RE: >>>night shifts - 7

"Frey... hey~ alles wird wieder gut." sagte ich, da mir nichts anderes einfiel. Ich muss gestehen, dass ich überrascht war, das Frey sich so dermaßen offen zu seinem Zustand äußerte. Ich schob das Tablett von seinem Bett weg und setzte mich auf die Bettkante und legte eine Hand auf seine Schulter.
"Es tut mir Leid, Frey. Es tut mir Leid, dass ich dich alleine gelassen habe. Das nächste Mal, nehme ich mir ein paar Klamotten mit und setzte Fred darauf an, dass er uns Essen bringen soll." versicherte ich ihm und strich ihm zärtlich über seinen Arm.
"Willst du wirklich nichts Essen? Ich hab es extra für dich gemacht. Damit es dir besser geht und du ein bisschen Farbe ins Gesicht bekommst. Außerdem hab ich das eklige Essen aus der Mensa gesehen. Das wollte ich dir wirklich nicht länger zumuten." gestand ich und seufzte lautlos. Ich blieb einfach dort sitzen und sah auf seinen Hinterkopf.
"Ich glaube... du willst mich gerade nicht wirklich in deine Nähe haben, oder?" fragte ich und zog mich langsam zurück und setzte mich auf den Stuhl, direkt hinter ihm. Ich blickte auf den dar liegenden Körper, der sich in der Nacht schrecklich krümmte und windete und am Morgen einfach so dar liegt und Frey so erschöpft hatte. Wenn ich könnte, würde ich all den Schmerz und das Leid von ihm, auf mich übertragen. Wahrscheinlich würde ich es besser aushalten als Frey. Doch leider ist dies nicht möglich, was wirklich schade ist. Wahrscheinlich würde Frey keine Sekunde zögern und diese Tausch nur zu gerne annehmen.

Anfangs erst einmal stumm ließ ich meinen Besucher reden ohne ihn auch nur den Anflug von Nettigkeit zu bieten. Sogleich startete ein kleiner innerer Kampf in mir. Ich war mir nicht wirklich sicher, ob ich das jetzt noch wirklich wollte. Oder je gewollt hat. Eric bei mir hier im Krankenhaus, quasi Tag und Nacht auf Abruf, wie einen Bereitschaftsdienst so wie ich ihn kannte. Nur halt nicht bezahlt. Und das war schon einer der springenden Punkte. Warum tat er das denn überhaupt? So blöd es vielleicht klingen mochte, doch er Mann hatte wohl mehr als genug und die kurze Zeit die ich ihn kannte und die er mich kannte reichte aus, um ihn wissen zu lassen, dass ich eher in einer niedrigen Gehaltsklasse mitspielte, auch wenn ich mich nicht als arm bezeichnen würde. Und ich hatte ihn nicht so eingeschätzt, dass er mir jetzt für etwas das Geld aus der Tasche zog. Nein so war er nicht. Wahrscheinlich würde er weder Spritgeld, noch das Geld für die Lebensmittel am Ende zurückhaben wollen. Also niemals den Arbeitsaufwand, den er hier geleistete hatte. Und erst recht nicht, ohne mich davon in Kenntnis zu setzen.
Ergötzen konnte er sich höchstwahrscheinlich auch nicht an meinem Leid und angenehm fand er ein Krankenhaus, besonders dieses Drecksloch hier, mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht. Wenn also nicht gerade sein schlechtes Gewissen, oder Fred, ihn also hierher zerrte, blieb wohl wieder einmal nur das Offensichtliche übrig. So oder so ähnlich hatte es Sherlock ja bereits gesagt oder nicht? Dennoch konnte das nicht meine wichtigste Frage beantworten: die Frage nach dem Warum. Was mein Ex mit anderen Männern gehabt hatte, das war mir bewusst. Aber irgendetwas, irgendetwas in mir zeigte auch mit tadelnden Finger unter Tränen auf den Mann vor mir, mit den Worten: wenn er dich wirklich geliebt hätte, hätte er sich dann den Spaß wirklich von jemand anderen geholt? Nein, ich wusste nicht, ob er zwischendurch Sex mit einer anderen Person gehabt hatte, aber alleine die Vorstellung war...war...irgendwie...ach ich wusste es nicht zu beschreiben, doch es waren definitiv negative Gefühle mit im Spiel. Diese kamen vielleicht aber auch nur von den Medikamenten...wer weiß?...
Was ich aber auf jeden Fall wusste, war dass ich jetzt sicherlich nichts zu essen haben wollte. Sei es von ihm oder der sich selbst als Mensa betitelnden Resteverwertungsstelle. "Nein...Danke...", antworte ich nur mit kalter Stimme und hinterhergestellter Höflichkeit, sah ihn aber kein weiteres mal an. "Und dass ich nicht gerade wie das blühende Leben aussehe weiß ich ja wohl selbst, denkst du ich kann keinen Spiegel mehr bedienen? Sag mir doch auch noch, dass ich streng rieche. Das habe ich nämlich auch schon bemerkt!" Zum Ende hin wurde ich verletzt lauter mit der Stimme und drehte mich jetzt auch von ihm weg, ehe ich die schwere Bettdecke bis zum Hals hoch zog. Immerhin würde ich unter dieser nicht frieren, der Winter kam mit großen Schritten immer näher und es würde wohl nicht mehr lange dauern, dann läge der erste Schnee auf den Wiesen....Und ich natürlich weiter hier im Bett. Schon jetzt fehlte mir jegliche Farbe und Persönlichkeit im Zimmer. Ich vermisste meine Bücher, die Pflanzen und die Gardinen, die das Sonnenlicht abschirmten. Die Wanddeko, Extrakissen, das Radio und meinen Kleiderschrank im Schlafzimmer. Der Plastikstuhl auf den Eric sich niedergelassen hatte konnte meinem schönen Holzstuhl nicht einmal im Ansatz das Wasser reichen. Obwohl er gar nicht einmal sooo teuer gewesen war, hatte er eine schöne Verzierung, war dunkelbraun mit großer Sitzfläche aus grünem Stoff. Man sank nicht besonders tief ein und er hatte auch keine Armlehnen. Doch ich liebte ihn wirklich. Am Fuße meines Doppelbettes stehend, diente er in erster Linie zur Kleiderablage. Nun ja, hier hatte ich immerhin nichts zum Wechseln.
Der großgewachsene Schwede erhielt keine Antwort von mir. Ich konnte mir ja nicht einmal selbst eine geben...Und doch, ohne es bewusst mitzubekommen, legte ich meine rechte Hand auf den linken Arm. Dort, wo bis eben noch seine Hand beruhigend gelegen hatte.

