RE: In deiner Schuld - 3

Still hörte Quirin dem Fremden zu, während er den Kopf gesenkt hielt. Er wusste nicht, ob er dem Prinzen glauben konnte. Er hätte es gerne getan, doch im Moment brauchte er einen Schuldigen. Er hatte alle seine Freunde und Vertrauten verloren, die ihn einfach so in ihrer Mitte aufgenommen hatten. Doch dann spürte er plötzlich die sanften Hände auf seinen Schultern, in denen er plötzlich Halt und Geborgenheit sah. Gerade brauchte er genau das. Ohne es kontrollieren zu können begann sein Körper zu zucken, als stumme Tränen seine Wangen hinunter rannen.

Der junge Mann reagierte Werder auf mich noch auf meine Worte. Er blieb still und regte sich nicht. Ich wünschte er würde irgend eine Reaktion zeigen, Wut, Hass, egal was. Meinetwegen sollte er mich beschimpften, mich schlagen, egal was. Erst als ich meine Hände auf seine Schultern legte, erwachte er aus seiner Letargie. Sein Körper erbebte förmlich und er begann zu weinen und zu schluchzen. Ich konnte in dem Moment nicht anders und zog ihn an mich heran. Drücktenihn an mich und hielt ihn fest, so wie es meine Mutter viele Male bei mir getan hatte.

Zitternd lag Quirin in den Armen des Fremden, zitterte und weinte still. Er wusste nicht, wie lange er so da lag, doch irgendwann wurde er still. Er hatte keine Kraft mehr zu weinen und merkte, wie müde er war. Erst jetzt merkte er, dass der Fremde ihn hielt, sanft und beschützend. Als wäre Quirin bei ihm sicher. Und er wollte ihm so gerne glauben. "Danke", hauchte er leise. Wie würde es jetzt nur weitergehen?

"Ist schon gut" antworte ich. Ich spürte, wie müde er war. Lager schwer und kraftlos in meinen Armen.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und mein Diener stürmte herein. "Hocheit, ich...." weiter kam er nicht. Er verstummte als er den Sklaven in meinen Armen sah. "Ist mir ihm alles in Ordnung?" fragte er dann.
"Ja, alles gut, er ist nur total fertig. Mach das Bett frei, bitte."
Schnell schob er all die überzähligen Kissen und Decken beiseite und half mir, den jungen Mann rüber zu bringen und auf mein Bett zu legen. "Ruh dich aus."
Dann wandte ich mich an meinen Diener. "Euer Vater will auch augenblicklich sehen. Er ist ausser sich vor Wut."
"Das ist nichts neues" antwortete ich und seufzte. "Bis du so nett, Alistar und bleibst bei meinem Gast?"
Der Diener nickte. "Ist es wahr, was man sich erzählt? Hat er wirklich euer Leben gerettet?"
Anscheinend war meine Geschichte schon in aller Munde. Ich nickte. "Es ist war" antwortete ich. "Sollte er irgendetwas brachen, etwas zu Essen, etwas zu trinken, egal was...."
"...werde ich mich darum kümmern" unterbrach mich mein Diener. Ich dankte ihm traurig lächelnd und verliess das Zimmer.

Müde klammerte Quirin sich an den Fremden. Er wollte nicht, dass er ging. Doch was waren schon die Bedürfnisse eines unbedeutenden Sklaven, der er nun wieder war? Er hatte gedacht, dass er sofort einschlafen würde, als er von den starken Händen ins Bett gelegt wurde, doch sobald der Andere den Raum verließ, konnte er nicht mehr ruhig bleiben. Er war erschöpft und fertig. Er wollte nur noch vergessen, doch immer, wenn er sich scheinbar entspannte, hörte er ein Geräusch, dass ihn in Alarmbereitschaft versetzte. Trotzdem wagte er es nicht, sich zu bewegen und wartete auf die Rückkehr des Fremden. Vielleicht würden sie sich irgendwann austauschen können.

Mein Diener weichte nicht von der Seite des jungen Mannes und das war auch gut so, denn ich konnte nicht all zu bald zu ihm zurück kehren um mich selbst um ich zu kümmern. Mein Vater war wirklich sehr wüten, sogar für sein Verhältnisse.
Irgendwann klopfte das Küchenmädchen an die Tür meiner Gemächer, auf der Suche nach meinem Diener. Er öffnete ihr und sie flüsterte ihm etwas zu, da mein Sklave es nicht hören sollte. "Ich kann hier nicht weg" er klärte er ihr schliesslich. "Seine Hoheit bat mich, mich um ihn zu kümmern."
"Er scheint zu schlafen. Der Prinz braucht dich jetzt dringender als er. Ich kann das hier übernehmen. In der Küche gibt es gerade kaum was zu tun. Bitte, Alistar, ich mache wirklich sorgen um Lijan." Schnell legte sie die Hand vor den Mund, als ihr klar wurde, dass sie mich gerade beim Vornamen genannt hatte. "Ich meine natürlich um den Prinzen."
Alistar lächelte. "Ok, ich denke das geht so in Ordnung."
Nun verliess auch Alistar das Zimmer.
Gwen, das Küchenmädchen trat ans Bett. Sie wusch einen Lappen mit kühlem Lappen aus und setzte sich auf das Lacken. Vorsichtig wischte sie dem jungen Mann das, von Tränen gerötete Gesicht ab. "Armer Kerl" flüsterte sie. "Hast bestimmt eine Menge durchgemacht."

