RE: In deiner Schuld - 6

Quirin räumte den Tisch auf, er wollte sich wohl nützlich machen. Ich stand hinter ihm. "Ich bin dir wirklich sehr dankbar. Wenn du mir nur eine Möglichkeit geben würdest, dir zu zeigen, wie dankbar ich dir bin." Obwohl ich wirklich auf jedes Wort und jede Geste des jungen Mannes geachtet hatte, hatte ich nichts bemerkt, keinen unterschwelligen Wunsch, keine noch so kleine Bitte. Ich betrachtete den Rücken des Sklaven. Ohne darüber nachzudenken strich ich seine Wirbelsäule hinab. Ich fragte mich, wie viel leid Quirin in seinem Leben schon ertragen musste. Freundliche Worte und Berührungen die nicht schmerzten schien er zu geniessen.

Als er die Hand auf seinem Rücken spürte erstarrte Quirin plötzlich und brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass es Lijan war. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen. Kurz atmete er durch, bevor er sich umdrehte. "Dass Ihr mir Schutz versprochen habt, reicht mir vollkommen... Ich gehöre euch." Er wollte kein Sklave sein, aber ein zweites Mal konnte er nicht fliehen. Man würde ihn wieder finden und wieder würden Menschen seinetwegen sterben. Kurz schaute er in das wunderschöne Gesicht, bevor er seinen Blick senkte und die Arme hinter seinem Rücken verschränkte.

Ich schloss über diese Worte für einen kurzen Moment die Augen. Die Art, wie er sprach, wie er ihn ansah, dann den Kopf senkte und die Hände auf den Rücken legte, jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Ich konnte nicht anders als sanft über seine Wangen zu streichen. "Ich werde nicht zulassen, das dir irgend jemand, jemals wieder Schmerzen zufügt" bestätigte ich nochmal und fragte mich ob Quirin nicht doch mehr war als ein Haussklave.
Es klopfte. Ich wandte mich von meinem Sklaven ab und rief: "Herein."
Alistar kam rein und stellte erfreut fest, dass fast alles aufgegessen und das Geschirr sogar zusammengestellt war. Sin Blick streifte und nur kurz. Er lächelte, nahm das Tablet und trat aus der Tür. "Kann ich sonst noch etwas tun?" fragte er.
Ich überlegte kurz. "Kannst du dich um Rose kümmern? Ich möchte nach dem Mittagessen vielleicht ausreiten."
Alistar nickte und liess uns allein. Warum kam er auch immer so ungelegen.

Am liebsten hätte Quirin diese Worte einfach angenommen. Er wollte Lijan glauben, und seinen Schutz akzeptieren. Immerhin war er der Sohn des Königs... er war also in einer sehr geschützten Position, und wenn er in dieser bleiben wollte, musste er dafür sorgen, dass Lijan ihn behalten wollte. Während Alistar kurz hineinkam blieb Quirin still. Wenn Lijan wollte, dass er jetzt das Geschirr abräumte, musste er es nur sagen. Doch es blieb still.
Er wollte wieder die Hand auf seiner Wange spüren, doch wagte er es nicht, sich zu bewegen. Er wollte dem Prinzen unbedingt gefallen. Und wenn er das schaffte, indem er der perfekte Sklave war, dann würde er sich nun anstrengen.

Quirin rührte sich nicht. Was hätte ich nicht alles dafür gegeben, seine Gedanken lesen zu können. Ihn beobachtend setzte ich mich aufs Bett. Ich konnte, wollte und durfte nichts von ihm verlangen, nichts fordern. Das war es aber, was er von mir erwartete. "Hast du Familie?" kam die Frage plötzlich über mich. Ich winkte ihn zu mir, klopfte auf den Platz neben mir. Natürlich kam er und setzte sich zögernd neben mich. Da es das einzige war, von dem ich wusste, das es ihm gefiel, begann ich wieder, sein Haar zu streicheln.

"Meine Mutter hat mehrere Kinder geboren, bevor sie mich bekam, aber viele sind gestorben, oder verkauft worden." Wenn er sich recht entsinnte, hatte ihr Herr zwei umbringen lassen, aber das wollte er nicht erzählen. "Meinen Vater kenne ich nicht. Habt Ihr Geschwister?" Plötzlich schämte er sich dafür, dass er nichts über den Prinzen wusste. Eigentlich sollte man meinen, dass jeder Mensch seine Geschichte kannte.

Er hatte also keinerlei Beziehung zu seiner Familie. Nun, viele Herren schrieben ihren Sklaven vor mit wem sie, wie viele Kinder welchen Geschlechts hatten. Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich habe keine Geschwister. Meine Mutter starb als ich 9 Jahre alt war. Ich vermisse sie sehr."
Ich strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Meine Hand glitt seinen Rücken hinab.
Ich liess mich nach hinten aufs Bett fallen, keine gute Idee. Mit schmerzverzerrtem Gesicht drehte ich mich auf den Bauch und hoffte, das Quirin nichts mitbekommen hatte. Ich stöhnte leise. Ich musste besser aufpassen. Alistar hat meine Wunden erst vor ein paar Stunden verbunden. "Du wurdest also schon als Sklave geboren" stellte ich fest. Kein Wunder viel es ihm so schwer zu verstehen, das er nun, nur dem schein nach ein Sklave war.