Sekunden wichen zu Minuten und Minuten wurden zu Stunden. Als ich mein Handy aus der Hosentasche zog, war es schon 17 Uhr. Bald würde das Abendessen serviert werden, doch ich hoffte, dass er doch einen Löffel von meiner Suppe wagen würde oder wenigstens etwas Gemüse. Doch wahrscheinlich stellte er sich stur, um mich dafür büßen zu lassen, dass ich einfach gegangen war, anstatt mit ihm zu leiden. Ich verstand ihn ja, doch ich musste mich doch auch noch um andere Dinge kümmern. Zudem hatte ich ihm ja auch Wechselkleidung mitgebracht. Zwar nicht seine, aber ein paar von mir, die mir wahrscheinlich sowieso zu klein geworden sind. Aber ich sollte demnächst mal bei ihm Zuhause nach dem rechten sehen. Vielleicht konnte er ja auch bald nach Hause. Dann brauchte er mich nicht mehr. Ich wusste wirklich nicht, was ich hier tat. Ich sollte mich lieber um meine Zukunft kümmern, anstatt hier hängen zu bleiben. Wer weiß, ob das überhaupt jemals mit uns gut gehen würde. Ich war einfach naiv und ausgelaugt. Wahrscheinlich klammerte ich mich deswegen so an ihn.
"Sollen wir ein bisschen Fernsehen? Würde dich doch bestimmt ein bisschen ablenken. Vielleicht läuft ja ein Film oder so." schlug ich vor und stand auf und holte die Fernbedienung von der Ablagefläche und schaltete das alte Gerät ein.
Während das Schwarz der Farbe wich, regulierte ich die Lautstärke und setzte mich wieder hin um zappte durch das Programm.
"Was wäre dir denn lieber? Was mit Happy End oder lieber was anderes?" fragte ich und wollte ihn bei der Filmauswahl mit einbeziehen.
"Schau mal, der ist glaub ich gut. Kenn ich nur nicht aber der Vorspann sieht gar nicht mal so schlecht aus." gestand ich und ließ diesen Film und Sender einfach mal laufen. Gerade als ich fest in der Handlung drin war, kam eine Krankenschwester herein, mit dem Abendessen und den Medikamenten, die er danach einnehmen musste.
"Kann ich heute Nacht hier bleiben?" fragte ich die Schwester.
"Wenn es Ihnen nicht zu unbequem ist, auf dem Stuhl zu schlafen." sagte sie nur und zuckte mit den Schultern.
"Okay, danke." sagte ich und blickte zu Frey hinüber.

Es war diese komische, bedrückende, ätzende Stille die die kahlen Zimmerwände auf magische Weise näher kommen ließen. Und dann noch dieses peinliche Abstand-doch-nicht-Abstand-halten, was bei genauem Betrachten natürlich wirklich kindisch war. Aber es ging ja in erster Linie von mir aus, also von daher...Ich sollte mich jetzt wohl nicht über die Stille oder irgendwelche anderen Unannehmlichkeiten und peinlichen Gefühlen beschweren. Und irgendwann wurde dann auch die Stille zum Glück unterbrochen. Selbst wenn ich auf die erste Frage keine Antwort kam und als der ehemalige Spezialagent mich nach der gewünschten Genre fragte, ich mich auch nur halbherzig um, das Gesicht zur Faust geballt und antwortete abwertend: "Ich hasse Fernsehen. Das ist doch etwas für Asoziale, Arbeitslose und Rentner!" Wow, ich wäre selbst von mir erschrocken, wenn ich mich bewusst so hören würde. Ich war ja quasi ein Lämmchen. Regelrecht sozusagen. Und dann knallte ich ihm so etwas an den Kopf. Es fehlten wirklich nur noch die Beleidigungen, die mein ehemaliger Partner ja gerne in jeder Lebenslage zur Schau gestellt hatte. Ob "begründet" oder nicht.
Besonders viel machte sich Eric im Anschluss aber auch nicht aus meiner Meinung, Naja, vielleicht hatte er vergessen ein Ladekabel für sein Handy mitzunehmen und langweilte sich nun. "An der Rezeption unten haben sie bestimmt noch eins...", brummte ich missmutig und hatte mich schon wieder umgedreht, als er unbeirrt von meinem Kommentar weiterredete. Der Film fing an und ich merkte sofort, dass es ein skandinavischer Streifen war, freute mich dann schon etwas im Inneren. Über mein Land sah ich eigentlich immer gerne etwas, auch wenn ich sonst wirklich kein allzu großer Fan der Flimmerkiste war und intellektuelle Hobbies bevorzugte. Für ich aber weder Geld und vor allem keine Zeit hatte, aber das war mal dahingestellt. Es dauerte auch nicht lange und wir bekamen Besuch von der Schwester, was mich schmerzlich daran erinnerte, dass ich hier ja nicht zum Spaß war. Auch wenn ich den natürlich in keiner Weise hatte. Aber auch das war jetzt nicht Thema. Nach einer bitterbösen Ermahnung fing ich an das "Fleischgericht" zu essen, wobei dieses zäh und fettig war - und ich dachte man könnte den Ekelfaktor nicht mehr erhöhen und der Film lief weiter. Noch während meiner Zwangsernährung sah ich zu dem Mann neben mir hinüber und seufzte. Mein verdrängtes Gewissen und eigentlicher Charakter meldete sich zu Wort. "Du bekommst doch Nacken- und Rückenschmerzen, wenn du so dasitzt um was zu sehen....Und auch das Sitzen muss doch irgendwann weh tun...Komm her..." Ich deutete auf die Matratze neben mir. "Aber hier schlafen wirst du nicht! Dass wir uns verstanden haben!", hing ich bissig hintendran und entschied dann weiter zuzuhören, und verpflichtend, zu essen.
Ja, er hatte wirklich recht damit gehabt, dass der Film Gutes verhieß. Ein bewegendes Familiendrama mit gutem Humor und wunderschönen landschaftsaufnahmen obendrauf. Nicht, dass ich auch nur einmal lachte, aber ein Schmunzeln konnte ich mir an der ein oder anderen Stelle nun wirklich nicht verkneifen. Mit dem größten Kampf gegen den Kotzreiz schaffte ich dann auch immerhin ungefähr dreiviertel des Abendessens und fürchtete mich vor dem, was ich jetzt noch zu mir nehmen musste. Der Arzt hatte schon verkündet, dass die Dosis ja kontinuierlich erhöht wurde und die Angst in mir wuchs und wuchs Tag für Tag. Immer schlimmer werdendes leiden, nur um eventuell! Heilung zu bekommen? Das war doch nicht fair, wirklich nicht. Nun ja, nach dem Motto: Augen zu und durch, nahm ich alles verlangte schnell in mir auf, schüttelte mich kurz und ließ mich dann wie nach einer Geburt innerlich erschöpft in das große Kissen fallen, welches auch Erik ein bisschen bewohnte.
Der Film schaffte es fast schon ein bisschen mich verdrängen zu lassen, als ein unwohles Gefühl sich in meinem Bauch breit machte. Ob körperlichen oder psychischen Ursprungs, das wusste ich nicht zu sagen. Doch mit einem mal ging es plötzlich von Null auf Hundert. Noch bevor ich reagieren konnte, rebellierte mein Körper Gott wusste was und nur binnen weniger Sekunden durchlebte ich die heftigste Übelkeit die ich je erlebt hatte und die mich ehrlich fast umhaute. Nur noch instinktiv setzte ich mich ruckartig kerzengerade auf, doch mein Rücken war nur eine Sekunde lang gerade, ehe ich mich mit einem kurzen Husten nach vorne krümmte, die schmalen Hände vor dem Gesicht. Ich wollte noch etwas und doch eigentlich nichts, ehe sich mein kompletter Mageninhalt auf einmal über meinen Fingern und die Bettdecke flutartig übergoss. Der Geruch von Säure traf sogleich auf meine Riechzellen und stoßweise atmend hielt ich den Kopf gesenkt, wieder kurze Stille zwischen uns. Doch diesmal brach ich sie, als ich aus tiefster Seele zu schluchzen anfing und zitterte, unglaubliche Scham empfindend. Wie konnte das passieren?! Ich wollte auf der Stelle sterben, es war so peinlich und grausam.