Als etwas kaltes sein Gesicht berührte konnte Quirin sich nicht mehr schlafend stellen. Etwas schneller, als gut für ihn war setzte er sich auf und starte sein Gegenüber an. Das Mädchen kannte er nicht. Sie war gut gekleidet, schien allerdings eine Dienerin zu sein. Ein Blick auf das Handgelenk verriet ihm, dass sie keine Sklavin war.
"Was ist mit dem Prinzen?", fragte er schließlich nach einer langen Zeit des Schweigens. Keiner, nicht einmal sein eigener Vater würde ihm wirklichen Schaden zufügen, oder? Das konnte er sich nicht vorstellen. Immerhin war er der zukünftige Herrscher des Landes. Vorsichtig benetzte er seine trockenen Lippen mit seiner Zunge, während er auf eine Antwort wartete.

Gwen schreckte zurück als der junge Mann sich so plötzlich aufrichtete.
"Er kommt sicher bald wider. Mach dir keine Gedanken. Sicherlich muss er sich nur wieder eine Standpauke seines Vaters anhören."
Sie war alles andere als eine gute Lügnerin aber sie wollte nicht, das der Sklave sich aufregte. Um abzulenken füllte sie einen Becher mit Wasser und reichte ihn dem Sklaven. "Möchtest du was trinken? Ich kann dir auch gerne etwas zu Essen holen."

Alistar erreichte die Kerker, die tief unter dem Schloss im Stein lagen. Man müsste meinen ein Prinz, noch dazu der Erbe des Thrones würde einen solchen Ort nur von aussen kennen. In meinem Fall und bei so einem Vater war das jedoch anders. Ich kannte das innere dieser alten Räume ebenso gut wie mein Zimmer oben im Schloss. Unfähig mich zu bewegen, lag ich im stinkenden Stroh. Meine Kleidung war zerrissen und gab den Blick auf meinen geschundenen Körper frei. "Gut, dass du da bist. Hörte ich den Henker, der auch der Kerkermeister war. Er sprach nicht mit mir sondern mit Alistar. "Gut, dass du Gwen bescheid gesagt hast."
"Beil dich, ja. Ich werde aufpassen, dass dich niemand erwischt."
Ich hörte, wie er schweren Schrittes davon schlurfte und wie die Tür kurz darauf geöffnet wurde. "Alistar" flüsterte ich. "Nicht reden.... Ich mach das schon."
Mein Diener versorgte meine Wunden, gab mir etwas zu Trinken und zu Essen, wegen der Hinrichtung der Sklaven hatte ich heute noch nichts gehabt. "Der Sklave?" erkundigte ich mich. "Dem geht es soweit gut. Gwen kümmert sich um ihn."
Gwen, sie war so ein gutes Mädchen.

Dankend nahm er das Wasser an. Er hatte seit langer Zeit nichts mehr getrunken und gegessen, was er merkte, als er den Becher ansetzte. Trotzdem ermahnte er sich, langsam zu trinken. Er wusste, wie übel es enden konnte, wenn er nun schlang. Still saß er einige Zeit im Bett. "Danke", brachte er schließlich hervor. "Wann wird er denn wieder da sein?" Er wollte sich jetzt niemandem öffnen. Den einzigen, den er gerade sehen wollte, war den Prinzen. Er musste ihm danken. Aber vermutlich interessierte er sich gar nicht mehr für ihn... er hatte bloß seine Pflicht getan.

"Das weiss ich nicht" antwortete Gwen, diesmal war es keine Lüge.
Letztes Mal waren es drei Tag, damals hatte mich mein Vater aber auch nur eingesperrt. Heute war es anders.
Alistar kümmerte sich um meine Verletzungen und blieb bei mir, den ganzen Tag, bis ihn gegen Abend der Kerkermeister warnte, das jemand käme und er sich hinter einer geheimen Tür versteckte. Es war mein Vater, der mich besuchen kam. Er sprach kein Wort, sah mich nur mit diesem immer selben, hasserfüllten Gesichtsausdruck an und wandte sich dann an den Kerkermeister. "Morgen früh kannst du ihn gehen lassen."