Quirin wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Scheinbar hatten sie beide große Verluste gemacht. Ein Vergleich war einfach nicht möglich. "Das tut mir leid", meinte er leise. Die Hand auf seinem Rücken jagte ihm einen wohligen Schauer über den Rücken. Als sein Herr sich nach hinten fallen ließ schaute Quirin ihn verwundert an. Offensichtlich hatte er Schmerzen. "Was ist los, Herr?", fragte er besorgt. Er drehte sich zu ihm um. Machten ihm die Verletzungen aus dem Lager noch zu schaffen? ER war immerhin nicht sonderlich nett und zuvorkommen behandelt worden.

Quirin hatte es bemerkt. Seine Besorgnis klang ehrlich. "Es ist nichts" antwortete ich und richtete mich schnell auf. "Eine alte Reitverletzung, die mich ab und zu etwas quält."
Sekundenlang schauten wir uns in die Augen. "Es ist wirklich nichts. Du hast bestimmt schlimmeres ertragen müssen, als ich."
Später würde ich Quirin weg schicken müssen, wenn Alistar sich meine Wunden ansehen wollte. Ich wollte nicht, dass er oder irgend jemand anderes als Alistar mich ohne Kleidung sah.

Aufmerksam schaute Quirin seinen Herren an. So ganz wollte er ihm das nicht abnehmen. Er wusste, wie Leute aussahen, die geschlagen worden waren. Über seine Erlebnisse wollte Quirin allerdings nicht sprechen. "Kann ich etwas tun?", fragte er also und drehte sich ein wenig, sodass er nun halb auf dem Bett saß.
Er selbst konnte nicht reiten, weshalb er auch nicht in der Lage war einzuschätzen, was mit Lijan passiert war, wenn er tatsächlich von einem Pferd gestürzt war.

Ich schüttelte den Kopf und öffnete das Band, das mein Haar zusammen hielt. "Nein, ist schon gut."
In den neuen Kleidern sah er wesentlich besser aus, als in den zerschlissenen Sachen, in denen ich ihn kennen lernte. Ich strich über den weissen Stoff an seinem Arm.
"Was soll ich nur mit dir machen?" die Frage richtete ich an mich, nicht an ihn. Ich mochte Quirin in meine Nähe, aber es war etwas beklemmend hier so zu sitzen und nicht zu wissen, was zun, oder was sagen. Ich wünschte Quirin würde mir ein Zeichen geben, irgendetwas.

Er mochte es vom Prinzen berührt zu werden. Das Streichen über seinen Ärmel elektrisierte ihn nahezu. "Soll ich das Geschirr und das Essen wegbringen, Herr?", bot er an, als Lijan sich selbst eine Frage stellte. Er selbst hatte bis jetzt immer Dinge zu tun gehabt. Ruhe kannte er nicht. Wenn er ehrlich mit sich war, machte ihn die Frage nervös, die der Prinz sich gestellt hatte. Er wollte nicht nutzlos sein.

Ich lachte. "Das hat Alistar doch schon gemacht."
Die Situation war verfahren. Wäre Quirin ein gewöhnlicher Sklave würde mir sicher viel einfallen, was er tun könnte, aber er war es nicht. Ich wollte ihm geben, was er sich wünschte, aber er wünschte sich nichts. "Ist dir kalt?" fragte ich als er leicht erzitterte, bei meiner Berührung. "Ich wüsste zu gerne, was dir durch den Kopf geht."

"Nein, Herr." Kurz schwieg er, dann beschloss er wenigstens zu versuchen sich zu öffnen. "Ich... ich weiß nicht, wie ich mich jetzt verhalten soll; l, ich brauche einen Befehl-" Er fühlte sich, als würde er seine Freunde verraten. "Bitte, Herr, sagt mir, was ich tun soll." Er war nicht in der Position zu bestimmen, was er zu tun hatte und was nicht. Und wenn er das Versprechen des Prinzen hatte, dass er sich um ihn kümmern würde, dann wäre es eine große Verbesserung zu seinem früheren Leben.

Quirin war durch und durch ein Sklave und er würde es wohl auch immer sein. Er konnte seine Wünsche nicht aussprechen, selbst wenn er es wollte. Ich beschloss, auf dem Aufzubauen was ich wusste. Ich liess meine Finger über seinen Rücken wandern. "Gefällt es dir, von mir berührt zu werden?"¨
Er würde mich nicht anlügen können. In seinen Augen konnte ich sehen, dass er nicht lügen konnte. Ich legte mich auf die Seite. "Möchtest du dich zu mir legen? Du hast die ganze Nacht auf dem Boden gelegen, etwas weiches würde dir gut tun.