Es war wirklich eine dramatische Nacht. Nach dem ekelerregenden Essen, was wirklich unappetitlich aussah und genauso roch, musste Frey danach noch seine Medikamente einnehmen. Immer wieder war ich von dieser Mut und dem Einsatz fasziniert, was Frey an den Tag legte, auch wenn er sehr gereizt und ausgepowert, mir entgegen trat. Er war ein Kämpfer und das war wirklich wundervoll mit anzusehen. Als ich mich dann auch noch auf sein Bett breit machen durfte, nahm ich diese Nähe nur zu gerne an und sah mit ihm diesen skandinavischen Film weiter, der wirklich gut gemacht war. Leider hielt diese angenehme Atmosphäre nur 10 Minuten an, bis sich Frey auf dem Bett übergab und sogar einige Spritzer auf meinem Shirt landete. Doch ich hielt die Fassung und ekelte mich nicht davor. Ich hatte schon schlimmeres erlebt und Frey zur liebe würde ich ihn nicht anschnauzen oder irgendeinen dämlichen Kommentar fallen lassen. Das würde ihn nur fertig machen.
Ich erhob mich und lief zu Freys Seite, half ihm aus dem Bett und drückte die Klingel. Im nächsten Moment kam eine Schwester herein. Sie sah das Ausmaß und verschwand sofort wieder, um Wechsel Bettwäsche zu holen. Frey trug ich hinüber ins kleine Bad, wo ich ihn erst einmal auf den Klodeckel setzte.
"Musst du dich noch übergeben?" fragte ich ihn und holte dennoch lieber den Mülleimer, der unter einem kleinen Tisch stand. Diesen stellte ich neben ihm ab. Danach machte ich ein Handtuch nass und säuberte vorsichtig sein Gesicht, Hals, Brust und alles andere, was von seinem Mageninhalt bedeckt war. Sein Krankenkittel landete auf den Boden. Wahrscheinlich war es ihm unangenehm, doch ich übernahm es gerne, ihn zu säubern. Nachdem die Reste beseitigt wurden, nahm ich ein weiteres Handtuch und tröpfelte ein wenig Seife drauf und fing an ihn einzuseifen, um ihn sein Wohlbefinden zu steigern. Ich wusste, dass er sich selbst anekelte. Aber es machte mir nichts aus. Dennoch tat ich es, für Frey. Nachdem ich ihn gesäubert hatte, trocknete ich ihn nun ab und holte von seinem Bett, den neuen Kittel und eine Short aus meiner Tasche und reichte es Frey.
"Ziehen wir dich wieder an. Und dann zurück ins Bett. Ich beziehe es neu für dich. Ich geb dir noch einen Moment für dich." sagte ich und strich ihm über seinen Rücken. Danach löste ich mich von ihm und lief hinüber zum Bett, dass ich neu bezog. Die Dreckwäsche brauchte ich raus und schmiss diese in einen Wagen, der die Bettwäsche einsammelte. Zurück im Zimmer, blieb ich in der Mitte des Raumes stehen und blickte zu Frey, der in der kleinen Nasszelle kauerte und so verloren aussah.
"Möchtest du einen Tee oder Wasser?" fragte ich ihn.

Man konnte wohl wirklich nur von Glück reden, dass ich Eric an meiner Seite hatte. Bei seinen Einsätzen hat er sicherlich so einige Körperflüssigkeiten schon mit angesehen, sowie zerfetzte Körperteile und jegliche Innereien. Dennoch, hätte ich klar denken können, hätte ich ihm meinen vollsten Respekt gezollt, denn es war natürlich trotzdem nicht gleich selbstverständlich, dass er trotzdem derart kulant handelte. Noch viel schlimmer allerdings wäre gewesen, so wie ich mich kannte, dass ich nicht um Hilfe gebeten hätte. Ich hätte diese Sauerei hier einfach die Nacht herzzerreißend heulend ausgesessen, wäre womöglich bei meinem labilen emotionalen Zustand aufs Waschbecken oder in/vor der Dusche hingeknallt und hätte mich verletzt. Wenn ich denn überhaupt die Kraft gehabt hätte aufzustehen...Allerdings hätte ich mir so auch die Peinlichkeit erspart, mich so Eric und der Schwester zu stellen. Aber das war jetzt auch nicht mehr änderbar. Es gab im Leben kein Zurückbutton oder Löschtaste. Man musste so gut mit dem klarkommen, was einem gegeben war.
Ich konnte es kaum glauben, dass der Schwede es noch wagte mich ohne Handschuhe oder Kreischanfall anzufassen und hochzuheben, ins Bad zu tragen. Ich für meinen Teil schaffte es die ganze Zeit über nicht, das Weinen zu unterlassen, handelte nur noch auf Kommando und unterbewusst gesteuert. So hielt ich auch meine Hände in das Waschbecken, ließ mir den Wasserhahn aufdrehen und säuberte dann durch Reiben der Finger aneinander meine Haut. Kopfschüttelnd und nicht wagend ihn anzusehen antworte ich mit gesenktem Haupt auf die Frage. Es gäbe auch gar nichts mehr auf "normalem Wege" zu erbrechen. Ich steigerte mich nochmal ordentlich in das leidvolle Schluchzen hinein, als er mit einem durchnässten Handtuch sich aufmachte mich zu säubern. Wein ein hilfloses Kleinkind. Immerhin, der Geruch von Seife - er musste viel genommen haben - fing langsam an den Geruch von Säure zumindest im Ansatz zu überdecken, doch ich bediente mich nochmals großzügig des danebenstehenden Desinfektionsmittels. Aber weniger um Bakterien abzutöten und mehr um den beißenden Geruch an meinen Händen loszuwerden.
Dank meines leicht feminin anmutenden Körperbaus in Form einer Sanduhr, rutschten die Shorts nicht ganz so sehr, wie sie es bei einer schmalen Hüfte getan hatten. Ich ließ den Satz unkommentiert, hatte mich nur mehr oder minder beruhigt, aber schaffte es immer noch bebend doch irgendwie in die neue Kleidung. Meine nackten Füßen blieben wackelig auf den Fliesen stehen und ich wagte fatalerweise einen Blick in den Spiegel, der mir wie erwartet eine wandelnde Leiche präsentierte. Nicht gerade förderlich, für mein Natur aus sehr geringes Selbstbewusstsein. "Tee bitte...", wimmerte ich weinerlich und wankte anschließend ins Bett, wo ich mich wie ein nasser Sack auf das frische Bettzeug fallen ließ und erst einmal umschaltete. So gut der Film war, wollte ich mir jetzt einfach kein Drama geben. "Machst du das Licht wieder auf und das Fenster auf...es riecht streng....", bat ich ihn gewohnt leise und rollte mich zerbrochen in die Decke. Ich ließ irgendeine Doku laufen, Hauptsache ich musste es nicht aktiv verfolgen. Denn ich wusste genau, dass sich nun auch die Schmerzen ankündigen würden und hatte damit natürlich hundertprozentig Recht. Noch zwei weitere male - alle guten Dinge sind drei - übergab ich mich. Aber dieses mal handelte es sich nur noch um geringe Mengen Wasser und Galle, die jeweils von einem neuen dicken weißen Handtuch aufgefangen wurden und von Eric wortlos ausgewechselt wurden. Wie jetzt auch.
"Danke...", murmelte ich mit Tränen in den Augen und unter Schmerzen. Es war nach Mitternacht und ich würde noch circa ein bis zwei Stunden leiden müssen, ehe die Schmerzen kontinuierlich wieder abklangen. In der Zeit trank ich trotzdem tapfer weiter Tee, denn auch wenn ich einen Teil wieder erbrach, so litt ich dennoch an einem Wassermangel und das wusste ich genau. Also Augen zu und durch, selbst wenn mein Hals brannte. Auf dem "Omasender" lief zum Glück eine Doku nach der anderen, gerade eine geschichtliche. Doch ich lag nur im Halbdunkeln mit geschlossenen Augen, hörte jedoch zu. Das vierte Handtuch in meiner rechten Hand, in welches ich mich immer krallte wenn der Schmerz zu groß wurde, lag ich neben Eric auf rechten Seite und hatte mit der linken Hand auch seinen Arm leicht gegriffen, welcher neben mir lag. Hin und wieder dämmerte ich leicht weg zwischendurch.