Kaum war der König gegangen, kam Alistar zurück.
"Du kümmerst dich um den Sklaven, ja?"
Natürlich würde Alistar das tun. Der Kerkermeister brachte mir eine Decke, die ich ablehnte. Mein Vater würde ihn bestrafen, würde er davon erfahren. Ich wollte nicht, dass er meinetwegen ärger bekam. Es reichte schon, dass Alistar ein solches Risiko einging.

Gwen blieb bei dem Sklaven, bis Alistar zurückkehrte und sie ablöste. Aus der Küche hatte sie zwischenzeitlich etwas zu Essen geholt. "Wie geht es ihm?" fragte Alistar das Mädchen. "Er fragt immer wieder nach dem Prinzen."
Er nickte. "Prinz Lijan ist gerade sehr beschäftigt" erklärte er mit fester Stimme. "Er wird erst morgen früh wieder Zeit für dich haben."

Natürlich er hatte kein Anrecht darauf, den Prinzen zu sehen. Er nickte, als der Diener ihm verkündete, dass der Prinz gerade keine Zeit für ihn hatte und erhob sich langsam aus dem Bett. Hier durfte er so oder so nicht liegen. "Verzeihung", entschuldigte er sich leise und blickte auf den Boden. "Darf ich mich waschen?", fragte er dann. Er sollte sich besser nützlich machen.
Gwen wechselte einen Blick mit Alistair, bevor sie begann ein Bad vorzubereiten und innerhalb einer Stunde war Quirin sauber und besaß neue Klamotten. Verwundert strich er über den weichen Stoff. Hoffentlich würde der Prinz morgen Zeit für ihn finden.

"Ich muss jetzt gehen" erklärte Gwen und verliess den Raum endgültig.
Alistar blieb mit dem Sklaven zurück.
"Wie heisst du eigentlich?" wollt er wissen, während er aufräumte und die alten Sachen des Sklaven weg räumte. Das Feuer im Kamin war fast ausgegangen und er entfachte es wieder. "Nicht, dass du heute Nacht frieren muss."
Für ihn war es klar, dass der Sklave hier bleiben würde und das Bett des Prinzen benutzte. Ersten hatte dieser ihn selbst dort hinein gelegt und zweitens, hatte der Sklaven Lijans Leben gerettet. Wahrscheinlich ahnte er nicht, wie dankbar er selbst ihm dafür war.
"Brauchst du noch irgendetwas?"

"Mein Name ist Quirin, Sir", meinte er leise. Auch er begann ein wenig aufzuräumen. Wie es schien würde er in den Gemächern des Prinzen warten. Das bedeutete immerhin, dass der Prinz ihn sehen wollte, auch, wenn er wohl lange auf ihn warten musste. Gwen war so lieb gewesen und hatte ihm eine warme Mahlzeit gebracht, die er dankbar entgegen genommen hatte. Hätte er Appetit gehabt, wäre sie womöglich die beste Mahlzeit seines gesamten Lebens gewesen. So allerdings konnte er sich kaum über sie freuen. "Nein danke", lehnte er demnach ab. Er würde einfach neben dem Bett auf den Prinzen warten. Am Morgen sollte er zurück sein.

"Ich bin Alistar und lass Sir weg. Du könntest mich damit in ernsthafte Schwierigkeiten bringen."
Alistar schob den Ärmel seiner Kleidung hoch und liess Quirin einen Blick auf das Mal an seinem Handgelenk erhaschen.
"Du solltest das Zimmer auf keinen Fall alleine verlassen. Im Grunde findest du hier alles was du brauchst. Solle dir doch etwas fehlen, zieh einfach hier dran." Er wies auf eine Kordel neben dem Bett. "Ich wird dann gleich bei dir sein."
Als er ging, nahm er etwas frische Kleidung für seinen Herren mit.
Quirin blieb allein zurück.

Früh am nächsten Morgen brachte mir Alistar etwas zum anziehen, damit ich wieder gesellschaftsfähig war.
Ich versuchte mir nichts von den vergangenen Stunden anmerken zu lassen als ich mein Zimmer betrat und den Sklaven neben meinem Bett vorfand.

Alistar schien sehr vertraut mit dem Prinzen zu sein, weshalb er ihn für einen Diener gehalten, nicht für einen Sklaven. Das Mal an seinem Handgelenk überraschte ihn daher umso mehr. Verstehend nickte er. Unter keinen Umständen würde er den anderen zu sich rufen. Immerhin war Quirin ein geflohener Sklave. Am Ende würde man noch vermuten, dass er Alistar falsche Ideen in den Kopf setzte, die man ihm wieder austreiben musste. Er wollte ihm keine Schwierigkeiten machen. Die Nacht war ruhig, und der Kamin spendete angenehme Wärme, sodass Quirin hin und wieder eindöste.
Doch als der Prinz sein Zimmer betrat war er wieder wach und erhob sich schnell. Er hätte nicht gedacht, dass er sich so freuen würde ihn zu sehen. "Guten Morgen", begrüßte er ihn leise und senkte seinen Blick zu Boden.