auf der Internetplattform YouTube zu gucken und mich daran zu erfreuen. - Auch wenn das natürlich einen netten Nebeneffekt darbot. "Nein bitte nicht nach Hause!", hatte ich ihn, die Verzweiflung in mein Gesicht und der Stimme deutlich, angefleht und meinem weißen Gefängnis aus, dem Krankenhausbett, verzweifelt zu ihm hoch gesehen. "Bitte nicht. Das ist so...lange!" Spätestens nach dieser Aussage war wohl klar, dass mich die Furcht beherrschte von ihm alleine gelassen zu werden. Warum hatte ich diese Befürchtung nicht gleich geäußert? Wo ich doch nun eigentlich wusste, dass ich ihm zumindest bis zu einem gewissen, aber schon sehr sehr tiefen Grad - besonders für die kurze Zeit die wir uns kannten - vertrauen konnte. Immerhin, er fasste es nicht als Angriff oder Vertrauensmissbrauch um. Aber vielleicht wollte er meinen gebrochenen Körper und die Psyche einfach schonen und machte deshalb keine Szene. Auch das konnte ja möglich sein. Wichtig war ja nur, DASS er so handelte und mir damit besser half als jede medizinische Salbe die ein Arzt mir verschreiben konnte. Denn an die Seele kamen Medikamente niemals heran. Und doch, jeder gute Mediziner wusste, dass nur ein gesunder Geist einen gesunden Körper hervorrufen kann und auch die Psyche bei schweren oder lang anhaltenden Krankheitsverläufen oder Rehabilitation mit behandelt werden sollte. - Nur dass man diese Theorie an diesem Ort wohl eher mit Füßen stieß.
"D-Danke...", stammelte ich nach kurzer Sille so nur als Antwort und berührte mit der Vorsicht eines Schmetterlingflügels die geküsste Stelle auf meiner Stirn. Ich war wirklich ein schlechter Mensch. Dieser Mann liebte mich, das hatte er deutlich gemacht. Und ich misstraute ihm immer noch in gewissen Punkten. Und noch viel schlimmer: mir ging es nur darum, dass überhaupt jemand da war, der mich wie ein Mensch behandelte. Ich konnte die Gefühle, die Eric mir gegenüber brachte, einfach nicht in dem Ausmaß zurückgeben. Und dabei hatte er es verdient, wirklich. Doch was sollte ich tun? Gefühle erzwingen?! Er war mir wichtig, ja. Aber nicht so. (Oder...?) "Eric...ich...", hauchte ich leise und suchte den Blick Kontakt, doch er schien mich nicht gehört zu haben, sondern packte weiter fleißig ein. Er war so selbstlos, wirklich. *Traurig, dass er ein besserer Christ ist, als ich...*, dachte ich traurig im Stillen, griff mir an die Brust und blickte auf das versilberte Armband. *Ich bin wirklich erbärmlich und nicht einmal die Liebe Gottes wert. Ich kann ihm ja nicht einmal sagen, dass er hier seine Zeit vergeudet...*
Stattdessen legte ich mich nur wieder hin, drehte mich auf die Seite und sah zu ihm. "Wenn du...", nun wieder lauter, "etwas plüschiges findest...dann kannst du das auch gerne mitbringen, ja?" (Ich wollte nicht so direkt nach einem Kuscheltier fragen.) Wüsste man die Umstände nicht, so könnte man wirklich denken wir wären ein glückliches Paar, welches ein Kind erwartete. Medizinische Überwachung, Einzelzimmer, frisch gekochtes Essen vom Partner, welcher eine Tasche mit frischen Sachen holen wollte - und on top dann noch das klassische Kuscheltier. Doch leider waren die Gründe meines Aufenthaltes nicht einmal im Ansatz so freudig, wie die Geburt eines Kindes. Sollte ich Pech haben, würde dieser Ort womöglich der letzte sein, an dem ich lebte. "Bis nachher.", verabschiedete ich ihn, nicht wissend, wie lange er wirklich weg blieb.
*Wo bleibt er denn nur?!* Sicherlich schon fast zwei Stunden wartete ich nun. Sicher, die Wohnung war fast eine halbe Stunde entfernt, doch länger als 30 Minuten blieb er doch nicht im Supermarkt! Somit müsste er eigentlich jede Minute erscheinen! Doch er tat es nicht! Um meine nächsten Momente kurz zusammenzufassen: Das "gut gelaunte" Personal kam, checkten kurz die Lage und wir wussten sofort alle, dass es wie schon letztes mal, als Eric nicht dagewesen war, einen Kampf gegeben hatte. Nachdem ich mich so gut es ging gewehrt hatte, zwangen sie mir eine Beruhigsspritze auf, welche ich nur mit einen erschrockenen Aufschrei hinnahm. Und dazu gab es natürlich wieder die allabendliche Medikamentendosis, auch wie immer mit stärkeren Wirkstoff als die ich mittags bekam. Nur, dass sie es dieses mal für mein geringes Körpergewicht überschätzt hatten. Und so inkompetent wie einige hier sein mussten, hatten sie auch noch nie etwas von Wechselwirkungen gehört. Ich hatte Eric ja schon immer gebeten, mir keine Schmerzmittel anzubieten, da sie die HIV Medikamente außer Kraft setzten könnten oder sich damit vielleicht nicht vertrugen.
Am Ende vom Lied war dann die Katastrophe da und es dauerte nur kurze Zeit - wobei ich nicht auf die Uhr sah, und die hefigsten je dagewesenen Schmerzen ereilten mich. Und damit natürlich nicht genug, schaffte ich es wie ein Wunder ins Bad, wo ich mich abermals übergab. Dies war ja schon nichts mehr Neues für mich. Aber dieses mal alarmierte mich etwas. Auch wenn erbrechen an sich ja nicht normal war, so mischte sich sonst kein Blut dazu. Man musste nicht Krankenpfleger sein, um zu wissen, dass dies ein Alarmzeichen war, aber doch wusste ich mit meiner Ausbildung, was die Ursachen dafür sein konnten. Wenn ich Pechvogel jetzt nicht auch noch Krebs hatte oder eine Gefäßerkrankung, so kam nicht mehr viel in Frage. Da ich kein Alkohol trank konnte es nicht davon kommen, Drogen hatte ich auch noch nie angerührt und gemeinsam mit den nahezu unerträglichen Schmerzen, kamen eigentlich nur zwei Sachen in Frage: Blutung der inneren Organe oder aber eine Vergiftung. Beides konnte potentiell lebensbedrohlich sein. Nur was war es? Was?! Und wer würde mir hier schon helfen? Verzweifelt überlegte ich schon, mich absichtlich zum Erbrechen zu bringen, um im Falle einer Vergiftung die toxische Substanz aus meinem Körper zu befördern. Wo nur blieb Eric?!