Es schmerzte in meiner Brust, als ich mal wieder live dabei war und zusah, wie Frey litt. Diese Medikamente hauten wirklich rein und ich konnte nichts tun, außer ihm zur Seite zu stehen und ihm irgendwie, durch kleine Gesten, zu helfen. Ablenkung tat gut, auch wenn es nur Dokus waren, die über Geschichte der Römer oder der Griechen handelten. Die Astronomie würde mich mehr faszinieren, doch ich war nicht in der Verfassung wählerisch zu sein. Ich war da für Frey und reichte ihm immer wieder ein Handtuch, oder schenkte ihm Tee oder Wasser nach und ließ ihn meinen Arm so fest er konnte drücken, wenn mal wieder ein Welle voller Schmerzen, über ihn hinweg rollte. Es ging einige Zeit so weiter, doch ab und zu driftete er auch einfach weg und schlief, bis die nächsten Schmerzen kamen und ihn wieder weckten. Doch in diesen Momenten, wo er einfach so da lag, flach atmete und einfach wie ein Engel aussah, strich ich durch sein fettiges, verschwitztes Haar und berührte seine fahle, trockene Haut. In diesem Moment, zeigte er sich in seiner verletzlichsten, aber auch natürlichsten Seite. Ein Frey, den ich nur selten sah und doch auch liebte. Dennoch erhoffte ich mir, dass die Schmerzen bald vorbei waren und auch die Übelkeit nachließ, damit er endlich mal ordentlich etwas essen konnte, was auch in seinem Margen blieb.
Als die Schmerzen sich endlich verzogen und Frey vor Erschöpfung einschlief, schaltete ich den Fernseher aus und schlang meine Arme um seinen zierlichen Körper, zog ihn vorsichtig, wie ein Kleinkind in meine Arme und wog ihn ein bisschen, kaum merkbar, hin und her. Auch ich driftete immer mehr in das Land der Träume ein, auch wenn mir nicht nach Träumen war. Doch gegen den Schlaf, wehrte ich mich nicht.
Der nächste Morgen begann für mich sehr früh. Ich musste auf Toilette, obwohl ich kaum was getrunken geschweige gegessen hatte. Dennoch löste ich mich vorsichtig von ihm und lief hinüber in das Bad, erledigte mein Geschäft, wusch und desinfizierte meine Hände, bevor ich die ganzen Handtücher raus, in den Wagen schmiss und mir einfach einen Stapel neue mitnahm und diese im Badezimmer deponierte. Danach holte ich aus der Tasche eine Strickjacke, genau die, in der Frey an jenem Morgen auf meiner Couch saß und wir uns geküsst hatten, bevor der Anruf seines Liebhabers eintrudelte. Ich legte diese über seinen zierlichen Körper und hoffte, dass diese ihn zusätzlich wärmte und mein Duft ihn beruhigte.
In der Zeit, in der Frey noch schlief, aß ich das Gemüse und die kalte Suppe. Ich wollte nicht wieder einfach so verschwinden, doch es wäre besser, wenn er sich von diesem Krankenhausfrass verhielt und lieber meine Sachen zu sich nahm. Doch ich konnte es ihm nur empfehlen, anstatt vorzuschreiben. Das Fenster war die ganze Nacht auf und hatte über die Zeit, die stickige, kranke Luft, gegen neue, kühle und frische, ersetzte. Ich schaute hinaus auf den kleinen Park und auf den Parkplatz, wo immer wieder Autos parkten und ein paar Ärzte zur Arbeit trudelten.
Vielleicht sollte ich als "Freund" mit seinem Arzt reden und ihn überreden, doch lieber nach Hause zu bringen und alles über seinen Hausarzt laufen zu lassen. Frey ging es hier nicht wirklich gut. Aber bevor ich dies tat, würde ich erst einmal mit ihm darüber reden.

Ich war so unendlich froh, Javik bei mir hier zu haben. In Gedanken an den Mittag, wo ich nur die Schmerzen alleine durchstanden und nicht einmal die Magen-Darm-Beschwerden noch zu bewältigen hatte. Auch das Fernsehen war eine gute „Nebenbeiablenkung“, wenn auch nur eine nebensächliche Sache. Den Content bekam ich gar nicht mit, nur etwas Musik, Kommentare und ab und zu einige flimmernde Bilder, aber alles ohne Zusammenhang. Genauso wenig bekam ich mich, nachdem ich endlich einen zusammenhängenden Schlaf gefunden hatte, wie der Schwede mich nah zu sich zog und behütend wiegte und streichelte. Einen Scheiß gaben wir jetzt auf meine zuvor noch so drohend gezischten Worten, die beinhalteten, dass er zu allermindestens nicht neben mir im Bett schlafen würde. Und nun schlief er hier enger mit mir denn je. War es nicht sogar unsere erste gemeinsame Nacht in nur EINEM Bett? Nun, andere Umstände wären da durchaus schöner gewesen. Doch immerhin schlief ich durch. Sehr gut durch sogar, ohne Alpträume oder Zwischenfälle. Gut, der Ruf nach dem Badezimmer würde mich im Gegensatz zu ihm nicht wecken, da ich jeglichen Flüssigkeitsüberschuss eh schon verloren hatte. Aber man sagte doch, dass es sich in der Nähe geliebter Menschen tiefer, stressfreier und somit im Allgemeinen besser schlief. So war es auch nicht verwunderlich, dass mehrere Studien zeigten, dass Neugeborene und Kleinstkinder häufiger durchschliefen, wenn sie im Elternbett lagen oder zumindest mit im selben Zimmer schliefen. Eine Win-Win-Situation also für beide. So jetzt auch für Eric und ich. Wir beiden schliefen besser, abhängig vom Wohlbefinden des anderen. Bei ihm vielleicht sogar mehr als bei mir.
Jedenfalls hätte er alles mit mir anstellen können in dem Zustand aktuell. Aber so einer war er nicht, der meine Hilflosigkeit ausnutzte. Normalerwiese litt ich unter einem sehr leicht zu störenden Schlaf, wohl der Arbeit auch mit verschuldet. Und gerade jetzt brauchte ich meine ordentlichen genutzten Ruhephasen mehr als im Alltag schon. Ich für meinen Teil nutzte dann auch noch den Morgen, wurde erst kurz vor 9 Uhr wach. Gut 6 Stunden müsste ich also nun ungefähr geschlafen haben. Super ausgelaugt war ich natürlich dementsprechend, denn während es für eine normalen und gesunden Menschen in Ordnung war in meinem Alter, reichte es für meinen Zustand der Erschöpfung nicht. Zumal mein Körper auf Hochtouren arbeitete, also quasi, als würde ich körperlich anstrengender Arbeit nachgehen, die obendrein noch meine Psyche sehr belastete. Und so brummte ich nur müde, als ich zum ersten mal mehr oder weniger wach wurde und von der Helligkeit der Sonne genervt wurde. Schwach über meinen Rücken langend, zog ich das Stück Stoff hinunter über mein Gesicht, sodass es das Licht etwas abfing. Dass ich in dem Zustand schlechter Luft bekam, interessierte mich in dem Moment doch herzlich wenig. Stattdessen nahm meine sehr empfindliche Nase, gereizt von der Nacht mit den wiederholten "Säureattacken", einen intensiven Geruch war. "Hmmm!", kam es wieder murrend von mir, dieses mal jedoch freudig. Unterbewusst erkannte ich ganz genau, wem dieser schöne Duft gehörte und der mich beruhigte, in Sicherheit wiegte und an schönere Zeiten erinnerte. Ich wollte mehr von dieser Droge haben und zog daran, zog die hübsche Strickjacke von meinen Schultern und vergrub die Hände darin, wollte es wie eine Kuscheldecke an mich pressen. Doch derartig groß war das Kleidungsstück dann doch wieder nicht, dass ich es meinen Brustkorb legen konnte, den Hals und zusätzlich noch als Schlafmaske nutzen konnte. Bockig drehte ich mich im Bett, selbst wenn es die Situation natürlich nicht besser machte. Noch halb schlafend konnte ich nicht wirklich adäquat handeln und so war so mit mir und meiner Umwelt im Moment restlos überfordert. Mich weigernd die Augen aufzumachen bekam ich auch Eric gar nicht mit, erinnerte mich gar nicht daran, dass er existierte. Warum auch, er war ja quasi bei mir, sein Geruch war ganz nah, ich hätte etwas an den Händen. Nur befriedigte es meine aktuellen Grundbedürfnisse von Dunkelheit und Nähe nur leider nicht gleichzeitig und brachte mich an den Rande der Verzweiflung. Etwas unverständliches murmelnd rieb ich mir hilfsbedürftig das Gesicht, versuchte ergebnislos eine Pose zu finden die vielleicht doch noch zum Ziel reichte.

Als ich eine Bewegung im Augenwinkel mitbekam, drehte ich mich weg von der Aussicht und lief hinüber zu Frey, der sich in meine Strickjacke gekuschelt hatte und förmlich darin versunken war. Schmunzelnd, über diesen süßen Aufzug, setzte ich mich auf die Bettkante und strich über seinen Rücken, der unter der dicken Bettdecke verborgen lag.
"Nächste Mal bring ich dir eine schöne Kuscheldecke mit." flüsterte ich ihm zu und betrachtete ihn noch ein bisschen. Er war wirklich ein so lieber, hübscher Engel. Wieso Gott so zu ihm war, konnte ich ihm nicht beantworten, aber vielleicht sollte es ein neuer Lebensabschnitt darstellen und nachdem er dieses Ereignis überstanden hatte, würde ihm nur noch Gutes widerfahren und die Sonne ihm den Weg weißen. Solange er mich hier haben wollte, so lange würde ich über ihn wachen und beschützen. Ich ließ ihn noch ein bisschen dösen, bevor ich ihn weckte und ein bisschen Tee und Obst aufzwang. Natürlich nicht wörtlich, doch etwas Nahrhaftes sollte er wirklich Essen. Neben der Überlegung mit der Verlegung nach Hause, wollte ich Emily, Freds Frau zu rate ziehen. Sie war ja selber Ärztin und konnte vielleicht auf Augenhöhe mit den behandelten Ärzten reden. Natürlich hatte sie die nötigen Qualifikationen nicht, um in diesem Gebiet mitzusprechen, doch Emily war eine starke und selbstbewusste Frau, die sich nichts von einem Arzt sagen lassen würde. Schon gar nicht, wenn es um Freunde oder sogar die eigene Familie ging.
Ich erhob mich wieder und schloss das Fenster, da es nun wirklich recht kühl im Zimmer war. Die Dosen auf dem kleinen Tischchen, den man verschieben konnte, waren leer und auch der Tee war zu neige gegangen. Ich wagte es, Frey kurz alleine zu lassen, um mich ein wenig in der Kantine umzusehen. Ich schnappte mir meinen Geldbeutel, eine Dose und die Thermoskanne, bevor ich den Raum verließ. Ich lief eilig und mit kräftigen Schritten durch die Flure, hin zu den Fahrstühlen, mit denen ich hinunter ins Erdgeschoss fuhr. Danach bog ich nach rechts ab, neben dem Eingang befand sich die Kantine, wo sich die Besucher und Patienten aufhalten konnten. Ich hatte Glück, dass gerade frisches Obst in die Körbe gefüllt wurden. Ich nahm 2 Äpfel, 2 Bananen und eine Birne, bat die Dame, heißes Wasser in die Thermoskanne zu füllen. Natürlich musste ich mir anhören, dass sowas gar nicht ging und man sein Getränk hier verzehren musste, doch ich wedelte mit ein paar Scheinchen, wovon sich die Dame überzeugen ließ. Sie spülte die Kanne aus, befüllte diese mit ausgekochtem Wasser und gab mir diese verschlossen zurück. An der Kasse bezahlte ich das Obst, Wasser und ein paar Brötchen sowie zusätzlich noch etwas Trinkgeld, für ihren aufopferungsvollen Dienst. Als ich alles hatte, lief ich zurück zu Freys Zimmer und stellte die Dinge leise auf seinen Tisch, holte aus der Reisetasche den beruhigenden, magenfreundlichen Tee und warf diesen in die Thermoskanne.
Frey war immer noch nicht aufgewacht und schien nochmal die Ruhe gefunden zu haben. Es war gut und ich gab ihm diese Erholungsmomente. Diese brauchte er, bis er erneut in den Kampf geschickt wurde.

Mein Körper schien unterbewusst doch mitzubekommen, dass da ja noch jemand im Raum war. Diese vertraute Bezugsperson, die mich in meinem Kampf zwischen Decke, Licht und Kuschelwunsch unterstütze und mir half. Letzteres konnte durch das sanfte Streicheln über meinen Rücken etwas beruhigt werden und ich hörte auf zu zappeln und mich zu wälzen. "Hmmmmm...", entkam es mir, gemeinsam mit einem tiefen Luft holen und anschließendem Ausatmen. Da mir jetzt sowieso ein klein wenig warm war, bettete ich geistesabwesend die Jacke unter meinen Kopf, sodass ich sie genug spüren konnte und den Duft riechen, hielt mit der freien Hand einen der Ärmel. Fürs erste schien es erst einmal zu reichen, sich wegzudrehen und einzurollen und einen Zipfel der Decke zu nehmen, was dafür sorgte, dass meine Beine etwas freilagen. Aber wie bereits erwähnt, war etwas kühle Luft auf meiner Haut jetzt auch nicht so verkehrt. Eine Kuscheldecke wäre bestimmt super, zumal es jetzt immer kälter draußen wurde, kontinuierlich die Temperaturen sanken. Vielleicht hatten wir nächste Woche schon die ersten zarten Minustemperaturen. Mal sehen was der Winter so mit sich brachte. Schnee gab es ja eigentlich immer, die Frage war nur in welchen Mengen und wie viel Sonne wir dann noch abbekommen würden, ob es ekelhaften Schneeregen gab oder noch schlimmer: alles lahmlegende Schneestürme. Aber höchstwahrscheinlich würde ich noch bis Anfang des neuen Jahres hier liegen müssen, wenn es so weiterging. Ich sollte und durfte gar nicht daran denken oder ich würde mich wirklich beileibe aus dem Fenster werfen!
Das erste Öffnen und Schließen der Tür nahm ich kommentar- und bewegungslos hin, reagierte eigentlich mit keiner Faser meines Körpers darauf. Erst als er mich mit Stimme und vorsichtigem Ruckeln sowie Licht auf meinen Augenlidern schließlich weckte, regte sich mein angegriffener Körper wieder. "Hmm Was ist los?", erwiderte ich etwas murrend und setzte mich mit Erics Hilfe auf, der das Kissen hinter meinen Rücken legte und auf dem ich nun liegen konnte. Mir wurde Tee in die Hand gedrückt und nur langsam wach werdend nippte ich an dem heißen Kräutertee um mich nicht zu verbrühen. "Oh, Apfel!...", bekam ich schließlich mit, als ein müder Blick durch die Gegend ging und ich hielt die Hand auf, als Zeichen, dass er mir die geschnittenen Obststücke geben sollte. "Ja, sie sind mehlig!", nuschelte ich nach dem ersten Bissen. Ich war wohl, zusammen mit meiner Schwester Alma, der einzige weit und breit, der mehlige Äpfel liebte. Jegliches andere Obst konnte sehr gerne knackig sein, aber die "verbotene Frucht" liebte ich so knatschig. Doch meine Freude währte nur kurz, als die Fruchtsäure auf meine gereizte Speiseröhre traf und ich mit einem Schmerzenslaut das halb zerkaute Stück wieder fast komplett in meine Hand spuckte und mit einem geliehenen Taschentuch in den Müll werfen ließ.
"Ich mache mir bei der Birne auch nicht viel mehr Hoffnungen...die Banane aber sollte es tun." Nun eine halb geschälte Banane in Empfang nehmend kaute auf dieser relativ lange herum. Aber warum auch eilen? Ins Kissen gelehnt kaute ich Banane, trank Tee und genoss auch mal die Stille um in aller Ruhe wach zu werden. Im Gegensatz zu gestern war diese nicht mit Hass und Gram erfüllt, sondern trotzdem entspannend. Und so lächelte ich auch leicht, während ich geistesabwesend und mit einem stillen, weiten Gähnen die Finger meiner linken Hand halb unter der Bettdecke versteckt mit dem Stoff der Strickjacke spielte.

Es freute mich, dass Frey mich nun mehr einbezog und zuließ, dass ich mich um ihn kümmern durfte. Es tat so verdammt gut, dass ich ihm einfach jeden Wunsch von den Augen lesen wollte. Ich wollte ihm diesen Aufenthalt nur so gemütlich, wie es nun mal ging, machen.
"Du Frey... ich hab mir da was überlegt. Ich bin immer noch der Meinung, dass dir dieser Aufenthalt nicht wirklich gut tut. Vielleicht sollten wir mal mit dem zuständigen Arzt sprechen. Ich bin mir sicher, Emily, Freds Frau würde sich auch für dich einsetzten. Neben den Nebenwirkungen der Medikamente, geht es dir doch total schlecht. Du fühlst dich nicht wohl und das Essen oder das Personal machen es nicht besser. Denkst du nicht auch, dass es dir Zuhause besser gehen würde? Wir könnten deinen Arzt die Therapie überwachsen lassen und Zuhause kannst du dich dann nach den Schüben besser erholen und regenerieren. Denkst du nicht auch?" fragte ich ihn und hoffte, dass er mich in gewisserweise verstand.
"Ich war dabei, als der Arzt meinte, dass es erst einmal besser wäre, hier zu bleiben... aber ich finde, dass die Umstände einfach nicht die besten sind und es dir einfach nicht, zusätzlich hilft gesund zu werden." gestand ich und nahm seine Hand in meine und strich sanft über seine Haut.
"Ich bin gerne an deiner Seite, helfe dir so gut ich kann und so wie du mich lässt. Ich habe kein Problem damit, dich zu säubern, wenn du dich übergibst oder deinen Hass abzufangen, weil du so Verzweifelt bist. Das macht mir alles nichts aus. Die Hauptsache ist, dass du wieder gesund wirst. Alles andere ist egal." versicherte ich ihm.
"So viel Aufmerksamkeit bist du nicht gewohnt, ich weiß..." sagte ich und lächelte ihn an.
"...aber daran wirst du dich wohl gewöhnen müssen." Grinsend legte ich meine Lippen vorsichtig auf seinen Handrücken und platzierte dort einen Kuss.

Bei den Worten "Du Frey [...]", sah ich fragend auf und erwartungsvoll in das Gesicht meines angehenden Gesprächspartners. Einen typischen Eric-Smalltalk á la Ablenkung erwartend, wurden meine Vorstellungen rüge unterbrochen, als er mir einen Vorschlag unterbreitete. Überhaupt nicht vorbereitet auf solch ein ernstes Thema, fühlte ich mich schon gleich im ersten folgenden Satz erschlagen von seinen Worten und machte eine ernste Miene. War ich vielleicht einfach nur zu sensibel, emotional und verletzlich oder fehlte es IHM gerade an Taktgefühl, Einfühlungsvermögen und Empathie? Es war doch gerade erst einmal alles still gewesen. Wollte er mir stattdessen nicht lieber etwas lustiges erzählen? Ein Video zeigen oder meinetwegen auch über so etwas belangenloses wie das Wetter draußen oder die schwedische Wirtschaft reden? Einfach nur irgendetwas, was mich nicht in vollster Weise daran erinnerte, in welch einer wirklich beschissenen Lage ich war? Doch Eric war eben an offensiver Angriffstyp. Er ging die Sachen direkt und furchtlos an, ließ sich nichts sagen, überdachte seine Worte und Aktionen nicht erst einmal tausendmal. Sagte was er dachte und was er für gut befand, setzte sich für das ein was er dachte, unterstützte und mochte. Alles so ganz gegensätzlich zu dem was ich tat. Doch immerhin verschloss er nicht die Augen vor Problemen und Leid und beschönigte nichts. Wozu ich ja trauriger Weise manchmal tendierte. Anderen in Not half ich stets gerne, doch wenn es um mein eignes Wohlbefinden ging oder das Erkennen von Konflikten und Schwachstellen, so taugte ich nicht wirklich etwas. Auch dachte ich in allem immer viel zu subjektiv. Tat ich schon immer.
"Ich...weiß es wirklich zu schätzen, dass du dir solche Gedanken um mich machst, doch denkst du, eine adäquate Behandlung wäre überhaupt möglich? Ich will wirklich nicht klugscheißern oder von oben herab urteilen, doch was ist, wenn Notfälle auftreten? Die meisten Unfälle passieren zuhause und auch bei Geburten ist das schon schief gegangen und ach...Eric, ich will mein Zuhause auch nicht mit solch Leiden verbinden. Und außerdem...außerdem...ich hätte viel zu große Angst, dass dem Arzt hier zu erzählen. Geschweige denn dem Pflegepersonal. Mich oder dich, vielleicht uns beide, haben sie doch schon total auf den Kieker...!", beichtete ich meine Bedenken zu der ganzen Sachen ziemlich kleinlaut und hatte innegehalten in meinem Essen der Banane. Kurze Pause meinerseits. "Und wie du schon meinst: der Arzt empfiehlt auch, mich hier zu behandeln. So schlimm ist es hier ja nicht...abgesehen von dem Personal. Mir fehlt nur...der Freigang, die Farbe...Pflanzen und meine persönlichen Sachen. Abwechslung und vor allem die Gesellschaft..." Ich seufzte und sah dann schnell weg. Ich hatte mir noch nicht einmal alles von der Seele geredet und doch hatte das schon ausgereicht, um meine eigene Aussage völlig zu entkräften, ja sogar lächerlich zu machen. *Toll gemacht Frey...*, tadelte ich mich selbst ohne es natürlich laut auszusprechen.
Kurz dachte ich an meine Eltern, die andere Kinder damals, die meisten Ärzte...Mattis. "Nein...eigentlich nicht...", murmelte ich so niedergeschlagen, sah noch gar nicht kommen, was als nächstes passierte. "Lass den Quatsch!", sagte ich schnell, musste sogar etwas lächeln. Ach Mensch, warum war er nur so?! Es war Fluch und Segen zugleich. "Meine Hand ist doch ganz klebrig von dem Obst...", versuchte ich ihm zu erklären und hatte die Hand rasch weggezogen. Ich brach ein Stück der Banane ab und schob es ihm einfach leicht lachend in den Mund, ehe ich realisierte, dass ich ja schon abgebissen hatte. Aus Angst, in meinem Speichel könnten noch Spuren von dem Medikament oder sonst was für Erreger et cetera sein, sah ich ihn geschockt an. "Oh nein, spuck es bitte wieder aus, ich habe nicht nachgedacht, entschuldige! Oh scheiße, ich hoffe es passiert dir nichts!" Ernsthaft Panik schiebend wollte ich ihn schon wie einen Hund mit meiner Hand zum Ausspucken bringen, hielt meine freie Hand unter sein Kinn, nachdem ich die Banane fallen gelassen hatte.

Frey hatte Recht, doch so wirklich einverstanden war ich mit dieser Situation nicht. Doch was konnte ich alleine ändern? Nichts! Ich war nur ein Bekannter und nicht sein Mann. Schon gar nicht auf dem Papier oder von meinem Status her. Ich wusste noch nicht mal, ob Frey nun Singel war oder nicht. Aber über sowas sollte ich mir jetzt keine Gedanken machen.
"Es stimmt schon... aber wenn man sieht, wie wir Soldaten uns verarztet hatten, dann wären wir eigentlich alle nicht mehr am Leben. Zu allem gehört einfach ein bisschen Glück. Und bei Notfällen kann man auch den Krankenwagen inklusive Notarzt rufen. Aber ich versteh deinen einwand. Das einzige was ich dir anbieten kann, sind meine Kochkünste, Kleidung und mich selbst. Natürlich kümmere ich mich um alles, was deine Wohnung betrifft. Jedoch hätte ich dich auch dort nicht alleine gelassen, sondern mit zu mir genommen. Dort wärst du nicht alleine gewesen." klärte ich ihn auf.
Doch ich gab mich geschlagen, auch wenn wir eigentlich der selben Meinung waren.
"Dann heißt es nun Zähne zusammenbeißen und durchhalten." fügte ich leise hinzu und grinste, als er seine Hand weg zog und dennoch so verdammt süß und gelassen aussah. Recht entspannt, könnte man sagen.
Als er mir ein Stück Banane gab, nahm ich diese an und kaute schon, als ihm vor schreck klar wurde, was er da getan hatte.
"Keine Angst, Speichelfluss ist von dem Virus nicht betroffen. Kennst du diese Aufklärungswerbung nicht? Da wird erklärt, dass ein Zungenkuss kein HIV überträgt, jedoch ungeschützten Verkehr. Also mach dir keine Sorgen. Ich esse deine Reste gerne auf." gestand ich und legte zwei Fingerknöchel um seine Nase und drückte sanft zu.
"Schau micht so ... alles ist gut." versicherte ich ihm.
"Mh... was sollen wir heute unternehmen? Vielleicht ein Spiel ausleihen oder Fernsehen? Ich könnte auch ein bisschen Musik laufen lassen." schlug ich vor.

Ach ja, diese komische mehr oder weniger geheime Spezialeinheit...Sofort fing bei mir wieder Kopfkino an. Eine Mischung aus Furcht und Spannung, denn es war natürlich grausam und angsteinflößend, aber irgendwie auch interessant wie eine Krimiserie und bei weitem nichts, was man sich jeden Tag anhörte. Noch weniger aus erster Hand. Doch soweit ich das mitbekommen hatte war er dabei auszusteigen oder hatte es vielleicht sogar schon getan, was mir ein bisschen Sorge bereitete. Würde ihm nicht etwas "fehlen"? Und ich bewunderte ihn so sehr für seine Selbstlosigkeit, mit welcher er so viele Menschenleben rettete und nichts dafür im Gegensatz verlangte. Er sorgte unter anderem mit dafür, dass einige Leute gar nicht erst meine Hilfe im Krankenhaus brauchten. Aber nun gut, aktuell halfen weder er noch ich irgendjemanden auch nur im Ansatz. Aber es war trotz allem schön, jemanden außerhalb der Kollegschaft zu kennen, der die Spalte zwischen Leben und Tod täglich sah. Jemand, der in Schichten, Feiertage, Wochenende und nachts arbeitete. Jemand, der im Stillen half, ohne dafür als Held angesehen zu werden wollen.
"Ich würde wohl eine Krise bekommen, würde ich auch nur einen Tag bei euch verbringen...", versuchte ich es vorsichtig nicht zu lächerlich, aber dennoch etwas witzvoll klingen zu lassen und legte lächelnd den Kopf leicht schief. "Aber...wenn ich das alles schon durchmache...und ich danke dir, dass du mich dabei nicht alleine lässt, dann will ich nicht auf Glück hoffen. Du tust schon weitaus mehr als ich verdient habe und mehr als ein Mensch tun sollte. Alleine diese Schuld werde ich dir schon nie zurückzahlen können...Also stell dich bitte nicht auch noch mit dem Personal auf Kriegsfuß, du musst das wirklich nicht für mich tun, du hast genug getan. Und du musst auch nicht so viel kochen. Und Kleidung habe ich doch auch hier. Das ist doch totale Extraarbeit!"
Zweifelnd ließ ich Hände dann noch doch sinken, auch wenn ich etwas wütend nochmal mit meinen Fingern nachdrücklich auf seine Wangen drückte, auch als ich schon aufgeben hatte ihn zu überreden. "Das du immer so stur sein musst!" Es wollte einfach nicht so recht in meinen Kopf gehen, auf was für eine leichte Schulter er immer seine Gesundheit nahm. Sei es Krankheiten, Bakterien, sich mit anderen anzulegen oder seine OP-Wunden. Aber gut, wie hatte er sonst diesen Job machen können?! Sicherlich hatte er dieses Verhalten und diese Denkweise bei seiner Ausbildung anerzogen bekommen. Ich stellte dagegen das komplette, paranoide Gegenteil da, was am liebsten alles und jeden verarzten würde und desinfizieren, impfen und überwachen, pflegen wollte. Ich war etwas erbost über ihn. "Auch wenn ich jetzt auf der anderen Seite der Pflege stehe habe ich nicht gleich alles medizinische Wissen vergessen. Ich weiß sehr wohl, wie HIV übertragen werden kann. Und noch tausend andere Krankheiten, die du noch nicht einmal gehört hast. Aber ich weiß nicht genau, welche Krankenhauskeime hier überall rumfliegen und ob ich nicht Medikamentenreste auf dich übertragen würde und was diese vielleicht bei dir auslösen könnten. Deine OP ist auch noch nicht so lange her, vergiss das nicht!" Doch es lag nicht in meiner Natur, lange böse zu sein und auch Eric konnte mich wohl alles andere als ernst nehmen. "Hm, lass das!", beschwerte ich mich, immer noch wütend schauend und auch entschlossen dies zu sein, doch ich schaffe es nicht so richtig, drückte meinen Zeigefinger so tief in seine Wange, dass er einen leichten Schmerz spüren sollte.
Nun wurde auch das Thema gewechselt und ich überlegte kurz was ich wollte. Ich wollte ihn nicht wissen lassen, dass mir ein Spiel zu anstrengend war, dass ich mich zu schwach dafür fühlte, zu schwach, um auch nur meine Arme groß zu bewegen. Wirklich ausgeruht fühlte ich mich auch noch nicht, mein Hals brannte und ich fühlte mich schwer und kränklich, ausgelaugt. Auch wenn sich diese Beschwerden glücklicherweise alle noch im Rahmen hielten. Doch Fernsehen wäre mir auch zu langweilig, da kam meistens nichts wirklich tolles. "Gib mir mal dein Handy, ich will Videos gucken!", verlangte ich, noch etwas in meiner Ich-bin-sauer-auf-dich-du-blöder-Arsch-Verfassung, weshalb ich auch das "Bitte" unterließ.

Frey war wirklich ein Besonderer und Facettenreicher Charakter. Ich entdeckte immer wieder neue Seiten an ihm, die mich aufs neue faszinierten. Kein Wunder, dass ich mich so schnell in ihn verlieben konnte. Man wollte ihn einfach festhalten, knuddeln und beschützen. Zumindest weckte er in mir solche Gefühle. Eigentlich hatte ich mich immer als recht gefühlskalt und emotionslos erachtet, doch nun zeige ich zum ersten Mal richtig Interesse für einen anderen Menschen. Für einen jungen Mann, dessen Glaube zu Gott das größte auf der Welt ist und so bodenständig sein Leben lebt, dass er ein großes Beispiel für die Gesellschaft wäre. Ein kleiner Engel halt, der die Welt ein Stückchen besser machen will. Min ängel!
"Klar, hier." sagte ich und überreichte ihm mein Smartphone, dass ich vorher entsperrt hatte, damit er darauf zu greifen konnte.
"Möchtest du noch ein bisschen Tee oder Wasser?" fragte ich, während ich mich von ihm ab wand und für mich etwas ins Glas nachschenkte. Ich tat es vorsichtshalber auch für Frey. Ich nippte von meinem Glas, einen großen Schluck, bevor ich es wieder zurück auf seinen Platz stellte. Danach widmete ich meine Aufmerksamkeit wieder Frey zu und lächelte ihn einfach an.
"Es freut mich, dass es dir ein wenig besser geht. Du siehst wacher und auch ein bisschen besser aus. Hast ein wenig Farbe ins Gesicht bekommen." gestand ich und legte sanft eine Hand auf seine Schulter.
"Ich bin einfach froh, wenn der ganze Spuck vorbei ist. Dann werde ich dich wieder aufpäppeln und dich mit kulinarischen Gerichten, ein paar Pfunde auf deine Hüften packen." sagte ich überzeugt und grinste ihn an.
"Ich Unterstütz dich auch beim Dicker werden." sagte ich und musste ein schallendes Lachen unterdrücken. Es hörte sich einfach zu komisch an. Schon seit unserer ersten Begegnung fand ich, dass er viel zu dünn war und nun konnte ich ihn bald vielleicht ein wenig nästen und ein paar Pfündchen zulegen lassen.
"Was interessantes gefunden?" fragte ich und nickte zu meinem Handy, wo er wahrscheinlich Ýoutube geöffnet hatte und dort nun durch Milliarden von Videos durchkämpfen musste.